K(r)ampf auf der Straße
K(r)ampf auf der Straße
„Langsam kommen lassen, den Schleifpunkt suchen,…,Neiiiin!“ Der Fahrlehrer war frustriert. Sein Fahrschüler hatte zum fünfzehnten Mal in Folge den Wagen an der grünen Ampel abgewürgt und das Hubkonzert in der Fahrzeugschlange hinter ihnen war kaum zu überhören.
„Ich mach dir das jetzt mal vor. Schleifpunkt finden, kommen lassen und los geht’s. Ist doch ganz einfach.“
Das Lenkrad triefend nass voll Schweiß, der Sitz durchweicht, die Scheiben beschlagen. Das war seine 28. Fahrstunde und noch immer kein Fortschritt. Nachdem er schon für die Theorieprüfung sieben Versuche gebraucht hatte und die Rechnung seines Führerscheins die utopische Summe von 8000 € durchbrochen hatte, genehmigte er sich erst einmal einen Frustimbiss an der Dönerbude. Nachdem er fünf Familiendöner XXL gegessen hatte, ging es ihm schlagartig besser. Seine Hundertfünfunddreißig Kilo machten ihm bei dieser Sommerhitze schwer zu schaffen. Er hätte eine Diät machen sollen. Das Leben war nicht einfach. Gerade für einen wie ihn. In der Schule fiel er nur dann auf, wenn es darum ging, seine Mitschüler mit unsinnigen Kommentaren und Einwürfen zu bombardieren. Sein Freundeskreis beschränkte sich auf den Einzugsbereich seiner Familie. Hatte er schon an Selbstmord gedacht? Natürlich nicht. Selbstbewusst war er, aber selbstbewusst genug um die Aufgaben des Lebens zu meistern? Er versuchte es jedenfalls, so gut es ging.
Heute Abend war er zu einer Hausparty bei einem seiner Klassenkameraden eingeladen. Dies war nur eine Zweckgemeinschaft, da er es sich nicht erspart hatte, vor fünf Monaten seinen achtzehnten Geburtstag zu feiern, obwohl er mit den meisten seiner Gäste niemals ein einziges Wort gewechselt hatte.
Doch wie würde es werden? Wieder so wie bei der letzten Feier, als er das kalte Büffet allein geleert hatte und nicht bemerkte, dass der Lachs mit Salmonellen verseucht gewesen war. Er hatte darauf fürchterlichen Durchfall und wurde zum Amüsement der anderen Gäste, da er sechzehn Stunden auf der Toilette verbrachte.
Er nahm den Bus nach Hause. Als er dort ankam, wurde er schon von der Polizei sehnsüchtig erwartet. „Wir müssen sie unter dringendem Mordverdacht an einem Obdachlosen festnehmen.“
Er wurde aufs Revier gebracht. Er hatte das Recht, die Aussage zu verweigern. Dies tat er auch. Er sagte nur, dass er den Operator anrufen müsse, welcher in Person seines Anwalts auch eine Stunde später erschien. Doch es half alles nichts. Er wurde zu 10 Jahren Jugendarrest verurteilt, da er des Sprechens anscheinend nicht mächtig zu sein schien.
Diese Strafe sitzt er zur Zeit in einem örtlichen Gefängnis ab und fristet seinem langweiligen Dasein hinter schwedischen Gardinen.
Doch wie war es eigentlich dazu gekommen?
Die Party, welche am Abend seiner Verhaftung stattfinden sollte, fand auch standesgemäß statt. Allerdings merkten seine Klassenkameraden erst nach gut einem Jahr, dass er nicht mehr zur Schule kam, was aber niemanden wirklich interessierte.
Doch wie konnte es sein, dass er verurteilt wurde, ohne etwas getan zu haben?
Ganz einfach. Eines Abends, als er wieder einmal von einer total versauten Fahrstunde zum Bahnhof schlenderte, sah er am Straßenrand einen Obdachlosen stehen, welcher gerade von einer Bande Jugendlicher mit einem Messer bedroht und später niedergestochen wurde. An diesem Messer klebte ein Kaugummi. Nachdem er die Tat stillschweigend verfolgt hatte, machte er das Kaugummi ab, um den aufkommenden Hunger zu unterdrücken. Leider hinterließ er Fingerabdrücke auf der später sichergestellten Tatwaffe.
Das Leben ist hart !!!!