Kälte
Mit einem Mal zieht Wind auf und legt sich wie kaltes Eisen um mich. Ich drehe ihm den Rücken zu und blicke auf meine Universität, die nur ein paar Meter von unserem Gebäude entfernt liegt. Hier bin ich neulich erst eingezogen, um nicht jeden Tag stundenlang von zu Hause aus fahren zu müssen. Mit zwei ganz passablen Leuten wohne ich in einer WG, so hat keiner Probleme mit der Miete. Und wir teilen uns alles, den Abwasch und so, da kann man mehr entspannen als wenn man alleine lebt. Aber ich darf in der Wohnung nicht rauchen. Dazu muss ich aufs Dach, oder auf die Straße, aber da wird man von den Autos bedroht, die Fahrer da wollen mich umbringen, das ist Fakt! Jetzt stehe ich hier und mir weht diese saukalte Brise entgegen. Ich ziehe meine Collegejacke zu und laufe auf und ab. Gehe an den Rand des Dachs und schaue auf die Leute. Ein paar habe ich schon kennen gelernt. Die sind alle so unterschiedlich, dass sie mir im Endeffekt fremder geworden sind, als vor ein paar Wochen, als ich die Uni noch gar nicht so fest ausgesucht hatte. Da habe ich mir die angesehen, für mich waren das alles einheitliche, ordentliche Leute. Man merkt aber schnell, dass jeder vollkommen in seiner eigenen Welt abgetaucht ist, sich nur noch für die eigenen Probleme interessiert und dass die Gemeinschaft, die man zu finden gemeint hatte, nur ein Hirngespinst ist, und dass der Zugang zu diesen Leuten dir gewährt bleiben wird. Jetzt ist mir wirklich kalt. Ich schnipse den Stummel auf die Straße und reibe mir die gelben Finger. Gehe wieder ins Gebäude.
Der Flur ist lang. Tür reiht sich an Tür und es scheint, als ob sich die Länge des Gangs hin- und wieder zusammenziehen würde. Ein kaltes Gelb zieht sich an der Wand entlang. Ein paar der Türen zittern. Kinder brüllen solange bis die Eltern schreien, bei ein paar Studenten, die sich hier in großen Zahlen eingenistet haben, läuft Musik. Ich gehe die Treppen runter, zwei Stockwerke weiter unten gehe ich wieder in den Flur und laufe zu meiner Tür. Es zieht. Der kalte Wind hat sich seinen Weg gesucht und kommt durch jede Ritze von diesem verdammten Haus zu mir. Schnell zücke ich den Schlüssel und schiebe ihn in das Schloss, drehe, einmal, zweimal, ziehe ihn raus und bin endlich drin, in unserer WG, in der es noch ein bisschen warm ist. Katharina sitzt am Küchentisch und isst ihre Brühe.
„Hey na“, sage ich und gehe langsam durch den Raum, unsicher, ob sich gleich ein Gespräch entwickelt oder nicht.
„Warst du gerade eben nicht noch hier?“, fragt sie, ohne von ihrer Lektüre aufzusehen, die sie während des Essens immer verschlingt.
„Ich bin nur kurz rauchen gegangen.“
Jetzt blickt sie auf.
„Mir tut das immer noch leid, aber der Rauch zieht durch die ganze Wohnung, auch wenn du in deinem Zimmer bleibst.“
„Macht nichts, ist schon in Ordnung“, antworte ich und gehe zum Kühlschrank.
„Der Mieter vor dir hat immer geraucht und die Wohnung hat dann einfach gestunken. Ich bin froh, dass er gegangen ist.“
Ich nicke leicht und mache die Kühlschranktür auf. Blicke durch die Ablagen ohne zu wissen, ob ich überhaupt was will. Für heute habe ich frei. Also kann ich mir ein Bier nehmen.
„Willst du auch was?“, frage ich unvermittelt.
„Nein danke“, sagt sie und widmet sich wieder ihrer Lektüre.
Ich öffne die kleine Flasche und trinke zwei Schluck.
„Und wie war dein Tag so?“
Sie blickt wieder auf. In ihrem Gesicht liegt so wenig, die Augen, die sagen überhaupt nichts. Sie blickt mich kurz an, dann senkt sie den Kopf und stiert zum Fenster hinaus.
„Jo. War ok.“
Ist das jetzt etwa alles? Sie blickt weiter zum Fenster.
„Ist alles nur so stressig gerade.“
Sie scheint müde zu sein.
„Ja ich wollte heute eigentlich auch zum Sport gehen. Aber die geben einfach zu viel auf“, sage ich.
Ich versuche locker zu klingen, dem Gespräch ein bisschen Antrieb zu geben, damit es überhaupt ein Gespräch wird.
„Ja. Ich finds vor allem auch unfair, dass wir so viele Bücher lesen müssen. Die haben doch überhaupt nichts mit dem Thema zu tun“, antwortet sie.
„Stimmt schon“, sage ich und trinke noch einen Schluck Bier.
