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Könige zu Bettlern

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21.05.2002
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Könige zu Bettlern

Könige zu Bettlern

„Es ist unglaublich, nun war ich schon so oft hier einkaufen und habe immer noch Probleme, meine Lebensmittel zusammenzufinden", sagte ich zu dem großen Mann, der die ganze Zeit schon nach einer Sache suchte und setzte ein freundliches Lächeln auf. Er war breitschultrig, und sein Gesicht hatte viele Falten. Seine Augen spiegelten Müdigkeit wieder. Gekleidet war er mit einer schon sehr oft gewaschenen Jeans, einem roten Rollkragenpullover, einer dünnen und alten Jederjacke und braunen, alten aber gepflegten Schuhen.

Ich kannte ihn. Von früher. In der Schule war er eine Klasse über mir und lebte im Nachbarviertel. Er war der Star, überall wo er hinkam. Die Jungs bewunderten ihn, die Mädchen schwärmten von ihm. Im Sport war er die absolute Größe, das machte seine nicht ganz so guten Noten wieder wett. Er hatte sehr viele Freunde und noch mehr, die ihn beneideten. Ich erinnerte mich, dass ich mich immer wie ein ganz kleines Licht fühlte, wenn ich mich mit ihm verglich. Er hatte mich nie gesehen, und wir haben auch nie miteinander geredet. Das heißt, einmal doch, als ich bei einem Schulfest mich ordentlich blamierte, wobei ich beim Tanzen stolperte und mich langlegte. Da stand er unglücklicherweise in der Nähe und riss einen Witz, der meine Blamage noch einmal und intensiv herauskehrte und die Aufmerksamkeit der Menge auf mich zog. Meine damalige Freundin und Tanzpartnerin wurde sehr rot und lief wutentbrannt durch das Gelächter der anderen nach Hause. Da hatte ich ihm gesagt, dass Könige mal zu Bettlern werden können, wenn sie nicht aufpassten. Damals starrte er mich für einen Bruchteil einer Sekunde mit großen Augen an und brüllte anschließend laut los vor Lachen. Das war nun fast fünfundzwanzig Jahre her. Mittlerweile hatte ich brav mein Studium absolviert und bin hoch aufgestiegen in einer mittelständigen Firma, war glücklich verheiratet und konnte auf zwei prächtige Söhne stolz sein. Aber ich hatte diesen Jungen nicht vergessen. Zumal man hin und wieder ein paar Gerüchte hörte. Gerüchte wie, dass er bei der Fremdenlegion war. Auch hatte ich mal gehört, dass er in die Kriminalität abgestiegen war und eine langjährige Haftstrafe absaß. Von seinem damaligen besten Freund erfuhr ich, dass er verheiratet und wieder geschieden war, aber das wäre auch schon lange her und er hätte keinen Kontakt mehr zu ihm. Es gab viele Geschichten über ihn, und ich wusste nicht, welche wahr waren. Aber seit vielen Jahren schon waren Gerüchte und Geschichten um ihn verstummt. Ich hatte ihn trotzdem nicht vergessen und war sehr überrascht und musste auch mehrmals hinsehen, um sicher zu sein, als ich ihn im Supermarkt in unserem Viertel wiedertraf. Mir war klar, dass er nicht wusste, wer ich war, aber trotzdem wollte ich ihn ansprechen ohne wirklich zu wissen, warum oder um vielleicht zu sehen, ob er sich vielleicht doch an mich erinnerte.

"Ja, es gibt einfach zu viel Auswahl", antwortete er, und seine Stimme klang noch müder, als seine Augen es verrieten.

"Ich suche die Thunfischpastete, aber kann sie nirgends finden", erklärte er, und ich half ihm suchen.

"Sind sie hier neu zugezogen", fragte ich, fand die Pastete, ergriff sie und gab sie dem Mann.

"Wissen sie", setzte er an, "ich bin hier aufgewachsen und komme nach vielen Jahren heim."

"Es hat sich viel verändert hier mit den Jahren", verriet ich meinem Gesprächspartner und wusste, dass er mich nicht wieder erkannte.

"Ja, sehr viel", bestätigte er mir und schaute auf das Etikett der Dose.

