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Kapsel

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24.08.2012
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Kapsel

Bastian saß am Küchentisch und wartete auf Sie. Vor ihm das Glas, mit dessen Inhalt er die Kapsel heruntergespült hatte. Er hatte versucht, sich Ihr zu entziehen. Sie würde es wissen und Sie würde darüber hinwegsehen. Jedes Mal verzieh Sie ihm. Er ballte die Hände zu Fäusten und klopfte sich gegen die Stirn. „Du schmeißt deine Seele weg“, mahnte er den gekachelten Boden.

In der Kantine wischte ihm sein Kollege mit dem Daumen über die Wange. Gegen den Strich, so dass die Bartstoppel knisterten. „Mensch Bastian, du siehst schlecht aus! Wieder Streit mit Ihr gehabt, ja?“ Bastian hatte versucht, den Arm abzuwehren, dabei Suppe verschüttet. Bevor er antwortete, tunkte er den Klecks mit einer Serviette auf, rückte sein Tablett zurecht: „Sie ist eine Ansammlung von Molekülen. Man kann nicht mit Ihr streiten.“ Sein Kollege grinste und mischte sich Dressing unter den Salat: „Und was bist du anderes? “

Hinter dem Küchenfenster war der Nachthimmel braun vom Licht der Stadt. In der Spüle lief das Wasser. Bastian hatte das Glas in der einen, die Kapsel in der anderen Hand. Vom Schweiß seiner Finger war die Hülle klebrig geworden, saugte an den Fingerkuppen, als er sie dazwischen rollte. „Ich kann Dich einfach wegwaschen, hörst du?“ Das kleine weiße Ding antwortete nicht. Bastian leckte sich über die Lippen. „Wäre ganz leicht ...“ Vor seinem inneren Auge wurde die Kapsel vom Wasserstrahl erfasst und verschwand im Abfluss. Er füllte das Glas.

„Es ist einfach nicht richtig!“ Bastian schnalzte mit der Alulasche seiner Bierdose. Er saß mit seinem Bruder auf der Brüstung im Stadtpark, von der sie auf die Schnellstraße sehen konnten. Weiße und rote Lichter im Gegenstrom. „Aber wenn Sie dich doch glücklich macht?“, meinte sein Bruder träge. Bastian antwortete mit dem Zischen seiner Bierdose. An dem Hochhaus gegenüber war eine Tafel, die Sie mit dem Slogan bewarb: Es ist genug für Alle da. Bastian kippte einen Schwall Bier hinunter: „Eine verdammte Illusion, das ist Sie!“ Sein Bruder lachte, machte mit der Dose einen Schwenk über die funkelnde Stadt: „Kleiner, das da ist alles nur in deinem Kopf.“

Er stürzte ins Badezimmer und fiel vor der Toilette auf die Knie. Deckel und Brille klirrten gegen die Wand. Vielleicht war es noch nicht zu spät. Er steckte sich zwei Finger in den Mund. Bastian würgte. Speichel rann seine Hand hinab.

Im Gedränge der U-Bahn waren alle freundlich. Dank der Kapsel wussten sie, dass es ihnen gut ging. Der sanfte Blick, mit dem sie die Nachrichten auf dem Schirm verfolgten, brachte Bastian dazu, an seinen Fingernägeln zu kauen. Die Probleme der Welt wurden leicht in Ihrer Umarmung. Sie würde einem auch dabei helfen, sich zu rasieren, einzukaufen und den Müll herunterzubringen. Eine täglich und alles war gut. Seit das Gehirn keine Geheimnisse mehr hatte, war jeder Zustand synthetisierbar. Wahrnehmung, Bewusstsein, Erinnerung zum Schlucken - Pharmatainment.

Er hielt sich am Oval der Kloschüssel fest, Spuckefäden verbanden seinen Mund mit dem Wasser, zitterten bei jedem Atemzug. Sein Gaumen war wund und er hatte es nicht geschafft. Sie war bereits in seinem Kreislauf, überwand die Blut-Hirn-Schranke und war da, stand hinter ihm. Als Sie ihm durchs Haar strich, wich die Anspannung aus seinen Schultern. Mit der gleichen Geste hatte seine Mutter ihn als Kind getröstet. Er wischte sich über den Mund und lehnte sich zurück. Mit Ihrem Bauch an seinem Hinterkopf schloss er die Augen. Sie strich ihm über die Brust: „Hattest du wieder diesen schlimmen Traum?“ Bastian nickte. Ihr Duft war wundervoll, als Sie ihm einen Kuss auf den Scheitel gab: „Komm zurück ins Bett.“

