Jugend forscht.
Nachdem er seinem Gegenüber ein weiteres Mal zugeprostet hatte, nahm er einen kräftigen Schluck aus der Flasche. Die Flüssigkeit brannte ihm im Mund, ja sogar bis in den Magen glaubte er, das Feuer spüren zu können. Die Wirkung faszinierte ihn stets auf Neue. Plötzlich störte ihn jedoch die sich einstellende Stille und auch sein Gegenüber machte keine Anstalten, das Schweigen zu beenden. So fing er, wenn auch etwas unsicher, zu reden an.
>>Sie müssen wissen, dass ich nicht immer so viel auf einmal nehme. Hauptsächlich, wenn es sich ergibt. Und mit Freunden. Um lustig zu sein. Sie kennen das ja bestimmt. Das soll jetzt nur keinen falschen Eindruck vermitteln.<<
Er wartete einen Augenblick, um den Anderen angemessen reagieren lassen zu können. Vergebens, sein Gegenüber verharrte in derselben Position wie schon zu Beginn des Gesprächs. Er sah ihn aus den müde wirkenden Augen vorwurfsvoll an.
Möglicherweise hatte er ihn einfach nicht richtig verstanden, er tat sich doch recht schwer, die richtigen Worte zu finden.
>>Machen Sie sich kein falsches Bild von mir, will ich damit sagen.<<
Erneut kurze Stille, erneut keine Reaktion. Das unrasierte Gesicht und die zersausten Haare des Anderen gaben ihm ein Gefühl der Überlegenheit und so fuhr er einfach fort.
>>Sie können sich gar nicht vorstellen, was da los ist, wenn meine Freunde und ich richtig loslegen.<< Ein verschmitztes Lächeln huschte über sein Gesicht.
>>Das sind Zeiten, Donnerwetter. Sollte immer so sein.<<
Wieder setzte er die Flasche an den Mund und nahm einen derart großen Schluck, dass ihm sein Gegenüber anerkennend zunickte, als er die Flasche abgesetzt hatte.
>>Wir sind ja unter Freunden, richtig?<< Doch er antwortete auch jetzt nicht.
>>Und die Mädchen erst, das kann ich Ihnen sagen. Da hat man gar keine Angst mehr. Auch nicht vor älteren, vielleicht so sechzehn oder siebzehn. Achtzehn ist mir aber zu alt, auch wenn meine Freunde das anders sehen.<<
Er unterbrach sich, da sein Gegenüber sich erbrochen hatte. Verwundert blickte er ihn an, ekelerregend erschien ihm das Gesagte nicht.
>>Entschuldigen Sie. In diesem Zustand ist man zu allem fähig. Das macht es ja so reizvoll. Und die Freunde, Sie glauben ja gar nicht, wie die einen bewundern. Da ist man der Größte, das muss natürlich verteidigt werden. Sie werden mir bestimmt glauben, wenn ich Ihnen sage, dass meinen Eltern das nicht so gut gefällt.<<
Sein Gegenüber blieb stumm.
>>Sie sind nicht gerade redselig. Jedenfalls wollen meine Eltern, dass ich es reduziere. Aber von denen lass' ich mir nichts sagen. Wozu auch? Das, was ich mache, ist für mein Alter ganz normal. Ein bisschen Neugierde, ein bisschen experimentieren gehört dazu, finden Sie nicht? Außerdem schmeckt es mir, und was einem schmeckt muss gut für einen sein, oder nicht? Und meine Freunde erst, die würden mich ja nicht mehr ansehen, wenn ich nicht mitmachen würde!<<
Zufrieden mit dem, was er gesagt hatte, lehnte er sich zurück.
>>Und ganz unter uns gesagt, wenn ich es wollte, könnte ich sowieso jederzeit damit aufhören.<<
Ohne jegliche Vorwarnung war er von Zorn erfüllt. Hatte es sein Gegenüber doch tatsächlich gewagt, bei seinen letzten Worten zu lächeln. Er lachte ihn aus. Er lachte nicht mit ihm, er lachte über ihn. Er glaubte ihm wohl nicht. Das sollte er büßen. Er nahm die Flasche, die er inzwischen geleert hatte, visierte den feuerrot glühenden Kopf des Anderen an und warf. Man hörte ein lautes Klirren und dann nichts. Nach einer Weile unterbrach er wieder die Stille, die sich über den Raum gelegt hatte.
>>Das hast du nun davon.<<
Als er das gesagt hatte, legte er sich, ohne darauf zu achten, auf die überall am Boden verteilten Scherben. Er schlief auf der Stelle ein.
Der Spiegel, der sich an der Stelle befand, von wo aus ihm sein Gegenüber das ganze Gespräch lang in die Augen geblickt hatte, war zerbrochen.