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Jonas und die Apfelfee

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06.01.2006
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Jonas und die Apfelfee

„Natürlich, es geht hier ja immer nur um dich!“
Jonas, der sich gerade in der Küche ein Glas Orangensaft eingießen wollte, erstarrte als er Mutters Kreischen vernahm. Seine Eltern stritten nun schon, seit Vater nach Hause gekommen war.
„Um mich?“ Vater schrie vor Wut. „Ich reiße mir für euch den Arsch auf. Ich maloche mich halb zu Tode, damit wir uns all das hier leisten können!“
„Vielleicht brauchen wir ‚all das hier’ aber gar nicht!“ Mutter sprach nun leiser. Jonas hatte Probleme, noch alles zu verstehen. „Vielleicht tust du ‚das alles’ ja auch nur für dich. Damit alle sehen, was für ein toller Typ du doch bist. Darüber schon mal nachgedacht? Um uns geht es hier doch schon lange nicht mehr!“
Jonas verstand zwar nicht warum die Beiden stritten, wusste aber genau, dass er es hasste.
Stille.
Dann ergriff Vater wieder das Wort. Der Tonfall war nun ruhiger, klang aber noch immer zornig, sehr zornig: „Wenn du das so siehst, dann ist eine Trennung wohl tatsächlich das Beste.“
Jonas war zur Tür gehuscht, um seine Eltern besser verstehen zu können.
„Wahrscheinlich ist es das“, Mutters Stimme klang nun leise und erstickt.
Dann sah Jonas wie sein Vater aus dem Wohnzimmer stapfte, geradewegs auf die Haustür zusteuerte, diese öffnete und mit einem lauten Knall hinter sich zuschlug.
Jonas, halb hinter dem Türpfosten verborgen, hatte er nicht bemerkt.
Draußen startete der neue BMW, auf den Vater so stolz war, und brauste davon.
Im Wohnzimmer schluchzte Mutter.
Jonas war wie erstarrt.
„Trennung“, hatte Vater gesagt. Jonas wusste genau, was Trennung bedeutete. Karlos Eltern lebten in Trennung. Das hieß, Karlo hatte entscheiden können, ob er lieber bei seinem Vater oder seiner Mutter bleiben wolle. Nun wohnte er allein mit seiner Mutter. Seinen Vater bekam er seitdem nur noch selten zu sehen.
Das wollte Jonas nicht! Er wollte nicht zwischen Vater und Mutter wählen müssen. Doch was konnte er schon dagegen tun?
Angestrengt dachte er nach und meinte schon bald sein Kopf müsse explodieren.
Da fiel ihm eine von Großvaters Geschichten ein. Großvater war der beste Geschichtenerzähler der Welt!
Einmal hatte er von einem Waisenjungen erzählt, der von seinen Stiefeltern sehr schlecht behandelt worden war. Eines Tages hatte er einen Apfel gestohlen. Als er ihn gerade essen wollte, war die Apfelfee erschienen. Mit ihrer Hilfe hatte der Junge seine wahren Eltern wieder gefunden.
Großvater hatte damals erzählt, wenn kleine Kinder in Not seien, erscheine die Apfelfee manchmal noch immer. Man müsse nur fest genug daran glauben.
Vielleicht würde die Apfelfee ja auch ihm helfen!
Jonas drehte sich um. Aus dem Obstkorb lachte ihm ein dicker, roter Apfel entgegen.
Er griff danach. Dann schlich er leise zur Haustür.
Noch immer klang Mutters Schluchzen aus dem Wohnzimmer.
Jonas hielt kurz inne. Sollte er sie trösten? Nein, er hatte Wichtigeres zu tun.
Ganz leise öffnete Jonas die Haustür ein wenig, schlüpfte hinaus und zog sie mit einem sanften „Klick“ wieder ins Schloss.
Es war Freitagabend. In den sauberen Vorgärten der Nachbarshäuser zischten Rasensprenger vor sich hin.
Jonas begann zu rennen. Er rannte die Straße hinunter, überquerte den Spielplatz am Ende der Straße und verschwand im dahinter gelegenen Wäldchen.
