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Kain und Abel

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16.11.2003
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Kain und Abel

Kain und Abel

Krieg

Eine Kriegserklärung gab es nicht. Nur wir allein waren dort. Am Anfang schwiegen die Waffen noch, obwohl es schon begonnen hatte. Spione besaßen wir nicht. Wir waren blind. Obschon wir uns nicht bemerkten, führten wir den Krieg:
Im süßen Wasser erforschten wir beide den Leib der Mutter. Und immer wieder spürten wir ein vertrautes Gefühl. Kannten wir Gefühle ? Wir fühlten die Anwesenheit des Feindes. Langsam tasteten wir durch das Muttermeer. Das Gefühl näherte sich der Gewißheit, nicht allein zu sein. Wer war er ? Was wollte er ? Warum bin ich nicht allein ? Will er meinen Platz einnehmen ? War er vor mir da ? Dies waren meine Fragen. Ob er sie stellte, wußte ich nicht. Weiter tasteten wir blind umher. Machte er eine Bewegung, tat ich sie nach. Machte ich eine Bewegung, so machte er sie auch. So geschah es immerfort. Die Feinde fühlten einander und erkundeten die Lage, so die blinden Augen sich noch nicht öffneten. Meine Wut wuchs mit jeder Stunde im Leib. Er war ein Eindringling. Die Liebe meiner Mutter hielt nicht für mich, er nahm sie sich mit Gewalt. So schlug ich eines Tages nach ihm. Doch meine Faust traf eine Wand. Hatte meine Mutter den Angriff geahnt ? War auch sie ein Feind ? Schnell zog ich den Arm zurück, legte ihn an meinen Körper und streckte mich dann drohend aus. Mein Leib wuchs an und ich blähte meine Wut hinaus. So warf ich mich gegen die Wand, aber sie war nicht zu zerstören. Er hatte einen Plan. Mutter beschützte ihn. Ich war allein im Kampf gegen den Eindringling. Ich versteckte mich in die hintersten Winkel meiner Festung und schlief. Ich wartete ab. Er tat es mir gleich, denn ich hörte ihn nicht.

Der Feind

Eines Tages kam wieder die Nahrung durch das Lebensband geflossen. Gierig nahm ich sie auf und wollte immer mehr. Ich fürchtete, dass sie ihm mehr geben würde, standen sie doch Seite an Seite. So zog ich an der Schnur und schrie einen stummen Schrei aus. In diesem Augenblick schlug ich die Augen auf. Ich war geblendet. Rotes Licht stach in meine jungen Augen, brannte in meinem Kopf, fuhr durch mein Hirn hinaus ins Meer.
Ich glaubte bis zu diesem Augenblick, mich auf einer Insel zu befinden. Nun aber sah ich, dass es eine Blase war, in der ich lebte. Ich sah meinen Feind:
Ein roter Klumpen Fleisch schwamm in einer ähnlichen Blase, nicht weit von meiner eigenen. Seine Augen waren geschlossen. Er war gekrümmt, klein und schwach.
„Das ist mein Feind ?“ fragte ich. Mein Spott drang als ein lautes Lachen heraus. In diesem Moment öffnete der Fleischklumpen seine hässlichen Augen. Hätte ich Fingernägel, ich hätte ihm die schwarzen Augen ausgekratzt und sie verspeist. Mein Hass erfuhr neue Nahrung als ich sah, dass auch er durch ein Band mit meiner Mutter verbunden war. Wie konnte sie dies nur zulassen ?
Sofort trat ich gegen die innere Wand meiner Blase. Wieder und wieder schlug und trat ich dagegen, um das Wesen zu erreichen, das den Krieg begonnen hatte. In seinem Krötengesicht erkannte ich ein müdes Lächeln, denn er verspottete mich. So trat ich noch einmal zu. Ich griff die Innenwand und wollte sie zerfetzen. Doch ich war zu schwach. Ich schlief ein.
Ein dumpfes Klopfen schlich sich in mein Gehör und weckte mich: Die Bestie schlief noch. Dennoch kam das seltsame Geräusch von ihm. War es sein Herz ? So gern hätte ich sein kleines Herz in meinen Händen, um es zu zerdrücken. Das Monster aber war immer noch zu weit entfernt. Und wieder schrie ich auf, damit er aufhören würde, mich zu verspotten. „Warum verschwindest Du nicht ? Geh‘ doch fort !“ rief ich laut.
Er aber schwieg. Er sah mich an. Seine verkrüppelten Ärmchen streckten sich nach mir aus. Er wollte mich gewiß greifen und erwürgen. Ich sah hinauf und rief laut den Namen meiner Mutter, dass sie mich erretten möge. Nichts geschah. Als ich ihn wieder ansah, hatte er seine Hände auf die jämmerliche Brust gelegt und die Augen geschlossen.
Kurz darauf kam die Nahrung durch das Band. Schnell öffnete ich meinen Schlund und trank alles, was ich bekam. Immer wieder sah ich ihn an. Er trank. Ich eilte mich, so dass ich schneller war als er. Dann nahm ich mein Band und zog daran. Ich schwang nach hinten und stieß mit den Füßen an die Wand, um sie zu durchbrechen. Er sah mich an. Es gelang nicht. Ich wartete ab. So vergingen die Monate. Er tat nichts.
Immer wieder schlich ich mich an, um ihn zu beobachten, wenn er schlief. Wenn wir Nahrung bekamen, dann versuchte ich, sie ihm zu nehmen. Aber Mutter war stets darauf bedacht, uns gleich zu behandeln. So richtete sich mein Hass auch gegen sie.
„Du willst dieses Tier zur Welt bringen ?“ Dann sollst Du mich sterben sehen !“ rief ich.