„Habt Ihr gerade Hoffmann?“, frage ich weiter.
„Ja. Der Goldne Topf. Den hab ich zum Glück schon im Gymnasium gelesen“, sagt sie und lächelt mir leicht zu.
„Der ist witzig. Total abgefahren.“
„Jaja“, sagt sie wieder ein bisschen lächelnd.
Jetzt blickt sie endlich mal auf.
„Hast du dich schon ein bisschen einleben können?“
Ich nicke.
„Einigermaßen ja. Meine Freunde vermisse ich.“
Nach einer kurzen Pause werfe ich noch ein:
„Ich musste gerade eben schon dran denken – ich find die Leute hier ziemlich verschlossen. Ist irgendwie komisch, aber das ist schwierig hier Anschluss zu finden.“
Sie nickt leicht.
„Das stimmt schon. Irgendwie bleibt man am Anfang einsam. Wie ist das mit deinen Freunden, sind das viele?“
„Geht so“, sage ich und trinke weiter.
„War eine tolle Gruppe, die ganzen Jungs von der Oberschule halt.“
„Keine Freundin?“
Ich schüttele den Kopf.
„Wir haben uns letzten Winter getrennt. War keine besonders tolle Beziehung, hat einfach nicht gepasst.“
Sie lächelt.
„Ach du musst bestimmt nicht so lange auf die nächste Beziehung warten“, sagt sie und zwinkert mir leicht zu.
Ein bisschen verblüfft danke ich ihr und trinke noch einen Schluck. Was das jetzt bedeuten sollte, weiß ich nicht. Ich fasse es mal positiv auf. Doch trotz der recht intimen Ansage hängt sie jetzt wieder über dem Buch, das sie schon gelesen hat. Sie ist wie ein Brett. Steif und regungslos. Wenigstens antwortet sie noch, aber besonders extrovertiert ist sie wirklich nicht. Ich muss an ein Mädel denken, mit dem ich mal geschlafen habe. Die lag genau so vor mir wie Katharina gerade vor mir sitzt, wie so ein Zombie. Der Sex war langweilig wie dieses Gespräch jetzt, wirklich ein Jammer. Solche Mädchen sind nicht inständig abgeneigt, aber auch nicht wirklich willig. Keine Ahnung, was in denen vorgeht. Ich will weiterreden, sie fragen, was sie jetzt wie macht, ob die Romantik sie interessiert und was sie fürs Wochenende geplant hat. Meinetwegen erzähle ich ihr auch von mir, dass ich mich halbwegs wohlfühle, dass Journalistik ein cooles Studienfach ist, dass ich sie ganz wunderbar als Mitbewohnerin finde. Denn, wo ich gerade über Sex nachdenke, diese Katharina ist klasse, ziemlich hübsch. Keine Ahnung, ob man seine WG-Mitbewohner angraben sollte, oder ob sie mich gerade sogar angegraben hat. Aber ich habe Lust drauf, Lust auf sie. Bloß bin ich da unsicher, klappt das überhaupt? Ich trinke noch einen Schluck Bier und will wieder zum Gespräch ansetzen, denn gerade legt Katharina das Buch zur Seite und streckt sich gähnend nach hinten. Doch bevor ich den Mund aufgemacht habe raschelt das Türschloss und der Wohnungsgenosse tritt herein, massenweise asiatisches Fastfood unterm Arm. Das Fett, die Hitze, strömen zu mir und sofort habe ich ein besseres Gefühl. Vielleicht hole ich mir auch was vom Imbiss. Scheiss aufs Kochen, ich will mich bedienen lassen!
„Moin Valli!“, sage ich laut und nicke ihm zu.
Gut und gerne klinge ich militant, ich weiß, wie sehr das diesem Hippie auf die Nerven geht.
„Na!“, ruft er und legt die Tüte auf den Tisch, um sich daraufhin die Schuhe von den Füßen zu streifen.
„Sag mal hast du die Schuhe ausgezogen?“, fragt er unvermittelt.
„Oh, das hab ich vergessen.“
„Dann mach´s bitte!“
Ich nicke leicht, stelle die Flasche ab und ziehe die Schuhe aus, die ich kurzerhand in den Müll werfe.
„Warum wirfst du die Weg?“
„Sind kaputt“, antworte ich knapp, „Hab die alten Stiefel wieder rausgeholt“.
„Welche, die mit den weissen Schnürsenkeln?“, fragt er lachend und hängt seinen Mantel auf.
„Nur weil ich weniger als 20 Zentimeter Haare hab bin ich noch lang kein Nazi“, gebe ich genervt zurück.
„Jaja, war doch nur Spaß.“
„Jaja“, sage ich und leere die Flasche.
„Wie wars bei der Uni?“, fragt Katharina abwesend, wieder ihrer Lektüre zugewandt.
„War ok. Der Klaissler hat sich wieder aufgeregt.“
„Ja? Wieso?“
„Na weil wir anscheinend unvorbereitet waren.“
„Und wart ihrs?“, fragt Katharina weiter.
