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Königsberger Klopse

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31.08.2014
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Königsberger Klopse

Zufrieden sah sie in den Spiegel. Das Make-up hatte den letzten dunklen Schatten unter ihrem rechten Auge komplett verdeckt. Schmunzelnd erwischte sie sich dabei, wie sie die Melodie von „Tausendmal Du“ summte, das Lied, bei dem sie sich damals kennengelernt hatten. Sie fuhr sich mit der Bürste durchs Haar und ging dann ins Schlafzimmer, wo Dietrich immer noch tief und fest schlief. Eine Welle der Zuneigung erfasste sie, als sie ihn so friedvoll daliegen sah. Seine Gesichtszüge wirkten beinahe kindlich im fahlen Licht des Morgens. Sie trat ans Bett und hauchte ihm einen Kuss auf die Wange, ganz behutsam, um ihn nicht zu wecken.
In der Küche hatte sie eine Nachricht hinterlassen und im Kühlschrank stand das vorgekochte Essen, das er sich später in der Mikrowelle aufwärmen konnte. Seit zwei Tagen fühlte er sich nicht wohl und hatte kaum das Bett verlassen. Vielleicht würde es ihm am Nachmittag etwas besser gehen.
Im Flur schlüpfte sie in ihre dunkelbraunen Pumps, nahm ihren Mantel und die Handtasche und zog die Wohnungstüre hinter sich zu. Die Nachbarin kam ihr mit einem Korb voller Wäsche entgegen. „Guten Morgen, Frau Sikorski“, grüßte sie freundlich.
Sie trat auf den Bürgersteig und atmete die frische Morgenluft ein. Die Stadt lag unter einem feinen Nebelschleier, man konnte die Sonne bereits erahnen. Es versprach, ein schöner Tag zu werden.

Dass sie die gesamten fünfzehn Minuten in der S-Bahn stehen musste, machte ihr nichts aus. Sie würde noch den ganzen Tag im Reisebüro hinter dem Schreibtisch sitzen. Die Kunden schienen heute besonders freundlich zu sein und der Chef klopfte ihr anerkennend auf die Schulter, weil sie eine zweiwöchige Kreuzfahrt in die Karibik verkauft hatte. Gegen zwölf dachte sie kurz an Dietrich. Sie hatte schon den Hörer in der Hand, aber dann entschied sie sich, ihn nicht zu stören.
Die Mittagspause verbrachte sie im nahegelegenen Park. Auf einer Bank in der warmen Herbstsonne aß sie ihr mitgebrachtes Pausenbrot. Es war unbegreiflich, dass die Kollegen sich in der Stadt etwas zu essen kauften. Dietrich hatte ihr einmal vorgerechnet, dass sie im Monat mindestens hundert Euro spare, wenn sie sich etwas von zu Hause mitnehme. Und hundert Euro waren bei dem mickrigen Reisebürogehalt eine Stange Geld.
Versonnen sah sie den Enten im Teich beim Futtersuchen zu und schreckte hoch, als plötzlich ein fremder Mann vor ihr stand.
„Entschuldigung, ist da noch ein Platz frei?“
„Ja, natürlich.“ Sie rückte etwas zur Seite und nahm ihre Handtasche auf den Schoß. Er musterte sie lächelnd.
„Ich sehe Sie öfter hier allein im Park. Sie sehen immer so traurig aus, aber heute strahlen sie richtig.“ Sie errötete und wich seinem Blick aus.
„Verbringen Sie ihre Mittagspause hier?“ Schweigend nickte sie.
„Vielleicht darf ich Sie mal auf eine Tasse Kaffee einladen? Ich kenne da …“
„Es tut mir leid“, unterbrach sie ihn, „meine Mittagspause ist zu Ende.“ Hastig stand sie auf.
„Oh, na ja, vielleicht ein anderes Mal. Ich weiß ja, wo ich Sie finde.“ Sie nickte knapp und ging mit schnellen Schritten davon.

„Ich weiß, dass du nie mitgehst, aber ich gebe den Kollegen nach der Arbeit einen aus. Als Dankeschön für das tolle Gemeinschaftsgeschenk zu meinem Geburtstag. Du hast dich doch auch beteiligt und ich würde mich echt freuen, wenn du auf ein Glas Sekt mitkommst.“
„Ich weiß nicht“, zögerte sie, „Dietrich geht es nicht so gut, vielleicht sollte ich lieber schnell nach Hause gehen.“
„Ach komm, dein Dietrich wird auch mal eine Weile allein auskommen können. Ein Getränk!“
Sie sah in das erwartungsvolle Gesicht der Kollegin. Sandra hatte recht, warum sollte sie sich nicht auch einmal amüsieren. Dietrich hielt nichts davon, wenn sie ohne ihn ausging, doch sie hatte gegenüber den Kollegen schließlich auch Verpflichtungen. Und wahrscheinlich würde er sowieso früh schlafen gehen.
„Na gut, aber nur auf ein Getränk!“ Sie lächelte und war sehr zufrieden mit sich.
Die Bar um die Ecke war der klassische After-work-Treffpunkt. Es wimmelte von Anzugträgern, in der Gegend gab es viele Banken. Die Musik war eine Spur zu laut und die Getränke eine Spur zu warm, doch sie genoss das Gefühl, wieder einmal unter Menschen zu sein. Am Anfang waren sie und Dietrich öfter ausgegangen, in nette Weinlokale oder auch mal ins Kino, aber irgendwann hatte das aufgehört. Er bevorzugte es, die Abende zuhause zu verbringen.
Das erste Glas Sekt war ihr zu Kopf gestiegen, nach dem zweiten fing sie an, ausgelassen mit Sandra und Benny zu tanzen.
„Hey“, brüllte Benny ihr ins Ohr, „du gehst ja richtig ab!“ Sie zuckte mit den Schultern und lächelte.
Irgendwann musste sie auf die Toilette. Am Waschbecken blickte sie in den Spiegel. Ihre Haare waren zerzaust und die Wangen gerötet. Schon lange hatte sie sich nicht mehr so gut gefühlt. Sie sah auf die Uhr und erschrak, dass es schon Viertel nach neun war. Vor einer Stunde hatte sie Dietrich eine SMS geschickt, doch er hatte nicht geantwortet. Bestimmt war er eingeschnappt. Sie sollte jetzt wirklich gehen, bevor er richtig wütend wurde.
Sie erwischte gerade noch die nächste S-Bahn. Beklommen sah sie sich im halbleeren Abteil um. Sie hatte das Gefühl, von allen Männern angestarrt zu werden. Dietrich hatte schon recht, es gehörte sich nicht, als Frau nachts allein in der Stadt unterwegs zu sein.
Mit zitternden Händen öffnete sie die Wohnungstür und atmete auf, als alles dunkel und still war. Sie hing ihren Mantel an die Garderobe und schlich auf Zehenspitzen zum Schlafzimmer. Ein unangenehmer Geruch schlug ihr entgegen.
Er hätte ruhig selbst auf die Idee kommen können, heute einmal zu lüften. Außerdem sollte er wahrscheinlich dringend unter die Dusche, nach nunmehr drei Tagen im Bett. Sie öffnete das Fenster und ging in die Küche, um etwas zu trinken. Das Essen, das sie extra für ihn vorbereitet hatte, stand unberührt im Kühlschrank. Ärgerlich schüttelte sie den Kopf. Wie sollte er so wieder zu Kräften kommen?
Leise glitt sie neben ihm unter die Decke. Sie schlief schnell ein, doch nach zwei Stunden wachte sie wieder auf, weil sie wahnsinnigen Durst hatte. Nachdem sie einen Schluck Wasser genommen hatte, legte sie sich wieder hin, doch dieser unangenehme Geruch schien überall zu sein und hing in ihrer Nase. Es war unmöglich, wieder einzuschlafen. Entschlossen packte sie ihr Bettzeug und legte sich im Wohnzimmer auf die Couch.

