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Kaffekränzchen mit ein paar geselligen Diktatoren
"Die Torte schmeckt so, als hätte man sie aufgewärmt.", stellt er die These gastunfreundlich in den Raum und widmet sich dann wieder seinem Milchkaffee.
Adolf ist für gewöhnlich eigentlich ein ganz umgänglicher Zeitgenosse. Okay, die Sache mit dem zweiten Weltkrieg ist nicht ganz so gelaufen wie gedacht, aber muss man deshalb gleich an allem und jedem herumnörgeln? Seine Laune ist heute wirklich ganz unausstehlich.
"Also...mir schmeckts.", verrät Bonaparte mir aus seinem schmatzendem Mund heraus. Mein absoluter Lieblingsgast.
Gib´ dem Mann einen Kreisel und er ist den ganzen Tag lang damit beschäftigt, ihn zum rotieren zu bringen. Besonders angetan haben es ihm aber meine vielen He-Man Figuren, mit denen er zwischenzeitlich nicht bloß sämtliche Schlachten seiner eigenen Zeit nachgespielt hat, sondern sogar jene, die erst viel später stattfanden und über die er sich bei "Google" hinreichend und intensiv informiert hat.
"Habe ich vorhin frisch bei der Konditorei abgeholt. Sie ist also nicht...", ein böser Blick in Richtung Adolf, "...aufgewärmt."
"Wenn der Gastgeber keine Kritik vertragen kann, dann bin ich halt ruhig.", nuschelt dieser im Tonfall eines quängeligen Kindes zwischen seinem Schneuzer hervor.
Noch ehe ich dem etwas erwidern kann, schallt ein lauter Knall durch den Hausflur.
"Da kommt George", stelle ich entgeistert bei dem Gedanken daran fest, die Tür wieder einmal ersetzen zu müssen.
"Hat der gute Mann denn noch immer keine Schlüssel von dir bekommen?" - Bonaparte schneidet sich ein weiteres Stück ab und bedient den Kuchenheber, um es auf seinen Teller zu wuchten.
"Die hat er schon die ganze Zeit, aber ihr wisst doch um seine Vorliebe für dramatische Auftritte."
"Ja. Was man nicht in der Hose hat...", lacht Bonaparte mir verschmitzt entgegen und Adolf verschluckt sich fast an seinem Kaffee. Tränen schießen in seine Augen und das Gesicht läuft rot an. Er und George werfen sich stets kleine Seitenhiebe zu und werden allmählich richtige Freunde.
"Der Mann ist wirklich ein Novum. Den hätte ich als Propagandaminister haben sollen", kichert er dann schließlich albern, als er sich wieder halbwegs beruhigt hat. - "Und da ist er ja auch schon. Tach George. Bist mal wieder mit der Tür ins Haus gefallen?"
"Das ist bloß meine angemessene Reaktion auf den Terror, den ihr hier drinnen verübt. Schon wieder die halbe Torte weggefressen. Naja, trotzdem erstmal Tag die Herren. Wo ist Saddam?"
"Kacken", kommt Bonaparte mir zuvor. - "Der ist nichts gutes gewöhnt."
"Gibts hier auch ´nen Bier? Mit dem Kaffee kannst du mich jagen.", nölt er genervt und lässt sich auf einen freien Stuhl fallen.
"Schlechten Tag gehabt?", frage ich eher rhetorisch.
"Klar. Versuch du mal, zwei ABC-LKW´s in so ein marodes Land einzuschmuggeln und die Ladung in irgendeinem Keller zu verstecken. Wenn uns dabei einer erwischt, holterdiepolter, dann aber gute Nacht."
"Warum nimmst du Osama nicht mal kurz zur Seite und präsentierst mit ihm einen Erfolg?", schmunzelt Adolf kumpelhaft und verpasst ihm einen leichten Ellenbogen Schubser.
"Was glaubst du wohl, warum der sich seit Wochen nicht mehr hier in der Runde blicken lässt? Der ist eingeschnappt, weil ich ihm keinen Verleger für seine Biographie besorgen will. Sähe ja wohl auch ziemlich dumm aus, aber das begreift er nicht. Ich würde mich sonst ja auch nicht so anscheißen, hat er mir am Handy zu verstehen gegeben."
"Jetzt bleibt mal ruhig Kollegen und entspannt euch", pfeift Bonaparte fröhlich durch die Zähne. - "Morgen ist auch noch ein Tag."
"Jaja, so Gott es will, ich weiss. Wo ist denn jetzt das Bier?"
