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Kalte Küsse

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08.06.2013
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Kalte Küsse

Kurze Szene.

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Der Friedhof ist verlassen.
In dieser Nacht wagt sich kaum einer mehr raus, bis auf mich. Während ich mit meiner Schaufel und meiner Taschenlampe über den nassen Rasen gehe und die Gegend auf ein bestimmtes Grab absuche, dringen die Regentropfen in meinen Kragen, in meine Haut - wie Eiszapfen, die mich mit ihrer Kälte durchbohren. Ich ignoriere den physischen Schmerz, gibt es doch etwas weit aus Schlimmeres, das mich mit seiner Qual verletzt, ganz tief in mir drin. Als hätte es sich in meiner Brust ein Loch, ein Versteck gegraben, um in einem schwachen Moment, in dem die Einsamkeit mich umhüllt wie eine Decke, heraus zu kriechen und an meiner Seele zu nagen. Stück für Stück zerstört der Schmerz mich, raubt mir den Atem, schenkt mir keinen einzigen Augenblick des Glücks, der Liebe, der Erfüllung. Nur ein taubes, stummes Gefühl. Nicht lebendig. Leer. Gefühllos. Allmählich verblasse ich, halten mich doch nur die einzig Wahren am Leben, die nicht mehr unter uns sind.
Die Ironie dessen wird mir gerade erst bewusst, als ich auf das Grab von Marylin Rose schreite. Sie lebte bloß zwanzig Jahre. Sie war jung und schön, meine Nachbarin, aber gehässig und käuflich, eine Nutte. Daher war ich froh gewesen, als ein Lastwagen sie überfuhr.
Wie im Takt meines pochenden Herzschlags, das mich nur oberflächlich am Leben hält, klappert die Schaufel, die ich träge hinter mir her schleppe, auf dem gepflasterten Steinweg. Innerlich bin ich nur eine tote Seele in einem funktionierenden Körper, auf der Suche nach ein bisschen Zuwendung, das mein Gefühl in der Brust auslöschen kann wie Wasser das Feuer.
Ich knipse die Taschenlampe an. Sofort erstrahlt das Licht die Einkerbung des mit Pflanzen und Unkraut überwucherten Grabsteins vor mir. Anschließend lege ich die Taschenlampe auf den Boden. Dann stoße ich die Schaufel in die feuchte Erde und beginne, zu graben. Da ich Marylin schon vor wenigen Tagen besucht und somit Vorarbeit geleistet habe, dauert es nicht lange, bis ich einen von vielen Schätzen des Friedhofes, die in einer alten Holzkiste verrotten, freigegeben habe. Ein süßlicher Geruch steigt mir in die Nase, als ich den vernagelten Deckel mit der Schaufel mühelos öffne. Ich nehme mir die Taschenlampe zur Hand und erhelle die leicht verweste Leiche mit ihrer verschrumpelten, fragilen Haut wie die von Pergament.
Seelenruhig sind ihre Augen geschlossen. Man könnte meinen, sie wäre der Engel selbst; friedlich schlafend, nichts ahnend, was Menschen wie ich mit toten Körpern anstellen. Doch ich tue nichts Falsches.
Ich steige hinab in Marylin Rose' Grab. Langsam, mit zittrigen Fingern, streiche ich über ihr Gesicht. Sie ist wunderschön, kann keinen Widerstand leisten. Und sie schweigt. Als Marylin noch lebte, war sie großmäulig, vorlaut. Doch jetzt, im schwachen, aber ausreichenden Schein der Lampe, kann sie nichts sagen, nur meinem Leid stumm zuhören. Ihre Gefühle sind genau wie meine. Nicht lebendig. Unwahr, unecht. Fröhlichkeit nur gespielt, oberflächlich. Und unter der bröckelnden Fassade der Erscheinung verbirgt sich eine Seele, die verblasst, ihre Existenz verliert. Doch der Körper - der ist da. Verdeckt das, was hinter der Maske schlummert wie einen Schleier.
Ein Fünkchen Liebe glüht in mir auf, ganz kurz nur. Dann verschwindet es. Dann kommt der Schmerz in meiner Brust aus seinem Loch, seinem Versteck. Dann spüre ich die Qual wieder. Mit einem krampfhaften Schlucken unterdrücke und verdränge ich den Schmerz.
Obwohl ich weiß, dass körperliche Liebe nicht meine seelische ersetzen kann, lege ich mich neben die Leiche und schlinge meine Arme um ihren Körper wie einen Liebhaber. Nicht lange kann ich den Schmerz weiter ignorieren, so tun als wäre er gar nicht da.
Meine Augen füllen sich mit Tränen.
Gerade noch habe ich Glück und Liebe gespürt, dann ist alles wie weggeblasen, hinterlässt die tief sitzende Leere in meiner Brust. So endet es immer.
Die kalte Nässe des Regens tut sein Übriges, verschmilzt mit meinen Tränen, prasselt auf Marylin Rose herab. Die Regentropfen formen sich zu eisige Küsse, die auf meine Haut hauchen. Leicht und unbeschwert - und doch schwer und hart. Diesmal umhüllt mich nicht nur die Einsamkeit wie eine Decke, auch der Regen, und lässt mit seiner Kälte nach einer Ewigkeit im Grab meinen Herzschlag stehen bleiben.