Als sie am nächsten Morgen die Augen aufschlug, war sie verwirrt. Dann fiel ihr der gestrige Abend wieder ein. Sie sollte ein ernstes Wörtchen mit Dietrich reden, er konnte sich wirklich nicht so gehen lassen.
Schwungvoll öffnete sie die Schlafzimmertür und fuhr zurück. Mit angehaltenem Atem hastete sie zum Fenster. Gierig sog sie die frische Luft ein.
„So, du Schlafmütze, heute wirst du endlich mal wieder aufstehen. Du musst wirklich duschen und etwas essen. Und ich akzeptiere keine faulen Ausreden!“ Sie stellte sich mit verschränkten Armen neben das Bett. Wenn er so auf dem Rücken lag, konnte man sein Doppelkinn erkennen. Nun, er war auch nicht mehr der Jüngste.
„Ich weiß, du tust nur so, als ob du schläfst. Schaust du mich jetzt endlich mal an?“ Sie stieß ihm einen Finger in die Rippen. „Wenn du mich provozierst, wirst du schon sehen, was du davon hast …“ Seine Augen blieben fest geschlossen. Er konnte wirklich stur sein!
„Na schön, wenn du die beleidigte Leberwurst spielen willst – bitte sehr. Aber wenn ich heute Abend nach Hause komme, hast du geduscht und gelüftet. Und weißt du was?“ Zufrieden lächelte sie ihn an: „ Wenn du schön brav bist, werde ich dir dein Lieblingsessen machen, Königsberger Klopse. Mit Salzkartoffeln.“ Sie wartete auf eine Reaktion und als keine kam, drehte sie sich schulterzuckend um und ging aus dem Zimmer.

Sie zog die Wohnungstür auf und hörte, wie sich die Nachbarinnen ein Stockwerk tiefer unterhielten. Sie hielt den Atem an und verharrte in der offenen Tür.
„Also, das ist doch seltsam“, meinte die Sikorski, „seit drei Tagen hört man keinen Piep von dem! Als ob der sich in Luft aufgelöst hat!“
„Ich hab ihn gestern auch nicht zur Arbeit gehen sehen“, zischte die Riedmüller. „Vielleicht hat sie ihn ja endlich zum Teufel gejagt …“ Geräuschvoll schloss sie die Tür und sperrte ab. Augenblicklich verstummte die Unterhaltung. Diese alten Vetteln hatten doch wirklich nichts Besseres zu tun, als den ganzen Tag im Treppenhaus zu tratschen. Zweimal hatten sie Dietrich und ihr schon die Polizei auf den Hals gehetzt und sie hatte es hinterher ausbaden müssen. Schlagartig war ihre gute Laune verflogen. Mit hocherhobenem Kopf stolzierte sie die Treppe hinunter.
„Guten Morgen die Damen, müssen Sie eigentlich ständig ihre Nasen in anderer Leute Angelegenheiten stecken?“
Frau Riedmüller musterte sie von oben bis unten.
„Man wird sich doch um seine Mitmenschen sorgen dürfen. Ist ihr Mann wohl verreist? Man hat ihn die letzten Tage gar nicht gesehen …“
„Ich wüsste zwar nicht, was Sie das angeht, aber mein Mann ist etwas kränklich im Moment. Er hütet das Bett. Der Gute hat in letzter Zeit viel um die Ohren gehabt. Aber heute Abend werde ich ihm seine Leibspeise kochen, Königsberger Klopse.“ Die zwei Krähen warfen sich misstrauische Blicke zu. Eine unbändige Wut stieg in ihr hoch.
„Wissen Sie was, Frau Sikorski, vielleicht sollten Sie sich mal darum kümmern, dass ihre Tochter sich nicht von jedem dahergelaufenen Ausländer unter den Rock grapschen lässt!“ Das hatte gesessen.
„Und Sie“, sie hielt der Riedmüller den Zeigefinger unter die Nase, „sollten aufpassen, dass Ihr Mann nicht sein ganzes Hartz IV-Geld drüben am Kiosk versäuft!“
Sie drehte sich auf dem Absatz um und ging nach unten. „Schönen Tag noch!“, rief sie und schlug die Haustür extra laut hinter sich zu.

Die Kollegen schienen sie heute mit ganz anderen Augen zu sehen. Sie nahm sich vor, in Zukunft öfter etwas mit ihnen zu unternehmen. Auf die Arbeit konnte sie sich jedoch nicht so recht konzentrieren und die Kunden gingen ihr entsetzlich auf die Nerven. Wenn sie schon den Satz hörte „Danke, wir überlegen es uns nochmal“, würde sie ihnen am liebsten einen Arschtritt verpassen. Es war klar, dass die nie wiederkämen. Und die Reise, für die sie sich gerade eine halbe Stunde den Mund fusselig geredet hatte, würden sie im Internet oder bei der Konkurrenz buchen.
Endlich nahte der Feierabend. Im Kopf hatte sie sich schon zurechtgelegt, was sie auf dem Heimweg noch alles besorgen musste. Um Punkt achtzehn Uhr fuhr sie ihren Computer herunter und eilte aus dem Büro. Sie ging in den teuren Supermarkt bei Karstadt, Dietrich sollte heute so richtig verwöhnt werden. Der Ärmste hatte seit Tagen nichts Vernünftiges gegessen.
Im ihrem Wagen lagen bereits die Kapern, die Kartoffeln, eine Flasche Riesling und die Schlagsahne für den Nachtisch. Außerdem ein Körbchen frischer Erdbeeren aus Afrika, oder wo auch immer die zu dieser Jahreszeit herkamen. Jetzt fehlte nur noch das Kalbshack. Sie stellte sich an der Fleischtheke in die Reihe. Dass all diese Leute ausgerechnet jetzt ihre Wurstwaren einkaufen mussten! Ungeduldig wippte sie von einem Fuß auf den anderen.
„Und dann hätte ich gerne noch hundert Gramm von der Mailänder Salami. Oder warten sie, doch lieber die ungarische. Und einen halben Ring Schinkenwurst.“
Sie spürte, wie sich ihr Magen zusammenzog.
„Und bitte geben Sie mir auch noch etwas von der Putenleberw…“
„Entschuldigung!“, mit spitzem Zeigefinger tippte sie der leicht übergewichtigen Kundin an die Schulter. „Sehen Sie nicht, dass andere Leute heute auch noch drankommen wollen?“
„Wie bitte?“ Die Frau sah sie verwirrt an.
„Ich habe gesagt, dass wir heute auch noch drankommen wollen! Haben Sie noch nicht genug? An Ihrer Stelle würde ich lieber etwas kürzer treten, nicht wahr?“
Die Kundin schnappte nach Luft. Sie ließ ihren Korb stehen und lief mit rotem Gesicht davon.
„Na also.“ Zufrieden wandte sie sich der sprachlosen Metzgereifachgehilfin zu. „Ein Pfund Kalbshack. Aber bitteschön frisch gemahlen.“

Summend ging sie die letzten fünf Minuten von der S-Bahn zu ihrer Wohnung. Wenn sie gleich anfing zu kochen, konnten sie um Viertel vor acht essen. Rechtzeitig vor der Tagesschau. Sie bog in die Straße ein und sah zwei blinkende Polizeifahrzeuge und einen Notarztwagen vor dem Haus stehen. Sie beschleunigte ihre Schritte.