Summend band sich Bastian morgens die Krawatte. Er öffnete das Fenster um die Vögel zu hören und die Autos auf dem taunassen Asphalt. Ihre Reifen klangen, als würde ein Kind mit einem Reißverschluss aus Gummi spielen. Am Zaun der Siedlung fing sich das Sonnenlicht in glänzenden Stacheldrahtrollen. Es roch nach Ozon und frisch gemähtem Gras. Zwei Militärjets zertrümmerten den Himmel, flogen zur Stadt, die unter ihrer Dunstglocke flirrte.
Es würde ein herrlicher Tag mit Ihr werden.

 

Hi,

Er saß am Küchentisch und wartete auf Sie. Vor ihm das Glas, mit dessen Inhalt er die Kapsel heruntergespült hatte.
Das großgeschriebene „Sie“ ist eine Höflichkeitsform, die ist der direkte Rede vorbehalten.
Es gibt - manche machen das – auch noch ein „SIE“ (alles großgeschrieben) im Sinne einer großen Verschwörungstheorie.

Bevor er antwortete, tunkte er die Lache mit einer Serviette auf
„Lache“ ist ein schwieriges Wort, weil das eines der wenigen Worte in der deutschen Sprache ist, bei denen es zwei komplett verschiedene Bedeutungen hat, je nachdem, wie man es ausspricht (man nennt das Homonym.
http://de.wikipedia.org/wiki/Homonym
Die Lache – die Art, wie jemand lacht; und die Lache – eine kleine Pfütze.
Man umgeht das meist dadurch, dass man eben nicht schreibt „Er wischte die Lache auf“, sondern „Er wischte die (…)-Lache auf. Blutlache z.b.
Wenn man das nicht macht, werden manche Leser an der Stelle vom Text hochgucken und dann legen sie den Kopf schräg und denken darüber nach, was das jetzt ist mit Lache oder Lache und dann sind sie einfach nicht im Text. Das will man als Autor vermeiden.

Er saß mit seinem Bruder auf der Brüstung im Stadtpark, von der sie auf die Schnellstraße sehen konnten.
Hier mal einen Tipp, gut gemeint. Ortswechsel, neues Personal einführen und so: In Kurzgeschichte ganz vorsichtig damit umgehen. Du hast Absätze von 4-5 Zeilen, und das ist jetzt der 3. Ort, an dem du bist.
Beobachte mal bei dir selbst, wenn du liest, wie lange du brauchst, um eine Szene zu verorten – räumlich und zeitlich, und das Personal dann zu sehen. Das sind sehr wichtige Prozesse, die durch kurze Absätze, Zeitsprünge und häufige Orts und Personalwechsel extrem erschwert werden.
Ich weiß, dass ist chic und so, aber es ist unheimlich fordernd für den Leser. Grade wenn du das nur so kurz verortest mit „Küchentisch“ „In der Kantine“ und den Figuren auch keine Namen gibst (Im 1. Absatz nur „er“, nicht Bastian, im 2. Absatz „der Kollege“ usw.).
Also das ist extrem schwierig, so einem Text zu folgen.

Ja, im Prinzip hättest du den ganzen Text auch als 8 Wort-Geschichte schreiben können.

Du hast eine Idee, gibst ihr aber überhaupt keinen Raum zu wirken. Und eigentlich stellst du ja nur diese Idee vor und präsentierst sie. Eine Pille mit einer implementierten Erinnerung an die eigene Mutter. Eine Art Halluzination.
Das könntest du auch schon im ersten Satz sagen, aber statt dessen machst du aus dieser einzigen Idee, die du hast, die Pointe und enthüllst sie erst am Schluss, so dass der Leser sich gar keine Gedanken über die Implikationen dieser Idee machen kann, sondern dann am Ende nur die Pointe sieht.
Ich finde gerade bei SF und Fantasy-Szenarien ist die extrem kurze Form äußerst problematisch. Weil zu beiden Kategorien immer auch Weltenbau gehört, Atmosphäre, sich in das Szenario einzuleben, wenn man darauf als Autor verzichtet, weil man gar keinen Platz hat, dann ist es oft arg kurz gesprungen.