 

Hey Shall,

ich denke, ich bin definitiv das falsche Publikum für diesen Text, der ist für Teenies mit leichter Neigung für Nekrophilie, bisschen Gothic, bisschen Emo, bisschen Friedhof gedacht.

Es hat keine Handlung, es ist ein Stimmungsbild - und bei diesen Dingern muss man besonders auf die Sprache achten, auf jedes Bild, jeden Vergleich. Ich geh einmal durch, um dir kurz zu zeigen, was in meinen Augen misslungen ist.

In der dunklen Nacht wagt sich kaum einer mehr raus, bis auf mich.
1. Nacht ist immer dunkel. 2. Viele Leute trauen sich auch in der Nacht rauszugehen. 3. Sie gehen vielleicht nicht raus, weil es ein Dienstag ist und sie morgen früh wieder auf der Arbeit sein müssen?
dringen die Regentropfen von oben in meinen Kragen, in meine Haut - wie Eiszapfen, die mich mit ihrer Kälte durchbohren.
Es ist physikalisch gar nicht möglich, dass Regentropfen von unten kommen oder von der Seite - deswegen lass redundante Infos weg!
Eiszapfen, die mit ihrer Kälte wehtun - hmm, ist als Bild auch ziemlich verbraucht denke ich. Wird immer gerne im Horror Genre benutzt, auch nicht gerade erfolgreich.
Ich ignoriere den physischen Schmerz, gibt es doch etwas weit aus Schlimmeres, das mich mit seiner Qual verletzt, ganz tief in mir drin.
Werde konkret - je konkreter das Bild - desto plastischer, logisch oder? Bei so abstrakten Sachen will doch keiner weiterlesen. Und über Schmerz zu schreiben und nciht konkret werden, oder körperlich, also das kann doch nur schief gehen oder. Seelischer Schmerz, das ist so eine Phrase - das kann alles und nichts bedeuten.
Sie lebte bloß zwanzig Jahre. Sie war jung und schön, meine Nachbarin, aber gehässig und käuflich, eine Nutte. Daher war ich froh gewesen, als ein Lastwagen sie überfuhr.
Ne eigenartige Moral hat die Geschichte.
Innerlich bin ich nur eine tote Seele in einem funktionierenden Körper, auf der Suche nach ein bisschen Zuwendung, das mein Gefühl in der Brust auslöschen kann wie Wasser das Feuer.
Wasser löscht Feuer. Fakt. Das ist nur halb so schlecht wie "eine tote Seele in einem funktionierenden KÖrper" und die Interpretationen der eigenen Geschichte/ bzw. der Figuren sollten lieber im Text selbst nicht auftauchen, hab gelernt, das ärgert die Leser.

Es gibt da einige Stellen, da zucke ich zusammen, wenn ich das lese. Ich denke, es bringt dir jetzt auch nicht viel, wenn ich diese Stellen aufsuche. Anhand der Beispiele ist mein Standpunkt deutlich geworden. An deiner STelle würd ich die Geschichte hier vergessen, an eine neue arbeiten, sie diesmal mit bisschen Leben fühlen. Die meisten mögen es nicht, wenn sie über endlos jammernde Prots lesen, die des Lebens überdrüssig sind und sich zu Toten legen und selber sterben wollen und alles in der Welt so schlecht finden und ihre Brustkörbe bestehen aus lauter Löcher, die gestopft werden wollen und ihre Herzen sind tintenschwarz. Wer will noch sowas lesen?

Ich will dich auch nicht entmutigen, du bist neu hier. Aber die Seite bietet auch viel an Hilfe, wenn man sich einmal mit offenen Augen durch das Forum klickt. Hier ist echt viel zu holen! Viel Erfolg dabei.

JoBlack

 
Zuletzt bearbeitet:

Danke, JoBlack.

(...) der ist für Teenies mit leichter Neigung für Nekrophilie, bisschen Gothic, bisschen Emo, bisschen Friedhof gedacht.
Die meisten mögen es nicht, wenn sie über endlos jammernde Prots lesen, die des Lebens überdrüssig sind und sich zu Toten legen und selber sterben wollen und alles in der Welt so schlecht finden und ihre Brustkörbe bestehen aus lauter Löcher, die gestopft werden wollen und ihre Herzen sind tintenschwarz. Wer will noch sowas lesen?
Teils sind deine Interpretationen nicht wirklich die, die ich beim Leser erzeugen wollte. Aber gut, ich denke darüber nach. Vielleicht hab ich's doch übertrieben mit meinem Text.

 

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