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Serie Kampf gegen Underwood II

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16.11.2003
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Kampf gegen Underwood II

Zweiter Versuch (Ein Bericht über Underwood)

Wir schlagen die Seite auf und sehen einen Versuch, den Kampf zu gewinnen:

"Ein junger Mann wurde durch Underwood getötet", sagte er zu mir. "Wie arglos muß er gewesen sein ?" fragte ein anderer. Ich hingegen zögerte.

Da Underwood –wie ich Ihnen bereits darstellte- nur eine Schreibmaschine ist, kann es eigentlich nicht sein, dass er verändert, streicht oder verheimlicht. Aber dennoch ist es geschehen, behauptet der Autor. Als Beweis führte er zu späterer Zeit einen Auszug einer eigentlich zusammenhängenden Erzählung an. Er deutete an, dass er sich natürlich nicht sicher sein könne, ob Underwood in diesem Fall sabotierte, denn würde Underwood von dieser Untersuchung erfahren, so würde er gewiß alle Worte und Zeilen sich selbst überlassen, um nicht entlarvt zu werden. Dies sind die Auszüge der Erzählung, von der Sie sich vielleicht ein besseres Urteil bilden können:

Wir sind gute Freunde.
Wir teilen alles miteinander.
Einsamkeit ist uns fremd,
Meiner Feder und mir.

In der Taverne

Grauer Rauch und der Geruch von Tabak und Schnaps teilten sich die Luft in einer kleinen Taverne, die ich betrat. Vor dem Regen würde sie mich schützen, auch wenn ich nicht eine einzige Münze in meinen Händen hielt, die ein warmes Mahl ermöglicht hätte. Fast alle Plätze waren besetzt, ich hielt also auf die Theke zu. Doch bevor sich sie erreichen konnte, griff die feste Hand eines Gastes nach meinem Regenmantel. Ich sah in das alte Gesicht eines großen Mannes, der mein Gewicht leicht hätte verdreifachen können. Der Schemel unter ihm bohrte sich allmählich in das Gesäß. Sein Leib hing wie der eines Bären hinab und berührte schon den Boden. Das Gesäß indes faltete sich wie eine nasse Decke um den Schemel, den man bald nicht mehr sehen konnte. Die Ärmchen hingen dürr am riesigen Körper, die mich ergreifenden Hände waren wiederum einem Stück Wurst nicht allzu unähnlich. Mit den kleinen Füßen strampelte er an den Boden, denn die dünnen Beine waren kleiner als der aufgeblasene Oberkörper, welcher schon bebte vor dem ersten Satz, den er sprach: „Regnet es denn immer noch ?“ Ich betrachtete ihn immer noch und hätte fast seine Frage vergessen. „Ja, immer noch regnet es“, entgegnete ich. Er ließ mich los. Dann deutete er auf einen letzten freien Schemel an seinem Tisch. Wir lauschten der Musik und dann erzählte der Wirt eine seiner Geschichten.

Der Hund

Es war einmal ein Hund. In diesem Winter war es sehr kalt, der Hund fror und zitterte am ganzen Leib. Hätte der arme Hund ein Dach über dem Kopf, er wäre wohl an diesem Tag nicht vor die Türe gegangen. Nach einem langen Weg durch den Norden erreichte er endlich ein Dorf. Er klopfte bei den Pferden, aber die hörten ihn nicht. Er klopfte bei den Gänsen und Hühnern, aber die lachten nur. Er klopfte bei den Schweinen, aber die waren gerade zu sehr beschäftigt mit der Politik. Bei den Katzen hingegen klopfte er nicht. Lieber erfror er und starb. Dass eine Katze, die ihn fand, das bedauerte und ihn eingelassen hätte, hätte ihm ganz sicher nicht gefallen.

An der Mauer

Der dicke Mann hob seinen Leib und stand auf. Schemel und Tisch brachen zusammen. Er bezahlte für uns beide die Rechnung und führte mich hinaus in die warme Sonne. An einer Mauer blieb er stehen und zögerte.

An einer grauen Mauer stehen,
Glücklich sein.
Die Augen nicht zu sehen,
Die unaufhörlich starren.
Mit Glück genießen,
Sich im Elend baden.
Dies alles macht eine Mauer so bunt.

Dann schlug er mit seiner Faust gegen meinen Kopf. Ich prallte an der Mauer ab und griff ihn an. Der Kampf ging nicht lang, ich war siegreich und erdrückte den kleinen Wurm.

(Ein Kopf hat natürlich keine Antworten zu geben. Er hat auch keine Fragen zu stellen. Wozu wir einen Kopf haben, das zeigt sich daran, dass wir immer dann gegen ihn schlagen, wenn wir weder eine Antwort kennen noch eine Frage haben.)