Also du hast hier diese eine Idee. Das ist eine sehr gute Idee mit vielen Implikationen, das eröffnet einige Möglichkeiten von dieser Idee aus, eine Geschichte zu spinnen (diese Erinnerungen durch Drogen bzw. Technologie sind auch Bestandteile von SF-Filmen und Literatur, man kennt also Bearbeitungen dieser Ideen auch)..
Darauf verzichtest du aber total, sondern du baust nur ein notdürftiges Konstrukt um diese Idee, damit du sie dem Leser als „Pointe“ servieren kannst, im Sinne von: Da überlegt einer, ob er etwas macht, und ihr müsst raten, was es ist, und am Ende sage ich es euch dann.
Das ist keine sehr befriedigende Konstruktion für eine Geschichte.
Das ist ein bisschen wie diese unrühmliche Geschichte, in der eine Seite lang beschrieben wird, wie jemand pustet und bläst – und der Leser denkt, es geht um Oralsex, und am Ende kommt raus, der Protagonist bläst eine Luftmatratze auf.

Ich hätte die Idee gerne ausgeführt gelesen. Auf viel mehr Raum. So ist das eine Geschichte, die nicht hängen bleiben wird.

Gruß
Quinn

 

Hi Alaglast!

Es ist seltsam, der Text gefällt mir bei mehrmaligem Lesen besser. Irgendwas an deiner Art zu schreiben gefällt mir sehr gut, ohne, dass ich das näher begründen könnte (erfahrungsgemäß verlangt ein Autor für ein "gefällt" ja auch keine Begründung, das will man immer nur bei "gefällt nicht" ;) ).

„Du schmeißt deine Seele weg“, mahnte er den gekachelten Boden.
mahnte passt hier nicht. Er sagt das in Richtung des Bodens. Er ermahnt ja eigentlich sich selbst.

In der Kantine wischte ihm sein Kollege mit dem Daumen über die Wange. Gegen den Strich, so dass die Bartstoppel knisterten.
Die Vorstellung fand ich sehr befremdlich. Ich hab noch nie beobachtet, dass sich zwei Kollegen in der Kantine mit den Fingern im Gesicht rumstreicheln. Wenn dieser Kollege sich diese Intimität so einfach herausnimmt, dann schwingt da eine Menge Interessantes mit (über die Persönlichkeit des Kollegen und über die Beziehung des Kollegen zu Bastian). Da aber nix davon später nochmal auftaucht (und das hier ein Forentext ist), war mein Gedanke, der Autor hat sich darüber kaum Gedanken gemacht.

„Mensch Bastian, du siehst schlecht aus! Wieder Streit mit ihr gehabt, ja?“
"ihr" müsstest du hier groß schreiben, wie sonst im Text auch.

„Sie ist eine Ansammlung von Molekülen. Man kann nicht mit ihr streiten.“
Dito "Ihr". Und es erscheint mir wie Quatsch. Wenn Sie durch die Kapsel heraufbeschworen wird, also eine Halluzination/Einbildung/wasweißich ist, dann besteht Sie eben NICHT aus Molekülen. Da hast du dich vertan, oder?

Sein Kollege grinste und mischte sich Dressing unter den Salat: „Und was bist du anderes? “
Gefällt mir gut vom Rhythmus.

Hinter dem Küchenfenster war der Nachthimmel braun vom Licht der Stadt.
Witzig, der Satz funkioniert bei mir, aber wenn ich drüber nachdenke, fallen mir nur Gründe ein, aus denen er eigentlich nicht funktionieren sollte. Vielleicht mag ich den Satz, weil ich so ähnlich rede.
Wenn ich bewusst drüber nachdenke, dann fällt mir auf, dass die Formulierung "hinter dem Küchenfenster war der Nachthimmel" eigentlich blödsinnig ist. Und Nachthimmel sind verdammt selten braun vom Licht der Stadt. Eigentlich nur bei einem bestimmten Wetter und wenn die Stadtlichter ins Rötliche gehen. Ich hab schon so viele Schattierungen an städtischen Nachthimmeln gesehen (bzw. an den tiefhängenden Wolken, die das Licht ja reflektieren), aber so ein sattes Braun fast nie. ABER ich hab's mal gesehen, und deswegen gefällt mir der Satz und ergibt ein ganz bestimmtes Bild.

Weiße und rote Lichter im Gegenstrom.
Den mag ich auch.

Er stürzte ins Badezimmer und fiel vor der Toilette auf die Knie. Deckel und Brille klirrten gegen die Wand. Vielleicht war es noch nicht zu spät. Er steckte sich zwei Finger in den Mund. Bastian würgte. Speichel rann seine Hand hinab.
Das ist mir zu dramatisch inszeniert.

