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Kaffee und Kuchen
Es klingelt an der Tür.
„Gehst du bitte?“
Wie? Gehst du bitte? Warum geht sie nicht selber? Mal wieder nicht fertig geworden im Badezimmer, hä? Toll! Jetzt soll ich aufmachen. Gerade ich. Ein Kaffeekränzchen wollen sie halten. Reden! Gespräche führen! Höchstwahrscheinlich über mich!
Warum eigentlich ist die schon da? Ich wollte doch vorher gehen. Die ist zu früh. Shit, ich bin gefangen.
Ha! Ich mach gar nicht erst auf. Dann kommt die vielleicht später wieder und dann bin ich weg. Genau! Das ist ein Plan. Könnte klappen. Ich bleibe einfach still stehen und mache so, als hätte ich nichts gehört. Ich stell mich tot oder taub oder beides. Warten und nichts tun, das ist genial.
„Hast du aufgemacht?“
Mist, klappt nicht. Warum ist sie nicht fertig und macht selber auf? Dann könnte ich mich ins Bad verkrümeln und würde der aus dem Weg gehen. Mir war so klar, dass es mal so kommen würde. Langsam wird mir schlecht.
Erneutes klingeln.
Mein Magen zieht sich zusammen und der Inhalt schiebt sich Stück für Stück nach oben. Schweiß steigt mir auf die Stirn und unter den Achseln werde ich nass. Mein Puls rast und meine Knie zittern. Immer wieder dröhnen mir diese Worte im Kopf: Hast du aufgemacht? Natürlich nicht. Was denkt sie von mir? Dass ich mich etwa freue, weil die kommt? Ich glaube, ich kotze gleich. Mir ist dermaßen schlecht, ich muss mich irgendwo festhalten.
„Scha-atz, geh jetzt. Mach auf!“
Super! Jetzt gibt sie mir auch noch Befehle. Mach auf! Diese Worte. Jetzt werde ich kommandiert. Wenn das meine Kumpel wüssten? Die lachen mich aus. Ich bin doch hier der Mann. Tropfnass geschwitzt bin ich mittlerweile. Allein die Vorstellung, dass ich der gleich gegenüber stehe. Wie die mich dann wieder anschaut und von oben bis unten mustert. Das hat die früher schon gemacht! Anfangs fand ich die ja ganz nett. Manchmal jedenfalls. Also, hin und wieder. Ehrlich gesagt: nie. Wir haben uns gehasst, vom ersten Tag an. Bin ihr scheinbar nicht gut genug fürs Töchterchen. Ja, jetzt ist es raus. Lacht nur! Lacht nur alle über mich! Aber ihr werdet noch sehen. Auch ihr habt Schwiegermütter. Oder sollte ich lieber Schwiegermonster sagen? Alles nur Fassade. Wartet nur, irgendwann denkt ihr an mich. Den Schizophrenen, den Nichtsnutz! So denkt die jedenfalls von mir. Dabei würden mich andere auf Händen tragen, mit Kusshand nehmen.
Es klingelt wieder.
„Mach jetzt endlich auf.“
Was macht sie solange im Bad? Will sie mich ausliefern? Sollen wir uns gegenseitig zerfleischen? Ist es das, was sie will? Will sie mich loswerden? Vielleicht hat sie einen anderen?
Meine Schweißausbrüche werden heftiger und mir ist schwindlig. Kann kaum noch stehen.
Gott, was soll ich tun. Ich könnte durch die Wohnung nach hinten rennen und zum Fenster raus springen? Aber den Gefallen tu ich ihr nicht. Auch wenn sie auf der Badewanne sitzt und darauf wartet. Mir wird schwarz vor Augen. Toll! Echt Toll! Sitzt sie da hinter verschlossener Tür, gibt Anweisungen und ich soll mich der Gefahr ausliefern. Typisch Frau! Aber wir Männer sind ja so blöd. Sind wir immer schon gewesen. Die ganze scheiß Evolution machen wir den Dreck schon mit. Aber die Frau, ja die Frau, sitzt nur da und wartet. Früher in der Höhle, heute im Badezimmer. Mach dies, mach das!
Ich reiß mich zusammen. Genau! Ich lass mir nicht vorwerfen, ich wäre feige. Nee, nee, mit mir nicht. Bin doch kein Weichei. Ich bin der Mann im Haus. Zieh das jetzt durch. Mein Herz beginnt zu rasen, spüre schon Aussetzer, kollabiere gleich.
Mein Finger zittert, als ich den Türöffner drücke. Ganz kurz, fast gar nicht, hab ihn kaum berührt und doch höre ich, wie es unten summt und die Tür aufgeht. Leider ist die Gegensprechanlage kaputt, sonst hätte ich sagen können: Wir sind krank. Alle beide. Todkrank. Schwer ansteckend.
Scheiße! Was hab ich getan? Jetzt ist die im Haus. Ich höre Schritte. Die kommt. Immer höher. Stufe für Stufe. Etage für Etage.
Mein Kopf platzt gleich und meine Schläfen hämmern. In meinen Ohren pfeift es. Bin kurz vorm Tinnitus. Was habe ich getan? Die Schritte kommen näher. Was soll ich sagen? Meine Spucke bleibt weg. Der Hals ist rau und trocken. Meine Lippen kleben zusammen. Jetzt ist die gleich da. Ich kann die schon spüren. Die Schwingungen der Treppe übertragen sich auf meinen Körper. Ist die schon an der Tür?
Stille!
Dann klopft es.
Okay! Okay! Jetzt bloß nicht schlapp machen. Ich leg mein liebstes Lächeln auf. Mach ein auf `freundlich`. Nur Mut, das schaffst du schon. Du bist stark.
Entschlossen reiß ich ich die Tür auf. Käseweiß und mit nasser Haut am ganzen Körper schaue ich angewidert in ihr Gesicht....äh? Sein Gesicht?!
Ich höre nur noch: „Ein Paket für Sie, Herr Meier“, dann werde ich ohnmächtig