Körpergefühl
Fünfzehn Finger auf ihrem Körper. Sie zählt noch einmal nach. Fünfzehn. Er hat seine rechte Hand um ihre Hüfte gelegt und zieht sie näher zu sich. Die linke Hand liegt auf ihrem Nacken und seine warmen Finger drücken gegen ihre Haut. Zehn dunkle Finger auf ihrer Haut. Fünf weitere Finger bedecken ihren Bauch, helle Finger, ihre eigenen Finger. Die dunklen Finger bohren sich tiefer in ihren Nacken und er zieht sie ganz nach an sich. Braune Augen und blaue Augen sehen sich an.
„Your body‘s just perfect“ flüstert er und küsst sie. Sie hört die Worte, spürt wie sie in ihr Ohr schlüpfen und es sich dort gemütlich machen wollen. Doch gerade als die Worte sich einnisten wollen werden sie aufgescheucht, müssen das innere Ohr wieder verlassen und fallen unsanft auf die Bettdecke. Sie mag die Worte, sie tun ihrer Seele gut. Die Worte sind sanft, schmeicheln ihr und fühlen sich gut an in ihrem Ohr. Aber nur für einen Augenblick. Denn sie kann den Worten nicht so recht Glauben schenken. Denn sie findet ihn alles andere als perfekt, ihren Körper. Da ist viel zu viel von ihrem Körper. Zu viel Masse, zu viel Haut. Zu viel, viel zu viel. Zu fett.
„You’re so beautiful“. Sie mag seine Worte, sie sind genau was sie eigentlich hören möchte. Balsam für die Seele. Und doch gleiten sie an ihrem Körper hinab wie Öl, bleiben nicht haften und tropfen auf das blaue Bettlaken und gesellen sich widerwillig zu all den anderen Worten aus seinem Mund. Er hat natürlich keine Ahnung, hat keine Ahnung wie bittersüß seine Komplimente in ihrem Ohr klingen und warum sie die Worte stets allesamt wieder fortschickt und hilflos verkümmern lässt. Und irgendwann, ohne es zu bemerken, rollt sie dann über die Worte, mit ihrem schweren, schweren Körper und zerquetscht sie alle, bis nichts mehr übrig ist. Und alles was sie dann in ihrem Ohr hört sind ihre eigenen Worte. Unliebsame, harsche Worte die bis ins Innerste ihres Kopfes gekrochen sind und dort unaufhörlich wiederhallen. Hässlich. Fett. Fett. Fett. Und sie würde sich am liebsten die Ohren zuhalten. Doch es wäre nutzlos, denn diese Art von Worten vermehrt sich im Inneren ihres Kopfes und sie leben dort als ungebetene Dauergäste.
Er nimmt ihre Hand, die fünf Finger die versucht haben den Bauch zumindest ein bisschen zu verdecken. Sie zögert einen Augenblick, doch löst die fünf Finger dann von ihrem Bauch und drückt seine Hand. Zehn Finger. Hell und dunkel. Sie mag den Kontrast. Und sie mag die Küsse. Mehr und mehr Küsse und alles andere wird unwichtig, zumindest für den Augenblick.