Im Gedränge der U-Bahn waren alle freundlich. Dank der Kapsel wussten sie, dass es ihnen gut ging. Der sanfte Blick, mit dem sie die Nachrichten auf dem Schirm verfolgten, brachte Bastian dazu, an seinen Fingernägeln zu kauen. Die Probleme der Welt wurden leicht in Ihrer Umarmung. Sie würde einem auch dabei helfen, sich zu rasieren, einzukaufen und den Müll herunterzubringen. Eine täglich und alles war gut. Seit das Gehirn keine Geheimnisse mehr hatte, war jeder Zustand synthetisierbar. Wahrnehmung, Bewusstsein, Erinnerung zum Schlucken - Pharmatainment.
Das ist hübsch gemacht, aber eigentlich zu dicht erzählt. Alle nehmen eine happy pill täglich und werden dadurch sanft und harmlos wie Lämmer, Bastian sieht das und wird durch diese Gesellschaft zum Fingernägelkauen getrieben - da steckt viel Potential in der Idee. Auch "Die Probleme der Welt wurden leicht in Ihrer Umarmung" und wie beschrieben ist, dass die Kapsel bei der Alltagsbewältigung hilft - das ist schöner Stoff, und hier auch sehr schön formuliert, allerdings hab ich beim ersten Lesen einfach drüber weggelesen.

Als sie ihm durchs Haar strich, wich die Anspannung aus seinen Schultern. Mit der gleichen Geste hatte seine Mutter ihn als Kind getröstet. Er wischte sich über den Mund und lehnte sich zurück. Mit ihrem Bauch an seinem Hinterkopf schloss er die Augen. Sie strich ihm über die Brust: „Hattest du wieder diesen schlimmen Traum?“ Bastian nickte. Ihr Duft war wundervoll, als sie ihm einen Kuss auf den Scheitel gab: „Komm zurück ins Bett.“
Du solltest die Großschreibung schon konsequent durchhalten.

Ihre Reifen klangen, als würde ein Kind mit einem Reißverschluss aus Gummi spielen.
Es gibt Reißverschlüsse aus Gummi? Klingt wie Unfug. Hm, das ist jetzt eins von diesen deinen schiefen Bildern, die bei mir nicht klappen.

Am Zaun der Siedlung fing sich das Sonnenlicht in glänzenden Stacheldrahtrollen. Es roch nach Ozon und frisch gemähtem Gras. Zwei Militärjets zertrümmerten den Himmel, flogen zur Stadt, die unter ihrer Dunstglocke flirrte.
Es würde ein herrlicher Tag mit Ihr werden.
Das ist noch so eine Stelle, "hübsch", aber hier zu dicht erzählt, bleibt hinter ihrem Potential. Was muss das in Wirklichkeit für eine Welt sein, in der Bastian da lebt, wo die Siedlung mit Stacheldraht umzäunt ist, Kampfflugzeuge durch den Himmel donnern und die Stadt - vermutlich - unter Smog erstickt. Aber dank der Pille ist Bastian ein Lämmchen, teil der fügsamen Gesellschaft. Das ist schon guter SF-Stoff. Aber den setzt du nicht in Szene. Darum hätte sich der ganze Text drehen sollen. Stattdessen inszeniert du es als Überraschung, dass die Kapsel eine Frauenerscheinung Mutter/Geliebte heraufbeschwört (was nicht als Pointe taugt).
Darin seh ich das strukturelle Problem: die lahmste Idee im Text wird als Überraschung inszeniert und zur Pointe aufgeblasen, das interessante Zeug (Stacheldraht um Wohnsiedlungen, militärischer Konflikt, chemisch gefügig gemachte Menschen) wird dem Leser in wenigen Sätzen hingeworfen, so dass man dazu neigt, es komplett zu überlesen.

