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Karate unterm Weihnachtsbaum

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03.08.2003
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Karate unterm Weihnachtsbaum

Huiiiii – er rauschte den Kamin hinunter und wirbelte bei der Landung eine schwarze Wolke auf.
Santa Claus unterdrückte ein Husten. Verdammt, konnten die nicht wenigstens einmal im Jahr den Kaminkehrer kommen lassen.
Hoffentlich hatte keiner was gehört.
Vorsichtig erhob er sich, bereit, beim geringsten Geräusch wieder im Kamin zu verschwinden. Doch nichts geschah. Die Stube lag still und verlassen im silbrigen Mondlicht, das durch die Fenster rieselte.
In seinem schwachen Schein glitzerte der Weihnachtsbaum in der Ecke geheimnisvoll. Santa Claus nickte anerkennend. Alle Achtung. Das war ja einmal ein Baum! Schön gerade gewachsen, mit Sternen, Kugeln, Girlanden und Lametta festlich geschmückt und mit vielen, vielen Kerzen, die nur darauf warteten, den Baum in ihrem Glanz erstrahlen zu lassen. Einen Moment lang stand der bärtige Geselle einfach nur da und staunte. Dann besann er sich auf seine Aufgabe.
Ächzend und leise vor sich hin fluchend zog er den Sack aus dem Kamin und schleifte ihn quer durchs Zimmer auf den Baum zu. Diese Bälger wurden auch immer unverschämter. Mal sehen, was der hier von ihm haben wollte. Er schaltete seine Taschenlampe ein und konsultierte noch einmal das Buch der Wünsche. Hier stand es. Timothy Jails, acht Jahre alt, wünschte sich ein Computerspiel (The Ninja Fighters), zwei DVDs (KarateKid I und II), das Buch „Der Weg eines Kämpfers“ von Bruce Lee, eine Jahreskarte für den Karate-Club von Sealsfield. Santa Claus öffnete den Sack und begann zu kramen.
„Bist du Santa Claus?“
Das dünne Stimmchen ließ ihn erstarren, als wäre er ein Schokoladenweihnachtsmann.
Die größte aller möglichen Katastrophen – sie war eingetreten.
Das, was niemals geschehen durfte – es war geschehen.
Man hatte ihn gesehen.
Langsam drehte er sich um. Da stand der kleine Bengel, barfuß und im Schlafanzug, seinen Teddy gegen die Brust gedrückt, und sah ihn mit großen, unschuldigen Augen an.
Niemand, aber auch wirklich und ohne Ausnahme niemand, durfte Santa Claus bei seiner Arbeit beobachten. So stand es geschrieben. Und nun dies. Seine Berufsehre war soeben auf dem Müll gelandet.
„Ich bin nicht Santa Claus“, log Santa Claus.
„Und wer bist du dann?“
„Ein ... ein ... Ein...brecher!“
„Aaaaaiiiiiiiiiiii.“
Unter dem Kampfschrei des Jungen zerbarst die Stille. Bevor der Weihnachtsmann wusste, wie ihm geschah, fand er sich einige Flic Flacs Timothys später inmitten eines Tornados wieder – eines Tornados aus Handkantenschlägen und Fusstritten, die seiner Würde entschieden abträglich waren. Dieser verfluchte Satansbraten! Die Weihnachtsgeschenke! Er hätte gewarnt sein müssen. Ein Tritt gegen die Brust ließ ihn taumeln. Ein Schlag traf ihn schmerzhaft auf das linke Ohr. Die nächsten Schläge konnte er mehr schlecht als recht abwehren. Flucht! Den Sack wie eine Keule schwingend um sich den kleinen rasenden Teufel vom Leib zu halten, der ihn umsprang, trat er den Rückzug zum Kamin an. Zack, Klirr – eine Vase. Ein Rauschen und Knacken – der schöne Weihnachtsbaum, vom Sack gefällt – er sah es mit Bedauern. Fluchend rettete Santa sich in den Kamin. Ich werde zu alt für solche Sachen, dachte er. Das letzte, was er sah, bevor er nach oben sauste, war dieser Alptraum eines Jungen, der triumphierend die Fäuste schüttelte.
Im nächsten Jahr würde Timothy seine Weihnachtsgeschenke mit der Post bekommen, nahm er sich vor. Von ihm nicht mehr. Das hatte er nun davon.