„Dürfte ich bitte?“ Entschlossen drängte sie sich an zwei Uniformierten vorbei, die frech den Eingang blockierten.
„Äh, Moment mal!“, rief einer der beiden, doch sie war schon eine Treppe höher. Im zweiten Stock lauerte Frau Sikorski im Türrahmen. Sie schlug sich die Hand vor den Mund und wich einen Schritt zurück.
Zielstrebig ging sie die letzten Stufen bis zum dritten Stock hoch. Vor ihrer Wohnung standen zwei weitere Polizeibeamte, die Tür war offen.
„Sie können da jetzt nicht reingehen.“
„Und ob ich das kann! Mein Mann wartet auf seine Klopse!“
Die Beamten traten ihr in den Weg.
„Das ist sie!“, kreischte die Sikorski von unten.
„Frau Strecker? Wir müssen Sie bitten, uns aufs Revier zu begleiten. Sie haben das Recht, einen Anwalt zu kontaktieren …“

Das Blut rauscht in ihren Ohren. Sie ist in ihrem Wohnzimmer und wird von zwei Polizisten mit Gewalt in den Fernsehsessel gedrückt. Ein hysterisches Lachen steigt ihre Kehle hoch. Ein Mann in einem grässlichen, neonroten Anzug fuchtelt mit einer aufgezogenen Spritze herum. Sie spürt einen leichten Stich in der Armbeuge. Dann wird sie ganz ruhig.

 
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Liebe Kerkyra,

die Geschichte fand ich gut, interessant und flüssig formuliert. Erst dachte ich ja, ach, so eine arme, geschlagene Frau, fürchtet sich vor dem Ärger zuhause, wenn sie mal weggeht, kriegt sicher bald wieder Schläge. Dann der erste Verdacht - lag quasi in der Luft - :D, der sich dann mehr und mehr bestätigt.
Schön, wie sie auch neues Verhalten an den Tag legt, insgesamt unduldsamer wird. Ich gehe mal von Notwehr aus, also sehe ich für sie gute Zeiten, wenn sie die Verdrängung / das Trauma sinnvoll bearbeitet. Ist doch mal ein Happy End ohne Kitsch :herz: :baddevil:.
Hat mir wirklich gut gefallen!

Viele Grüße,

Eva

P.S. Ach, so nach einer Weile tut er mir doch ein wenig leid, dieser Dietrich. Ist ja wahrscheinlich nicht ohne Grund so geworden. Also, wenn ich es mir jetzt so überlege, doch nur ein halbes glückliches Ende ...

 

Liebe Kerkyra,

ich dachte eigentlich bisher, soweit ich mir als Laie einen Reim auf psychologische Theorien machen kann, dass viele geschlagene Frauen eine (für sie ungesund) große Sensibilität für Ihren Mann und Peiniger entwickeln, so à la Stockholm-Syndrom. Dass sie die Situation partout nicht wahrnimmt, und nicht wahrhaben will, kann ich mir bei ihrem Verhalten nicht plausibel erklären. Entweder kennt sie sich selbst nicht bzw. hat eine multiple Persönlichkeit. Oder sie müsste vor der Zimmertür stehen bleiben, dürfte nicht weiter gehen können und schon gar nicht zu ihm ins Bett steigen. So jedenfalls mein Weltbild. Deine Story war für mich leider nicht glaubwürdig genug aufgezogen, als dass sie es hätte ändern können.


Viele Grüße
-- floritiv

 

Hallo Kerkyra

Insgesamt mochte ich den Text, eigentlich eine schöne Grundidee, die du auch nett präsentierst. Mir hat gefallen, wie du den Leser in der ersten Hälfte im Dunkeln lässt bzw. die Geschichte so schreibst, dass man tatsächlich von einer Krankheit ausgeht. Dann kommen die ersten Anspielungen auf das Verhalten des Ehemannes, und es wird schnell klar, dass die Frau da nicht viel zu lachen hat. Die streust du auch recht geschickt ein, bis auf diese Stelle:

„Ich sehe Sie öfter hier allein im Park. Sie sehen immer so traurig aus, aber heute strahlen sie richtig.“ Sie errötete und wich seinem Blick aus.

Die Szene bräuchte es meiner Meinung nach nicht. Ich fände es schöner, wenn etwas in der Art beim gemeinsamen Mittagessen mit den Freundinnen auf den Tisch käme. Zwar darf sie ja eigentlich nicht, um Geld zu sparen, aber der Mann ist ja jetzt tot, also kann sie auch mitgehen. Es wäre konsequenter und würde besser zum (neuen) Verhalten der Frau passen, denn schließlich geht sie jetzt ja auch abends feiern und fährt allein spät S-Bahn. Die Szene mit dem Mann im Park - die passt irgendwie nicht in den Text, finde ich.

Dann wird klar, dass der Mann tot ist - vielleicht bringst du die Pointe einen Tick zu früh, und vielleicht auch einen Tick zu deutlich. Es ist ja genau dies der Reiz deiner Geschichte, dass man den Mann lediglich für krank hält, obwohl er in Wirklichkeit tot ist, und spätestens mit dem Gestank im Zimmer wird das dann klar.

Den Schluss finde ich dann leider nicht mehr so gelungen. Sicher ist es immer noch amüsant - auf schwarzhumorige Weise - zu sehen, wie sich deine Protagonistin verhält, aber die Szene im Supermarkt beim Metzger fand ich noch unpassender als die im Park. Was sollte das denn? Hab ich da irgendeine Andeutung nicht kapiert? Oder wolltest du einfach nochmal auf das neue Verhalten der Frau aufmerksam machen, die jetzt keine schüchterne Einzelgängerin mehr ist, sondern im Gegenteil ziemlich aggressiv auftritt?
Auch die Szene mit der Polizei zum Schluss - das passt irgendwie nicht zum Ton, den der Text sonst anschlägt. Hätte mir irgendein böseres Ende gewünscht, in dem Sinne, dass die Frau mit ihrer Täuschung weiterlebt. So wird sie halt von der Realität eingeholt, logisch, dass das irgendwann passiert, die Frage ist, ob man das dem Leser zeigen muss oder nicht mit einer Szene abschließen kann, wo sie beispielsweise an einem Tisch im Schlafzimmer sitzt, vor der Leiche ihres Mannes, und ihre Königsberger Klopse isst und dazu einen Wein trinkt und ihm zuprostet? Das wäre für mich ein reizvolleres Ende gewesen, weil man der Frau ihren Sieg ja irgendwie auch gönnt, basierend auf den Infos, die man so von Dietrich hat. Stattdessen wird sie quasi direkt verhaftet und mit einer Spritze ruhiggestellt, finde ich keinen würdigen Schluss für den Text.

Stilistisch dürftest du dich ruhig mehr trauen. Dem Text fehlt da ein wenig Pepp, der ist schon arg flapsig verfasst, vielleicht ja auch mit Absicht. Den könntest du ruhig nochmal abklopfen auf Wortwiederholungen, Füllwörter etc., noch ein-, zweimal durchgehen und am Feinschliff arbeiten könnte da nicht schaden.

Also, ich hab das gern gelesen, aber sowohl was den Inhalt (schwarzer Humor) als auch Stil angeht könntest du noch ne Schippe drauflegen.