Trotzdem: ich mag deinen Stil :)

LG,
MG

 
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Dann will ich mal,

Hallo Alaglast, mehr noch als in der Geschichte vorher, die ich kommentiert hatte, finde ich, dass du mit deinen Formulierungen und Bildern schöne Stimmungen schaffst.
Das fiel mir schon beim/nach dem ersten Lesen auf, gleichzeitig stand ich aber etwas ratlos da, hatte so ein Unbehagen. Meine Vorredner haben das in Worte gefasst: Ich hab mich einfach um eine Geschichte betrogen gefühlt. Da war eben nur diese Sprache und die Bilder und die Pointe. Und wenn man sich auf die letztere stützt, dann gehen die Bilder, die du erzeugst, so komisch in die Leere. Das find ich total schade.
Denn allein diese Vorstellung, dass man immer so eine Tablette nimmt, und sich dann wohlfühlt, alles ruhiggestellt ist, das könnte Stoff für eine gute Geschichte sein. So weit weg von dem, wie es heute ist, ist das ja übrigens gar nicht. Man müsste noch nicht mal eine Science fiction Geschichte schreiben.
Und der Kampf gegen dieses pharmatainment, so als Kampf gegen diese Halluzination, vielleicht sogar personalisiert, da ging ja vielleicht auch was in die Richtung, das könnte man toll ausreizen.

Also ich hab das sehr interessiert und gern gelesen, aber das Schreiben auf die Pointe reduziert die Möglichkeiten deiner Idee.

Eines möchte ich noch unterstreichen, Quinn schrieb, dass man nicht so oft den Ort wechseln sollte, ich hätte es nicht so analysieren können, aber ich finde, er hat Recht, eine gewisse Desorientierung hatte ich auch, ich sprang immer so ein bisschen nach oben, war wie so kleine Splitter nur, die man nicht richtig zuordnen konnte. Wie man das in dieser Originalgeschichte regelt? Keine Ahnung. Musst du wohl eine umfassendere Geschichte draus machen! :lol:

Noch ein paar Stellen, die ich besonders interessant fand:

„Du schmeißt deine Seele weg“, mahnte er den gekachelten Boden.
Möchtegern fand es nicht so gut und es stimmt ja, richtig präzise ist es nicht. Und trotzdem gefiel es mir, ich sehe da einen Mann vor mir, der mit sich selbst redet, ganz allein, mit nichts als dem Bild auf dem Küchenboden als Stütze für sein Aufbegehren.

In der Kantine wischte ihm sein Kollege mit dem Daumen über die Wange. Gegen den Strich, so dass die Bartstoppel knisterten.
Auch das wurde schon erwähnt. Ich dachte sofort, he, wie sind die denn drauf, wenn ich mir vorstelle bei meinem Job, das ist schon eine sehr intime Geste. Ich finde es toll, wie du das beschreibst, man hört die Stoppeln ja förmlich, und gleichzeitig denke ich, verpasste Chance. Den Grund hat Möchtegern genannt.

„Sie ist eine Ansammlung von Molekülen. Man kann nicht mit ihr streiten.“ Sein Kollege grinste und mischte sich Dressing unter den Salat: „Und was bist du anderes? “
:D
Hier dachte ich beim ersten Lesen noch, er redet von einer Frau und fand das die orginellste Beschimpfung seit langem.

Hinter dem Küchenfenster war der Nachthimmel braun vom Licht der Stadt.

Auch das fand ich schön, auch wenn das Phänomen äußerst selten ist, ist ja schon gesagt worden. Hier kann man sich die Verschmutzung der Luft durch weißderkuckuckwas vorstellen in dieser science fiction Welt.


Er hielt sich am Oval der Kloschüssel fest, Spuckefäden verbanden seinen Mund mit dem ungetrübten Wasser, zitterten bei jedem Atemzug.

Die Spuckefäden, die sich mit dem Wasser in der Kloschüssel verbinden, finfe ich toll. Aber hier bin ich über das ungetrübte Wasser gestolpert. Man könnte es doch weglassen. Wenn man direkt reinbricht, ist es doch immer ungetrübt. Ich kenne Katzen, die saufen das Wasser aus der Kloschüssel, weil es so herrlich ungetrübt ist, die kleinen Feinschmecker.

Er öffnete das Fenster um die Vögel zu hören und die Autos auf dem taunassen Asphalt. Ihre Reifen klangen, als würde ein Kind mit einem Reißverschluss aus Gummi spielen. Am Zaun der Siedlung fing sich das Sonnenlicht in glänzenden Stacheldrahtrollen. Es roch nach Ozon und frisch gemähtem Gras. Zwei Militärjets zertrümmerten den Himmel, flogen zur Stadt, die unter ihrer Dunstglocke flirrte.

Klar, das ist Frankfurt. :D

Ich wünsch dir was.
Liebe Grüße Novak

 
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Hallo zusammen,

danke für eure Kommentare ^_^

@Sie ist nicht sie
Ich würde meinem Fließtext nie etwas vorenthalten, das ihm meiner Meinung nach gut steht. Allerdings hätte ich konsequent sein sollen. Bei "ihrem Bauch" und ein paar Sätze später habe ich es einfach vergessen, bei der direkten Rede der Figuren habe ich's aber vollkommen verschwitzt.

