(K)ein Schauspiel wider aller Regeln
Düstere Nacht
(Das Kaminfeuer knistert)
Ich sitze hier an meinem Kaminfeuer und schaue zu, wie die Holzscheitel nach und nach von den Flammen aufgezehret werden.
Es beruhigt und fesselt mich zugleich, aber hier finde ich Kraft, über neue Erkenntnisse zu sinnen, um zu erfahren, was die Welt im Inneren zusammenhält.
Und doch ist dies nicht der Weissheit tiefster Punkt oder sollte ich sagen, des Pudels wahrer Kern? Vielleicht werde ich das Unbegreifbare eines Tages doch begreifen können. Aber eines, eines wird mir immer fremd bleiben: Mein Herz!
Genug der Forschung für heute! Ich muß es wissen! Hinfort mit all den Himmelskörpern! Teufelszeug! Stets findet Überraschung statt, dort wo man's nicht erwartet.
Mein Herz ist zweigeteilt. Es schlägt für meine Lehren, ja, mein Herz schlägt für die Wissenschaft! Und doch ist dort eine kleine Ecke, die sich mir entzieht. Es wuchert, greift um sich. Ach, zwei Herzen ruhen wohl in meiner Brust. Sie wollen mich entzweien.
Oh bitte helfet mir, befreiet mich von meiner Last, befreit mich von meinem Verstand!
Es kann nicht sein, dass ich die Welt verstehe und ich mich selbst nur im unendlichen Kreise drehe.
"Doch die Dinge sind nicht immer das, was sie zu scheinen sein."
Wer saget dies?
(Stille)
Hört Ihr nicht? Ich befahl Euch zu antworten!
"Zur Wahrscheinlichkeit gehört auch, dass das Unwahrscheinliche eintreten kann."
Ich vernehme weise Worte. Aber sie entstammen nur aus Eurem Munde, nicht aber aus Eurem Kopfe! Drum zeiget Euch mir! Ich will sehen, wer es sich leisten kann, solch frevelhafte Tat zu begehen, Raub am geistigen Eigentum zu wagen.
"Ein Teil von jener Kraft, die stets das Böse will und stets das Gute schafft."
Verspottet mich nicht, mir sind diese Worte wohl bekannt.
"Stoppt hier, kleines Männchen! Ihr möget die Worte kennen, doch Ihr wisset nicht, wie ich sie gebrauche. Vieles wird Euch bekannt vorkommen und doch ist es Euch mehr als fremd. Drum schauet zwei Mal hin,wenn Euch jemand etwas sagt. Höret zwei Mal hin, wenn Euch jemand etwas zeigt."
Wer schicket Euch zu mir? Oder ist es gar der Wein, der Euch erschaffet?
"Ich bin der Nebel, der Euch Klarheit schafft. Ich bin der Schmerz, der Euch leben lässt.
Leere Worte, schwacher Klang. Ihr wollt mich strafen? ...Oder gar vernichten?
"Ihr habt mich nicht verstanden! Aber fraget nicht so viel, es ist nicht gut für Euch!"
Wie kann ich ich leben, ohne zu fragen? Wie kann ich glauben, ohne zu zweifeln?
"Besser als je zuvor. Sehet Ihr die Flammen, wie sie sich in das Holz fressen? Fragen diese? Werden sie größer, wenn sie mehr wissen?"
(Die Flammen lodern stark auf)
"Ich sehe, Ihr denktet zu viel. Bei Eurer Wissenschaft mag es Euch helfen und doch wird es Euch nicht zum Ziele führen. Bildung ist etwas Wunderbares, aber es tut gut sich von Zeit zu Zeit daran zu erinnern, dass nichts, was wert ist gewusst zu werden, gelehrt werden kann. Ich gehe davon aus, Ihr kennet diese Weisheit."
Ja, ich kenne sie, aber ich zweifle an ihren Worten. Ihr scheinet viel zu wissen. Lasset mich an Eurem Wissen teilhaben.
"Ihr habet immer noch nichts verstanden! Aber ich werde Euch ein wenig helfen, nur so ein Stück, dass Ihr Euch selber befreien könnet."