Der Wurm

Es regnet. Ich liege auf einem nassen Feld. Nebel und Rauch haben sich langsam verzogen. Ich sehe in die Welt und finde dabei einen Regenwurm. In der Nähe eines Toten liegt er und stirbt. Ich bin ihm ähnlicher als einem Menschen in diesem Krieg. Ich bin ganz sicher selbst der Wurm. Dass die Sonne aufgeht und einen Regenbogen schimmern lässt, das bemerken wir alle nicht mehr.

(Ein nachdenklicher Mensch würde die Liebe anzweifeln. Sie ist schrecklich, wenn sie das letzte Heilmittel ist für den, der wegen der Liebe das Denken aufgegeben hat.)

Spaziergang

Nachdem er den kleinen Mann zerdrückt hatte, wälzte sich der Riese den Weg entlang und traf auf einen Wartenden. Der Wartende reichte ihm die Hand, denn hier wollten sie sich schon seit Stunden treffen. Gemeinsam spazierten sie in den Park. Dort reichten sie einander wieder die Hand. Mit der anderen Hand aber griff der Wartende einen Stock und schlug ihn dem Riesen auf den Kopf. Der Riese fiel in einen kleinen Bach, der ihn fort spülte.

(Aufgeregt und vollkommen verwirrt ist man, wenn man eine solche Nachricht bekommt. Noch aufgeregter wird man beim Öffnen des Umschlags, dessen Stempel verwischt ist und der ansonsten gar nicht beschriftet ist. Und weil man zu aufgeregt und verwirrt ist legt man sie ungelesen lieber auf die Seite –oder besser in den Müll- und wartet auf eine erfreulichere Nachricht.)

Ich habe mit dem Autor gesprochen, ob er zufrieden damit sei. Er sagte dann:

„Ein junger Mensch wird immer verraten werden.“ Dann klopfte er mit dem Zeigefinger auf den Tisch. Schließlich sah er rüber an den Schreibtisch. Dort stand besagter Underwood. Ich selbst konnte an dem Ding nicht entdecken, was eigenartig zu bemerken wäre.

Dann gab er mir noch einen Text, den er selbst nicht verstand, denn Underwood habe ihn allein geschrieben, versicherte er:

Ich

Ich ging den gewohnten Weg, begegnete den fremden Menschen, denen man gewöhnlich mit einem scharfen Blick sagt, sie sollen verschwinden. Er ging seinen gewohnten Weg, als Ich ihn aufforderte, zu verschwinden. Da gab Er Ich zu verstehen, dass er ja auch das Recht habe, hier seinen Weg zu gehen. Wir prügelte sich.
Als ich dann des Weges kam, da war er frei. Ich brauchte mich mit keinem der drei Herren messen.

Und die:

Verzweiflung

Natürlich war es falsch von diesem jungen Mann, sich einfach zu Tode zu stürzen.
Er aber öffnete das Fenster, trat ein paar Schritte vor, blickte hinab, beachtete die Schreie seiner Lieben, sah wieder hinab, zögerte nicht.
Natürlich hätte man ihn aufhalten können: Das Fenster hätte verschlossen sein können, die Lieben hätten ihn halten können.
Da es aber so geschah, öffnen wir lieber das Fenster, spüren den lichten Wind und werfen uns hinab. Wenn wir dann nur noch eine Kruste sind, dann sind wir der Anlaß für andere, verzweifelt zu sein.

Abschließend fand ich in der Schreibmaschine hängend noch dieses Fragment:

Das Nest

Wenn der Nebel sich ausbreitet, wenn der Weiher den Morgentau begrüßt, wenn die Enten fröhlich rufen, wenn seichter Wind aufkommt, dann sitzen wir gern auf einer Parkbank, dann atmen wir feuchte Luft, dann hören wir den Lauten, dann bemerken wir, wie ein kleines Vogelnest aus einem Baum fällt, den Weg hinab auf die Straße mit den Automobilen. Wenn wir die Vogelmutter sehen, die im kalten Dunst fliegt, den tiefen Tümpel umkreist, die quakenden Enten befragt, den schmerzenden Wind durchquert, dann ist unser einziger Wunsch deutlich und klar.

Die Angelegenheit um Underwood jedenfalls scheint geklärt. Da ich keine Beanstandungen zu machen habe, was die Schreibmaschine betrifft, habe ich sie dem Autor zu einem guten Preis abgekauft. Die Maschine tut bestens ihr Werk, und ich sehe keinerlei Anzeichen für Sabotage.

Und wieder gewinnt am Ende Underwood. Eine Seite wird aufgeschlagen und die Überschrift sollte diese sein: Verlorene Kriege gegen Underwood.

 

"Wie arglos muß er gewesen sein ?" fragte
Wie arglos muss ... sein?"KOMMA
Hallo Kosh,
zur Abwechslung eine Serie, bei der ich den zweiten Teil besser finde, als den ersten (das Komma vor als habe ich extra für sim hingepflanzt :) )
Mittendrin habe ich kurzzeitig den Überblick verloren, weil sich eine Haupthandlung durch mehrere der aufgeführten Geschichten zu ziehen scheint ...
:heilig:

 

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