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Küss oder stirb
In dem Abstellkämmerchen, das Daniel Anders an jenem sonnigen Samstagmorgen im Juli als Versteck diente, war es dunkel und eng. Er hockte da in einer Haltung, als säße er auf der Toilette – ein bärengroßer Mann zwischen Staubsauger, Wischern, Besen und allerlei anderen Haushaltsgegenständen.
Er atmete schwer. Verdammt!, dachte er. Ich bin zu laut. Er wusste, dass ihn jeder noch so kleine Laut ins Verderben führen konnte. Ein dünner Lichtstreifen drang in die Abstellkammer, die er fast komplett mit seiner beachtlichen Größe und Masse ausfüllte. Hierdurch konnte er minimal den Flur einsehen. Und da tauchte seine Frau plötzlich im Profil auf, wie sie sich schleichend fortbewegte, gleich einem Raubtier auf der Fährte ihres Mannes.
Schweiß rann ihm von der Stirn und lief ihm in die Augen, die er sich rasch rieb; dies verursachte ein rappelndes Geräusch, da er mit dem Arm gegen ein paar der Haushaltsgegenstände stieß.
Susan Anders wandte den Kopf zu ihm und ihr entschlossener Blick traf durch den Türspalt direkt sein spähendes rechtes Auge.
Daniel hatte keine Wahl als sein Versteck aufzugeben; er riss gewaltsam die Tür auf, die Susan am Arm traf. Diese stieß einen Schmerzensschrei aus; ihr Mann stürmte währenddessen an ihr vorbei in Richtung Wohnzimmer. Dort öffnete er hastig die Terrassentür, drehte sich ängstlich um, und da war schon seine Frau, die auf ihn zu gerannt kam, in der linken Hand den großen Besen schwenkend. Ihr Gesicht drückte unbändige Wut aus, und Daniel glaubte, sie wolle ihn diesmal wirklich umbringen.
Und das alles, weil ich vergessen habe, die Mülltonne wieder reinzuholen, dachte er.
Er fuhr wieder herum, erreichte den Rasen über die Terrasse, bis ihm die Beine weggezogen wurden und er auf dem Kinn landend auf den Boden fiel.
Jetzt drosch seine Frau mit der Stielseite des Besens auf seinen Rücken und seinen Hintern ein. »Das - wirst - du - mir – büßen!«, rief sie, jedes Wort ein Schlag. Daniel stöhnte bei jedem Mal auf, verfluchte seine Frau inständig.
Seine ganze Kraft zusammennehmend, rollte er sich zur Seite, wodurch er ihrem nächsten Angriff ausweichen konnte. Dann richtete er sich auf und rannte wieder.
»Du entkommst mir nicht. Dazu bist du viel zu fett!«, verkündete sie; sie schien die Situation jetzt in vollen Zügen zu genießen.
Er schaffte es bis zum hohen Bretterzaun, der ihren Garten umschloss, sprang, hielt sich fest und zog sich daran hinauf. Sein Puls überschlug sich und er spürte Seitenstiche, er nahm sich in diesem Moment wie so oft vor, unbedingt mehr Sport zu treiben.
Endlich gelangte er über den Zaun, ließ sich vorsichtig fallen. Auf beiden Beinen landete er auf dem Bürgersteig der umliegenden Straße, hielt gebeugt und schwer schnaufend inne und lauschte dem Stöhnen seiner Frau. Diese hangelte sich gerade die andere Seite des Zauns hoch. Was ist nur mit ihr los?, fuhr es Daniel voller Entsetzen durch den Kopf und er drehte sich wie mechanisch wieder um, obwohl er vermutlich besser daran getan hätte, einfach zu rennen, bis die Beine versagten.
Der Kopf seiner Frau kam hoch über ihm zum Vorschein. Ihr Haar stand wirr zu allen Seiten ab, die Augen sahen blutunterlaufen aus, als sei sie von etwas Bösem besessen.
Diese Veränderung Susans seit etwa einem halben Jahr, damit kam er einfach nicht zurecht, das wollte auf Gedeih und Verderb nicht in seinen Kopf.