Ich kann Euch hören, aber sehen kann ich Euch immer noch nicht. So zeiget mir doch Euer Gesicht!
"Nein, Eure Aussage trifft es nicht. Ihr könnt mich sehen, nur nicht hören. Ihr seht nur das, was Ihr zu sehen bereit seid. Schauet ins Feuer, betrachtet es. Sagt mir, was fühlet Ihr?"
Es ist nur ein Feuer, es strahlt Wärme aus, wirkt beruhigend auf mich. Ich liebe es. Es gibt mir alles, was ich brauche. Hier kann ich glücklich sein.
"Wohl wahr. Und nun streichelt es"
Es wird mich verbrennen.
"Nein, es wird Euch nichts geschehen."
(Er steht auf und steckt zögernd seine Hand in Richtung Feuer und verbrennt sich)
Wieso habt Ihr das getan? Sagtet Ihr nicht, es wir mir nichts geschehen?
"Wir haben nichts getan. Ihr habt Euch selber verletzt"
Ihr sagtet, ich solle es tun. Ich habe Euch vertraut. Was für ein töricht Menschlein muss ich sein!
"Und Ihr sagtet, Ihr würdet es lieben. Aber Ihr habt nicht darauf vertraut. Ihr vertraut nur auf Euer Wissen, auf Eure Erfahrung. Ihr hängt an Eurem Bilde der Gesetze. Trauet nicht mir, sondern trauet dem Feuer und Euch selber!"
Nein! Ich glaube Euch nicht!
"Wie Ihr meint. Ein einziges Mal werde ich Euch führen. Vergesst schnell wieder, was jetzt geschehen wird. In Zukunft wird es Eure eigene Aufgabe sein"
(Das Feuer kriecht langsam aus dem Kamin und nähert sich seiner Hand. Er will sie zurückziehen, doch etwas hält sie fest. Die Flammen lodern auf seiner Haut und brennen sich in diese ein)
So tuet doch was, sehet Ihr nicht, dass ich verbrenne? Warum muss ich diesen Schmerz erleiden? Wofür wollet Ihr mich quälen?
"Es lieget nur an Euch selber!"
Er schlägt verzweifelt um sich, doch die Flammen lodern nur noch stärker)
Helfet mir, sonst werde ich verbrennen!
"Es lieget nur an Euch selber!"
Ich gebe auf. Ich lasse die Flammen siegen. Sollen sie mich in Reiche jenseits dieser Welten führen.
(Und die Flammen änderten ihre Farbe und sie heilen seine Wunden)
Wie ist dies möglich? Ich war doch bereit zum sterben.
"Nein, ihr habt ihnen nur vertraut. Ihr habt Euch ihnen hingegeben. Sie wollten Euch niemals etwas tun. Ihr selbst habt Euch etwas angetan."
Ich verstehe nicht!
"Vertrauen! Ihr sagtet, ihr liebet die Flammen. Und Liebe wird niemals verletzen, wenn man auf sie vertraut. Man muss nur bereit dazu sein, sich ihr hinzugeben."
Ja, ich liebe sie. Ja, ich vertraue ihnen.
(Und die Flammen durchfluteten seinen Körper mit einem wunderschönen Gefühl)
"Ich sehe, Ihr versteht langsam. Ich hoffe, ich habe Euch den Weg gezeigt, den ihr suchtet."
(schweigen)
"Seht Ihr, das Feuer, was ihr liebt, kann Euch verletzen. Aber genauso kann es Euch erfüllen, Eure Bedüfnisse heilen und Euch glücklich machen. Es liegt bei Euch, wie Ihr in Zukunft mit dem Feuer umgehen wollt. Aber merket Euch, nicht jedes Feuer ist gleich. Ihr müsst Euch schon die Mühe machen, es zu ergründen, ansonsten wird es Euch zerstören.
Wartet, wer seid Ihr?
"Ich bin Du"
(Und er fühlte, dass sich sein zweigeteiltes Herz wieder in ihm vereinte)
Ja, manchmal ist die mutmaßliche Vernunft die Feigheit vor sich selber und sie verbaut einem vielleicht genau das, was man sucht.