Frieden

Als ich meinen Plan in die Tat umsetzen wollte, kam der Sturm:
Ein Sturzbach entfesselte sich vor meinen Augen. Die Wand zerfetzte sich von selbst und spülte mich davon. Blut und Schleim bildeten einen braunen Sud, in dem ich nun schwamm.
„Nein ! Ich will nicht ! Ich will ertrinken !“ rief ich krächzend. Niemand hörte zu.
Ich wollte mich festhalten, aber da war nichts. Ich hob meinen Kopf zurück, um zu sehen, was mit ihm geschehen sollte. Doch die Fluten trieben in meine Augen. So nahm ich das Band und hielt mich daran fest, während ich meine Füße an das Tor drückte, das ich nun sah. Dahinter war ein helles Licht. War dies die Erlösung ? War es der Sieg ? Konnte ich so den Krieg gewinnen ?
Ich löste meinen Griff und ließ mich treiben, dem Licht entgegen. Dann hörte ich einen Schrei in der Kälte. Das Licht verschwand. Hinter mir spülte das Blut den Feind heraus. In seinen Händen hielt er sein Band. Er hatte es sich um den Hals gewickelt. Seine Augen waren geschlossen. Er atmete nicht.
Doch ich hörte eine leise Stimme. Es war ein Echo. Langsam kroch es heraus aus dem nassen, toten Leib der Mutter. Er mußte es wohl gerufen haben als die Flut kam:
„Gehe allein hinaus. Frieden."

 

Hi Kosh,

das Thema des Bruderkampfes/mordes im Mutterleib finde ich geil, da brennt's mir in den Fingern. Du lässt Deine eigenen im Schluss, ohne Aussage/Gefühl/Nähe, in Wiederholungen (z.B. Klumpen) und platter Sprache ausglühen! Was war los? Du hast Dir keine Mühe gemacht, dem Thema mit Deinem Text gerecht zu werden! Wofür der Brutkasten? alles überflüssiger schnickschnack! grosses drama kennt nur einen raum, eine zeit, einen konflikt! spar dir den postnatalen handlungsstrang und konzentrier dich auf den konflikt!

lg,
leif2

 

Hallo !

Hm, war vielleicht nicht in Form ? :-)
Mache mich mal ans Werk.

Kosh

 

Hi Kosh!

..da machst Du Dir die Mühe, überarbeitest das Ganze und der blöde Leif hat schon wieder was zu meckern..

Frisch ans Werk:
Dein Text ist jetzt strukturierter. Die thematische Aufteilung ( Krieg, Feind, Frieden ) gefällt mir. Allerding bleibst Du mit Deinen Beschreibungen immernoch zu plakativ,

Ich sah meinen Feind:
Meine Wut wuchs mit jeder Stunde im Leib.
zu unsicher. Will sagen, Du zerstörst Stimmung in dem Du sie zu klar aufrufst.

