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Körpergefühl

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21.08.2015
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Körpergefühl

Fünfzehn Finger auf ihrem Körper. Sie zählt noch einmal nach. Fünfzehn. Er hat seine rechte Hand um ihre Hüfte gelegt und zieht sie näher zu sich. Die linke Hand liegt auf ihrem Nacken und seine warmen Finger drücken gegen ihre Haut. Zehn dunkle Finger auf ihrer Haut. Fünf weitere Finger bedecken ihren Bauch, helle Finger, ihre eigenen Finger. Die dunklen Finger bohren sich tiefer in ihren Nacken und er zieht sie ganz nach an sich. Braune Augen und blaue Augen sehen sich an.
„Your body‘s just perfect“ flüstert er und küsst sie. Sie hört die Worte, spürt wie sie in ihr Ohr schlüpfen und es sich dort gemütlich machen wollen. Doch gerade als die Worte sich einnisten wollen werden sie aufgescheucht, müssen das innere Ohr wieder verlassen und fallen unsanft auf die Bettdecke. Sie mag die Worte, sie tun ihrer Seele gut. Die Worte sind sanft, schmeicheln ihr und fühlen sich gut an in ihrem Ohr. Aber nur für einen Augenblick. Denn sie kann den Worten nicht so recht Glauben schenken. Denn sie findet ihn alles andere als perfekt, ihren Körper. Da ist viel zu viel von ihrem Körper. Zu viel Masse, zu viel Haut. Zu viel, viel zu viel. Zu fett.
„You’re so beautiful“. Sie mag seine Worte, sie sind genau was sie eigentlich hören möchte. Balsam für die Seele. Und doch gleiten sie an ihrem Körper hinab wie Öl, bleiben nicht haften und tropfen auf das blaue Bettlaken und gesellen sich widerwillig zu all den anderen Worten aus seinem Mund. Er hat natürlich keine Ahnung, hat keine Ahnung wie bittersüß seine Komplimente in ihrem Ohr klingen und warum sie die Worte stets allesamt wieder fortschickt und hilflos verkümmern lässt. Und irgendwann, ohne es zu bemerken, rollt sie dann über die Worte, mit ihrem schweren, schweren Körper und zerquetscht sie alle, bis nichts mehr übrig ist. Und alles was sie dann in ihrem Ohr hört sind ihre eigenen Worte. Unliebsame, harsche Worte die bis ins Innerste ihres Kopfes gekrochen sind und dort unaufhörlich wiederhallen. Hässlich. Fett. Fett. Fett. Und sie würde sich am liebsten die Ohren zuhalten. Doch es wäre nutzlos, denn diese Art von Worten vermehrt sich im Inneren ihres Kopfes und sie leben dort als ungebetene Dauergäste.
Er nimmt ihre Hand, die fünf Finger die versucht haben den Bauch zumindest ein bisschen zu verdecken. Sie zögert einen Augenblick, doch löst die fünf Finger dann von ihrem Bauch und drückt seine Hand. Zehn Finger. Hell und dunkel. Sie mag den Kontrast. Und sie mag die Küsse. Mehr und mehr Küsse und alles andere wird unwichtig, zumindest für den Augenblick.

 

Hallo Alena,

die Bilder, die du in deinem kurzen Aufriss entwirfst, sind wohldurchdacht und hallen im Leser (zumindest in mir) nach. Damit verleihst du dem Augenblick reiner Körperlichkeit bzw. der Verschnaufpause zwischen zwei Passion-Sessions einen philosophischen Anstrich.

Was mir ein wenig missfällt, ist die eindimensionale Selbstwahrnehmung der Protagonistin. Obwohl sie sich jemanden geangelt hat, der sie mit Komplimenten überhäuft, kann sie den inneren Zensor einfach nicht überhören. Das mag so weit ja gängig und realistisch sein. Aber sie könnte sich noch mehr dagegen wehren, mehr Aggressivität in ihre Lust legen, statt bloß diesen einen verschwindend kurzen Augenblick auszukosten, der diese Gedanken allenfalls vorübergehend beiseite schieben kann.

Wie schon erwähnt, sind solcherlei Selbstzweifel alles andere als unüblich. Aber durch einen individuellen Rückblick, irgendeinen Knacks im Ego, der durch eine bestimmte Situation verursacht worden ist, könntest du ihr und ihrem inneren Konflikt noch mehr Tiefe geben.

