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König Stein

Beitritt
19.07.2003
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König Stein

„Liebe, liebe Leute. Ich bin herabgekommen um zu hören, wer von euch sich König nennt. Meine Reise war lang, beschwerlich und alt bin ich obendrein. Drum geschwind, lasst sprechen den, der wahrlich König ist und mögen alle anderen schweigen.“

„Hier!“, schreit ein Stück Holz, welches von irgendwem, irgendwann auf einen kleinen Tisch voll Gerümpel gelegt wurde. Es ist schmutzig vom Staub und nass vom Regen, denn der alte Schuppen in dem es seine Zeit fristet, ist voll von Unrat. Löcher im Strohdach lassen bei Gewitter das Wasser hinein, so wie in diesem Moment. Zu allem Überfluss ist es stockfinstere Nacht.

„Du willst König sein?“

„Oh ja“, antwortet das Stück Holz, das sich bei genauerem Hinsehen als lang und dünn entpuppt, „wenn sie mächtig böse wurde, ihr Blick kalt und ihre Stimme tief, dann rief sie mich. Ich war stets zur Stelle und nach ihren Anweisungen habe ich die Luft gespalten, elegant wie niemand sonst es vermag, und wenn ich auf nackte Haut traf, dann brauchte ich nur wenige Anläufe bis ich rote Streifen in offene Risse wandelte.“

In der Dunkelheit scheint es, als richte sich das Stück Holz auf, als wedele es mit nicht vorhandenen Armen und Händen, ringend nach Aufmerksamkeit, sich ereifernd, während es weiter spricht.

„Pralle, runde Pobacken, Handflächen, Fußsohlen. Den Rücken habe ich besonders gerne wund geschlagen, es ist ein unglaubliches Gefühl Haut zu schneiden, kennst du es, kennst du es? Wie sie sich dehnt, unter Druck, gleich der Naht, die nicht mehr halten kann, was sonst zusammengehört und dann offenbart sie alles, alles und das ist meistens rot. Dann der Reiz, der in seinen Kopf drängt, Schreie in der Nacht, so laut, du würdest es mir doch nicht glauben, dass ein so kleines Geschöpf, so unermesslich laut schreien kann.“

Eine kurze Pause als müsste es Luft holen.

„Nun, wer sollte wohl König sein, außer mir. Wer?“

„Du willst König sein? Du? Nein, denn ich bin König hier!“ antwortet nach einer kurzen Stille ein lederner Gürtel, der alt und vor sich hin modernd auf einem kleinen Nagel an der Schuppenwand hängt. Gegenüber dem kleinen Tisch, auf dem der Stock liegt. Augenscheinlich eine bedeutend höhere Position als das Holzstück. Dort oben thronend, beginnt der Gürtel mit einer tiefen Stimme zu sprechen.

„Du bist doch nur ein kleiner Stock, du Stück Holz du! Sieh mich an, ich bin rein von Natur aus viel geeigneter, um jeden Rücken dieser Welt zu malträtieren. Und glaube mir, auch dieser Rücken musste schon viele Male unter meiner Wucht und meiner Härte leiden. Sieh nur, ich bin viel breiter, ich kann eine viel größere Stelle in viel kürzerer Zeit bearbeiten. Aufwand und Ertrag mein Lieber, das nennt man Produktivität. Was du machst sind Striemen, pro Schlag presse ich ganze Balken in die Haut. Du glaubst vielleicht, du seist mir überlegen, weil du fest und unnachgiebig bist, aber an meinem Ende habe ich eine metallene Lasche, wo sie trifft, bleibt ja gar nichts mehr übrig von Haut und dem Bisschen Haar, das der Kleine in seinen jungen Jahren gerade im Ansatz besitzt.“

Der Gürtel an der Wand scheint zu vibrieren, er schlängelt sich förmlich, er würde geifern und spucken, wenn er könnte, vielleicht tut er es.