 

Hallo Sturek!

Auch wenn die Idee wohl kaum neu ist - ich habe herzlich gelacht. Nur der letzte Satz

Und im nächsten Jahr bekam Timothy seine Weihnachtsgeschenke mit der Post.
scheint mir grammatikalisch nicht richtig. Ungelöst bleibt auch, was mit den diesjährigen Weihnachtsgeschenken wird.
Ich kann mir gut vorstellen, dass alle Kinder, die den Weihnachtsmann sehen, künftig ihre Weihnachtsgeschenke auf anderem Wege bekommen.

Sonst einige Kleinigkeiten: Rieselt Mondlicht ?

Seine Berufsehre war soeben auf dem Müll gelandet
finde ich sprachlich nicht so geglückt - meinetwegen in den Dreck getreten, aber auf dem Müll gelandet?

Hat mir gefallen, deine kurze Geschichte.

Lieben Gruß

Jo

 

Hallo Jobär,

schön, dass du lachen konntest.
Der Schluss hat mir unabhängig von seiner grammatikalischen Richtigkeit oder Falscheit ohnehin nicht so richtig gefallen, weil er noch einen Perspektivwechsel beinhaltet.
Habe ihn jetzt geändert.
Die anderen Dinge will ich erstmal so lassen, auch das Rieseln, weil ich es schön finde.

Weihnachtsgeschenke gibts übrigens trotzdem. Den Sack hat er ja gerettet.

Grüße
Sturek

 

Hallo Sturek,
Na, da hast du dich geirrt.
Das war nicht der Weihnachtsmann, sonder eine von dort ausgeschriebene Stelle für den Studentendienst.
Mann kennt das: Schnellkurs im Schornstein, theoretische Unterweisung, bei der man pennt und nur die Hälfte mitbekommt und dann, wenn es ernst wird, steht man da und weiß nicht recht was man machen soll.
Ich hab mich auch gefragt, warum der Weihnachtsmann den ganzen vollen Sack durch den Schornstein schieben muss, nur weil er drei Päckchen daraus braucht.
Der Postbote schleppt ja auch nicht sein ganzes Amt mit in die Wohnung, wenn er ein Einschreiben bringt.
Nee, wirklich… studentischer Aushilfsdienst!
Wahrscheinlich war der Typ auch noch bekifft, wenn der sich von einem Achtjährigen verprügeln lässt, der sich zu Weihnachten einen Karatefilm wünscht.
Und dann die Ausrede!!!! Einbrecher!!!!
Der Typ ist seinen Job los!

Anmerkungen:
………..
Mondlicht, das durch die Fenster rieselte.
………..
Diese Metapher passt selbst bei größter Anstrengung nicht.

………..
ein Baum, kerzengerade
vielen Kerzen,
……….
Vielleicht kann der Baum einfach nur schön gerade sein.

……….
ausverschämter.
……….
Ich glaube, dass diese Redewendung recht selten ist
Ich meine, unverschämt würde besser passen.

……….
Santa Claus, Santa Claus
……….
Vielleicht lässt sich dafür ein Synonym finden.

Eine Schmunzelgeschichte. Nett. :-))

Gruß
3

 

Mich hast du jedenfalls zum Lachen gebracht. :thumbsup:
Und Kinder, sie diese Geschichte lesen, werden sie sicher klasse und lustig finden. ich finde die Mondlicht Metapher ok. Die letzten zwei Sätze waren etwas holprig.

Frohes Fest

Fee :engel:

 

Hallo!

@ Dreimeier:
Aus der Sache mit dem studentischen Hilfsdienst solltest du unbedingt eine Geschichte machen :D
Der Weihnachtsmann lässt seinen Sack eben nicht ohne Aufsicht. ;)
Ich war schon drauf und dran, das "rieselte" zu ändern, aber Anna-Fee findet es auch ok...
Das andere habe ich aber beherzigt und geändert.

@ Anna-Fee:
Dank auch für deinen Kommentar: Wenn Kinder über meine Geschichte lachen würden, wäre das für mich das höchste Lob.

Grüße
Sturek

 

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