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Käsebrote

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16.07.2002
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Käsebrote

Der Mann geht jeden Tag um fünf Uhr von der Arbeit nach Hause.
Wenn er die Firma verlässt, sagt er manchmal freundlich "Bis morgen!" zu seinen Kollegen, denen er auf dem Flur begegnet. Manchmal sagt er das auch nicht, weil er denkt, dass er es oft nicht freundlich über die Lippen bringt, wenn ihm das überhaupt jemals gelingt. Eine Antwort bekommt er auch nur manchmal, und von manchen Kollegen auch nie. Aber vom Pförtner immer, auch wenn er selber garnichts sagt. Manchmal.
Dann fährt er mit der Bahn nach Hause. Seit Jahren schon fährt er immer um die gleiche Zeit mit der Bahn, aber er kennt keinen der anderen Fahrgäste. Manche kennt er vom Sehen. Eigentlich sind es immer die gleichen Fahrgäste, aber er kennt keinen von ihnen und liest während der Fahrt lieber die Tageszeitung. Bis er nach Hause kommt kennt er sie fast auswendig. Die Fahrt dauert achtundzwanzig Minuten.
Nachdem er aus der Bahn ausgestiegen ist muss er noch etwa einen Kilometer zu Fuß bis nach Hause laufen. Heute regnet es nicht.
Vor seiner Haustür öffnet er zuerst den Briefkasten und nimmt Werbeprospekte und Briefumschläge mit Rechnungen heraus. Meistens sind es Rechnungen. Manchmal auch nur Werbung. Manchmal ist der Briefkasten auch völlig leer, dann weiß er nicht, was er davon halten soll.
Dann öffnet er die Haustür und geht die Treppenstufen hinab zu seiner Kellerwohnung. Einmal wäre er dabei fast gestürzt, aber er konnte sich doch noch am Geländer festhalten. Seitdem geht er die Marmortreppe immer ganz vorsichtig hinunter. Wegen seiner Aktentasche hat er nur eine Hand frei.
Als er in die Wohnung kommt öffnet er zuerst seine beiden Fenster um den muffeligen Geruch aus der Wohnung zu verteiben, bevor er seine Jacke an einen Haken an der Wand hängt.
Früher hat er die Fenster den ganzen Tag halb geöffnet gehabt, während er auf der Arbeit war. Vor Einbrechern waren sie durch Gitter geschützt. Aber dann war bei einem Gewitter eine ganze Menge Wasser in seine Wohnung gelaufen, so dass er schon fast hätte renovieren müssen. Seitdem schließt er die Fenster immer bevor er zur Arbeit geht, auch wenn es nicht nach Gewitter aussieht, und wenn er wieder nach Hause kommt müffelt es.
Er nimmt die Fernbedienung vom Tisch und schaltet seinen Fernseher ein.
Auf seinem Küchenschrank belegt er sich zwei Graubrote mit Käse und nimmt sich auch eine Dose Malzbier aus dem Kühlschrank. Noch zwei Scheiben Käse, drei Dosen Malzbier und ein Schälchen Margarine sind im Kühlschrank, sieht der Mann und denkt sich er muss bald wieder einkaufen. Dann merkt er beim Zubeißen, dass das Brot verschimmelt ist und wirft seine Käsebrote verärgert in eine der Plastiktüten die neben dem Kühlschrank lehnen.
Er muss einkaufen gehen.
Er nimmt seine Jacke vom Haken und verlässt die Wohnung.
Vor dem Haus begegnet ihm eine Nachbarin. Der Mann sieht sie erst, als es zu spät ist zurück zu gehen ohne unfreundlich zu sein.
"Hallo, wie geht's?", fragt sie freundlich, bleibt stehen und lächelt ihn an.
"Gut", sagt der Mann, lächelt zurück, und geht an ihr vorbei.

[ 02.08.2002, 08:49: Beitrag editiert von: braindrain ]

 

@Braindrain

Eine feine Alltagsgeschichte, die du da gebastelt hast! Ich hab sie sehr gerne gelesen, dein Schreibstil gefällt mir auch gut. Dein Protagonist scheint unter tödlicher Langeweile - gegen die er aber schon abgestumpft ist - zu leiden.

Ein bisserl zu kurz war mir deine Story schon, ich hätte mir mehr Informationen über den Tagesablauf des Mannes gewünscht.