„Ich hab keine Ahnung. Er sagt, lest ein Buch zu Ende und nehmt es auseinander. Heute komme ich in die Vorlesung und auf einmal sollten wir zwei Bücher auseinander genommen haben. Und irgendwie ist der halbe Kurs darauf vorbereitet.“
„Mysteriös“, sage ich, ohne eine Miene zu verziehen.
„Jop“, sagt Valentin und setzt sich zu uns. Packt das asiatische Zeug vor uns aus und verbreitet es auf dem Tisch. Katharinas Augenbrauen gehen nach unten. Jetzt scheint sie doch genervt zu sein. Ich hebe die Stimme.
„Ich gehe noch mal los und hol mir auch was zu Essen.“
„Geht klar“, sagt Valentin uninteressiert.
„Will jemand von Euch noch was?“
„Hmm du könntest mir noch eine Milch mitbringen“, sagt Katharina.
Ich nicke.
„Dann bis gleich!“
„Bis gleich“, sagt Valentin und stopft sich schon die erste Hähnchenkeule mit Orangensauce in den Mund.
Ich gehe hinaus. Vor der Tür schnüre ich wieder meine Jacke zu. Man hört Valentin leise reden und Katharina daraufhin lachen. Geht’s um mich? Machen die sich lustig über meine kurzen Haare?
Ich trete wieder in die Kälte hinaus. Vor mir sitzt ein Obdachloser. Ich bleibe stehen und hole eine Zigarette aus meiner Tasche. Er sieht merkwürdig gekrümmt aus. Ich zünde den Sargnagel an und frage mich, was ich von dem Tag bis jetzt halten soll. Gleich geht’s vor die Flimmerkiste. Oder vor den Rechner. Ich will das Essen genießen und vielleicht einen Whiskey trinken, irgendwas, um mal so richtig zu entspannen.
Der Kerl sieht nicht gut aus. Die Wodkaflasche kullert ihm aus der Hand und rollt die Straße runter. Er röchelt. Versucht zu schreien, doch es kommen nur gebrochene Laute raus. Seine Schuld, wenn er die ganze Flasche wegtrinkt. Das Krächzen wird allmählich lauter. Ich stehe nur daneben und versuche die Zigarette anzuzünden, doch der Wind ist so verdammt stark, dass man sich erstmal gut drehen muss, um das Feuerzeug benutzen zu können. Im Drehen verstummt das Krächzen, der Wind weht mir weiter entgegen. Als endlich der kratzige Qualm in meine Lunge eindringt, drehe ich mich wieder um.
Er steht aufrecht an der Wand und guckt mich mit riesigen Augen an. Aus seinem Mundwinkel fließt langsam aber stetig eine Blutlinie, die bis zu seinem Kinn vordringt. Er tut nichts, sondern stiert mich die ganze Zeit an, als ob er mich kennen würde oder so. Kein Laut, kein Krächzen.
Schnell gehe ich weiter, hole mir beim Fleischer etwas zu Essen und hole beim Spätkauf noch eine Milch für Katharina. Meine Haut wird trocken und verfärbt sich, irgendwann habe ich lila Hände und blaue Lippen. Ich zittere wie von einem Stromschlag getroffen. Spucke auf den Asphalt. Die Rotze vereist sofort in der Kälte.
In der Platte angekommen, steige ich in den Fahrstuhl und frage mich, wie der Monat weitergehen soll. Das Studium dauert noch. Ferien sind im Sommer. Ich denke an diese weiten Ostseestrände, die ich mit alten Freunden besuchen will. Irgendwo in Mecklenburg wollen wir die Sonne genießen, uns jeden Tag zugießen und endlich mal ein bisschen Ruhe haben. Dieses Gefühl in deiner Brust, wenn du völlig losgelassen hast und langsam frei wirst. Das hat sich zu weit entfernt. Merkwürdig.
Ich gehe aus dem Fahrstuhl raus und lasse den langen Flur schnell hinter mir. Die Tür aufgerissen, sehe ich die beiden vor mir sitzen, wie sie sich gegenseitig angrinsen und reden.
„Hey.“
„Na, warste erfolgreich?“, fragt Valentin.
„Ja“, hauche ich ihm entgegen und stelle die Milch auf den Tisch.
„Danke! Was schulde ich dir noch mal?“, fragt Katharina.
Ich ziehe die Schuhe aus und gehe in Richtung Zimmer.
„Geht schon in Ordnung, war ja nicht teuer!“
„Dankschön!“
Ich drehe mich nicht mehr um, bevor ich zur Tür reingehe.
„Dann bis morgen.“
„Schlaf gut!“, hallt es aus dem Esszimmer, doch ich bin schon in meinem eigenen Reich und kriege überhaupt nichts mehr von dem mit, was draußen vor sich geht.