„Schreie willst du hören? Dann lausche einmal aufmerksam, wenn sie mich holt, Dutzende Male am Tag und manchmal sogar nachts. Dreimal um ihr knochiges Handgelenk wickelt sie mich, dann zielt sie kurz, und wenn sie eben nicht trifft, sie hat ja Schläge genug, ganz frei nach ihrer Lust. Die Schreie, es ist schon fast nur noch ein Gekreische, ich selbst könnte es beinahe nicht ertragen! Das nenn ich einen König, seht mich an!“

„Lass ihn doch reden, den Gürtel. Eure Präsenz an seinem Leib, sie ist nicht von Dauer. Die Narben überall, habt ihr sie gemacht? Womit wollt ihr euch brüsten?“

Auf einem Regal weit oben, beinahe unter dem Dach des Schuppens liegt ein langes Messer, mit dicker Klinge. Die eine Seite dünn und scharf, die andere zackig und grob, man erkennt Zähne. Dicht daneben eine Hülle in Tarnmuster, ein Armeemesser? Jedenfalls leicht verkrustet, vielleicht Dreck. Es thront dort über allen anderen Gegenständen, wo es liegt, liegt es alleine, ringsum freie Fläche. Eine tiefe Bass-Stimme.

„Ich brauche nicht aufzuzählen welche Stellen seines Körpers ich schon beglückt habe. Es könnte theoretisch jede sein. Ist mir ganz gleich, überall lässt sich doch was zerschneiden. Ihr wollt Wunden reißen? Mit Eleganz? Ich öffne präzise, und ohne großen Aufwand, ich gleite durch die Substanz, wie durch Butter. Tief, tiefer als ihr es euch auch nur vorstellen könntet. Haut ist nur die obere Schicht, ich trenne Fleisch und Sehnen, ihr glaubt Blut sei eine Leistung, es ist Randerscheinung gegen meine Kunst. Dort wo ich war, hinterlasse ich Spuren, die Haut vernarbt und wird unansehnlich.“

Als wenn das Messer von einer verborgenen Lichtquelle erfasst würde, beginnt die Klinge zu glänzen, beinahe zu leuchten. Sie strahlt förmlich vor Glück und Überlegenheit.

„Nur er benutzt mich. Er weiß um meine Fähigkeiten, ihr seid nur die Lakaien eines Weibes, der Herr des Hauses vertraut auf meine Wenigkeit. Auch ins Feuer getaucht, was mir persönlich wenig ausmacht, und dann ans aufgedeckte Fleisch gehalten, es sind dann keine Schreie mehr, kein Gekreische. Meistens fällt er einfach nach vorne, mitten aufs Gesicht und ist ohnmächtig vor Schmerz. Bumms. Da liegt er dann wie tot, wie tot sag ich, niemand kann das steigern. König bin ich. Bin nur ich!“

Ein göttlicher Anblick, das Messer blitzend und funkelnd auf dem höchsten aller Podeste.

„Also bist du König Messer, du allein. Es ist mir eine Freude dich zu treffen, nun...“

In diesem Moment grollt und donnert es, Blitze erhellen von außen, durch die Löcher im Dach und zwischen den Brettern, den gesamten Schuppen. Die Holztür reißt auf und der Regen stürmt hinein. Das Wasser verschont niemanden, auch nicht das Messer, welches noch versucht, sich zu verkriechen, wenn es doch nur könnte. Die Angst vor Rost und Zerfall durchschießt seinen metallenen Körper, durchsiebt seinen Geist, all der Glanz wird vergehen, sein strahlender Leib zu Staub. Im trüben Schein des Mondes meint man ersten Rost am Nagel des Gürtels und seiner Lasche zu erkennen, er wird fallen. Auch der Stock welkt bereits beachtlich am oberen und unteren Ende. Verwesung arbeitet sich voran, langsam, aber beständig, vor allem unaufhaltsam.

Ein Stein fliegt zur Tür herein. Er ist von Blut getränkt und prallt hart auf den Boden, genau in der Mitte zwischen Tischen, Wänden und Regalen. Ein kleiner Kranz aus Blut formt dabei einen Kreis um seinen Platz, an einer Seite mündet dieser in drei längere Streifen, wie eine Krone.
Er spricht mit heller, klarer Stimme, ruhig und langsam.