Grüße!

 

hallo braindrain - es tut mir leid, ich kann mit der geschichte überhaupt nichts anfangen. weder spannung noch eine echte message, die rüberkommt.nicht mal ein packender schluß. warum habe ich sie eigentlich gelesen? ein einsiedler lebt doch so, langweilt sich zwar tödlich, aber merkt dabei den tod gar nicht. also alles im grünen bereich für ihn. gruß ernst

 

Hi braindrain,

ein nüchterner Schreibstil, warum auch nicht. Knapp und reduziert. Dadurch bekommt die Beklemmung des Alltags dieses Mannes ihre Spürbarkeit für den Leser. Trotzdem würde ich bei einem Text dieser Art so Worte wie "eigentlich" und "vielleicht" weglassen und noch mehr auf das gut gewählte Wort "manchmal" setzen. Ich glaube, dass damit diese gewollte Nüchternheit der Sprache noch mehr betont wird und damit die Ausweglosigkeit des Protagonisten stärker zum Ausdruck kommt.
Gibt es Marmortreppen in eine Kellerwohnung?

Liebe Grüße - Aqualung

 

Hi braindrain,

ich finde, deine Geschichte spiegelt sehr gut das Dasein unzähliger Singles in unserer Gesellschaft wider. Gerade der Schluss erinnerte mich an ein Gespräch mit einem solchen Single, das ich vor ein paar Wochen geführt habe und in dessen Verlauf er mir stolz erzählte, dass seine Nachbarin ihn angelächelt hatte, weil er ihr die Tür aufgehalten hatte! Ich habe ein klares Bild von deinem Protagonisten im Kopf und kann sehr gut nachempfinden, wieviel ihm dieses Lächeln am Schluss bedeutet.
Trotz einfacher, kurzer Sätze - oder gerade deswegen? - ist es dir gelungen, das freudlose Dasein deines Protagonisten und seine Gleichgültigkeit herauszuarbeiten. Eine in meinen Augen glaubhafte und nachvollziehbare Geschichte, die sich in dieser Form täglich tausendfach überall auf der Welt wiederholt !

Lieben Gruß
Gaby

 

Hallo zusammen,

schön, dass die Geschichte einigen gefallen hat. :D

Es ist wohl nicht so klar geworden, dass der Hauptdarsteller fast den gesamten Tag alleine in seinem Büro verbringt. Ich dachte, wenn ich beschreibe wie er sich überlegt, ob er nun die Kollegen auf dem Flur grüßen soll oder nicht, würde das ganz gut rüberkommen.
Als ich die Geschichte gerade noch einmal gelesen habe ist mir auch aufgefallen, dass beim Korrekturlesen das Wort "Büro" auch komplett auf der Strecke geblieben ist... sorry.

Der Schluss kam bei mir beim Schreiben auch ziemlich plötzlich. Ich dachte ich lass die offensichtlich (wenn auch nicht bewusst, sondern aus Gewohnheit) gelogene Behauptung, dass es ihm "Gut" ginge einfach mal so im Raum stehen. Bringt vielleicht einige dazu mal über ihr eigenes Leben nachzudenken.

Der Schreibstil ist mehr oder weniger bewusst gewählt. (Im Rahmen meiner Möglichkeiten eben...)

@Ernst: Schade, dass du mit der Geschichte nichts anfangen konntest. Aber irgendwie scheint sie dich ja doch berührt zu haben. Danke für deine Kritik.

@Aqualung: Ich habe beim Korrekturlesen sogar noch ein paar "manchmals" entfernt. Es waren einfach zu viele.
Gibt es noch Treppenhäuser ohne Marmor?? ;) Die Treppe ist ja im Haus.

@whome?: Hmm. Die Betonung sollte eigentlich nicht darauf liegen, dass der Mann zurücklächelt, sondern darauf, dass er möglichst schnell das Weite sucht, als ihm seine Nachbarin vor der Tür begegnet. Er freut sich nicht sie zu sehen, sondern er hat eher Angst davor. Ich hatte halt nur die Sichtweise des Erzählers zur Verfügung um das auszudrücken. Er ist sich ja seines Problems garnicht bewusst.

@Liz: Ich weiß nicht, ob er unter tödlicher Langeweile leidet oder vielleicht doch eher unter seiner Schüchternheit.