 

Hallo Alena,

herzlich willkommen bei den Wortkriegern. Eine traurige Geschichte. Ein Mensch, so sehr in seinem negativen Körpergefühl, in seinem Wehbefinden gefangen, dass sie in Zweifel zieht, was sie hört, was sie erlebt. Sie mag die Küsse und alles andere wird unwichtig, schreibst Du. Da Deine Geschichte dann aufhört, steht die Frage im*Raum, was alles andere ist. Ihre Ablehnung des eigenen Körpers? Ihr Mißtrauen gegenüber lieben Worten? Oder - was durch den Zusammenhang mit den 'mehr und mehr Küssen' naheliegt - alle anderen Zweisamkeiten, seien sie zärtlich oder noch mehr. Es ist nicht unüblich, dass Menschen, die sich in ihrem Körper nicht zu Hause fühlen, sich selbst nicht annehmen können und sich deshalb auf den Austausch eher unverbindlicher Küsse beschränken. Die Küsse können sie geniessen, weil sie eher vorübergehende seelische als körperliche Gefühle auslösen, sie laufen nicht so sehr Gefahr, von*Emotionen überrollt zu werden, die sie nicht zulassen wollen und - vor allem - können.

Du reißt hier einen schwerwiegenden inneren Konflikt an, der voll ausgelebt zur Liebesunfähigkeit führt - sich selbst und anderen gegenüber. Und da ist es schade, dass Deine Geschichte aufhört, bevor sie richtig in*Fahrt kommt. Kann der Mann der Frau helfen?*Was ja voraussetzt, dass er ihre Probleme erst einmal wahrnimmt und ernst nimmt. Kann sie den Absprung schaffen und sich selber Hilfe suchen (Dickengruppe?). Du solltest die Geschichte ausbauen - durch einen Rückblick in die Genese, wie es tutorialslave vorschlägt oder durch einen Ausblick auf die weitere Entwicklung.

Liebe Grüße

Jobär

 

Hallo Alena, Deine Geschichte gefällt mir sehr gut. Neben den englischen Komplimenten, würde ich die herrlichen Rundungungen und die Fleischeslust, vielleicht im gebrochenen Deutsch, ausführlich aus der Sicht des Mannes beschreiben, lass ihn so richtig sich daran ergötzen. Andererseits ist mir die Aussage der Frau zu relativ. Beschreibe ausführlich aus der Sicht der Frau, was ihr an ihrem Körper missfällt, die fetten Brüste, die Bauchringe, die mit Cellulite durchzogenen Schenkel etc. Als Leser möchte ich das alles ausführlich vor meinem geistigen Auge sehen.
Liebe Grüße S.

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Alena,

willkommen hier.

Ja, ein wichtiges Thema, definitiv. Ich will nicht wissen, wie viele Menschen so denken, so eine gestörte Selbstwahrnehmung haben, vor allem in unserer heutigen Gesellschaft. Ich finde, das hast du ganz ordentlich umgesetzt, doch auch ich hätte mir gewünscht, dass da mehr Tiefe ist. Eine Abwehrreaktion, eine Entwicklung, irgendwas. Ich meine, so wie es jetzt ist, ist der Zustand zu Beginn deiner Geschichte und am Ende der gleiche. Es findet keine Entwicklung statt, dabei wäre das bei einem solchen Konflikt so wichtig. Sie schämt sich für ihren Körper, möchte die Schmeicheleien nicht hören (oder zumindest nicht wahrhaben),ja, ekelt sich förmlich vor sich selbst, lässt sich aber trotzdem auf das Techtelmechtel ein. Das finde ich ein bisschen verschenkt.

Er hat seine rechte Hand um ihre Hüfte gelegt und zieht sie näher zu sich. Die linke Hand liegt auf ihrem Nacken und seine warmen Finger drücken gegen ihre Haut. Zehn dunkle Finger auf ihrer Haut. Fünf weitere Finger bedecken ihren Bauch, helle Finger, ihre eigenen Finger.