Das matte Licht geht an, die Whiskeyflasche lächelt mir vom Schreibtisch her zu. Ich nehme eins der sauberen Bourbon-Gläser und schütte um die zwei Kurze hinein. War der Tag wirklich so anstrengend, dass ich ihn mit Schnaps beenden muss? Dem ganzen Trubel einfach den Hals umdrehen, das kann nur Alkohol. Aber ist das nötig? Heute war wenig los in der Uni, Stress hatte gab´s keinen. Ich schalte den Fernseher ein, denn für Computerspiele oder das Internet bin ich zu kaputt. Packe das Essen aus, das auf dem Heimweg schon wieder abgekühlt ist. Stopfe es in mich rein und lasse es vom Whiskey zersetzen. Die Nachrichten laufen. An mexikanischen Brücken hängen Tote, auf arabischen Straßen wird mehr geschossen als in jedem Ballerspiel und in der amerikanischen Börse schnürt sich die Situation weiter zu. Ich schalte um, Sender um Sender zeigt die gleichen Toten und dann komme ich irgendwann auf einen Film, den ich schon lange nicht mehr gesehen habe. Irgendwas von Hitchcock. Zwei Kerle verstecken einen ermordeten Kommilitonen in einer Kiste und servieren das Abendmahl für dessen Familie darauf. Zu gut. Ich trinke langsam und in großen Abständen. Das Licht wird dunkler, ich werde immer gelassener. Irgendwann ist das Glas leer und ich will noch eins nehmen, doch dann merke ich, dass ich schon am Träumen bin und nicht mehr hochkomme. Bleibe liegen und bin kurz daraufhin vollkommen weg.
Ich schlage die Augen auf. Blicke dem Wecker böse entgegen. Ein widerliches Rumgeratter, das ich mit einem Handschlag beende. Heute fühle ich mich ganz in Ordnung! Ich bin klar im Kopf, zielstrebig, die Müdigkeit ist nach ein paar Sekunden weg. Ich öffne die Schubladen und krame ein paar mittelmäßige Klamotten raus. Gehe ins Esszimmer.
Katharina steht an der Wohnungstür und stiert in das Guckloch. Sie sieht ein wenig ängstlich aus. Ich lege die Klamotten auf den Tisch und bleibe erstmal stehen. Leise. Von draußen hört man ein Tapsen, nicht konstant, aber immer lauter werdend.
„Katharina?“, frage ich mit gedämpfter Stimme.
Sie dreht sich blitzschnell um.
„Gott, hast du mich erschreckt!“, sagt sie ebenso leise und blickt mich mit riesigen Augen an. Dann wendet sie sich wieder dem Guckloch zu.
„Was ist denn los?“, frage ich und gehe zu ihr.
„Da geht einer durch den Gang... Das macht der schon seit einer Stunde. Jetzt, guck!“
Sie macht mir Platz und ich blicke durch die kleine Öffnung. Das Tapsen kommt langsam näher. Ich sehe nur die gegenüberliegende Tür. Mit einem Mal ist alles ruhig. Der Gang ist leer.
„Jetzt hat´s aufgehört“, sage ich und drehe mich kurz zu Katharina, die nur mit den Schultern zuckt. Dann blicke ich wieder durch das Guckloch.
Auf einmal ist da diese verkohlte Gestalt, sie bewegt sich hektisch hin und her, atmet gierig die Luft ein und wittert wohl ein paar Menschen, dann donnert sie mit dem Kopf gegen die Tür und das mehrere Male, geht daraufhin ein paar Schritte zurück und schlägt mit geballter Faust auf die Tür ein.
„Scheisse!“, schreie ich und falle zurück, während die Tür mit jedem Schlag erzittert.
Katharina schreit auch, doch ich kann nicht zu ihr, ich muss das sehen! Ich gehe an die Tür und blicke auf das Ding, das völlig verkohlt ist, dem ein Messer im Knie steckt, was ihm augenscheinlich nichts ausmacht. Die Lippen sind völlig weggeätzt und die Zähne blitzen, das Grinsen ist sardonisch. Ich hasse es, will es umbringen und diesen Fehler rausschneiden. Scheiss drauf, ob´s gefährlich ist! Die Augen sind riesig, es glotzt mich direkt an, und es will mich verzehren, schlägt immer härter auf die Tür ein.
Katharina zuckt zusammen, schnappt nach Luft, und geht langsam ein paar Schritte rückwärts, mit weit geöffneten Augen, die zur Tür gerichtet sind.
Ich reagiere nicht auf sie. Gehe hastig zur Küche und wühle in den Schubladen. Hole jedes scharfe Messer. Die muss man dem Ding in den Kopf rammen, das wird doch immer in den Filmen gezeigt. Ich gehe zur Tür, doch auf einmal steht Katharina davor.
„Was hast du vor?“, fragt sie leise.
„Das wird umgenietet, das Teil!“, sage ich laut, blicke mit einer Mischung aus Hass und Angst gen Tür.
„Lass es. Lass es einfach. Wir müssen nur die Polizei rufen, der oder das da kann die Tür nicht alleine durchbrechen“, ruft sie, nun lebhafter und schon ein bisschen weinerlich.