Grüsse,
Schwups

 
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Servus Kerkyra,
also ich weiß nicht recht, irgendwie wurde ich mit dem Text nicht recht warm, da wollte der Funke einfach nicht überspringen. Schon den Titel fand ich ziemlich unattraktiv, ja, albern eigentlich, aber daran kann es ja nicht liegen. Ich glaube, der Stil ist daran schuld, dass ich die Geschichte nicht wirklich mochte. Ich traue mich das jetzt deshalb so unumwunden zu sagen, weil ich von dir einfach Besseres gewohnt bin. (Ja, das soll ein Kompliment sein.)
Das hier wirkt dagegen irgendwie so uninspiriert dahingeschrieben, da fehlt mir Sprachindividualität und Sprachattraktivität. Also nicht, dass für mich jeder Satz brillant sein muss, aber irgendwie erwarte ich mir halt schon von jedem Text, den ich lese, dass er mir stilistisch zumindest nahegeht, dass er was auslöst in mir, dass ich spüre, wie der Autor um jedes Wort gerungen hat. Das alles fehlt mir hier. Die Sprache in diesem Text würde ich bestenfalls als brav und bemüht bezeichnen. Ich kann‘s mir nur so vorstellen, dass du hier versucht hast, die - ich nenn’s mal etwas einfach gestrickte - Welt der Protagonistin und ihren so normalen alltäglichen Alltag auch über die Sprache darzustellen. Erscheint mir alles irgendwie so bieder, so … ich weiß gar nicht recht, wie ich‘s sagen soll, also da wird mir ein Leben dargestellt, wie ich es mir nicht vorstellen kann, zu leben, in einer Erzählsprache, die ich so nicht sprechen will.

Das mal als Beispiel:

Es war etwas neblig, doch man [wer?] konnte die Sonne schon erahnen. Es versprach, ein schöner Tag zu werden.
Es machte ihr nichts aus,
Also sowas meine ich, wenn ich uninspiriert sage. (Und gleichzeitig empfinde ich es als uninspirierend.)

Sie hatte ihn vorher auf[?] der Arbeit entschuldigt,
Das führe ich jetzt nur der Vollständigkeit halber an, weil ich diese Ausdrucksweise nicht kenne. Sagt man das in Deutschland wirklich so?

„Guten Morgen, Frau Sikorski“, grüßte sie die Nachbarin im Treppenhaus freundlich, die ihr mit einem Korb voller Wäsche entgegenkam.
Dieser nachgestellte Nebensatz klingt so richtig, äh … nachgestellt halt. Holprig irgenwie.

dass die Kollegen sich in der Stadt etwas zu Essen [essen, oder: zum Essen] kauften.

Sie nickte knapp und eilte mit schnellen Schritten davon.
Klassisches Beispiel für Redundanz

"... Du hast dich doch auch beteiligt und ich würde mich echt freuen, wenn du auf ein Glas Sekt mitkommen würdest.“
Das wäre leicht zu vermeiden, umso leichter, weil es ja eh direkte Rede ist. Kein Mensch redet so. „Wenn du … mitkommst.“ Das klänge viel echter.

„Hey“, brüllte Benny, der Auszubildende, ihr ins Ohr
Also das ist einfach eine zu bemühte Art, eine Information (die obendrein von fragwürdigem Wert ist), zu vermitteln.

Geräuschvoll schloss sie die Tür und drehte den Schlüssel im Schloss.
Auch nicht schön, obendrein unnötig kompliziert. (... und sperrte ab.)

rief sie und schlug die Haustür extra laut hinter sich zu.

Sie ging extra in den teuren Supermarkt bei Karstadt

Okay, das ist jetzt eine persönliche Animosität von mir. Ich mag dieses Wort einfach nicht.

Zufrieden wandte sie sich der sprachlosen Metzgereifachgehilfin zu
Äh, das liest sich doch schauerlich. Wie wär’s mit Verkäuferin?

Tja, jetzt hab ich dir gar nix zum Plot gesagt, aber, was soll ich sagen, ich bin halt so ein blöder Purist, dem der Stil allemal mehr bedeutet, als die Handlung und mich hat die Geschichte sprachlich einfach nicht erreicht.


offshore

 
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Hallo Kerkyra,

Ich fand es interessant, dass du das Ende ins Präsens gesetzt hast. Es wirkte so, als würde sie erwachen, oder als würde das Verrückte in ihr ausbrechen. Vorher hat das Ganze so etwas Läppisches, wo unter der Oberfläche das Grauen lauert. Unbewußt weiß sie ja, dass er tot ist.

Mein Eindruck ist, dass so hochdissoziative Menschen oft in der Literatur als Mörder dargestellt werden, was sicher auch ein Cliché ist.

Es ist jedenfalls eine Art von Verrücktheit, die für mich nicht unbedingt Identifikationspotential bietet, deshalb blieb ich beim Lesen eher unberührt. Ansonsten habe ich deine Geschichte gerne und in einem Rutsch gelesen.

LG Chutney

 

Hallo Kerkyra,
ich mochte deine Geschichte, auch wenn da ein paar Sprachhopser drin sind. Die hat dir aber der ernst schon gezeigt.
Ich mussauch sagen, dass mir der Titel saugut gefiel.Aber das liegt wohl an meiner Kindheit bei der ostpreußischen Oma und dem nostalgischen Duft, der mir da immer gleich in die Nase kommt, wenn ich nur den Namen dieses Gerichtes lese.

Anfangs dachte ich, oh nee, bitte keine geschlagene Frau, aber dann hast du so eine schöne Wendung gefunden, die Geschichte einer Misshandlung aus einer ganz anderen Perspektive zu zeigen. Du lässt den Leser auch nur langsam erkennen, dass der sympathische Dietrich das Zeitliche gesegnet hat und sie, ohne zu realisieren, was mit ihr geschieht, ein neues Verhaltensrepertoire gewinnt, gleichzeitig dem stinkenden Dietrich aber verbunden bleibt.
Nur der Schluss, der taugt so aus meiner Sicht gar nicht. Er wirkt unentscheiden, wie ein Fremdkörper.
Ich denke, du müsstest dich da entscheiden, wo deine Geschichte hinwill. Willst du ihre Abspaltung zeigen, ihre psychische Erkrankung, dann passt der Schluss zwar, aber ich würde es trotzdem behutsamer machen. Mir irgendwas einfallen lassen, was den Text an der Stelle abrundet. Meins wäre es nicht. Aber ich glaube, es war deine Intention. Ich bin gerade verliebt in schwups Idee. Ich finde, dann zeigt man immer noch ihre Abspaltung, aber du würdest das Hintergründige deines Textes beibehalten und einen Schluss wählen, der nicht auf einmal Frau und Geschichte so nackt sein lässt. Der momentan gewählte Schluss wirkt für mich richtig nackt und entblößend, ohne, dass ich da Mitleid mit ihr kriegen könnte, das kommt alles zu abrupt. Man weiß zwar, dass es so sein wird, aber naja, irgendwie fände ich es dann schon besser, ein bisschen mehr von der Protagonistin zu zeigen als Spritze und BÄMM.
Die zweite Möglichkeit, du betonst das Makabre, was deine Geschichte hat. Und mit dem biederen (trotzdem und gerade deswegen saugut) Titel und dem Verlauf zusammen hätte schwups Idee, wie sie die Klopse vor ihrem Dietrich verspeist und der Kapernduft sich mit Dietrichs Odeur vermischt, für mich eine ganz besondere ähhh Duftnote.
Ich würde dann die Aktion beim Metzger noch viel mehr auf Dietrich beziehen, dass sie sich freut, dass er endlich auch einmal ihr Lieblingsgericht mit ihr ausprobieren will, dass sie es deswegen besonders gut anrichten wird und (scheinbar) gerade deswegen viel durchsetzungsfähiger beim Metzger ist.
Gut, was immer auch du damit anfängst, die Grundzüge deiner Geschichte finde ich herrlich makaber und schwarzhumorig, und welches Ziel man für das Ende hat, das dürfte eine ziemliche Geschmackssache sein.
Aber so wie es jetzt ist, da würde ich echt noch dran feilen.
vlg Novak

 
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Hallo Eva,
freue mich sehr über Deine positive Kritik.