Sie stieg über den Zaun hinweg, mit entschlossenem Ausdruck, darauf bedacht, ihm eine Abreibung zu verpassen … und mehr.
Und nun ließ sie sich vom Zaun gleiten und kam genau vor ihm auf, mit einem Grinsen und einer Boshaftigkeit, die ihm Angst machte. So standen sie sich gegenüber, nur dass Susan schräg hochblicken musste, um ihrem zwei Köpfe größeren Mann ins Gesicht sehen zu können.
Ausgerechnet vor seiner eigenen Frau fürchtete sich Daniel Anders jetzt mehr als je zuvor in seinem Leben. Sie hob keifend die Hände und ergriff seinen Vollbart, um daran zu ziehen, stärker und stärker, bis es wehtat und er keuchende Geräusche von sich gab.
Sie strahlte im Gesicht, ja, sie liebte es ihm Schmerzen zu bereiten. In der anderen Hand umschloss sie ihren Besen, den sie für eine andere Tätigkeit als Fegen umfunktioniert hatte.
Er versuchte, etwas Gutes in ihren grünen Augen auszumachen, ein Fünkchen von früher, aber vergebens. Unter ihrer Folter biss er die Zähne zusammen.
War sie vielleicht geisteskrank geworden? Das würde zumindest erklären, wie sie, als er sie vor fünf Jahren kennenlernte, die liebste Person von der Welt sein konnte, und seit einem halben Jahr ein wahres Biest.
Schlag zu!, drängte sich ihm der Gedanke auf. Nur ein Hieb in ihren Bauch und du bist diesen verdammten Schmerz los. Aber es ging einfach nicht. Er konnte seine Frau nicht schlagen.
»Du Lusche«, flüsterte sie. »Wie konnte ich nur ein Weichei wie dich heiraten?«
»Susan«, flehte er. »Du bist nicht du selbst. Du brauchst Hilfe.«
Doch sie schien ganz woanders zu sein und seine Worte gar nicht erst zu hören. »Du betrügst mich doch. Gib es zu.«
Das war neu. Diese abstruse Anschuldigung hörte Daniel zum ersten Mal von seiner Frau. »Susan«, sagte er eindringlich. »Ich würde dich nie betrügen.« Das stimmte. Das würde er nicht und hatte er nie getan.
Es half nichts. Sie holte, während sie sich mit der Linken am Bart zu schaffen machte, mit rechts aus, bereit einen Homerun mit dem Besen zu schlagen.
»He!«, rief jemand. »Was ist denn hier los?«
Beide wandten sich der Richtung zu, aus der die Stimme kam. Ein Mann mittleren Alters im roten Wollpyjama und Hausschuhen lief wie ein Feuerwehrmann bei einem Brand über seinen Vorgarten, mitten auf Daniel und Susan zu.
Er stand vor der Drosselallee 22, strich sich über seinen in Mitleidenschaft gezogenen Bart, griff sich an Rücken und Po und sah noch einmal auf die eine Nachricht auf seinem Handy hinab: Wenn dir mal nach quatschen ist, komm einfach vorbei.
Glücklicherweise hatte der Nachbar die Situation entschärft, bevor es Tote gab. Daniel hatte sich irgendwann reflexartig umgedreht und war losgegangen, hatte den Nachbarn und seine Frau einfach verdutzt stehen gelassen, wie ein Schauspieler mitten in einer Szene seine Kollegen nach dem Motto: Ich hab keinen Bock mehr, das ist mir zu blöd.
Mit schmutzig grüner Jeans und den Nerven am Ende roch er an seinem Shirt, verzog das Gesicht und warf zerstreute Blicke auf die Namen unter den vielen Klingeln. Er fand entsprechenden Namen, drückte die Klingel und fragte sich, was er ausgerechnet hier machte.
Das Summen der sich öffnenden Tür ertönte und Daniel drückte sie hastig auf, als würde es nur zwei, drei Sekunden und nur einmal summen. Schnell atmend arbeitete er sich die Stockwerke hinauf, erblickte in jedem den falschen Namen an den Türen rechts und links. Endlich, fast ganz oben, fand er den Glückverheißenden. Einen Moment darauf öffnete sich die Wohnungstür.
