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Julia
Julia
Wir betreten den nach Moder und einem leicht süßlichem, hölzernen Duft riechenden Raum. Es ist ein heißer Sonntag im Monat September. Wie gewöhnlich sitzen wir in der vorderen Bank unserer Kirche und fächern uns mit einem Liederheft etwas Luft über unsere Gesichter. Meine dreijährigen Tochter Julia und ich warten gespannt auf den Beginn der Zeremonie. Julia mit ihrem dunkelblauen Rüschchenkleid, die blonden Locken zu einem kleinen Pferdeschwanz zusammengebunden, sitzt zusammengekauert links neben mir. Ihre Füße baumeln über den kalten Kirchenboden. Die schwarzen Lackschuhe hat sie sich selbst rausgesucht und angezogen. Ein wenig drücken sie schon, man bemerkt es, weil sie beim Laufen die kleinen Füße leicht nach außen dreht. Soeben betritt der Pfarrer die Kirche. Die etwas zu lange Sutane schleift bei jedem Schritt über den Boden und gibt ein seltsam schabendes Geräusch von sich. Andächtig setzt er einen Fuß vor den anderen. Bei dem Altar angekommen, drehte er sich zu uns um und beginnt mit seiner Predigt. Julia murmelt etwas für mich unverständliches vor sich hin. Mit dem Reden sei sie ihrem Alter entsprechend ein wenig hinterher, meint ihre Kindergärtnerin. Streng schau ich sie an und ermahne sie ruhig zu sein. Keine Minute ist vergangen, dasselbe Gemurmel wieder. Diesmal höre ich genauer hin. „Hallo Gott, hallo Gott“ kommt immer wieder über ihre Lippen. Das ist nicht das erste Mal, nein so geht es nun schon seit zwei Wochen. Also frage ich sie „Warum sagst du immer Hallo Gott?“ Julia zuckt mit den Schultern, schaut mich an und wiederholt „Hallo Gott“. „Jetzt aber still“, ermahne ich sie. Nach einiger Zeit am Ende der Predigt angekommen, wird vom Kirchenchor, der auf der Empore steht, wie immer das Schlusslied angestimmt.
Wir danken dir Herr Jesus Christ,
dass du vom Tod erstanden bist,
und hast dem Tod zerstört sein Macht,
und uns zum Leben wiederbracht, Halleluja
Wir bitten dich durch deine Gnad,
nimm von uns unsre Missetat,
und hilf uns durch die Güte dein,
dass wir dein treuen Diener sein, Halleluja
Gott Vater in dem höchsten Thron,
samt seinem eingebornen Sohn,
dem heilgen Geist in gleicher Weis,
in Ewigkeit sei Lob und Preis, Halleluja
Auf einmal zupft mir Julia wie wild am Mantel und zeigt mit dem Finger nach oben und zwar genau dann, als sie singen „Halleluja“
„Hallo Julia“