Ich gehe mal von Notwehr aus,
also in meiner Theorie hat sie das vorsätzlich gemacht, ihm nachts ein Kissen aufs Gesicht gedrückt, weil sie es einfach nicht mehr ausgehalten hat. Aber man weiß es nicht so genau...

Danke und viele Grüße,
Kerkyra


Hallo Floritiv,

Dass sie die Situation partout nicht wahrnimmt, und nicht wahrhaben will, kann ich mir bei ihrem Verhalten nicht plausibel erklären.
Ich bin eigentlich der totale Realist und will auch immer alles bis ins Kleinste logisch erklärt haben. Ich bin auch keine Psychologin. Ich bin hier davon ausgegangen, dass sie in so einer Art posttraumatischen Schockzustand ist. Das war mir aber eigentlich auch nicht so wichtig, mir ging es eher um die Absurdität der Situation.
Habe auch daran gedacht, es in die Kategorie "Seltsam" einzuordnen, aber dann wäre der "Clou" wahrscheinlich schon gleich zu Anfang aufgeflogen.

Danke für Deine Kritik,
Grüße Kerkyra


Hallo Schwups,

Danke für Deine Worte.

aber die Szene im Supermarkt beim Metzger fand ich noch unpassender als die im Park. Was sollte das denn? Hab ich da irgendeine Andeutung nicht kapiert? Oder wolltest du einfach nochmal auf das neue Verhalten der Frau aufmerksam machen, die jetzt keine schüchterne Einzelgängerin mehr ist, sondern im Gegenteil ziemlich aggressiv auftritt?
ja, genau, diese Szenen dienen dazu, das veränderte Verhalten der Frau zu zeigen, das von eingeschüchtert/ängstlich zu selbstbewusst/aggressiv mutiert. Man könnte auch meinen, sie tauscht vielleicht die Rolle mit ihrem Mann.

Den könntest du ruhig nochmal abklopfen auf Wortwiederholungen, Füllwörter etc., noch ein-, zweimal durchgehen und am Feinschliff arbeiten könnte da nicht schaden.
Leider hast Du Recht, aber das ist umso frustrierender, weil ich gerade an diesem Text immer und immer wieder rumgefeilt habe. Ich glaube, man sieht nach einer Weile echt den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr. Bin nochmal durch, Ernst hat mir auch einiges aufgezeigt.

Danke für Deine Zeit,
Gruß Kerkyra


Lieber Ernst,
danke Dir schon mal für die Aufzählung der Wortwiederholungen. Wie schon zu Schwups gesagt, an diesem Text habe ich überproportional viel herumgefeilt und trotzdem übersieht man dann solche "Schnitzer". Sehr doof. Ich hab's korrigiert.

Die Sprache in diesem Text würde ich bestenfalls als brav und bemüht bezeichnen. Ich kann‘s mir nur so vorstellen, dass du hier versucht hast, die - ich nenn’s mal etwas einfach gestrickte - Welt der Protagonistin und ihren so normalen alltäglichen Alltag auch über die Sprache darzustellen. Erscheint mir alles irgendwie so bieder, so … ich weiß gar nicht recht, wie ich‘s sagen soll, also da wird mir ein Leben dargestellt, wie ich es mir nicht vorstellen kann, zu leben, in einer Erzählsprache, die ich so nicht sprechen will.
Ja, was soll ich dazu sagen. Ich weiß es nicht. Teils hast Du recht, dass ich das Biedere hervorheben wollte. Andererseits habe ich in meinen letzten Texten zu hören bekommen, reduzierter zu sein, meine "Adjektivitis" zu bekämpfen. Jetzt ist es wohl einfach totreduziert. Ich weiß nicht, ich wollte diesmal nüchterner sein.

Danke für Deine Zeit, hat mich gefreut,
Grüße Kerkyra

 
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Hi, ich noch mal,
ich hab so ein bisschen deine Enttäuschung in der Antwort zu ernsts Kommentar wahrgenommen.
Ich find das ehrlich gesagt überhaupt kein Ding, dass es ein bisschen hin und her geht mit dem Stil. Das ist doch normal. Du wolltest nüchterner sein, das warst du auch, und dann verpasst man vielleicht wieder was anderes.
Offshore schreibt, das sei ihm zu brav oder gar bieder. Klar, solche Attribute die schmerzen immer ganz schön, weiß ich von mir selbst. Es ist halt auch oft schwierig, genau zu sagen, woran man sowas genau festmacht. Ob das die Beispiele sind, die ernst aufgezählt hat? Ich weiß es echt nicht. Ich habe den Stil dieser Geschichte übrigens nicht als brav empfunden, eher als sachlich und halt an manchen Stellen als zu einfach und als zu langatmig. Aber auch das ist natürlich Geschmackssache. Ich pussel da selbst ja immer noch tierisch dran rum.
Ich schreib dir noch einmal ein paar Sachen, die mir aufgefallen sind. Ob du was für dich dabei ist, das schaust du einfach. Ist oft auch Geschmackssache dabei.

Zufrieden sah sie in den Spiegel. Das Makeup hatte den letzten dunklen Schatten unter ihrem rechten Auge komplett verdeckt. Sie musste schmunzeln, als sie sich dabei erwischte, wie sie die Melodie von „Tausendmal Du“ summte, das Lied, bei dem sie sich damals kennengelernt hatten.
Sie fuhr sich mit der Bürste durchs Haar und ging dann nebenan ins Schlafzimmer, wo Dietrich immer noch tief und fest schlief. Eine Welle der Zuneigung erfasste sie, als sie ihn so friedlich daliegen sah. Sie trat ans Bett und hauchte ihm einen Kuss auf die Wange. Sie wollte ihn nicht wecken. In der Küche hatte sie eine Nachricht hinterlassen und im Kühlschrank stand das vorgekochte Essen, das er sich später in der Mikrowelle aufwärmen konnte.
Du wechselst ab zwischen einfachen Hauptsätzen und Satzgefügen. Das finde ich schon mal gut. Aber du fängst so ziemlich alle Sätze mit der Konstruktion Subjekt, Prädikat an. Das ist im Prinzip okay, wenn es dann aber immer (oder zu häufig) dasselbe Subjekt ist, hier ist es Sie, dann kann das leicht sehr einfach gestrickt aussehen. Hab das eben mal überprüft, bei TC Boyle, und die meisten Profis vermeiden dieses fortwährende "Sie" als Anfang. Mir passiert das komischerweise auch immer wieder, dass zu viele solcher Sätze entstehen und ich doktere dann mühsam dran rum, das wieder auszubessern. Keine Ahnung, wirklich nicht, warum einem das passiert.

Vielleicht liegt es an dem Bestreben, möglichst genau zu sein und alles genaus nacheinander in der richtigen Abfolge beschreiben zu wollen. Das ist das zweite, was mir aufgefallen ist, ich weiß nicht, ob es wirklich nötig ist, jede kleine Handlung der Reihe nach aufzuschreiben. So kommt mir das voir an manchen Stellen.