Ich atme tief durch. Wenn ich da raustrete und umgebracht werde, steht Katharina so gut wie alleine da. Bestimmt ist die Polizei auf dem Weg oder die Mitbewohner unternehmen etwas, immerhin wohnen wir in einem zehnstöckigen Plattenbau, da sind genug Menschen, die etwas unternehmen können. Mein Herz pocht schnell, fast im gleichen Takt wie das Hämmern an der Tür.
„Wie lange war das schon? Also wie lange gabs die Geräusche?“
Katharina blickt mich mit ihren großen, blauen Augen hilflos an.
„Keine Ahnung. Ich bin so gegen sieben aufgestanden und da wars schon da. Aber ich dachte, dass das ein Nachbar wäre, der putzt oder so, ich hab nicht aufgepasst...“
Sie ist den Tränen nahe. Ich sehe die geröteten, feuchten Augen, den etwas zu schmalen Mund, werfe die Messer auf den Boden und gehe zu ihr.
„Mach dir mal keine Sorgen. Du hast schon recht, das Ding kommt da nicht durch“, sage ich und fasse sie an der Schulter. Ich würde sie auch gerne ausziehen, das ist bescheuert, aber ich will gerade nur zwei Sachen – töten oder vögeln.
„Oh Gott...“
Ich lege meinen Arm um sie und sie nimmt das auf, lehnt sich an mich und atmet immer langsamer. Die Schläge werden auch schwächer. Das Ding da draußen scheint müde zu werden.
„Wo ist Valentin?“
Sie schließt die Augen und blickt drein als ob ich ihr eine zu schwere Frage gestellt hätte.
„In seinem Zimmer“, ist die Antwort.
Ich nicke und blicke zur Tür meines Mitbewohners, die mit einem Mal aufgerissen wird. Valentin steht da in den Kleidern von gestern, ziemlich verschlafen.
„Was ist denn hier los?“, ruft er.
„Da steht irgendein Monster vor der Tür!“, schreit Katharina – auf einmal wieder hysterisch.
„Bleib ruhig, komm!“
„Was meint Ihr denn mit Monster?“, fragt er verunsichert und blickt zur Tür.
„Guck doch selbst!“, rufe ich und suche mit der einen Hand nach einem Taschentuch, während die andere noch auf Katharinas Schulter liegt.
Valentin geht zum Guckloch, nach einem kurzen Blick weicht er um mehrere Schritte zurück.
„Ach du scheisse!“
„Ja!“
„Was... ist denn das?“
„Wissen wir auch nicht, Mann!“, gebe ich ärgerlich zurück.
„Ruf die Polizei an und mach den Fernseher an, ich kümmer mich um sie“, sage ich und blicke auf Katharina, die völlig fertig aussieht.
Valentin schlägt ärgerlich die Hände über den Kopf und knurrt verärgert in den Raum hinein.
„Was soll das denn...“, fragt er in sich hinein und greift zum Telefon.
„Tot. Was ein Schwachsinn. Die Leitung ist tot!“
Er geht zum Lichtschalter und betätigt ihn. Das Licht bleibt aus.
„Der Strom auch? Fuck“, sagt er und schüttelt den Kopf.
Was für ein beschissenes Klischee.
„Was machen wir jetzt?“, fragt Katharina leise und schüttelt den Kopf.
Das Hämmern an der Tür wird mit einem Mal konstant, verändert sich nur in der Lautstärke – leiser – lauter – leiser.
„Valentin?“, rufe ich durch das Schluchzen von links und den Krach von rechts hindurch.
„Was denn?“, ruft er entnervt zurück.
„Wollen wir das Ding da umbringen? Zu zweit schaffen wir das bestimmt!“
„Bist du bescheuert? Wir wissen nicht mal was das genau sein soll!“
„Ja das werden wir auch nicht wissen wenn es die Tür eingetreten hat!“
„Ach, das kannst du allein machen, ich bleibe hier bis sich das von alleine regelt!“
Ich überlege.
„Sie hat doch gesagt, dass das Ding schon seit um sieben hier rumgeistert. Wie lange sollen wir denn noch warten?“
„Komm mal runter! Ich mache jetzt Kaffee, du bleibst mit den Messern da bei der Tür.“
Ich nicke.
„Setz dich mal hin“, sage ich zu Katharina und sie lässt sich sofort auf einen der Küchenstühle fallen.
Sie blickt völlig verstört durch die Gegend.
„Willst du was trinken?“, frage ich unvermittelt.
Sie nickt sogar. Ich gehe ins Nebenzimmer und suche nach weiterem Whiskey, den ich sofort finde. Die Flasche von dem billigen Suff lächelt mich jetzt schon an. Obwohl ich noch nicht mal richtig aufgewacht bin, will ich saufen. Egal. Ich köpfe das Ding und gehe in die Küche.
„Habt Ihr nichts Besseres zu tun als jetzt Schnaps zu trinken?“, fragt Valentin entnervt.
