Jugendträume
Ich komme mir vor wie ein Idiot wenn ich an meine Jugend zurückdenke. Einmal, zu Besuch bei meinem Vater in Kroatien, war mir so langweilig (das kroatische Fernsehen bietet nicht allzu viel Unterhaltung), dass ich kurzerhand den Nachbarssohn überreden konnte mit mir eine kleine Baracke zu bauen. Wir verwendeten alle weggeworfenen und herrenlosen Baumaterialien, die unsere schöne Gegend zu bieten hatte und schufen das heruntergekommenste, instabilste und mit Abstand poröseste Gebäude das je ein menschliches Wesen zu betreten wagte.
Da saßen wir dann drinnen, onanierten hin und wieder, schrieben Kurzgeschichten , fragten uns, welche über 60-Jährige aus der Nachbarschaft wir beschlafen, beziehungsweise wie viel wir dafür verlangen würden. Phänomenalerweise wurden wir, wenn es regnete, innerhalb der Gemäuer bedeutend nasser als draußen. Wenn wie so oft keine weiblichen Gäste in der Maximal-Vier-Mann-Hütte waren, kategorisierten wir unsere Körperfunktionen detailgenau nach Geräuschpegel, Aroma, Intensität und Haltbarkeit. Dabei verwendeten wir italienische(glaubten wir halt, wir können bis heute keinen vernünftigen Satz in dieser Sprache) gastronomische Ausdrücke wie Moccaccino, Amaretto, Diabolo etc.
Eines Tages versagte unsere Flatulenz und die Langeweile überkam uns. Aus gegebenem Anlass (am Vorabend hatte es geregnet), ahnten wir, dass auf der Wiese hinter unseren Häusern sich Unmengen von Schnecken angesammelt haben sollten. Als wir das nachprüften, wurden unsere Erwartungen sogar übertroffen. Wir suchten einige Prachtexemplare aus, etwa vierzig Stück und legten diese in eine alte (leere) Handgranatenkiste, welche gleichzeitig die einzige ertragbare Sitzgelegenheit in unserem Klubhaus war. Boshafterweise konnten wir es dabei nicht belassen. Gratis Haustiere, schön und gut, aber bei Schnecken fehlt es doch ein wenig an Action. Tja, dann ließen wir wieder unsere technischen Fertigkeiten spielen. Aus einem Dachziegel und Verpackungsmaterial, etwas Karton und Plastikfolie, bastelten wir den berühmtberüchtigten (in dem Viertel jedenfalls) Schneckenofen. Wir haben tatsächlich alle Weichtiere aus unserer Granatenkiste verheizt! Jedes Mal, wenn ein Gehäuse durch die Hitze aufriss, knackte es laut, woraufhin wir gestörterweise Applaudierten. Manchmal spritzte sogar Schleim in die Höhe, wir sahen dies als unumstrittener Beweis unserer Genialität. Als heroische Wissenschaftler verließen wir nach Beendigung des 'Genozides' unsere lächerliche Residenz, ließen Verkohlte, wirbellose Tiere auf dem Dachziegel zurück, reinigten uns die Hände vom Ruß und trafen uns wieder, um uns eine nichtsynchronisierte Folge des Simpsons mit kroatischen Untertiteln anzusehen. Drei Sommer noch bauten wir immer wieder neue Baracken unterschiedlicher Konstruktionstypen, weil unsere Väter die alten Dreckslöcher wiederholt abrissen. Irgendwann fanden wir, dass wir zu alt waren für so einen Quatsch und versammeln uns seit diesem Zeitpunkt im meinem Keller zum Onanieren, Fragen über Liebesdienste für pensionierte Nachbarinnen zu diskutieren und Körperfunktionen zu Kategorisieren...
[Beitrag editiert von: madronin am 27.02.2002 um 18:35]