Kaltschnäuzige Hundekunde
Dackeldame Susi ist der Grund für eine meiner größten Neurose, denn Dackeldame Susi war der erste Hund, der mir in meinem Leben negativ aufgefallen ist. Und nach ihr kamen noch viele andere Köter, die einen schlechten Eindruck auf mich hinterließen.
Hunde beißen. Hunde scheißen. Und außerdem sind Hunde aggressive, menschenhassende Monster, die nur auf eine günstige Gelegenheit warten, um ihr Herrchen oder ihr Frauchen tief in die Haut beißen zu können. Ihre Taktik ist immer dieselbe: Zunächst geben sie vor, plüschige, kuschelige und niedlich-putzige Kerlchen zu sein, aber dann! Dann öffnen sie ihr stinkendes Maul, fahren ihre Beißerchen meterweit heraus, und sahen die Zähne vorher nicht viel winziger aus? Waren sie nicht eine Nummer kleiner? Und waren die Zähne nicht auch viel plüschiger, kuscheliger und niedlich-putziger als jetzt, während ihrer einzig wahren Mission? Jetzt, wo sie aus dem mikroskopisch winzigen Hund herausragen, sind sie wolkenkratzerhoch, wenn nicht sogar noch höher. Und die Zähne beißen sich mit einem riesigen Haps in den doch eigentlich so geliebten Hundebesitzerkörper hinein. Und schlimmer noch! Viel öfter beißen die Bestien in Menschen hinein, die sie überhaupt nicht kennen. Denn Fremde, so hat es sich zumindest zwischen den Plappermaulhunden herumgesprochen, sollen schließlich besonders gut schmecken.
Als mein Bruder noch kleiner war, haben meine Eltern ihn bei einer Bekannten abgegeben, die ihn behüten und betuddeln sollte, während Mami und Papi ihrer alltäglichen Arbeit nachgehen konnten. Das alles wäre schön und gut gewesen, wenn diese Bekannte nicht auch dieses widerwärtige Haustier beherbergt hätte. Noch heute bekomme ich Alpträume, wenn ich an Dackeldame Susi denke, diesen Prototyp des tierischen Tötungskommandos.
Alles ist ganz genauso wie immer. Mein Vater will meinen Bruder von der hilfsbereiten Bekannten abholen, und wie immer huscht Dackeldame Susi um unsere Füße. Weiß der Teufel, was mich dazu hingerissen hatte, dorthin mitzukommen, wusste ich doch von der Existenz dieses abscheulichen Tiers. Und nicht nur die Bekannte passte auf meinen Bruder auf, auch Dackeldame Susi hatte ihn ins Herz geschlossen. Und weil Hunde eh nur vom Instinkt gesteuert sind, kam bei ihr der Beschützerinstinkt durch. Dass meinem Bruder nur ja nichts geschieht! Aufpassen! Und allen Feinden nur ja ins Bein beißen. Oder in den Arm! Oder sonstwo hin.
Und in den Arm biss Dackeldame Susi letztendlich meinen Vater, und ihr Gebiss ragte weit aus ihrem mikroskopisch-winzigen Dackelkörper heraus, wuchs wolkenkratzerhoch an und grub sich tief in die Haut meines Vaters. Der will dem Kind schließlich was Böses! Der will es schlagen! Muss das Kind beschützen. Muss den bösen, fremden Mann beißen. Beißen, dachte Dackeldame Susi immer wieder, muss beißen. Beißen. Beißen!
Und eigentlich wollte mein Vater meinem Bruder nur ein wenig Dreck aus dem Gesicht wischen, doch das hatte die Bestie nicht wahrhaben wollen. Muss beißen, dachte die Killermaschine immer wieder, beißen, beißen, beißen. Und natürlich auch beschützen.
Mein Vater musste mehrere Wochen lang einen Verband um den Arm tragen, und ich habe wegen eben dieser Begebenheit einen seelischen Knacks abbekommen: Egal, wie groß die Hunde sein mögen, die ich auf den Gehwegen dieser Stadt sehe und die mir auf den Pelz rücken - ich bekomme Angst. „Die tun nichts“, sagen die Besitzer dann meistens, wenn sie sehen, wie ich käsebleich und zittrig werde und versuche, um den Chihuahua oder den Zwergpinscher einen großen Bogen zu machen. Dem jedoch kann ich kaum Glauben schenken. Fremde, denke ich in solch einem Moment immer wieder, sollen schließlich besonders gut schmecken.