„Mensch guck sie dir doch an, die braucht das jetzt mal!“
„Ist doch bescheuert, wir sollten uns was ausdenken!“
„Ja dann fang damit schonmal an, wir machen auch gleich mit!“, sage ich und gieße zwei Gläser ein.
Valentin ächzt und geht in sein Zimmer. Ich gebe Katharina das Glas, sie lächelt mich leicht an und nippt die Hälfte des Kurzen weg. Ich kippe das Ding in einem Zug und fühle mich gleich viel besser.
„Ich verstehe das nicht! Warum geht dieses... Teil da auf uns los?“, fragt sie in den Raum und schüttelt den Kopf.
Derweil hämmert es weiter, konstant, immer lauter, dann wieder leiser, aber mit einer schrecklichen Sicherheit wieder unerträglich laut. Das scheint sich nie mehr zu ändern.
„Wir werden das schon hinbekommen“, sage ich halblaut und blicke gen Tür.
Unseres Erfolges bin ich mir aber ganz und gar nicht sicher. Ich muss mir auch eine gehörige Menge Angst eingestehen. Valentin kommt aus seinem Zimmer, langsam und mit einem verzweifelten Ausdruck im Gesicht.
„Die Handys gehen auch nicht. Hab meine beiden ausprobiert, die sind tot“, sagt er, setzt sich zu uns und reibt sich die Augen.
Wir drei sitzen nebeneinander und blicken zur Tür.
„Wollen wir frühstücken?“, fragt Katharina nach kurzer Zeit.
Ich habe ein flaues Gefühl im Magen, ob aus Angst oder wegen dem Alkohol. Etwas zu Essen kann nicht schaden. Ich nicke ihr zu, Valentin tut es mir gleich. Katharina geht zum Wasserkocher und setzt Wasser auf. Valentin und ich bleiben nur ein paar Sekunden länger sitzen und lauschen dem Hämmern an der Tür. Ohne einen Ton zu sagen stehen wir gleichzeitig auf und gehen an die Spüle, holen Teller, Besteck, das verbliebene Brot und ein bisschen Wurst und Käse. Der Tisch ist schnell gedeckt und Katharina stellt den Kaffee dazu. Das ist ein Frühstück, wie wir es noch nie gehabt haben. Bis jetzt hat morgens jeder für sich alleine gegessen und getrunken, eine Zusammenkunft war immer reiner Zufall gewesen.
Wir haben gerade die Brote geschmiert und den ersten Schluck Kaffee getrunken, als Katharina zu reden anfängt. Von den andauernden Schlägen gegen die Tür lässt sie sich nicht beirren.
„Habt Ihr irgendeine Ahnung, wer oder was da draußen vor unserer Tür steht und hier reinzukommen versucht?“
Wir schütteln den Kopf.
„Wir müssen uns was überlegen... Ich glaube aus irgendeinem Grund, dass wir auf keine Hilfe von außen hoffen können“, sagt sie weiter.
Der Alkohol scheint ihr geholfen zu haben. Gerade eben schien sie noch der Ohnmacht nah zu sein, jetzt macht sie einen halbwegs gefassten Eindruck.
Ich trinke die Hälfte von meinem Kaffee weg und blicke in die Runde.
„Na mein Angebot steht noch. Ich denke, dass wir den Kontakt mit diesem Teil, dem Monster oder was auch immer das sein mag, nicht umgehen können. Ich will das bloß nicht alleine machen. Aber zu zweit stehen unsere Chancen, das Problem im Kampf zu beheben, deutlich besser. Jedenfalls sieht dieses Ding da nicht unbesiegbar aus.“
Valentin schlägt die Augen nieder, Katharina seufzt.
„Also ich glaube, das sollten wir als letzte Option in Betracht ziehen“, sagt sie und blickt uns beide flüchtig an.
„Vielleicht können wir dein Zimmer verbarrikadieren“, sagt Valentin und blickt zu ihr.
„Du hast massive Wände, die zu seinem Zimmer sind neu und wie Pappe und bei mir ist die Tür im Eimer.“
Sie nickt.
„Das da draußen muss sich irgendwann von alleine richten. Auch so ein Monster bekommt mal Hunger“, meint er weiter.
Ich blicke in die beiden selbstzufriedenen Gesichter.
„Aber meint Ihr wirklich, dass das ausreicht? Einfach noch eine Tür verrammeln, falls die erste fäll? Das finde ich ziemlich mager, tut mir leid.“
Valentin ächzt. Katharina redet.
„Nein, das ist doch ausreichend. Die Tür hier verbarrikadieren wir nicht, weil die nicht so fest ist wie meine. Und bei mir im Zimmer habe ich viele Regale aufgebaut, die können so nicht rausgetragen werden, aber innen drin kann man die auf die Seite legen und so Wand und Tür verstärken.“
Valentin nickt. Ich runzle die Stirn.
„Boah, was ist denn jetzt noch?“, fragt Valentin genervt.