Eine Sekunde glaubte er, sein Herz würde aussetzen, denn er sah seine Frau in der Tür. Dann erkannte er die Unterschiede, den schmaleren Mund, die größeren Augen, diese Grübchen an den Wangen, die Susan fast vollständig fehlten. Wie von selbst erschien ein Lächeln auf seinem Mund. »Du siehst ja aus wie vom Bagger überfahren«, sagte sie. Und da war noch ein erfreulicher Unterschied – sie hatte Humor, seine Frau war schon immer völlig humorfrei gewesen.
Daniel Anders´ Arbeitskollegin hieß Lana Kuhn und arbeitete als Sachbearbeiterin in dem Bauunternehmen, wo er als Maurer tätig war. Sie war jemand, dem man bedingungslos vertrauen konnte, ein Kumpeltyp.
Sie saßen am Küchentisch von Lanas ordentlicher, schicker Wohnung, die zu ihrem gepflegten Äußeren passte. Er nahm einen großen Schluck des Kaffees, den ihm Lana zubereitet hatte, und gab ein genüssliches »Ahhhh« von sich.
Lana konnte sich ein Lächeln aufgrund der herzallerliebsten Art ihres Kollegen nicht verkneifen.
Daniel sah zu ihr hin und erwiderte es unwillkürlich, er war jetzt froh hierhergekommen zu sein.
»Und nun erzähl«, sagte Lana. »Die heiße Dusche kannst du gleich nehmen, das habe ich dir ja versprochen.«
Daniel errötete.
Lana ahnte, worum es ging, sie hatte schon länger die Anzeichen auf überraschend gute Weise richtig interpretiert. »Du brauchst dich nicht zu schämen«, führte sie in sanftem Ton an. »Ich habe auch tausende von Dingen, die mir peinlich sind. Ach, komm. Du weißt was für eine schusselige Person ich bin. Ein Vorschlag. Für jedes Detail aus deiner Geschichte, ein peinliches aus meinem Leben.«
Daniel nickte. »Schon gut. Ich sag´s dir ja. Und verschone mich mit deinen peinlichen Details.«
Lana musste auf diese Erwiderung hin kichern.
Also erzählte er ihr alles, wie Susan ihn seit geraumer Zeit regelmäßig verdrosch, von ihren Wutausbrüchen, die ganz plötzlich kamen.
»Wieso hast du sie denn nicht angezeigt?«, fragte Lana irgendwann mit heiserer Stimme. »Oder dich einfach gewehrt. Ich weiß, sie ist deine Frau, aber so etwas muss man sich doch nicht bis zum Exzess gefallen lassen.«
»Ich kann es nicht. Was ist das für ein Mann, der seine Frau schlägt?« Daniel kam sich erbärmlich vor. Er hielt den Kopf gesenkt und gab vor, einen Schmutzfleck auf seinem T-Shirt unter die Lupe zu nehmen. Aufgrund genau dieses Peinlichkeitsgefühls, das er jetzt empfand, hatte er vor gehabt, nie einer Menschenseele davon zu erzählen.
»Weiß Gott«, sagte Lana jetzt. »Häusliche Gewalt kann auch umgekehrt passieren. Das sieht man oft genug in den Fernsehnachrichten. Aber wenn es einen selbst betrifft, ist das natürlich was anderes.«
»Ja.«
Lana fuhr sich durch ihr lockiges braunes Haar, wie immer, wenn sie von etwas völlig eingenommen war.
Daniel blickte auf die Uhr hinter ihr an der Wand, die drei anzeigte, und die römischen Ziffern verschwammen plötzlich vor seinen Augen. »Eine Dusche wäre jetzt wirklich schön.«
»Ja, sicher.« Lana stand auf. »Und wie gesagt: du kannst so lange hier bleiben wie du willst.«
Als Daniel sich mit den Händen auf dem Tisch vom Stuhl hochhob (der Tisch knarrte dabei), überlegte er, wie es nur jetzt weitergehen sollte.
Pfeifend bereitete sie das Badezimmer für seine Dusche vor, während er hinter der Tür wie versteinert wartete. Er fragte sich, was seine Ehe noch bedeutete.
