Käfers Zwischenpredigt
„Und wozu das alles?“, fragte ich in einem leicht gereizten Ton, der offensichtlicherweise aus meiner eigenen Hilflosigkeit resultierte.
Der Mistkäfer schnaufte leise, da er gerade langsam und Schritt für Schritt einen für seine Größenverhältnisse viel zu großen Stein vor sich herschob.
„Na, um weiter zu kommen.“, antwortete er ruhig, zwischen seinen angestrengten, aber nicht im geringsten qualvollen Atemzügen.
Ich schnaubte verächtlich, um meine eigene Unsicherheit zu überspielen und stellte meine Tasse ab, was die Flüssigkeit darin dazu veranlasste leichte Wellen zu produzieren. Der Kaffe schmeckte – wie der zweite Kaffee aus einer Kaffeekanne es wunderlicherweise immer tat – schal.
„Weiter zu kommen...wohin denn, wo soll ich denn hinkommen?“
Er sah mich leise belustigt an und drehte seinen braunen Körper, der leicht die durch das Fenster scheinende Sonne reflektierte, ein wenig nach links, um dem Weg des Steines einen leichten Kurveneinschlag zu geben. Er tat dies mit einer unendlichen Ruhe, die mich, die ich von Natur aus ein sehr hektischer Mensch war, fast ein wenig ungeduldig werden lies.
„Das weißt du doch.“
Gereizt von seiner vermeintlichen Arroganz kratzte ich mit meinem Fingernagel an dem Henkel der rot gemusterten Tasse herum. Er hatte leicht reden, er war ein Mistkäfer! Das Gefühl von Porzellan an meinen Fingernägeln lies mich unangenehm schaudern und ich lies von meiner ablenkenden Nebentätigkeit ab.
„Und was ist, wenn ich es in meiner menschlichen Dummheit doch nicht weiß?“
Ich wurde schrecklich infantil, was ich beschämt sofort bemerkte, doch besaß ich nicht die Courage meine Worte zu revidieren, da ich Angst vor der Blöße hatte, die ich dadurch offenbaren würde, obwohl es bei genauerer Betrachtung eigentlich keine war, denn die einzige Schwäche, die ich mir zuzuschreiben hatte, war in diesem Kontext meine Infantilität.
Der Käfer schnaufte erst ein wenig unter seiner Arbeit (der Stein hatte schon gute fünfzig Zentimeter zurückgelegt) und sagte dann ruhig, aber nicht mehr so vergnügt wie davor:
„Du weißt es. Du hast schlicht und ergreifend schon vergessen, in dich hinein zu sehen. Während du die ersten Schritte gemacht hast, dachte ich, du wüsstest bereits wofür.“
Die anklingende Traurigkeit in seiner Stimme traf mich wie einen Schlag, auch wenn ihre Nuance nur so minimal war, dass ein schlechter Zuhörer sie nicht zu hören vermocht hätte.
Urplötzlich wurde ich traurig, beschämt und ein wenig hoffnungslos zugleich, denn ich wollte weder, dass der Mistkäfer wegen mir traurig wurde, noch meine eigene Unsicherheit spüren.
„Ich bin doch noch so furchtbar unwissend.“, murmelte ich leicht zerknirscht, jedoch ohne jegliche Mitleidsheischungen, denn ich meinte es diesmal wirklich so, wie ich es aussprach, was gewiss Seltenheitswert hatte.
Ohne auch nur einmal von seinem Stein abzulassen, sagte der Mistkäfer leise, zwischen seinen regelmäßigen und in seltsamer Art und Weise wunderlich leichten Atemzügen:
„Sobald du den ersten Schritt in deine Richtung getan hast, wirst du dir um deinen Wert keine Gedanken mehr machen.“
Sein Stein kam dort an, wo er ihn scheinst haben wollte und mit leiser Zufriedenheit, aber ohne eine Spur von Arroganz, die ich vorher fälschlicherweise bei ihm vermutet hatte, betrachtete er sein Werk.