Dann machst du manchmal Formulierungen, die Abstand zwischen Akteur und Handlung schaffen. Die Frage ist, bringt es das? Will man das überhaupt?
Mal ein Beispiel: Sie musste schmunzeln, als sie sich dabei erwischte, wie sie die Melodie von „Tausendmal Du“ summte, das Lied, bei dem sie sich damals kennengelernt hatten.
Ich nehme an, du willst zeigen, dass sich ein unwillkürliches Lächeln auf ihrem Gesicht ausbreitet, weil ihr die Liedzeile einfällt. Deshalb "musste". Aber "musste" ist ein derartig abgehalftertes Hilfsverb, man muss es schon sehr betonen, um den Zwang herauszulesen. Warum nicht einfach "schmunzelte", "grinste", was weiß ich. Im Endeffekt sorgst dudurch eine zweifache Relativierung dafür, dass die Handlung sich von Prota und Leser enfernt. Erste Relativierung musste, zweite: "als sie sich dabei erwischte". Du willst sagen, dass das Schmunzeln ihr normalerweise fremd ist.
Ist halt die Frage, ob man das nicht auch anders lösen kann.

Ich finde, das sind jetzt keine großen Dinger, aber machst du hier in der Geschichte öfters mal. Also diese "Sie"-Satzanfänge, die Relativierungen und die kleinschrittige Beobachtung und Mitschrift der einzelnen Handlungen. Vielleicht kriegst du einen Blick dafür bei dieser Geschichte und kannst es noch mal daraufhin durchgucken, ob du da deinen Stil sachlich lassen, was du ja wolltest, ihn aber ein bisschen schneller und antriebiger machen kannst.

Ich hab das Gefühl, ich mach genau die gleichen Sachen wie du, möglicherweise fällt es mir daher auch so auf. Ich denke, das kommt auch daher, wenn man eine Allein-Heldin hat. Also die Geschichte aus Handlungen und Gedanken hauptsächlich einer Person entsteht, kein unmittelbarer Gegenspieler da ist. Da wird das vielleicht stilistisch ein bisschen schwieiriger.
So viel mal.
Bis denn
Novak

 

Hallo Chutney,
erst Mal danke für Deinen Kommentar.

Es ist jedenfalls eine Art von Verrücktheit, die für mich nicht unbedingt Identifikationspotential bietet, deshalb blieb ich beim Lesen eher unberührt. Ansonsten habe ich deine Geschichte gerne und in einem Rutsch gelesen.
Ich hoffe doch, dass sich mit dieser Art von Verrücktheit niemand identifiziert:D.
Es lag nicht in meiner Absicht, hier ein Wahnsinns-Psychogramm abzuliefern. Ich wollte eine absurde Begebenheit, eine Geschichte mit einer überraschenden Wende.

Freut mich, dass Du`s gerne gelesen hast,
viele Grüße,
Kerkyra


Hallo Novak,

auch Dir vielen Dank für Deinen ausführlichen Kommentar. Freue mich, dass die Geschichte einigermaßen gut angekommen ist.

Nur der Schluss, der taugt so aus meiner Sicht gar nicht. Er wirkt unentscheiden, wie ein Fremdkörper.
hätte schwups Idee, wie sie die Klopse vor ihrem Dietrich verspeist und der Kapernduft sich mit Dietrichs Odeur vermischt, für mich eine ganz besondere ähhh Duftnote.

Bei meinem Schluss kommt eben wieder der Logiker in mir durch. Klar hätte man das noch weiter austreten können, aber ich bin der Meinung, dass es dann einfach ins Lächerliche abgerutscht wäre. Und das will ich nicht.
Der "Gag", dass Dietrich die ganze Zeit schläft, oder mit geschlossenen Augen im Bett liegt und keinen Mucks macht, taugt halt nur für zwei, drei Szenen. Dann wird es doof.

Hat mich gefreut, ganz viele Grüße,
Kerkyra

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo nochmal,

Du wolltest nüchterner sein, das warst du auch, und dann verpasst man vielleicht wieder was anderes.
schrieb dir Novak und so ist es auch. Zudem, es ist ja nunmal Geschmacksache, mir hat der unaufgeregte Stil gefallen, an diesem Tag, in der derzeitigen Verfassung (selbst ein und dieselbe Person empfindet ja manchmal unterschiedlich). Bei den Tipps merkt man schnell, wo man auf etwas gestoßen wird, das man selbst ändern möchte. Und wo nicht. Interessant sind Rückmeldungen in jedem Fall, auch und gerade die kritischen! Noch viel Spaß beim Schreiben,

viele Grüße,

Eva

 

Hallo Kerkyra,

bitterböse. Aaaaaaber!:D

Im Prinzip kann ich mich nur wiederholen: Verknappen, Ballast weg. Du hast oft so Vergleiche drin, die unelegant wirken, ich will dir da nicht zu nahe treten mit. Aber die könnten raus, ohne dass der Text verliert. Auch bei einigen Adjektiven bin ich der Meinung, die könnten raus. "Ungeniert", bspws, das wird aus dem Dialog klar, dass die so drauf sind, die Vetteln (geiles Wort übrigens). Überhaupt die Dialoge. Den Dialog im Treppenhaus mit den Vetteln, den könntest du noch besser gestalten, da könntest du ruhig mehr Gas geben, sie könnte etwas aus sich raus, denen mal die Meinung geigen, und was ihr Dietrich für ein toller wäre - dann ist die Fallhöhe am Ende viel, viel höher. Genauso nach der Party - ein Dialog mit einem Toten, so total einseitig, und dann mit den Klischees spielen, die austarieren. "Dietrich, nun sag doch endlich was!" "Und immer noch hast du NICHTS dazu gesagt!" :D

Ansonsten gefällt mir das sehr gut. Fiese Idee.

Gruss, Jimmy

 

Hallo Novak, nochmal;) - irgendwie hatte sich das vorher überschnitten,

danke, dass Du Dir nochmal Zeit genommen hast. Ja, das mit dem Stil ist nicht so einfach, ich habe das Gefühl, je mehr ich darüber nachdenke, desto schlechter wird es.

Das ist im Prinzip okay, wenn es dann aber immer (oder zu häufig) dasselbe Subjekt ist, hier ist es Sie, dann kann das leicht sehr einfach gestrickt aussehen. Hab das eben mal überprüft, bei TC Boyle, und die meisten Profis vermeiden dieses fortwährende "Sie" als Anfang.
Ja, Du hast Recht, ich habe sehr wohl darauf geachtet, aber manchmal lässt es sich irgendwie nicht vermeiden.

die Relativierungen und die kleinschrittige Beobachtung und Mitschrift der einzelnen Handlungen.
mal sehen, ob ich die Muße finde, das nochmal komplett durchzuackern.

Danke auf jeden Fall für die Anregungen,
LG Kerkyra

Hallo Eva,

auch Dir noch mal danke fürs Zurückkommen.

Interessant sind Rückmeldungen in jedem Fall, auch und gerade die kritischen!

da gebe ich Dir recht.

LG Kerkyra


Hi Jimmy,

auch Dir danke für den Kommentar. Du alter Minimalist;). Ich habe wirklich diesmal versucht, reduzierter zu sein, aber jetzt ist es zu "einfach", zu "bieder":lol:. Ich weiß auch nicht, irgendwie ist es schwierig, das richtige Maß zu finden.
Du hast Recht, ich hätte die Dialoge ausbauen können, vielleicht setze ich mich nochmal hin und versuche, es noch ein bisschen aufzumotzen.