Lana öffnete die Tür und sah ihren fast schon katatonischen Kollegen mitleidig an.
Daniel erwachte aus seiner Gedankenwelt, trat etwas verwirrt ins Bad, schloss die Tür und entledigte sich seiner Kleider, die gefühlte Zentner wogen. In der Duschkabine konnte er, nachdem er den Duschkopf weit nach oben schob und das Wasser warm geworden war, etwas entspannen. Aber nicht ganz, denn sein Rücken brannte furchtbar unter dem Strahl. Er hielt eine ganze Weile die Arme hinter dem Kopf, während die Tropfen auf ihn herabfielen, und ließ seine Gedanken in alle Richtungen schweifen.
Ach, hätte sein armer Paps – Gott hab ihn selig – das je vorausgesehen? Er, der älteste Bruder von drei Geschwistern und Haupternährer der Familie mit Achtzehn, als sein Vater bereits krank war. Dass er eines Tages von seiner eigenen Frau entmannt wurde?
Was würde er jetzt tun? Wie konnte er seiner Frau helfen, wo sie verrückt, absolut durchgeknallt geworden schien? Du betrügst mich doch. Gib es zu, hatte sie an diesem Vormittag behauptet. Pah! Daniel Anders musste unwillkürlich in der kleinen Kabine losprusten, als er sich gerade einschäumte, es war aber keine rein fröhliche Geste, denn es steckte viel Verzweiflung darin.
Tracking. Das war die wunderbarste Idee der Welt. Sie hatte es vor einer Woche heimlich auf seinem Handy eingerichtet. So konnte sie immer auf ihrem sehen, wo er sich aufhielt, der notorische Fremdgeher. Ihn unter Kontrolle behalten, das war nur das Beste für ihn, sie tat ihm damit einen Gefallen, ganz genau. Sie war jetzt, es war zehn Uhr abends, in dieser abscheulichen Gegend gelandet, er besorgte es bestimmt so einer mit Gonorrhoe verseuchten Schlampe, klar, das passte ja zu ihm.
Ihr kamen die Worte des Therapeuten im Jugendgefängnis ins Gedächtnis. Sie zeigen keinerlei Anstalten, etwas an ihrer narzisstischen Persönlichkeitsstörung ändern zu wollen. Störung? Oh, hätte sie sich nur nicht so einen Kerl wie Daniel angelacht, darin sah sie ihren einzigen Fehler. Er hatte es nicht anders verdient, konnte er ja nicht mal ein ordentliches Gehalt nach Hause bringen. Zudem schwieg er immer, wenn sie reden wollte und zog sich zurück, statt wie ein Mann mit ihr die Probleme anzupacken. Aber gleichzeitig gab es da eine Tatsache, die sie nicht verleugnen konnte – sie liebte diesen Mann auch. Liebe und Wut waren für sie untrennbar miteinander verbunden, und dazwischen gab es nichts.
Sie stand mit dem Handy in der Hand vor der Drosselallee 22 und besah sich die Namen auf den Klingelschildern, von denen einer der eines furchtbaren Flittchens war. Sie drückte voller Eifer mit beiden Händen alle Klingeln des Hauses gleichzeitig. Summ, richtig, einer macht immer auf. Freudig öffnete sie die Tür. Aber wo genau versteckt Daniel sich? Das konnte sie auf der App nicht erkennen, die ja keine Höhen wiedergab. Sie pustete laut aus und sah sich im Treppenhaus um. Dann eben so: Überall klingeln und auf übermäßig freundlich tun, was sie ja von den Anfängen der Ehe mit Daniel gewohnt war. Wer fickte, war auch wach, also würde früher oder später ein halbnackte Fotze die Tür öffnen, und dann Gnade euch Gott, ihr zwei. Manche machten erst gar nicht auf. Susan arbeitete sich unermüdlich eine Treppe nach der anderen hoch. Ein paar öffneten die Tür, manche sehr unfreundlich, zehn Uhr sei es bereits, ihr doch egal. Sie blieb freundlich … und nein, die waren es sicher nicht, die Daniel ein Versteck boten. Sie blieb schließlich vor einer Tür stehen, neben der der Name Kuhn stand, und hier hatte sie so ein komisches Gefühl. Sie schüttelte sich und ballte die Fäuste.