Gruß, bd

[ 31.07.2002, 21:49: Beitrag editiert von: braindrain ]

 

Also eine Sache hast du eindrucksvoll geschildert. Die Sache mit der Routine. Du beschreibst jene Sachen, die Jeder schon irgendwie irgendwo gemacht hat oder drüber nachgedacht hat und daher kann sich jeder mit deiner Hauptfigur identifizieren. Das gefällt mir. Dies macht deine Geschichte nicht unbedingt spannender aber es unterstreicht den gewissen Alltag, dessen Rubrik du ja auch gew
ählt hast. Ich denke einige spannende Momente hättest du ruhig einfügen können, denn darauf wartet der Leser während er deine Geschichte liest. Doch alles in allem eine interessante Geschichte. Fand ich gut! weiter so gruß coolspott

 

Hallo Braindrain,

mir hat der lakonische Stil deiner Geschichte gefallen. Die Geschichte selbst nicht so sehr.
Nicht weil mir das Thema nicht gefallen würde, nein, du hast sogar gut diese Unaufgeregtheit, diese Eintönigkeit im Leben dieses Mannes verstanden, in deiner Geschichte einzufangen.

Aber die Geschichte treibt so banal dahin, es gibt keinen Spannungsbogen und irgendwie führe ich mich als Leserin an der Nase herumgeführt. Ich hab deine Geschichte durchgelesen, weil ich dachte, dass jetzt noch irgendetwas passiert mit diesem Mann.
Aber nix. Das empfand ich als Enttäuschung, weil du die Geschichte fluchtartig verlassen hast und mich als Leserin mit Enttäuschung zurück.
Vielleicht fällt dir noch ein besserer Schluß für deine Geschichte ein.
Inhaltlich ist mir aufgefallen, dass so einem Menschen, der so einen geregelten Tagesablauf hat, garantiert nicht passiert, dass ihm das Brot verschimmelt.
Immerhin hat er alles in seinem Tagesablauf im Griff. Er wird also auch genauestens wissen, wann sein Brot verbraucht sein wird und dafür Sorge tragen, dass es immer noch so vorhanden ist, dass es nicht zuviel und nicht zu wenig ist und schon gar nicht verschimmelt.
Vielleicht solltest du ab hier deine Geschichte ganz verändern.
Nur so mal als Gedankenanregung.

Und dann ist mir noch ein aus meiner Sicht Fehler aufgefallen, bei dem ich ein wenig schmunzeln mußte:
"Auf seinem Küchenschrank belegt er sich zwei Graubrote mit Käse .." Auf?? Klar, ich weiß es gibt solche Küchenschränke, solche alten, bei denen neben der Schrankfläche auch noch eine Art Tischfläche vorhanden ist. Meine Oma hatte so einen. Aber meine erste Assoziation war halt doch, dass es komisch klang, denn ich stellte mir eben vor, er schmiert sich die Brote auf dem Küchenschrank ganz oben gleich unter der Küchendecke.
Vielleicht paßt einfach Küchentisch besser und würde dem Text ja keinen inhaltlichen Abbruch tun.

Gruß lakita

 

Hallo lakita,

das Meiste sehe ich mittlerweile genauso wie du. :shy:

Ich habe beschlossen meine Geschichten hier alle im aktuellen Zustand zu belassen und offline in Ruhe auszuarbeiten. Ich habe mir bisher für keine Geschichte mehr als drei Stunden Zeit genommen. Diese hier glaube ich weniger...
Gestern abend habe ich an "Die Beförderung" noch ein paar Stunden gearbeitet und dabei sind mir noch ein paar Sachen eingefallen. Online editieren wird aber auf die Dauer nervtötend.

Bei dieser Story habe ich im Moment das Problem, dass es mir hauptsächlich um den Stil ging und ich auf eine Handlung keinen besonderen Wert gelegt habe (ich habe einfach drauflos geschrieben) weil ich die Einsamkeit (und die daraus resultierende Langweile, deshalb passiert da auch nix) des Mannes ohne Namen, der unter sehr großer Schüchternheit leidet, beschreiben wollte.
Es ist mir ganz eindeutig überhaupt nicht gelungen. Ich konnte meiner Intention keinen Ausdruck verleihen ;)

Ich hielt dann die Stelle mit der Nachbarin für den richtigen Zeitpunkt dem Ganzen ein Ende zu bereiten...