„Man, das hat doch wenig Sinn! Was, wenn das Monster doch in dein Zimmer einbricht? Da ist so gut wie kein Platz, wegrennen wird dann schwierig. Und wir bekommen doch auch irgendwann Hunger, oder? Also ich bin für eine schnelle Lösung, einen Präventivschlag. Wir sind hier nun mal in der Misere, also machen wir das beste draus!“
Valentin steht ruckartig auf, als ob er explodieren würde.
„Hör mal, mit deiner Hau-drauf-Taktik erreichst du gar nichts. Nicht hier, nicht bei uns und nicht bei irgendwem sonst.“
„Was soll das denn heißen?“, frage ich laut und lehne mich zurück.
Katharina schaut ihn ängstlich an, aber er scheint aus seiner Euphorie nicht herauskommen zu wollen.
„Du weißt, dass die Leute über dich reden? Am Campus vor allem? Du bist jedem ein Rätsel, denn eigentlich machst du einen netten Eindruck. Aber was unterschwellig rauskommt ist, dass du säufst wie ein Loch, aussiehst wie ein Hooligan und in deiner eigenen Welt anscheinend verloren gegangen bist. Niemand hat je ein ernstes Wort mit dir reden können, weil du einfach ein Freak bist. Und jetzt soll ich mich von einem wie dir in so ein Himmelfahrtskommando reinziehen lassen? Da sag ich nein danke!“
Katharina wirft seinen ganzen Monolog über Wörter ein, um ihn zu beruhigen. Ein mahnendes „Hey“ und ein verzweifeltes „Jetzt lass gut sein!“. Sie scheint mit ihm schon über mich geredet zu haben.
„Wars das jetzt?“, frage ich und stehe mit einem Ruck auf.
Wir sind jetzt auf einer Augenhöhe, er geht einen kleinen Schritt zurück.
„Du wärst wohl gerne ein ganz normaler Typ wie wir alle, oder etwa nicht? Aber weil du das nicht schaffst, machst du einen auf Helden, ja?“, ruft er.
Ich schlage ihm mit der flachen Hand ins Gesicht.
Er fällt mit einem dumpfen Knall zur Seite und hält sich die Backe. Katharina springt auf und brüllt:
„Warum tut Ihr das? Wir haben wichtigere Probleme, warum müsst Ihr Euch unbedingt jetzt streiten, verdammt?“
Ich achte nicht auf sie.
„Ich bin dir auf irgendwie dankbar, Valentin. Schön, mal von den anderen ein kurzes Feedback zu bekommen. Und ich sage dir gerne, wie Ihr in meinen Augen ausseht. Ihr seid ein verlogenes Pack, bei dem weder nach einer Gemeinschaft, noch nach einer aufrichtigen Aussprache geguckt wird. Ihr seid alle immer auf Euch und Euren jämmerlichen Wohlstand aus. Wenns mal hart auf hart kommt, dann verkriecht Ihr Euch, ohne auf andere achten zu wollen. Jetzt verzieh dich!“, rufe ich und drohe ihm einen weiteren Schlag an, worauf er mit großen Schritten in sein Zimmer geht. Vor der Tür dreht er sich noch einmal um.
„Fick dich, ja? Du bist nur ein krankes Stück Scheisse, ohne dich wären wir um einiges besser dran!“, ruft er und verschwindet darauf.
Im Hintergrund hämmert es weiter auf die Tür ein. Die Schläge prasseln wie ein Gewitter auf das Holz, das vermutlich nicht mehr lange standhalten wird. Katharina steht mit rotem Gesicht an der Spüle, zu mir gerichtet.
„Entschuldige. Ich glaube, wir mussten uns endlich mal aussprechen.“
Sie nickt.
„Und wir sollten uns jetzt bei mir einigeln. Sonst wird es zu spät.“
Ich zucke mit den Achseln, will ihr jetzt nicht auch noch den letzten Nerv rauben. Ich gehe vor, streiche ihr kurz über die Schulter. Wir gehen in ihr Zimmer und legen Regale vor die eh schon recht stabile Wand, holen ein paar Messer uns legen sie für den schlimmsten Fall auf ihr Bett. Die Tür lassen wir noch frei.
„Valentin, komm!“, ruft sie.
Er stellt sich in die Tür, die Augen gerötet. Er nickt.
„Gut. Ich hole noch ein paar Vorräte. Also mal schauen, was wir noch haben.“
Er geht in die Küche und wir beide sitzen alleine in ihrem Zimmer. Das Gehämmer von draußen wird derweil stärker.
„Hast du Angst?“, frage ich direkt.
Sie blickt mich mit großen Augen an.
„Ja, ein bisschen.“
Ich schaue auf ihre Beine. Mein Blick wandert langsam nach oben, wieder in ihr Gesicht. Wie war das mit dem abstürzenden Flugzeug in dem sich jeder intelligente Fluggast den Nachbarn greift und sich ohne große Diskussion mit ihm in den Tod vögelt? Ich gehe an sie ran und küsse sie leicht auf den Mund. Dann heftiger. Dann mit Zunge. Aber irgendwie blockt sie ab.