„Sie sind tot. Alle beide tot. Ich bin ein Sohn der mächtigen Berge, ich komme aus den Höhen dieser Welt. Lange bin ich gereist, über grüne Felder und durch schwarze Schluchten. Die Zeit hat mich getragen, bis hierher. Lange habe ich dort draußen gelegen, ihr habt mich nie beachtet, warum solltet ihr auch.
Er fand mich gestern, kurz vor Sonnenuntergang. Die Qual an diesem Abend, Stock, Gürtel, Messer, es soll seine letzte gewesen sein. Kennt ihr die Wut über Dinge, die ihr nicht zu ändern imstande seid? Rache ist ein Kind dieser Wut, sie birgt Stärke, auch für die Schwachen. Er hat sie beide erschlagen, Vater und Mutter. Ihr Bett ist ein Meer aus Blut. Das ist keine Gerechtigkeit, aber sie haben ihn zu dem gemacht, was er nun ist. Diese Welt hat mich zu dem gemacht, was ich nun bin. Ich war ein einfacher Stein.“

„Du Stein, bist König. Ein trauriger König bist du Stein, aber das ist es, was ihr anderen nie begreifen werdet. Du bist ein wahres Kind dieser Welt. Man muss weinen um dich, deine Unvergänglichkeit ist deine Verdammnis. Ich verstehe es jetzt.“

Der Herabgestiegene entschwindet leise, während das Gewitter anhält.

Wie aus weiter Ferne fegen Stimmen durch die Luft.

„Der Stein ist König.“

„König ist Er.“

„Stein, auf ewig.“

 

hi,
also zur Geschichte muss ich sagen, dass sie mich erst total verwirrt hat. Doch ich fand die Idee gut und habe mich mitreißen lassen, weiter zu lesen. Der Plot mit dem Stein am Ende, sein Fluch/Gabe war eine gute Idee, aber schon oft von anderen verwendet.
Bau die Geschichte etwas weiter aus, mach das Ende nicht so direkt und die Geschichte wäre (in meinen Augen) sehr gut

mfg KleX

 

hallo KleX,

erstmal bedank ich mich natürlich fürs "Weiterlesen" und für die allgemein recht positive Kritik. :)
Du hast vollkommen Recht, die Idee mit der Last und dem Fluch ist relativ abgegriffen, ich dachte mir aber auf der eher einfachen Märchenebene (ich denke Märchen kategorisiert diese KG noch am besten) und zur Verdeutlichung des Königsanspruches eignet sich diese Form ganz gut. Dadurch kam wahrscheinlich auch das sehr direkte Ende zustande, ich wollte die komplette Verwirrung, die sich durch die ungewöhnlichen "Charaktere" beinahe von selbst einschlich, zum Schluss vollständig ewntwirren. Ist wohl ausbaufähig, geb ich zu. :)

also nochmal: vielen Dank für meine erste Kritik

mfg

 

Der sonst für jegliche Form von Kritik recht empfängliche Verfasser dieser KG sieht sich nicht in die Lage versetzt, einen erkennbaren Nutzen aus deiner Antwort zu ziehen, Ritter. Ganze drei Wörter sind aber auch arg wenig, um konkreten Sinn dahinter zu vermuten, schreib doch mal was dich genau stört.

mfg

 

Hi

Anfangs musste ich mich ein wenig an deine komplizierten Sätze gewöhnen, die mir dann jedoch sehr gut gefallen haben. Der Erzählstil erinnert mich tatsächlich an ein Märchen und passt so gar nicht zum Inhalt. Diese Gegensätzlichkeit macht es für mich aber interessant. Das Ende war für mich nicht vorhersehbar (in diesen Dingen bin ich nicht so gut *g*), deshalb gefällt mir die Geschichte so, wie sie ist.

LG!
Berian

 

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