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Kalte Fusion
Ich frage mich schon seit längerem, ob die Entscheidung, als Testpilot bei diesem Projekt einzusteigen, richtig war. Natürlich habe ich durch meine Ausbildung und Erfahrung bei der Luftwaffe die passenden Qualifikationen. Aber als erster Mensch mit einem noch nie getesteten Shuttle zu fliegen, mit einem völlig neuartigen Antrieb, ist etwas ganz anderes. „Komm schon Alex, wir müssen los!“ Eddie´s Stimme hallt durch die Sprechanlage in den Bereitschaftsraum. Er wird vor dem Start neuer Missionen immer so ungeduldig. Er ist der Projektleiter im Kontrollzentrum der ESA und für die ganze Sache hier verantwortlich. Er hat schon mehrere erfolgreiche Projekte geleitet, also sollte ich mir keine Sorgen machen.
„Ich bin ja schon auf dem Weg. Hast du Angst das Shuttle wird geklaut, bevor ich einsteige?“ Ich lasse den Knopf der Sprechanlage los und warte auf Antwort. Ein kurzes knacken und Eddie (eigentlich Eduardo) gibt mir zu verstehen, dass ich meinen Hintern gefälligst in Bewegung setzten soll. Die Wortwahl war allerdings nicht sehr militärisch. Überhaupt ist der Umgang hier eher locker. Na ja, Zivilisten eben.
Ich mache mich auf den Weg durch die Halle zum Jeep, der darauf wartet, mich zum Shuttle zu bringen. Gott sei dank haben sie vor ein paar Jahren diese großen, komischen, weißen Raumanzüge abgeschafft. Da hat man sich gefühlt wie in einer Gummizelle und die Beweglichkeit war grauenhaft. Unsere jetzigen Anzüge erinnern mehr an den Luftdruckanzug bei Kampf-Jets, bis auf den Helm, der luftdicht abgeschlossen ist und über einen Tank am Rücken mit Sauerstoff versorgt wird. High-Tec über High-Tec!
Dank des neuen Anzugs gibt es kein Problem mehr, als ich mich in den Wagen setze. Ich schließe die Tür und gebe dem Fahrer ein Zeichen zum losfahren.
Als wir auf das Shuttle zufahren bemerke ich wieder die Ähnlichkeit mit einem gewöhnlichen Jet. Natürlich sind da noch ein paar Star-Trek-mäßige Aufbauten hier und da, aber grundsätzlich stimmt der Vergleich. Am Shuttle angekommen steige ich aus dem Jeep aus und führe die nötigen Außenkontrollen durch. Scheint alles so weit in Ordnung zu sein. Ich steige die Leiter zum Cockpit hoch und setze mich hinein. Nachdem die Systeme hochgefahren sind melde ich mich über Funk beim Kommandozentrum. „Oberst Hansen? Hier spricht General Chevalier. Ich möchte Ihnen nochmals dafür danken, dass Sie sich als Freiwilliger für diese Mission gemeldet haben. Wir alle hier wünschen Ihnen viel Glück und hoffen, dass Sie heile wieder runterkommen.“ (Bitte, wie? Wir hoffen?! Also, so was kann auch nur einem General einfallen.) „Vielen Dank, Herr General. Ich hoffe es auch.“ (Wehe ihr baut Mist!).
Als nächstes gibt mir der Operator grünes Licht zum Hochfahren der Triebwerke. Mir wird immer ganz schlecht, wenn ich auf den Knopf drücke.
Kalte Fusion: Die Energiequelle der Zukunft. Ungefährlich und umweltfreundlich. Das war die Ansicht, bevor sie das erste Mal durchgeführt wurde. Irgendwas hat der arme Wissenschaftler Moppenkeimer (oder wie auch immer er hieß) wohl vergessen. Jedenfalls gab es nur noch 5 Kontinente. Australien versank zunächst in einem riesigen Feuerball und danach komplett im Meer. Nichts mit sicher und so. Aber in den letzten 10 Jahren wurde soviel geforscht, dass die Energiequelle jetzt als ausreichend sicher zu betrachten ist. Meinen zumindest die Schlauköpfe. Mir geht es trotzdem nicht gut bei dem Gedanken, einen großen Kaltfusionsreaktor direkt hinter mir zu haben. Wie dem auch sei, ich habe mich für den Mist hier gemeldet und nun muss ich das auch durchziehen.