Freut mich, dass Du die Idee gut findest,
LG Kerkyra

 

Kurzentschlossen packte sie ihr Bettzeug und legte sich im Wohnzimmer auf die Couch.
Abgesehen von dem Monster zu Beginn des Satzes (wenigstens ums „kurz“ könnts gekürzt werden) beginnt so die Trennung …

Aber ich kenns nur, das die Gattin dem Gatten Decke/Oberbett o. a. in die Hand drückt …

Mir gefällt’s ohne wenn und aber und Du wirst immer besser, dass wir neben den Fitzelchen Rechtschreibung jetzt hammerhart Grammatik durchziehn,

liebe Kerkyra,
ohne dass ich mich lustig mach. Das Vergnügen hatt ich heut schon

Als Hugenottenabkömmling mütterlicherseits - deren Vorfahren in Preußens Glanz und Gloria aufgingen - wurd ich mit Königsbergern Klopsen statt Muttermilch großgezogen, obwohl ich dann irgendwann – jetzt kommt die kulinarische Wildsau raus – demonstrativ rohe Leber aß. Aber gebacken mit Apfelscheiben und nahezu rohen Zwiebeln ist auch diese eine Delikatesse.

Wir sollten mal, statt Christie’s Agatha nachzueifern, Clemens Wilmenrod beehren …
Erst das bissken RS!

Makeup
Make-up
„Danke, wir überlegen es uns nochmal“, …
Noch mal immer auseinander, da an sich ein noch einmal …
ein Körbchen frische Erdbeeren
Die frische Erdbeere, die frischen Erdbeeren, ein K. frischer E. …

Aber jetzt wird’s hart – und ich werd nicht den Karl-Kraus-Verehrer hervorkehren. Versprochen!

Sie fuhr sich mit der Bürste durchs Haar und ging dann nebenan ins Schlafzimmer, …
Ich bin manchmal neben der Kappe, aber wie geht irgendwer „nebenan“? Sehr indirekt, indem – konkret hier – sie „nach“ nebenan oder ins Schlafzimmer nebenan [des verschwiegenen Bades, vermut ich mal] geht
… weil sie eine zweiwöchige Kreuzfahrt in der Karibik verkauft hatte.
Wie, sie hat einen Kariben als Kunden und ist daselbst? Nee,
die Kreuzfahrt geht erst mal „in die“ Karibik und wenns Schiff denn dort ist, ist es in der Karibik. Aber das dauert auch heute noch …
Sie setzte sich auf eine Bank in die warme Herbstsonne und aß ihr mitgebrachtes Pausenbrot.
Selbst wenn beide die Sonne gerade anbeten, entweder setzte sie sich auf eine Bank in der … Sonne oder sie setzte sich auf einer Bank in die Sonne

Dietrich hatte ihr einmal vorgerechnet, dass sie im Monat mindestens hundert Euro spare, wenn sie sich etwas von zu Hause mitnahm.
Besser indirekte Rede (spare ist es ja schon): … mitnehme, schon allein weil die darauf folgende Stange Geld viel konkreter, obwohl keineswegs schon Tatsache ist. ’n Hunnie is’ eben’n Hunderter und nicht ein kaufmännisch gerundetes 55, 25-

Sonst hätte sie noch einmal eine halbe Stunde warten müssen
An sich ist der Satz entbehrlich  denn Fahrrad- (that s me) und Autofahrer (my husband) wissen, was eine verpasste S-Bahn oder ein beliebig anderes öffentliches Verkehrsmittel bedeutet … Also auch die Masse der geneigten Leser.
Leise machte sie die Türe auf.
Warum öffnete sie nicht einfach die Tür? Mutti wär wegen des Spareffektes stolz wie Schäuble! Insbesondere, da gleich die Kühlschranktür …

Es fehlte nur noch, dass ihnen der Geifer aus dem Mundwinkel lief.
Besser „den Mundwinkeln, selbst wenn jede der Damen nur mit einem arbeitet.
Es war klar, dass die nie wiederkommen würden.
Warum nicht wiederkämen? Du hast doch keine Angst vorm Konjunktiv und Mutti –

Ach, hatten wir schon. Denn was machen wir mit den gesparten Buchstaben?

Gern gelesen vom

Friedel

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo nochmal!
Irgendwann heute fiel mir dein Satz

also in meiner Theorie hat sie das vorsätzlich gemacht, ihm nachts ein Kissen aufs Gesicht gedrückt, weil sie es einfach nicht mehr ausgehalten hat.
ein, und dass ich dir das noch hatte schreiben wollen, dass sie ihr Tun nach einer vorsätzlichen Tat nicht so komplett hätte verdrängen können. Wenn sie verleugnend reagiert wie von dir beschrieben, dann hat sie es im Affekt getan. Aber das kann auch in der Nacht mittels Kissen passiert sein (Notwehr wegen Schnarchens, ich weiß, wovon ich spreche!:rolleyes:). Hoffen wir für sie, dass es doch echte Notwehr gegen Faustgewalt war - dann kommt sie besser davon. Ciao, Eva

 

Ich weiß auch nicht, irgendwie ist es schwierig, das richtige Maß zu finden.
Das richtige Maß ist im künstlerischen Bereich doch eh nicht relevant, wenn überhaupt existent. Es sei denn, du willst für die Masse schreiben. Aber Kunst zur Verfütterung an die Masse (Pop(ulär)kunst) ist jetzt nicht gerade etwas, was zumindest ich im Sinn hätte. Wichtiger ist, dass die Geschichte dir selbst besser gefällt als vorher, das ist der Sinn der Überarbeitung, denn damit verbessert sich wahrscheinlich auch gleich die Meinung der Menschen über die Geschichte, die du – angenommen, du kenntest sie ;) – lieber mögen würdest als den ganzen großen Rest.

 
Zuletzt bearbeitet:

Ach Friedel,
jetzt hast Du glaube ich noch die alte Version erwischt... aber da

Mir gefällt’s ohne wenn und aber und Du wirst immer besser,
ist es wohl trotzdem ok. Ich habe alles noch ein bisschen verschönert und noch eine Schippe draufgelegt (hoffe ich zumindest:D ).

Habe die Fehler ausgemerzt. Was ich nicht so ganz verstanden habe...

die Kreuzfahrt geht erst mal „in die“ Karibik und wenns Schiff denn dort ist, ist es in der Karibik. Aber das dauert auch heute noch …
es gibt viele Kreuzfahrten, die in der Karibik starten...?

Vielen Dank für Deine Zeit, Dein Kommentar hat mich sehr gefreut...schönes Wochenende,

Grüße Kerkyra

Hallo Eva,

dass ich dir das noch hatte schreiben wollen, dass sie ihr Tun nach einer vorsätzlichen Tat nicht so komplett hätte verdrängen können. Wenn sie verleugnend reagiert wie von dir beschrieben, dann hat sie es im Affekt getan. Aber das kann auch in der Nacht mittels Kissen passiert sein (Notwehr wegen Schnarchens, ich weiß, wovon ich spreche!). Hoffen wir für sie, dass es doch echte Notwehr gegen Faustgewalt war - dann kommt sie besser davon.

Ich habe absichtlich nichts über den Tathergang geschrieben, so dass sich jeder Leser seine persönliche Variante dazu ausdenken kann:Pfeif: . Ich bin keine Psychologin und deshalb will ich da auch nicht groß darauf herumreiten. In meiner persönlichen Version hat sie ihm ein Kissen aufs Gesicht gedrückt.;)

Danke für Deine Gedanken,
LG Kerkyra


Hallo Floritiv,

Wichtiger ist, dass die Geschichte dir selbst besser gefällt als vorher, das ist der Sinn der Überarbeitung, denn damit verbessert sich wahrscheinlich auch gleich die Meinung der Menschen über die Geschichte, die du – angenommen, du kenntest sie – lieber mögen würdest als den ganzen großen Rest.

das ist wahr:thumbsup:

Danke Dir,
Gruß Kerkyra

 

… Was ich nicht so ganz verstanden habe...
die Kreuzfahrt geht erst mal „in die“ Karibik und wenns Schiff denn dort ist, ist es in der Karibik. Aber das dauert auch heute noch …
es gibt viele Kreuzfahrten, die in der Karibik starten...?