Eine junge Frau in rosa Seidenshorts und einem knappen Top öffnete. Ihr Haar war leicht durchei-nander gewirbelt. Susan verlor für einen Moment ihre Entschlossenheit und kam sich wie ein Kind vor, das an Halloween schüchtern nach Süßem oder Saurem fragte.
»Ist Daniel hier?«, fragte sie patzig, wieder ganz sie selbst. »Ich muss ihn sprechen, sofort.«
Die junge Frau drehte sich zerstreut um. »Ich weiß nicht.«
Und schon stürmte Susan an ihr vorbei in den Flur. Anfängerin, dachte sie.
»Ey, was soll das?«
»Ich will zu meinem Mann, wonach sieht´s denn aus?«
Lana Kuhn packte Susan am Arm und zerrte sie wieder bis vor die Wohnungstür zurück. Susan drehte ihr daraufhin den Arm um. Lana kreischte, was im ganzen Treppenhaus widerhallte. Sie riss sich von Susan los, jetzt zur Wand stehend. Susan zerkratzte ihr das Gesicht mit ihren langen türkislackierten Fingernägeln. Lana heulte bitterlich auf, mit zwei langen blutenden Streifen an den Wangen. Daniel erschien hinter Susan, packte sie um die Taille und zog sie von Lana weg, dabei geriet Susan ins Straucheln und fiel polternd und kreischend die Treppenstufen hinunter, zwölf an der Zahl.
Susan war ohnmächtig, aber nur einen Moment. Verschwommen nahm sie, während sie langgestreckt am Fuße der Treppe lag, wieder ihre Umgebung wahr. Ihr Rücken fühlte sich taub an. Sie hob mit viel Anstrengung den Kopf, da waren die beiden, die reumütig auf sie herabblickten.
Daniel kam mit hochrotem Kopf die Treppen herabgestiegen und schrie sie an. »Was fällt dir eigentlich ein? Was machst du überhaupt hier?«
So hatte Susan ihn noch nie erlebt. Mucksmäuschenstill lag sie da, ungewohnt ruhig und verwirrt.
Daniel atmete schwer aus und half ihr etwas auf, sodass sie jetzt mit dem Rücken an die Wand gelehnt saß. Er hockte vor ihr, hatte die eine Hand auf ihre Schulter gelegt und blickte ernst und tieftraurig. »Selbst schuld«, flüsterte er ohne jeglichen Vorwurf in der Stimme. »Woher weißt du eigentlich, wo ich bin?«
Lana Kuhn stand wie unter Schock mit zerkratztem Gesicht über der Treppe und rührte sich nicht einen Zentimeter. Daniel sah besorgt zu ihr hoch. Er bedeutete ihr mit einem Kopfnicken sich zurückzuziehen, was sie, als sei sie plötzlich erwacht, sofort tat.
Susan lehnte ihren Kopf auf seine Hand an ihrer Schulter und stöhnte leise vor Schmerz auf.
Sie war hergekommen, um ihm die Leviten zu lesen, aber jetzt saß sie wie geläutert da, die Extre-mitäten erstarrt und das Herz voll Kummer. Da war dieser kräftige, bärtige Mann neben ihr, für den sie unleugbar Gefühle hatte. Ihr wurde warm und kalt zumute, sie hatte diesen Mann ein halbes Jahr lang geschlagen und tyrannisiert … wegen nichts.
»Ich gehe jetzt«, sagte sie. »Aber vielleicht kommst du die Tage zu mir und wir können reden.«
»Du brauchst einen Arzt«, sagte er ruhig. Er war erschöpft. Dabei musste es vielleicht schnell gehen, wenn seine Frau sich ernste Verletzungen zugezogen hatte.
Sie saßen eine Weile so da. Susan nahm diese Momente in der Nähe ihres Mannes bewusst wahr. Sie hatte die Vermutung, es könnten die letzten überhaupt sein, bei der versteinerten, nachdenklichen Miene, die er angenommen hatte. Die Polizei kam. Ein Nachbar hatte sie gerufen. Und die Polizei rief dann den Notarzt.