Ich stehe an der Startbahn, die Triebwerke summen. Ich schaue mir die Anzeigen an und warte auf die Erlaubnis des Kontrollzentrums.
„Angel One, take-off permitted. Fire at will” Ich gebe ein kurzes „Roger“ zurück und schiebe den Schubregler langsam nach vorne. Das Summen der Triebwerke wird lauter und ich merke wie die Bremsen sich verkrallen müssen um das Shuttle zu halten. Ich löse die Bremsen und schieße nach vorn. Nach 3 Kilometern hebe ich ab und ziehe die Nase hoch, immer in Richtung des Strahlend blauen Himmels. Nach ca. 10 Minuten verlässt das Shuttle die Atmosphäre und ich finde mich in der Unendlichkeit des Universums wieder. Ich weiß, sehr theatralisch. Aber so fühlt man sich da oben. Ich lasse mir noch mal die Bestätigung von der Bodenstation geben, dass alles für das Experiment vorbereitet ist und die Systeme ohne Störungen funktionieren.
Da es keine Probleme gibt, aktiviere ich den Warp-Antrieb (ja, sie haben ihn wirklich so genannt! Unglaublich!). Ich spüre wie der Reaktor bis zum Maximum hochfährt, das ganze Schiff vibriert. Bei 100% wird die gesamte Energie auf einen Schlag freigesetzt.
Ich sehe nur noch kurz einen gewaltigen Schwall aus Farben... und werde ohnmächtig.
Als ich wieder zu mir komme blinken die Anzeigen der Konsole. Ich kontrolliere die Wichtigsten Daten: Triebwerksenergielevel auf 70% (gut, damit kann man arbeiten), Lebenserhaltung auf 80% (gut), Fusionsreaktor funktionsfähig (besser als nichts).
Ich sehe aus dem Cockpit und erstarre augenblicklich. Mein Mund öffnet sich zu einer klaffenden Höhle. „Was zur Hölle?! Nein, das kann nicht sein! Unmöglich!“ Ich drehe hektisch meinen Kopf in alle Richtungen.
Ich sehe nichts. Gar nichts. Keine Sterne, kein Licht, nichts. Nur tiefe, schwarze Dunkelheit.
Da scheint wohl irgendetwas schief gelaufen zu sein. Nach einigen Minuten habe ich mich wieder gefangen. „Verdammt!!“ Ich versuche über das Funkgerät die Bodenstation zu erreichen. Es funktioniert nicht. Welch eine Überraschung!
Also, mal sehen. Welche Möglichkeiten habe ich?
Option 1: Ich bleibe hier sitzen und warte, bis ich gerettet werde oder mir die Energie ausgeht und die Lebenserhaltung ausfällt.
Option 2: Ich fliege mit den Triebwerken solange geradeaus ,bis ich auf irgendwas stoße oder die Energie der Triebwerke verbraucht ist. Dann wäre ich allerdings wieder bei Option 1.
Option 3: Ich lade noch mal den Fusionsreaktor und hoffe das Beste. Da ich nicht die geringste Ahnung habe, was beim letzten mal passiert ist bzw. falsch war, ist diese Option sehr risikoreich.
Während ich über meine Optionen nachdenke beschleicht mich immer mehr das Gefühl, beobachtet zu werden. Mein Verstand sagt mir jedoch, dass es hier wohl nichts gibt, was mich beobachten könnte. Oder vielleicht doch? „Ahh!!“ Oh Shit, was zum Teufel ist das denn? Irgendetwas ist gerade am Shuttle vorbeigeflogen! Die Cockpitbeleuchtung ist zwar nicht sehr stark, aber in kurzer Reichweite schimmert sie noch. Und da ist es wieder! Wie ein riesiger schwarzer Aal! Ok, Option 1 und 2 scheiden damit aus. Hier bleibe ich keine Sekunde länger!
Ich aktiviere wieder den Warp-Antrieb und merke, wie der Reaktor hochfährt. Diesmal halte ich etwas länger das Bewusstsein, aber nach ein paar Sekunden Farbenspiel wird wieder alles schwarz.
