June
June
Heute ist der glücklichste Tag meines Lebens... sagte June.
Bisher. Fügte sie noch hinzu.
Das Strahlen ihrer Augen war unbändig und frei. So wie sie selbst... Helles Lachen, als ihr das Tortenstück auf dem Teller umkippte...
Das gibt eine böse Schwiegermutter! unkte sie
Unglaublich... diese Frau ließ mein Herz in einem wilden Rhythmus hüpfen, sorgte dafür, daß ganze Horden von Frühlings-Schmetterlingen in meinem Bauch Tiefflug übten und daß sich meine Seele, die nie älter werden wollte, vertrauensvoll in ihre zärtlichen Hände begab. Ich schaute auf diese Hände und dachte an die vergangene Nacht. Mir liefen Schauer den Rücken hinab, bei der Erinnerung ihrer intensiven Nähe und als ich den Teller mit dem dahinschmelzenden Sahnetörtchen entgegennahm, berührten ihre Fingerspitzen sanft meinen Handrücken.
Es war Absicht. Eine schöne Absicht... Ich konnte die Umarmung in ihren Augen erkennen, die diese kurze Berührung beinhaltete.
Hach... sie ließ sich seufzend auf das Sofa plumpsen, griff sich ihren eigenen Teller und lächelte mich verschmitzt an.
Meinst Du, wir können die Zeit anhalten...?
Kurzes Überlegen. Dann: Meinst Du, es wäre überhaupt sinnvoll, die Zeit anzuhalten? Ich will sie doch viel lieber mit Dir verschwenden. Mit Dir erleben. Ja... ganz viel erleben... Mit Dir... das möchte ich.
Ihre Augen waren vom sonnendurchfluteten Fenster erst zu mir herüber gewandert, hatten mich gehalten und waren dann wieder zum Blau des Himmels abgedriftet. Suchend in der Ferne. Wie so oft. Und wie immer fand sie die Antwort in sich selbst. Wir waren schon sehr widersprüchlich in jenem Moment: June in einem Dasein, das die gesamte Welt erfassen konnte und ich, die ich mit jedem Atemzug diesen Moment in dem kleinen Wohnzimmer in mich aufnahm und mit einer ungewöhnlichen Schärfe jedes Detail zu erkennen glaubte. Aber so war es oft. Nicht, daß diese Atmosphäre so häufig vorkam, nein... Es war jene wunderschöne Gegensätzlichkeit, die es uns möglich machte, für einen Augenblick lang eins zu sein, zwei sich ergänzende Puzzlestücke, die schon ausreichten, um vollständig zu sein. Es gab keine ausgefransten Ränder mehr, keine fehlenden Teile. Ungeahnte Kräfte wurden einzig durch unsere Existenz geweckt.
June kaute gemächlich ihren Geburtstagskuchen und ich konnte die Bewegungen ihrer Lippen dabei förmlich spüren, auf den meinen. Das Schweigen umgab uns, ohne ein Zeichen von Distanz zu sein. Es war eher eine Hülle, die unsere Welt von der dort draußen abschloß, gleichzeitig aber auch die Verbindung dorthin war. Denn die Vogelstimmen und die Geräusche der vorbeifahrenden Autos, sogar die Bewegungen der Nachbarn unten, wir hörten alles.
Zeit verging. Ohne Eile.
Irgendwann dann verflog die Intensität meiner Wahrnehmung. Unsere Teller waren leer und als June aufstand und mich fragend anschaute, da folgte ich ihr wortlos.
[ 15-04-2002, 16:41: Beitrag editiert von: loona ]