"Ich hoffe, sie werden sich hier wieder wohl fühlen", sagte ich ihm und setzte an, weiterzugehen. Er tat mir leid. "Auf Wiedersehen", verabschiedete ich mich und ging. Der Mann drehte sich zu mir, er hielt die Dose mit der Thunfischpastete noch in der Hand, lächelte und sagte leise.

"Ich hätte auf Sie hören sollen, als ich noch König war."

 

Hat er sie also doch erkannt...

Sympathisch, deine Protagonistin. Zumal ihr jede Form von Schadenfreude abzugehen scheint.

Nette kleine Alltagsgeschichte. Hat mir gut gefallen. Nur dieser eine Satz klingt etwas holprig:

Das heißt, einmal doch, als ich bei einem Tanzfest mich ordentlich blamierte, als ich beim Tanzen stolperte und mich langlegte.
Die Dopplung der Worte "als", "ich" und "Tanz" stören hier ein wenig den Lesefluss. Ich würde lieber schreiben: "Das heißt, einmal doch, als ich mich dadurch blamierte, dass ich bei einem Tanzfest stolperte und mich langlegte." Aber das ist wohl Geschmackssache.

Herzlich willkommen auf kg.de, und
keep on writing!

Pip

 

Erstmal herzlich willkommen auf KG.de.

Zu deiner Geschichte: Ich muss leider sagen das ich sie nicht besonders gelungen fand.
Das problem ist meiner Meinung nach das "American Highschuleloser trifft Ex-Frauenheld klischethema welches du gewählt hast und ich einfach oft genug in Filmen bewundern durfte.
wenn du dieses Thema umbedingt wählen willst, ist das deine Sache, aber ich finde, dann solltest du etwas mehr Tiefe in die Charactere hinein bringen.
Warum ist der Schönling im Leben gescheitert?
Warum erkennt er es am Ende?
Sieht er einen Ausweg?

Und am wichtigsten: was ist eigentlich so schlim an seinem jetztigen Leben? Es gibt keinen Hinweis darauf in deinem Text, bis auf Gerüchte, und die sind mir zu wenig.

Seisdrum,lass dich nicht entmutigen und schreibe weiter. ;)

 

Hi Barde.

Ich muß mich Pip anschließen; nette kleine Alltagsgeschichte, die Du da geschrieben hast. Vor allem den Schluß finde ich gelungen.

Gruß,
stephy

 

Moin Barde.

Von mir auch ein "Herzliches Willkommen auf Kg.de"
Ich kann mich Pip und Stephy nur anschließen. Mir hat die Geschichte gut gefallen. Kleine, nette Geschichte "für zwischendurch"

Den Aufbau fand ich auch sehr schön, dass du dem Leser zuerst die eigentliche Mitte der Geschichte um die Ohren schmeißt und dann rückgreifend erklärst.
Das Ende fand ich auch schön. War nicht wirklich abzusehen und eben überraschend.

@Pip: Ich war vorhin leicht irritiert, als ich bei dir "die Protagonistin" las. Ist der Protagonist nich ein ER? Wegen der Tanzpartnerin auf dem Tanzfest. Oder habe ich das falsch verstanden?
Vielleicht klärt der Autor selbst mich (uns?) ja auf.

Den Kritikpunkten von Marot kann ich mich nicht anschließen. Man will gar nicht wissen, warum dieser "Ex-König" versagt hat, es spielt keine Rolle für die Geschichte. Die Geschichte läuft und funktioniert.
Aber das ist natürlich Ansichtssache.
Was das Lesen ein wenig erleichtern würde, wären ein paar mehr Absätze im Text.
Weiter so. Freu mich auf weitere Geschichten von dir.

Lieben Gruß
Maya

[ 21.05.2002, 23:29: Beitrag editiert von: Maya20 ]

 

Willkommen auf KG.de, Barde.

Ich schließe mich den positiven Kommentaren meiner Vorredner an (@stephy: scheiße auch , du musst dich Pip anschließen, nein :D ).

Liest sich zügig und gut und macht Spaß. Es ist eine "kleine, nette Geschichte ´für zwischendurch`", wie Maya20 sie passend titulierte. Hoffentlich wird man auf KG.de noch mehr von dir, Barde, lesen können. ;)

MfG,
X.