@Lache
Dass ich nicht Lache schreiben kann, wenn im Satz vorher etwas verschüttet wurde, da wäre ich nicht drauf gekommen. Pfütze passt mir von den Dimensionen irgendwie nicht... Klecks? Ich versuch's mit Klecks.

@Sprünge
Im ersten Abschnitt hätte ich ihn aber "Bastian" nennen sollen, das stimmt schon.

Das Zeitschema ist: 2 - 0 - 1 - 0 - 3 - 0 - 4 - 5. Der Dreher am Anfang sollte zusammen mit dem Inhalt rüberbringen, dass sich die ganze Geschichte auch schon mehrmals abgespielt haben könnte. Dann würde nämlich der zeitliche wieder zum geschichtlichen Verlauf passen. Die Nuller sind die zeitlich nicht einzuordnenden Perioden, in denen es der Figur schlecht geht. Nach der Kapsel geht's von der 4 einfach zur 5, weil sie ihn glücklich gemacht hat. Mhm... naja, ich hab einen vermutlich unguten Hang zum konstruieren.

Habe mich das aber getraut, weil die Geschichte so kurz war. Meine Hoffnung war, dass man sie vielleicht zweimal liest und beim zweiten Mal dann schon einen anderen Blick auf das Geschriebene hat. Den Effekt liebe ich an kurzen Stücken.

@der zudringliche Kollege
In einer Welt, in der selbst intime und profunde Erfahrungen in Schachteln gekauft und konsumiert werden können, in der dafür auf großen Plakaten geworben wird, was für einen Respekt sollte man dem Gefühlsleben, der Privatsphäre, noch entgegenbringen? Das war die Idee hinter dem Kerl, der einem beim Essen einfach in's Gesicht langt.

@Ansammlung von Molekülen
Wenn ein paar Gramm Wirkstoff dir die Erfahrung einer echten, erfüllten Liebesbeziehung geben, sind die dann nicht mehr wert, als die paar dutzend Kilo unhöflicher Biomasse Kollege?
Der Dreh ist gerade, dass Bastian meint, sie (äh, Sie) ist nicht echt, sondern nur ein chemischer Cocktail, der in seinem Gehirn etwas verstellt. Der Kollege hat sie aber als Person akzeptiert und denkt sich nix dabei, als er meint, man könne mit ihr sogar streiten. Was wir ja nur mit anderen Menschen tun würden.

Und dann frägt er noch belustigt, ob Bastian denn irgendwas anderes sei, als ein haufen denkender Moleküle. Das gleiche Motiv wird auch im ersten Abschnitt beleuchtet mit der Seele und im vierten durch das "alles nur in deinem Kopf".

@Hinter dem Fenster (...) braun vom Licht
Darüber habe ich garnicht nachgedacht. Eigentlich hast du Recht. Vermutlich funktioniert es, weil die Welt, zu welcher der Nachthimmel gehört, trotzdem "hinter" der Scheibe ist. Der Nachthimmel erscheint braun, wenn genug Partikel in der Luft sind, die das Natriumlicht reflektieren: Luftverschmutzung und viel billige Beleuchtung. So jedenfalls, hab ich's im Kopf. Wo hast du's gesehen? Städtischer Nachthimmel ist ein geiles Thema. :)

@Gummireißverschluss
Dieses klitschige Geräusch... ich such was besseres. *grübel*

@ungetrübtes Wasser
Wenn er gekotzt hätte, wär es getrübt. Dachte ich mir jedenfalls. Aber eigentlich unnötig, da hast du recht. Direkt danach steht ja, dass er es nicht getan hat.


@Pointe
Mhm... ich mag Geschichten, in denen mehr Möglichkeiten vorgestellt werden, als ausgearbeitet. Deswegen das Anzupfen vieler Fäden. Der Kern der Geschichte war für mich, dass ein anachronistisches Individuum nicht mit dem Strom schwimmen will, sich nicht degradiert wissen möchte zum Molekülhaufen, dessen Innenleben von einer Kapsel gesteuert wird. Aber die Versuchung ist zu stark und am Ende ist er eben ...... glücklich.


Gebäude groß, du bist klein.
Meine Jungs aus Frankfurt am Main
wissen, was ich mein...

;)

Liebe Grüße und nochmal vielen dank!
Alaglast

 

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