Hallo Kerkyra,

ich noch mal. Hatte gestern meine tägl. Ration WeltWeitenWerbens ruckizucki hinter mir und wenn ich nicht einige Zeit zuvor diesbezüglich enthaltsam gelebt hab (was mir hinsichtlich der 3w – eigentlich überwiegend ein „oh weh!“ – ausgesprochen leicht fällt und ich der Auffassung bin, dass an Kommentare der gleiche Anspruch zu stellen ist, wie an erzählte Muttertexte, wäre mir ein Schnellschuss wie der Schnellimbiss bei McDoof und Konsorten ein Graus (Was ist jetzt eigentlich mit dem Bürgerkönig, zu neudeutsch Börgerking?

Der Ausgangssatz Deines Missverstehens ist

weil sie eine zweiwöchige Kreuzfahrt in der Karibik verkauft hatte,
und ich mir – übermütig wie ich kleiner Junge nun mal bin – einen Scherz erlaubte, den ich mir jetzt verkneifen werde.
Also:
Frau Strecker (die Prota, „sie“ in dem betr. Satz) ist in einem Reisebüro angestellt und verkauft Kreuzfahrten u. a. „in die Karibik“. Wohin soll die Kreuzfaht gehen? In die Karibik (Akkusativ)

Die Formulierung „in der Karibik“ behauptet, das Reisebüro wäre „auf einer westindischen Insel“, kurz „in der Karibik“.
Wo ist das Reisebüro? Es ist nicht „in der Karibik“ (Dativ), sondern in „dem Örtchen xy“, in der Nähe ihrer Wohnung.

Um auch dem vorzubeugen: Ich bin kein Lehrer (obwohl ich auch höhere Mathematik kann), wenn auch manches Mal ein Klugscheißer.

Ich nehm Dich jetzt in den Arm und Drück Dich. Aber der weiche, kuschelige Bart ist ab (dass keiner auf den dummen Gedanken komme, der wäre wie bei allen Nikoläusen nicht echt und zum Beweis dran herumzerre), und dann wirk ich unrasiert und es kratzt …

Schönen Nikolaus wünscht der

Friedel

 

Guten Abend lieber Friedel,

:D ja, ich hab's nun verstanden, die Sache mit der Karibik. Wenn doch trotzdem eindeutig zweideutig...

Wünsche Dir auch noch einen schönen Nikolausabend, ob mit oder ohne Bart,

LG Kerkyra

 
Zuletzt bearbeitet:

Hey Kerkyra,

ich dachte ich schau mal bei Dir vorbei :).

Ich habe die Geschichte auch gern gelesen, naja zu großen Teilen, dass Ende ... ach ja.

Bei meinem Schluss kommt eben wieder der Logiker in mir durch. Klar hätte man das noch weiter austreten können, aber ich bin der Meinung, dass es dann einfach ins Lächerliche abgerutscht wäre. Und das will ich nicht.
Der "Gag", dass Dietrich die ganze Zeit schläft, oder mit geschlossenen Augen im Bett liegt und keinen Mucks macht, taugt halt nur für zwei, drei Szenen. Dann wird es doof.

Den Einwand kann ich nachvollziehen, zumal es mir beim Lesen auch irgendwann so vor kam, wie oft eigentlich noch? So blöde kann man jetzt wirklich nicht sein, nicht einmal sie. Jetzt kommt natürlich das Moment ins Spiel, die bewusste Ausblendung, weil sie es ja war, die ... und ich denke, vielleicht ist es genau das, was stärker im Text hervorgehoben werden sollte (also nicht überdeutlich-Gradwanderung), weiß nicht ob ich richtig liege, aber ein Versuch, ein gedankliches Durchspielen, wäre die Sache vielleicht wert. Und naja, die Spritze, das ist drüber. Du willst ein reales Ende, aber es kommt so holzhammermäßig daher, wie wäre es real, aber schlichter ... Sind Sie sicher, dass er tot ist? Schauen Sie doch noch einmal nach. Wenn er tot wäre, ich hätte das doch mitbekommen, oder nicht? Dann hättest du z.B. auch nochmal das Verdrängungsmotiv gestärkt. Und dann Ausblende, Leser weiß, die Polizei wird sie mitnehmen. Das ergänzt er dann schon, wenn Du ihm nur den Weg dafür bereitest. Wir haben alle schon Fernsehen geguckt ;).

Aber die Idee ist schräg und schwarzhumorig und gallig und das hat mir gefallen. Auch wie du das Thema "häusliche Gewalt" einfließen lässt und bearbeitest, fand ich sehr ansprechend und hat mir gefallen.

Sprachlich ... ich guck gleich mal genauer, ob ich da auch noch was zusenfen kann, aber! nicht jeder Satz braucht eine Zeile. Was da an Zeilenumbrüchen drin ist. So ein Zeilenumbruch ist ja wie ein kurzer Abstandshalter und bei all deinem Abstand, da kommt halt auch nichts recht ins fließen. Das ist zerhackt und zerstückelt - ich denke, allein damit, ein paar davon zu killen, damit wäre schon mal Erste Hilfe geleistet. Und dann kürzen. Satz für Satz auf die Waagschale werfen und fragen, brauch der Leser das? Führt es die Geschichte weiter oder hält es sie hin. Beim Schreiben, schreib ich auch ganz viel und ausführlich, weil ich das für mich brauch, um mir die Szene bildlich vor Augen zu führen, aber wenn die Szene steht, dann muss man halt alles wieder eliminieren, was uninteressant für den Leser ist. Das Aufspüren dieser Dinge ist v.a. Übung, also dafür die Sinne zu schärfen und die richtige Entscheidung zu treffen. Dafür ist das kommentieren hier gut. Bei fremden Texten ist man viel großzügiger mit dem Rotstift als bei den eigenen. So jedenfalls meine Erfahrung. Und hier ist meiner für Dich:

Zufrieden sah sie in den Spiegel. Das Make-up hatte den letzten dunklen Schatten unter dem rechten Auge komplett verdeckt. Schmunzelnd erwischte sie sich dabei, wie sie die Melodie von „Tausendmal Du“ summte, das Lied, bei dem sie sich damals kennengelernt hatten. Sie ging ins Schlafzimmer, wo Dietrich immer noch tief und fest schlief. Eine Welle der Zuneigung erfasste sie, als sie ihn so friedvoll daliegen sah. Seine Gesichtszüge wirkten beinahe kindlich. Sie trat ans Bett und hauchte ihm einen Kuss auf die Wange, ganz behutsam, um ihn nicht zu wecken. In der Küche hinterließ sie ihm eine Nachricht und im Kühlschrank stand das vorgekochte Essen.

Das mal für den Anfang. Absätze weg, Überflüssiges weg ... Text fließt. Und was noch zu tun wäre, ein paar "sie" aus dem Text zu bekommen. Das ist oft schwierig, gerade bei einem personalen Erzähler, aber wenn Du es am Ende für zwei geschafft hast ... das wäre schon gut.

Ich finde super, wie Du Dich einbringst und man spürt auch deinen Willen. Ich denke, den Rest erledingt die Zeit für Dich und die Übung und das Tranieren, Hinfallen und wieder Aufstehen, das Ausprobieren ... naja, eben das was dazugehört. Da müssen ja nun mal alle durch. Ich fand den Text jedenfalls sehr, sehr vielversprechend.

Beste Grüße, Fliege

 

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