Kalte Hand
"Was hab ich getan ? Was hab ich nur getan .... " er wiederholte diese Worte immer wieder , er schluchzte, mit jedem Wort schien es ihm als würden sich Klingen durch sein Herz bohren.
Er stand mitten in dem kleinem Raum, atmete, keuchte und hielt sich die Hände über sein Gesicht. Er fuhr den Konturen seines Hauptes nach, es beruhigte ihn bis zu einem gewissem Grade, aber er schluchzte weiter. Mehrmals fuhr er sich mit dem Ärmel seines Hemdes über sein Gesicht um es zu trocknen, so stark hatte er geweint. "Ich wollte das doch alles nicht, ich wollte das nicht... nein...." er konnte die Tonlage seiner Stimme kaum halten, sein Selbstgespräch klang wie eine kranke Mischung aus tiefen, fast gegrunzten und unnatürlich hohen, schrägen "Klängen".
"Ich wollte das...." er unterbrach sich selbst, Angst überkam ihn, Angst vor sich selbst. Diese Stimme. Sie klang nicht wie seine. Er wollte sie vertreiben. Um alles in der Welt, er wollte doch nur das alles wieder so wie vorher war. Er faltete seine Hände wie zum Gebet. Als er sie abermals zum Gesicht führte, bemerkte er das dunkle Rot welches seine Hände völlig bedeckte.
Es ekelte ihn. Hektisch versuchte er das Blut in seine Hose zu wischen.
Es schien als würde es nicht heruntergehen.
Da war zwar deutlich Blut an der Hose zu erkennen, sogar ziemlich viel, aber als er auf die Hände sah war da immer noch der rote Lebenssaft.
Er ging mit langsamen, kurzen, abgehackten Schritten in dem Zimmer auf und ab. Dann fiel er in sich zusammen.
Mit den Fingern versuchte er einige Tränen von den Wangen zu bekommen.
Mit seinen weit aufgerissenen Augen erblickte er durch den Schleier der Tränen hindurch etwas was für ihn offensichtlich von Interesse war. Er griff danach.
"Oh Gott... warum habe ich dir das angetan ? Deine Hand ist so.... "
er griff fester zu
"....so kalt...."
die Hand die er hielt war totengrau, kleine bläuliche Adern traten durch die Haut hervor.
"Ich , ich liebe dich doch.... ich liebe dich.... noch immer... für immer.... " es klang geradezu schüchtern als er diese Worte von sich gab, er versuchte diese kranke Stimme vor der er so Angst hatte so gut wie möglich zu unterdrücken.
Er beugte sich über die Leiche der jungen Frau und betrachtete sie näher. Ihr Gesicht. Ihre Gesichtszüge die selbst im Tod noch auffallend schön waren.
Ihre Nase, ihre blassen Lippen, ihre Augen, die jetzt ins Nichts blickten, die Iris der Augen verwässert mit dem grau gelblichen Schleier des Todes.
Und ihr Körper, der jetzt so starr und unbewegt vor ihm lag, von dessen Schönheit er einst so fasziniert war.
Halb nackt lag sie vor ihm, tiefe Schnitte im Bauch, das Blut war schon Stunden vorher fast gänzlich aus ihrem Leib gewichen.
Als er auf sie einstach, wie in Trance, erst einmal, dann zweimal und immer öfters, immer tiefer in ihren Leib. Diesen Blick in ihren Augen, nicht entsetzt, sondern von einer seltsamer Güte, als hätte sie ewig auf diesen grausamen Akt gewartet, dieser Blick, der sich hinwegsetzte über alles andere, dieser traurige gütige Blick...
Er schloß ihr die Augen.
Wieder sah er sie an.
Er küsste sie auf ihre blassen bläulich schimmernden Lippen.
Sein Speichel vermischte sich mit Blut und Totenflüssigkeit. "Ich liebe dich...." flüsterte er wie das erste Mal als er ihr diese Worte schenkte die ihre Seele fortan bereicherten.
Er roch an ihrem Hals. Er schloss die Augen. Sie hatte immer diesen ganz speziellen Geruch an sich gehabt, den er so geliebt hatte. Er wußte das es das letzte Mal war daß er sie noch so wahrnehmen konnte.
Er fuhr durch ihre langen feinen Haare, vom Blut verklebt.
Er sah nochmals zu ihrem aufgeschlitztem Bauch, wandte seinen Blick jedoch schnell wieder ab.
Er sah auf den Boden und das Rot mit dem er bedeckt war. Er sah wieder schnell weg, auf seine Hände.
"Ich kann nicht mehr.... kannst du dich erinnern, Liebste, unsere Zeit.... für immer vorbei ? Das kann nicht sein..." wieder erschrak er ob seiner Stimme.
Er musste sie endlich weg bekommen... diese Stimme. Er umarmte sie, fuhr über ihr Gesicht, spürte diese Kälte ihres Leibes, sog sie in sich auf, versuchte sie so intensiv wie nur möglich zu fühlen, wahrzunehmen, riss sich noch einmal zusammen
"Ich liebe dich", küsste sie ein letztes Mal, wusste dann was er tun würde, er nahm das benutzte Messer, das am Boden lag.
Ein Schnitt in den Hals, den Kehlkopf nur knapp verfehlt. Beißender befreiender Schmerz. Befreit von der Qual sich selbst noch länger so ertragen zu müssen. Befreit von seiner Stimme. Mehrere tiefe Schnitt in die Pulsader, bis er merkte wie die Kraft mit dem Blut aus seinem Körper entschwand, er legte sich neben seine Frau, umarmte sie, sah sie lange und durchdringend an, wartete, er konnte sie schon hören, wie sie ihm den Weg zu ihr wies, ein letztes Krächzen, schon so weit weg vom Leben: "Für dich..."