Kampf gegen Underwood I
Erstes Erkennen (Kampf gegen Underwood I)
Er sah auf den offenen Platz, der hinter den geschlossenen Fenstern eine größere Ferne als die eigene erahnen ließ. Still war es am Abend. Wäre auf dem Platz oder in den angrenzenden Häusern jemand ermordet worden, so hätte man das sicher vernommen, dachte er. Alles würde beginnen mit einem lauten Schrei, dann vielleicht ein Sturz. Wie auch immer es geschehen wäre, man hätte es bemerkt.
Gestern noch lief er, verfolgt nur von den eigenen Schritten, über den Platz und entdeckte das leere Haus. Hinter allen Türen waren alle gegangen, die Treppen abgenutzt, die Wände und Decken lang schon schmutzig. Auf dem Dachboden lagen ein paar alte Tücher und Decken, sie bereiteten eine angenehme Nacht.
Heute war der Tag gerade angebrochen, da griff die Abendröte schon den Platz und schloss alle Häuser in sich ein. In der Tat schien es ihm so, als wenn schon im Morgengrauen die Abendsonne aufging, um möglichst viel Zeit zu sparen, denn bald schon würden sie kommen. Sicher würden sie eilig die Treppen hochsteigen, keine Zeit vergehen lassen, keine andere Tür als die zum Dachboden öffnen, um ihn zu töten, denn dagegen konnte sich niemand wehren.
Underwood würde seinen Henkern zeigen, wo er sich versteckte.
So schlief er aber trotzdem ein. Er wollte nicht schlafen, aber Wort und Zeile zwängten ihn in einen Schlafanzug, den er zuvor nicht trug, stellten ein Bett unter seinen Leib und spielten eine leise Melodie.
Wort und Zeile waren die Schergen von Underwood. Er allein warf sie auf das Papier, ungeachtet des manchmal verstellten Sinns der Geschichten. Und wenn so ein junger Mann, eigentlich nur geschaffen, um auf der Durchreise zu sein, immer ärger in Bedrängnis geraten würde, dann wäre es nicht im Sinne seines Lesers, aber Underwood nahm sich jedes Recht.
Am nächsten Morgen wachte er auf und fand ein angenehmes Frühstück vor sich bereitet. Frisches Brot, teuerste Butter, Wurst und Käse gesellten sich einladend neben einen großen Becher Tee.
Underwood hatte entgegen den Anweisungen jegliche Bedenken des jungen Mannes zerstreut, der so begann, in aller Ruhe unbeschwert zu essen und zu trinken. Kein Gedanke mehr an das Gestern, keine Sorgen trieben ihn. Nur den Hunger hatte Underwood ihm gelassen.
Heute ließ Underwood die Sonne noch schneller in den Abend gleiten. Als der junge Mann sich wieder ans Fenster begab, da bemerkte er zwar, dass kein anderes Haus mehr zu sehen war, aber das erweckte keinen Gedanken. Underwood indes wollte keine Zeugen für seinen Plan:
Plötzlich hörte der junge Mann vom Platz her Geräusche. Es waren die schweren Schritte seiner Henker, die sofort in das Haus stürzten und schnell den Weg auf den Dachboden fanden. Der junge Mann breitete lächelnd die Arme aus. Er umarmte seine Mörder, damit sie ganz sicher mit den Messern Kehle und Herz nicht verfehlen konnten.
An dieser Stelle wünschen wir uns, dass Underwood eingreift, denn er hätte ganz allein die Macht. Wir wünschen uns seine Gnade, damit der junge Mann doch erkennen möge, dass seine einzige Schuld darin bestand, vor seinen Henkern nicht geflohen zu sein. Aber der Kampf gegen Underwood ist aussichtslos. Immer ist der Name des Siegers Underwood. Er tut, was er will:
Er lässt Sinn erscheinen, wo keiner ist und nimmt ihn, wo er war. Er unterwandert Wort und Zeile. Damit schafft er seine Welt, in der nur Underwood regiert. Wort und Zeile kommandiert er durch die weiße Welt und erschafft, tötet wahllos. Underwood ist eine Schreibmaschine.
Underwood hat vielleicht auch diesen Text geschrieben. Langsam erzittern wir. Voller Ehrfurcht schlagen wir eine weitere Seite auf und erwarten den Sinn.