"Keines da, hab nur noch ne´ Pulle Jack im Barschrank stehen."
"Is´ nicht dein ernst. Reich rüber das Ding!"
Während ich meinen Arm mit der artistischen Perfektion eines Schlangenmenschens zwischen den anderen Flaschen vorbeidirigiere, höre ich Bonaparte aufgeregt "Wo hast du denn deine He-Man Figuren versteckt?" rufen.
"Die sind in der Kiste, unten in der Flurkommode", gebe ich unter größten Anstrengungen zurück, darum bemüht, jetzt so kurz vor dem Ziel bloß nichts mehr umzustoßen.
Ich höre Adolfs´ Stuhl hastig zurückrutschen.
"Das ist doch Unfug! Du spielst nicht wieder den Einmarsch in Stalingrad nach. Letztesmal hast du alle Fakten durcheinander gebracht. Da gab es keine Riesenspinne, die meine Soldaten mit Laserstrahlen niedergeschossen hat."
"Aber wenn das Ding doch nunmal da ist."
"Nichts da...wenn es nunmal da ist. Bei Waterloo ist auch kein Skeletor aufgetaucht und hat deine Armee mit Elfenbeinäxten entzwei geschlagen."
Ich möchte etwas sagen, um der besinnlichen Atmosphäre willen, aber George kommt bereits nervös zitternd auf mich zu geschlichen. - "Hast du den Fusel jetzt endlich? Mann, mir gehts echt beschissen. Die Sache mit den Wahlautomaten läuft auch nicht so wie gedacht, alles Mist im Moment."
Die betätigte Klospülung setzt der ganzen Szene das I-Tüpfelchen auf.
Saddam kommt heraus, die Hose auf Halbmast und mit einem zum schreien bleichen Gesicht.
Sieht jedenfalls ziemlich ungesund aus.
"Kann es sein, das du schlechte Fischkonserven in der Küche stehen hast?", sabbert er mir fragenderweise entgegen, ehe er auf die Knie niederfällt.
Um Gottes Willen, die hat er doch wohl nicht etwa angerührt, denke ich.
"Um Gottes Willen, die hast du doch wohl nicht etwa angerührt?", frage ich.
"Glaub´ schon. Sowas gutes ist seit dem Embargo bei uns nur noch schwer zu bekommen, deshalb konnte ich mich einfach nicht zurückhalten."
"Ach...jetzt bin ich also wieder Schuld", regt George sich auf, nachdem der Inhalt der mir hastig aus der Hand gerissenen Flasche beachtlich schnell seine Kehle hinuntergeflossen ist.
"Saddam! Die hab´ ich zur Kommunion bekommen und als Erinnerung aufbewahrt! Du musst ins Krankenhaus und zwar schnell!"
"Wer muss ins Krankenhaus?", höre ich Bonaparte besorgt aus der Diele rufen.
"Jetzt lenk nicht ab, du Sausack und nimm, verdammt nochmal, die Spinne weg und da ist auch kein verfluchter Jude von Saugnapf-Mann, der sich als Spion an der Außenmauer vom Ministerium einschleicht!", erbost sich Adolf zur Antwort.
"Ach ja? Aber dein Explosionsmensch inmitten der Menge ist okay, oder wie? Das wäre doch eher Saddams Gebiet!"
"Dann entferne du gefälligst den zweiten He-Man aus der Menge. Ein Arier auf der Gegenseite ist Grund genug zum Verzweifeln!"
"Was - zum Teufel - macht diese Playmobil Figur mit der Atombombe in der Hand in Schlesien?"
"Man wird ja wohl noch schummeln dürfen."
Ich beschließe, dem Gespräch nicht länger zu lauschen.
"Ich muss den Mann in die Notaufnahme fahren. Mach schonmal den Wagen klar, George."
Nachdem dieser ein wenig herumgedruckst hat, entfährt ihm schüchtern : "Ich würde aber gern hier bleiben und auch ein wenig Krieg spielen, wenn du nichts dagegen hast."
Klar; alle drücken sie sich, wenn es mal um was ernstes geht.
"Dann bleib halt. Saddam, wir müssen los."
Bevor sich die Tür zwischen uns schließt, höre ich George noch lautstark "Wenn ihr mich nicht mitspielen lasst, dann boykottiere ich eure Wirtschaft" protestieren.
Dann werfe ich einen Blick auf die Uhr.
In zwei Stunden findet mein nächstes Treffen statt.
Was bietet man Mutter Theresa und Ghandi zum Essen an?
Ganz schön Scheiße, wenn man in der Hölle der Bekloppten hockt.