„Was würdest du machen wenn du wüsstest, dass du heute noch sterben wirst?“, fragt sie leise.
Ich denke nicht lange drüber nach, das habe ich nämlich schon ausgiebig getan. Ich zucke mit den Achseln weil es mich gar nicht so sehr überraschen würde, heute erschlagen zu werden.
„Ich würde mich ärgern.“
Sie blickt noch ein bisschen aus dem Fenster und dreht sich dann langsam zu mir.
„Ärgern? Ist das nicht ein bisschen wenig?“
Ich zucke wieder mit den Achseln und schüttele den Kopf.
„Nein. Ich würde mich einfach ärgern, dass ich noch zu wenig gesehen habe. Ich bin noch lange nicht am Ziel, habe noch viel zu wenig gelebt um jetzt zu sterben.“
„Und sonst wär´s dir egal?“
„Keine Ahnung. Kann ich dir erst sagen, wenn ich genug erlebt habe.“
Jetzt schüttelt sie den Kopf.
„Du bist schon ein merkwürdiger Kerl.“
Und das ist ihre vollständige Schlussfolgerung, was mich und meinen Charakter angehen. Kein „Du bist scheisse!“ oder „Du bist voll geil!“, einfach nur dieser diffuse Mist mit dem ich noch nie was anfangen konnte. Ich weiß wie dieses Mädchen Valentin anschaut, ich weiß, wie er diese Blicke erwidert. Ein Schwächling vor dem Herrn, einer der sich nichts traut und längere Haare als eine Frau trägt. Einer mit Drei-Tage-Bart und verfranzten Klamotten. Ich hasse diesen Mainstream-Müll, noch mehr hasse ich aber, dass ein hübsches Mädel auf so was reinfallen kann! Sie wird auch darauf reinfallen, der Kuss gerade spielt da keine Rolle, da bin ich ganz sicher. Ich sitze hier im zehnten Stock, irgendwo über und unter der Metropole, irgendwo in der Nähe von Himmel und Hölle. Mehr kann ich aber auch nicht sagen, denn als ein Individuum, ein disfunktionales Chamäleon, krebse ich herum wie ein Invalider, der in der großen Masse nicht auffallen möchte, aber dennoch heraussticht. In der Currybude gucken mich die Verkäufer schief an, während die Studenten sich über mich lustig machen. Das ergibt doch keinen Sinn! Welche Lücke habe ich denn gefunden, die anscheinend noch nicht gefüllt wurde? Jetzt bin ich endlich mal mit diesem einen Mädel in einer Wohnung, wir kommen nicht heraus, und dennoch bleibt sie auf Abstand, auf einem größtmöglichen Abstand, den ich nicht überbrücken kann. Nicht mal mit einem Kuss. Ich werde als Schwachkopf bezeichnet, wenn ich mich als Märtyrer anbiete und zu den Waffen greifen will. Mehr bringt dieser Tag nicht. Nicht mal eine Lösung, dass ich als Außenseiter abgestempelt oder als Irrer weggesperrt werde. Die Herrschaften hier trauern ihren Psychosen nach, lassen aber nicht mit sich reden. Wo soll das denn hinführen? Und warum ist dieses dumme Frauenzimmer mit dem Tod beschäftigt, wieso schiebt sie diese Schmolltusse, wenn ich ihr doch nur an die Wäsche will? Ich bin vermutlich im falschen Film.
Von draußen her kracht es laut.
Die Tür fliegt auf und es ist Valentin, zittrig, mit Tränen in den Augen.
„Es kommt!“, sagt er leise.
Die zerstörte Eingangstür öffnet sich langsam, das Klopfen ist endlich verstummt. Obwohl ein nasser Windhauch durch unsere ganze Wohnung zieht, ist mir nicht mehr kalt. Es ist mir egal. Ich schiebe diesen Feigling weg, soll der Herr sich doch auch in diesem Zimmer verziehen und mit Katharina auf die Apokalypse warten, mich kümmert es nicht. Ich trete in die Küche, und das Ding schreitet langsam herein. Aufrecht. Die Haut ist zerrissen und verkohlt, der Körper ein Klumpen aus vernichtetem Fleisch. Nur die Augen sind wach, weit aufgerissen und teuflisch. Die Zähne sind gefletscht, doch das Grinsen ist nicht respektlos, es ist böse. Und sei dieses Monster auch das letzte, was ich für heute und für immer sehen werde, es ist doch mein bester Freund. Ich nehme Anlauf und mache eine Sichelbewegung. Mein Bein erhebt sich und der stahlgekappte Sicherheitsschuh steuert direkt auf das Gesicht von dem Vieh zu. Ich kümmere mich um nichts mehr, nur noch um diesen ewigen Vernichtungswillen, der endlich eine Klarheit darstellt, eine sichere Konstante, nach der ich leben kann. Scheiss drauf, was als nächstes passiert. Es macht einfach zu wenig Sinn, darüber nachzudenken.