Ich öffne langsam die Augen. Immerhin lebe ich noch. Diesmal gilt mein erster Blick dem, was außerhalb meines Shuttles passiert. Ich traue meinen Augen nicht. So stelle ich mir eine Regenbogendimension vor. Überall wallende Farbnebel, bunte Planeten und... was ist das...? „Das glaubt mir ja kein Mensch“ Ich sehe tatsächlich etwas, was entfernt einem Wal ähnelt. Es schwebt behäbig durch die Nebel. Die Größe kann ich wegen der Entfernung nicht abschätzen, aber das „Tier“ ist ca. 600m lang. Unbeschreiblich!
Nach 10 Minuten Wal-Schauen kommt mir der Gedanke mal nach den Anzeigen zu sehen.
Triebwerksenergielevel auf 50%, Lebenserhaltung auf 60%, Fusionsreaktor funktionsfähig.
Alles noch im grünen Bereich. Ich starte die Triebwerke und fliege in Richtung eines Planeten, den ein grüne Schicht bedeckt. Ich hoffe es sind Bäume. Da das Funkgerät hier wahrscheinlich auch nicht funktioniert versuche ich es erst gar nicht und steuere auf den Planeten zu. Kurz bevor ich in eine Umlaufbahn schwenke, fällt mir ein Problem ein.
Ich habe keine Waffen. Nicht von Vorteil, wenn man gerade im Begriff ist auf einem völlig fremden Planeten zu landen und nicht zu wissen, wer oder was einem da begegnen kann.
Da sich die menschlichen Bedürfnisse wie Hunger und Durst mittlerweile melden, habe ich aber wohl kaum eine andere Wahl, als zu landen und mich umzusehen. Auf kurzen Testflügen gibt es nun leider keinen Stewardessen-Service. Ich steuere das Shuttle Richtung Planet. Komisch, weder Hitze noch Vibrationen. Ganz schlechtes Zeichen. Das bedeutet, dass es keinen Sauerstoff auf diesem Planeten gibt, eventuell nicht mal eine Atmosphäre. Trotzdem fliege ich weiter Richtung Oberfläche. Die Landung gestaltet sich als einfach, der Planet ist absolut glatt. Keine Steine, Felsen, Bäume oder andere Erhebungen. Doch! In einiger Entfernung sehe ich eine Erhebung. Sieht von hier aus wie ein Quadrat. Ich steige dank meines Raumanzugs aus und gehe auf die Erhebung zu. Der grüne Boden knarrt unter meinen Füßen. Als ich mich dem Gebilde nähere, erkenne ich einen Würfel. Jede Seite ist ca. 90m lang. Ich gehe um den Würfel herum. Eine Tür!! Das gibt es doch nicht. Ein grüner Fleck, 20mx20m, befindet sich auf dem Würfel, in der Mitte ein Knopf. Leider bin ich keine Zehn Meter groß, bleibt also nur klopfen.
Bescheuert. Ich bin irgendwo auf irgendeinem Planeten und klopfe bei irgendwem oder irgendwas an der Tür. Ohne Waffen und Ahnung. Dämlicher geht´s doch gar nicht.
Nachdem ich fast eine habe Stunde gegen den Fleck schlug und trat, gebe ich die Hoffnung auf und mache mich auf den Rückweg. Plötzlich höre ich ein Quietschen aus Richtung des Würfels. Ich sehe zurück. Mein Herz verweigert seinen Dienst und bleibt für einen Moment stehen. Aus dem Fleck, der nun schwarz ist, kommt eine riesige, nun ja, Schnecke trifft es wohl am besten. Ein schleimiges, furchterregendes Monster mit Tentakeln über den langen Körper verteilt kriecht auf mich zu. Mein Herz beginnt wieder zu schlagen. Ich nehme die Beine in die Hand renne zum Schiff zurück. Als ich im Cockpit sitze ist das Ding nur noch wenige Meter entfernt. Wie kann es so schnell sein? Ich versuche die Triebwerke zu starten, aber es ist zu spät. Die Riesenschnecke überrollt mich und mein Shuttle. Das Schiff knarrt fürchterlich und beginnt zu schmelzen. Das letzte Geräusch das ich höre, ist das Nachgeben der Bauteile. Dann ist wieder alles schwarz und dunkel.
Ende