Ich habe absolut nichts gegen Wiederholungen, aber das ist mir dann doch too much. Einige davon kannst du sicher loswerden, z.B. im letzten Satz.
Fünf weitere bedecken ihren Bauch, helle Finger, ihre eigenen.

Braune Augen und blaue Augen sehen sich an.

Hier zoomst du mit der Perspektive zu weit raus, gibst dich als Erzähler zu erkennen und benutzt hier einen Trick, um dem Leser zu sagen, welche Augenfarbe deine Protagonistin hat. Zumal ich nicht weiß, welche Augen zu wem gehören. Schreib doch: Braune Augen sehen sie an.
Und so wichtig sind die Augenfarben eh nicht. ;)

„Your body‘s just perfect“ Komma flüstert er und küsst sie.

Doch gerade als die Worte sich einnisten wollen Komma werden sie aufgescheucht, müssen das innere Ohr wieder verlassen und fallen unsanft auf die Bettdecke.

„You’re so beautiful“.

Der Punkt muss in die wörtliche Rede.

Und alles Komma was sie dann in ihrem Ohr hört Komma sind ihre eigenen Worte.

Das mit dem Ohr kann doch weg.

Unliebsame, harsche Worte Komma die bis ins Innerste ihres Kopfes gekrochen sind und dort unaufhörlich wiederhallen.

widerhallen

Er nimmt ihre Hand, die fünf Finger Komma die versucht haben Komma den Bauch zumindest ein bisschen zu verdecken.

Beste Grüße,
gibberish

 

Danke erstmal, dass ihr euch die Zeit genommen habt den Text zu lesen und zu kommentieren. Es ist wirklich interessant zu sehen, wie er auf andere wirken kann bzw auch nicht wirkt. Ihr habt natürlich absolut recht, dass man das weiter ausbauen kann/sollte, mehr in die Tiefe gehen usw. Es ist ja wirklich nur eine Momentaufnahme im Grunde genommen.
Meine Beistrichsetzung und Rechtschreibung ist leider eine Katastrophe geworden seit ich im Ausland lebe und kaum mehr auf Deutsch schreibe, also danke auch für die Korrektur in der Hinsicht!
Ich weiß noch nicht genau, was ich mit dem Text machen werde und ob bzw wann ich weiter hier wirklich aktiv sein werde, aber ich fand es eine durchaus positive und interessante Erfahrung und auch wenn man natürlich nicht jeden einzelnen Kritikpunkt teilt, waren alle konstruktiv und damit inspirierend!
Somit einfach einen schönen Tag euch allen :)

 

Hallo Alena

Ich habe deinen kleinen Text hier sehr gerne gelesen, rein von der Sprache her, dein Stil gefällt mir und ist angenehm, nur muss ich mich den Leuten von oben anschließen.

Es war mir zu wenig Geschichte und ich hoffe, du kannst das noch weiter ausbauen, denn das Gerüst steht und die zwei Figuren haben mich neugierig gemacht, nur will ich da mehr.
Wissen, wieso sie solch ein Bild von sich hat, wer ist der Typ, liebt sie den Mann, haben sie nur ein Verhältnis, oder ist er vielleicht ein Callboy, wie sieht sie denn genau aus, ist sie wirklich sehr korpulent oder doch eher normal gebaut, oder gar schlank, hat aber solch ein verdrehtes Bild von sich, dass sie sich als so schwer empfindet, wieso hat sie solch ein Bild von sich, welche Erfahrungen hat sie gemacht, wer ist sie, wieso empfindet sie einen großen Körper als hässlich ... etc.
So wird das Problem nur angeschnitten, aber der Hintergrund, und irgendwie auch der Vordergrund fehlen. Was ich schade finde, denn ich glaube der Text hier, hat unheimlich Potential - eine gute Kurzgeschichte zu werden, denn rein das Thema vom eigenen Körpergefühl, finde ich sehr spannend, aber auch unglaublich schwierig, dem Gefühl gerecht zu werden, da da doch sehr viel Geschichte dahinter steckt.

Eigentlich wollte ich nur eines sagen, sofern du das hier weiter ausbauen willst/kannst, dann würde ich sehr gerne die überarbeitete Version davon lesen! :)

So jetzt noch ein herzliches Willkommen von mir und noch einen schönen Sonntag! ;)

Lieben Gruß
Simba

 

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