[ 22.05.2002, 00:04: Beitrag editiert von: Storyteller X ]

 

@ Storyteller X

Kenntumi? Werbittudenn?

Dein Kommentar hört sich so an, als hätte ich dir was getan. Falls ja: Mea maxima culpa. Soll nicht wieder vorkommen...

[ 22.05.2002, 09:20: Beitrag editiert von: Pipilasovskaya ]

 

Original erstellt von Pipilasovskaya:
Dein Kommentar hört sich so an, als hätte ich dir was getan.
Wo bitte lässt sich das aus meinem Beitrag rauslesen ? :confused:

 

Naja, wenn du dich schon durchringen musst (schwitzend, keuchend, um deine Selbstbeherrschung ringend), dich Pip anzuschließen, da dachte ich...

Sollte aber kein Angriff sein, habe mich nur gewundert.

Pip
:engel:

 

Ich hatte mich euren positiven Kommentaren angeschlossen. Richtig. Anschließend habe ich noch stephys "muss" kommentiert. Denn ich finde es immer wieder lustig, wenn sich Leute anschließen "müssen" (die armen Schweine). Alles soweit klar ? :susp: ;)

 

vielen lieben dank für eure willkommensgrüsse,
und herzlichen dank für eure kritiken.
pip, der protagonist ist männlich. deine kritik an der zitatstelle ist akzeptabel. ich würde es bestimmt auch selbst kritisieren, dennoch werde ich es nicht verbessern, weil es aus der ich-perspektive erzählt ist, da sind diese kleinen fehler nicht ganz so gravierend (hoffe ich *g*), sondern dem charakter des protagonist zuzuordnen - was ich aber gut fand, ist, dass du die intention sofort richtig interpretiert hast. diese kurzgeschichte ist eine kleine und leichte alltagsgeschichte ohne anspruch auf tiefe überlegungen.
deswegen weise ich die kritik von marot entschieden zurück. der einwand deformiert diese leichte geschichte in eine sozialstudie, das aber ist jenseits der intention.
danke stephy, mit 3000 beiträgen bist du sicherlich eine schillernde persönlichkeit auf kg.de. ich glaube, geschichten sind dein leben, deswegen bedeutet mir dein urteil sehr viel!
auch ein danke schön an maya, besonders auch für deine gegenkritik zu marot. ich werde versuchen, deinen kritikpunkt mit den absätzen zu verwirklichen. ich muss aber gestehen, dass mir das wissen dazu fehlt. ich setze absätze nach alltümlicher methode bei einem zeit oder einem ortwechsel. gibt es eine regel, wie ich weitere portionierungen vornehmen kann?
auch danke an storyteller, dem die kritiksbegründungen ja von den anderen lesern schon abgenommen wurde!
ich hoffe, ich kann mich hier einfügen!
bis bald
barde

 

@Barde:
Man könnte bspw. vor "Das war nun fast 25 Jahre her (...)" einen Absatz einfügen. Oder aber du fügst einen Absatz in die Passage "Ich kannte ihn. Von früher. In der Schule war er eine Klasse über mir (...)" ein, in der du von der Gegenwart in die Vergangenheit wechselst.
Es gibt im Grunde genommen keine Regeln für die "Absatz-Setzung". Es bleibt dem Autor selbst überlassen, inwieweit er Pausen einfügt. Aber je mehr Ruhestellen eine Geschichte für die Augen lässt, desto einfacher ist sie für viele zu lesen.
Sinnabschnitte bzw. Themenkomplexe innerhalb der Story bieten oft einen guten Platz für Absätze.

@Pip:
Zur Mitte, zur Titte, zum Sack, zack zack. :prost:

 

Hallo Barde,

ich denke, es hängt ein wenig von der eigenen Stimmung ab, wie man die Geschichte empfindet. Gut, das Thema ist etwas verbraucht, aber wichtig ist die Darstellung. Ich kannte zumindest bis jetzt keine Behandlung dieses Themas im Supermarkt, und ohne altbekannte gesellschaftskritische Klischees. Insofern hat mir der Schluß mit der späten Einsicht des beschriebenen „Königs“ doch gefallen.

Tschüß... Woltochinon

 

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