Hallo Saugnapf! Neu hier? Dann willkommen!
Uuund dann wollen wir mal. Also: ein kurzer Text, fast ein Fragment; fast nur aus Dialog bestehend; ein altes Ehepaar tritt auf (bzw. liegt im Bett); er hat sie zu einer Reise überredet, sie beschwert sich.
Da der Text kurz ist, gehe ich mal detailliert durch.
„Walter?“
„Hm.“
„Ich kann nicht schlafen.“
Innerlich stöhnte er. Fing sie schon wieder damit an.
„Weißt du, am ganzen Körper merk ich's.“
„Du bist 65 Jahre alt, Anneliese. Da kann man am Körper schon mal was merken“, brummte er bissig.
„Ach Walter. Du weißt genau, was ich meine.“
Die Matratze wippte, als sie sich ächzend auf den Rücken warf.
Der Einstieg liest sich wie ein Theaterstück, ein bekannter Sketch; dabei sind die Rollen auch sofort klar.
„Heute Morgen, erinnerst du dich? … Walter?“
Er grummelte. „Jaha.“
Walter hatte die Reise doch perfekt geplant. Und nun das.
„Als mir plötzlich so heiß war und ich in den Schatten musste.“
Er atmete tief durch. 40 Jahre.
Er weiß was, was der Leser noch nicht weiß; trotzdem wirkt seine Genervtheit recht theatralisch.
„Da hab ich das Stechen in den Beinen schon gehabt.“
40 Jahre verheiratet. Er hatte sie einfach mal überraschen wollen.
Bis hier: er wollte sie zu einer Reise entführen, sie hat nur ihre Gesundheit im Blick. Hypochonderin?
„Und das Brennen. Ja, doch. Da hat auch das Brennen angefangen. Weißt du noch, Walter? An den Stippen, die so rot umrandet waren.“
Er wusste es noch. Leider. Wie lange würde sie darauf noch herumreiten wollen?
„Hörst du mir überhaupt zu? Walter!“
Walter seufzte schwer, drehte sich ebenfalls um und rieb sich die Stirn. „Bin ja nicht taub.“
Nichts weiter Neues, aber etwas Ablenkung; das ist fast zu viel für einen pointierten Dialog.
Herrje, auf Mallorca war doch jeder schon mal gewesen. Warum also nicht, hatte er sich gedacht. Ja, hatte er tatsächlich gedacht! Aber Anneliese konnte es einfach nicht lassen. Sie suchte ja immer nach dem kleinsten Haar in der Suppe.
Jetzt wüßte man als Leser doch langsam gern, was sie nicht lassen kann? Bislang hat sie ihn nachts geweckt und ihm ihre Gesundheitsprobleme geschildert; aber über etwas an der Reise hat sie sich doch gar nicht beschwert?
„Und dann das ewige Surren im Ohr. Nichts hilft. Ich werd noch verrückt, hörst du? Verrückt werd ich!“
Anneliese kratzte sich. Ausgiebig. Klagend. Schicksalsergeben ertrug Walter abermals den Wellengang. Aber als sie anfing, wild um sich zu schlagen, reichte es. Endgültig.
Hm, die Hypochondrie scheint sich auf ein Hautproblem einzuengen. Der Wellengang ist ein hübsches Bild; ich stelle mir dabei vor, daß die Matratze bebt, während sie sich kratzt; allerdings weiß ich nicht genau, ob das hier wirklich gemeint ist -- abermals? Hat sie doch vorher gar nicht gemacht?
„Weg. Weg, weg!“, fuchtelte sie herum.
Herrgott noch eins! Sie hatte es geschafft: Jetzt war er wieder wach. Hellwach. Wütend setzte Walter sich auf und knipste das Licht an.
Ist es das, was Anneliese nicht sein lassen kann? Ihren Mann wecken?
„Meine Güte, Anneliese, jetzt hör doch endlich auf damit. Ja, ich habe vergessen, das Autan einzupacken, und es tut mir schrecklich leid. Dass es dir aber am Flughafen zu teuer war, ist nicht meine Schuld. Jetzt schlaf endlich, oder nimm dir die Zeitung vom Nachttisch und erschlag's. Es ist schließlich nur ein winziges Insekt!“
Doch nicht. Die Pointe kommt etwas unvermittelt, bis gerade eben wußte man nicht so recht, um was es geht; jetzt wurde die gesamte Vorgeschichte in zwei Sätzen serviert, man ist ein wenig überrumpelt.
Insgesamt schreibst du lebendig, wie für ein Drehbuch; bei den Dialogen hört man die Stimmen fast schon mit. Da braucht es gar nicht so viel Drumrum: grummeln, klagend, wütend -- das müßte nicht sein, der Eindruck stellt sich durch den Dialog schon ein.
Woran Du arbeiten mußt, ist das Timing. Spannung (und den Witz am Ende) baust Du nur auf, wenn der Leser Informationen dosiert bekommt. Es muß eine Steigerung rein. Bei Dir ist es das allmähliche Anwachsen der Wut des Mannes, aber wieso die wächst, bleibt völlig unklar. Also: Was passiert wann? Wann läßt Du welche Information einfließen, damit der Spannungsbogen stimmt?
Als nächstes würde ich Überflüssiges streichen. Ich habe für den Anfang Adjektive, Partizipien etc. fett markiert -- geh sparsam mit ihnen um. Zuviel Beschreibung tut so einer Szene nicht gut; man muß sich auch noch was vorstellen dürfen. .)
Und dann noch zur Gesamtanlage: Er hat ihr eine Reise geschenkt, sie beschwert sich, daß er den Mückenschutz vergessen hat. Das ist eine Szene; eine Geschichte ist das noch nicht. Wir wissen sonst nichts über die Charaktere, ihre Geschichte, den Verlauf der Reise ... Da gehört dann doch noch einiges mehr dazu.
Jedenfalls sind solche kleinen Skizzen zur Übung gar nicht verkehrt; trau Dich ruhig an etwas Größeres ran -- viel Spaß hier!
L.