Trotzdem haben mich natürlich die Reaktionen auf die Geschichte (wenn man das überhaupt so nennen kann: "Geschichte") interessiert, und obwohl ich diese für meine schlechteste halte, habe ich auf sie bisher die meisten Reaktionen erhalten.
Tut mir leid, dass ich dich mit diesem Müll (also dem Text ganz ganz oben) belästigen (bzw. enttäuschen) musste, aber dafür ist das hier ja wohl auch da ;)

Immerhin habe ich bisher das Gefühl, dass ich mich weiter mit dem Geschichtenerzählen beschäftigen sollte. Ich bin zwar mittlerweile schon 33 aber bisher habe ich das noch nicht versucht. :shy:
Macht schon ne Menge Spaß das. :D :D

Also, du (ihr) wirst (werdet) sicher noch von mir lesen :cool:

Das mit dem Küchentisch ist so 'ne Sache, weil die Wohnung dafür zu klein ist. Es gibt nur eine Kochnische, aber das Wort ist mir gerade erst eingefallen und ich wollte nicht Arbeitsplatte schreiben. Vielleicht Spüle... ich überlege noch.
Zwei Fenster ist auch übertrieben.

Das mit dem geregelten Tagesablauf bezieht sich doch nur auf die Arbeit. War also doch ein überraschendes Element in der Story ;)

Gruß, bd

[ 02.08.2002, 22:12: Beitrag editiert von: braindrain ]

 

Hallo Braindrain,

also erstmal finde ich deine Einstellung gut, denn du zeigst damit, dass du versuchst, die dir gegebenen Kritiken zu verarbeiten, soweit es dir möglich ist.
Selbstverständlich und bitte das solltest du nie vergessen, bist du nicht auf der Welt,um so zu sein wie die anderen (also auch ich) dich und deine Geschichten haben wollen.
Daher sind viele Kritikpunkte nur Denkanstöße und keine Gebote oder Forderungen.
Dass du hier jetzt nicht in hektischer Zeitnot rangehst und alles editierst ist schon absolut nachvollziehbar und keiner wird dir hier den Kopf abreißen, wenn die Geschichten so stehenbleiben wie du sie im ersten Entwurf reingestellt hast.

Ich für mich habe allerdings die Erfahrung gemacht, dass es Sinn machen kann, eine fertiggeschriebene Geschichte eine ganze Weile bei sich selbst in der Schublade zu lassen, um sie von Zeit zu Zeit mal wieder mit etwas anderen Augen zu lesen.
Die Versuchung, sein eigenes Produkt sofort unter die Augen des Publikums zu schieben, ist wahrscheinlich für jeden hier von uns sehr groß, aber meine Erfahrung zeigt mir, dass ich manchesmal nach ein paar Wochen meine Geschichte völlig anders und vor allen Dingen wesentlich kritischer betrachte.

Ach und noch was: also entschuldigen mußt du dich hier für gar nichts. Und "überhaupt nicht" gelungen, *müdegrins* da kokettierst du vermutlich etwas oder? Na gut, ich fall jetzt mal drauf rein und sage: Natürlich ist deine Geschichte sehr wohl gelungen, wenn sie auch noch lange nicht als perfekt zu bezeichnen wäre.
Aber auch das, bitte übersehe das nicht, ist allein meine ureigene Bewertung.
Das mögen andere völlig anders sehen.

Liebe Grüße
lakita

 

Hallo lakita,

erstmal Danke, dass du drauf reingefallen bist :D
Das wollte ich natürlich lesen.
Im Ernst: die Kritiken über die Story waren ganz anders als ich sie erwartet habe. Aber sie waren sehr ermutigend.
Kokettieren ist natürlich ein mir völlig fremdes Wort. :lol:

Natürlich setze ich die Kritiken um. Ich weiß ja, dass ich mich nicht ohne Hilfe weiterentwickeln kann. Dazu braucht man Input.

Ich werde sicherlich auch in Zukunft noch einige Geschichten hier posten, bei denen ich Hilfe benötige.

Deine Tipps fallen bei mir auf fruchtbaren Boden. :naughty:

Gruß, bd

 

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