Außerdem muß ich fragen:
Wo willst Du hin?
Forderst Du eher das Drama, oder soll sich der Leser in die Situation versetzen?
Ich würde Dir nicht so beharrlich auf der Pelle sitzen, wenn ich nicht wüßte, daß Du den Text in einen Knaller verwandeln könntest. Das ist großer Stoff!

Gruß,
Leif2

 

Wo will ich hin ?
Mir ist es noch nie so extrem passiert, dass eine Geschichte sich (obwohl scheinbar von mir kontrolliert) so einbindet in das Schreiben, dass sie eine ungewollte Synamik* entwickelt, die mir das Hirn zernarbt.
Diese Problematik habe ich bereits (erfolglos, weil bisher ohne Resonanz) versucht, in "Underwood" (Serien) zu beschreiben: Der eigene Text (oder die eigenen Werkzeuge) erscheinen übermächtig, dem AUtor entgleist alles.
Das Potential sehe ich auch, allein fehlt das Fünklein.

Identifikation des Lesers: Glaube nicht.

Liebe Grüße,
ein gestresster Kosh
* soll DYNAMIK heißen (lasse Synamik stehen, weil dieses Wort mir gefällt, bezogen auf meine überlasteten Synapsen)

 

Lieber Kosh,

ich bin wieder einmal hingerissen! Der Kampf im Mutterleib. Vor allem möchte ich auch hier die Sprache hervorheben, die so ganz anders ist als in Palästina, auch anders als in Kinder. Hier bist Du kürzer, knapper.

Ein formaler Aspekt:

die Satzzeichen sind um einen Abstand zu weit vom letzten Wort entfernt, leigt vermutlich an Deinem Textverarbeitungsprogramm.

War für mich ein Genuß zu lesen, ich finde, die Geschichte sollte so bleiben, wie sie ist, nix ändern, bitte!

Ich persönlich bin der Ansicht, daß man nicht unbedingt einen Knaller braucht. Meiner Meinung nach kann man sich auf die Geschichte einlassen. Durch die Sprache wirkt sie abmildernd, was hier durchaus kein Nachteil ist. Eventuell könnte der Konflikt ausgebaut werden, aber da besteht die Gefahr, daß es zumindest mir zuviel wird.

Einen Funken braucht sie nicht. Nur mich wiederholend:

jeder Leser/Autor ist ein Individuum, das heißt, die Empfindungen, Erwartungen sind für jeden einzelnen verschieden. Bei mir triffst Du halt genau das, was ich gerne lese auch vom Stil, von der Sprache her.

Mir ist es noch nie so extrem passiert, dass eine Geschichte sich (obwohl scheinbar von mir kontrolliert) so einbindet in das Schreiben, dass sie eine ungewollte Synamik* entwickelt, die mir das Hirn zernarbt.

Das ist dich wunderbar! Intiuition. Die innere Stimme, Dein bester Ratgeber und Freund.

Laß Dich von niemandem (auch nicht von mir, von mir schon gar nicht) beeinflussen. Kommentare der Leser sind ja Reflexionen, man kann sie als Anreiz nehmen, als Punkt zur Überlegung, aber niemals als Göttergewollte Wahrheit. Deine innere Stimme ist das einzig wichtige.

in diesem Sinne

liebe Grüße aus Wien

Echna

 

Danke !

Auch diese "KRitik" bzw. "Antwort" hat eine Wahrheit in sich. Ich habe einen Großteil des Wochenendes damit verbracht, über diese Geschichte nachzudenken. Vielleicht setze ich zum Vergleich demnächst eine andere Fassung rein, mal sehen.

Danke jedenfalls und Grüße nach Wien !

Kosh

 

Hallo !

Danke für die Kritiken/Kommentare nochmal !

Wie gesagt: Diese Geschichte habe ich in mein Herz geschlossen, obwohl sie irgendwie auch problematisch ist an einigen Stellen.

Naja, wie auch immer. Poste bald mal eine Zweitversion.

Gruß an die Kritiker,
Kosh

 

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