Als er die kleine Lichtung, seinen Geheimplatz, erreicht hatte, war er völlig außer Atem. Auf einem verwitterten Baumstamm ließ er sich nieder. Den Apfel legte er vor sich auf den Boden und fixierte ihn mit starrem Blick. Was musste er nun tun? Wie der Junge in der Geschichte es geschafft hatte, dass die Apfelfee erschien, hatte Großvater nie erzählt.
Jonas verharrte einige Minuten - keine Apfelfee erschien.
Vielleicht glaubte er nicht fest genug. Er erhob sich wieder und griff nach dem Apfel. Er nahm ihn in beide Hände und schloss die Augen.
Ganz fest dachte er nun an die Apfelfee. Wieder passierte nichts.
Enttäuscht starrte Jonas auf den Apfel in seinen Händen.
Warum erschien die Fee nicht? War vielleicht die Situation in der er sich befand nicht schlimm genug? Oder war das mit der Apfelfee ein Schwindel?
Er setzte sich wieder auf den Baumstamm. Wie lange er so da gesessen hatte, wusste Jonas nicht. Die Grillen zirpten, und es begann bereits zu dämmern.
Wenn er nun in den Wald hinein blickte, wurde ihm ein wenig mulmig. Überall krochen Schatten hervor und begannen alles in Dunkelheit zu hüllen.
Da hörte er aus der Ferne plötzlich eine Stimme. Es war Mutter, sie rief nach ihm. Kurz überlegte er, einfach sitzen zu bleiben. Aber dann vernahm er eine weitere Stimme - die seines Vaters!
Nun vergaß der Junge die drohenden Schatten, stand auf und rannte auf die Rufenden zu, die er nun deutlich als die seiner Eltern erkannte. Den Apfel hielt er immer noch fest in Händen.
Einige Male wäre er fast im Halbdunkel des Waldes über herumliegende Äste gestolpert, konnte sich aber immer noch fangen.
Da waren seine Eltern. Sie gingen auf dem schmalen Jogger-Pfad, der sich durch den Wald schlängelte, spähten zu allen Seiten und riefen Jonas’ Namen.
„Mama, Papa!“, stieß Jonas freudig hervor.
„Da bist du ja, mein Junge!“ Vater hatte den heranstürmenden Jonas zuerst entdeckt. Er drückte ihn fest an sich: „Du kannst doch nicht einfach weglaufen. Wir haben uns solche Sorgen gemacht! Wir werden nie wieder streiten. Versprochen!“
Mutter streichelte Jonas sanft über das blonde Haar. „Versprochen“, sagte auch sie und blickte Vater dabei tief in die Augen.
Vater und Mutter unterhielten sich in einem ruhigen Tonfall als die Drei zurück nach Haus gingen. Als sie das Dunkel des Waldes hinter sich gelassen und den Spielplatz erreicht hatten, ließ Jonas sich etwas zurück fallen.
Fest nahm er den Apfel in die rechte Hand, sah ihn an und sagt leise: „Danke!“
„Jonas du trödelst!“, hörte er Mutter einige Schritte vor sich rufen. Dann eilte er seinen Eltern hinterher.

 

Hallo zusammen!

Habe o. g. Geschichte im Rahmen eines Schreib-Fernkurses geschrieben.

Ich hoffe, dass ich die Geschichte richtig gepostet habe und würde mich über Meinungen eurerseits freuen.

Grüße
Stefan

 

Hallo Stefan,

herzlich willkommen auf KG.de

Die Geschichte hat mir sehr gut gefallen. Die schöne Idee, sich bei Probelmen an eine Apfelfee zu wenden. Wozu Geschichten eines Großvaters gut sind.

Stilistisch finde ich die Geschichte gut, obwohl mir hin und wieder Wiederholungen aufgefallen sind. Oftmals kam das Wort "Apfelfee" hintereinander vor, oder auch der Name "Jonas" wurde mir zu oft gebraucht. Hier kannst du vielleicht auf "der Junge" oder ein anderes Synonym zurückgreifen. Auch bei der Apfelfee reicht manchmal nur "die Fee". Für das Wort "Apfel", das sich auch wiederholte, kannst du auch mal "die Frucht" oder "das Obst" verwenden.

Einige Kleinigkeiten sind mir noch aufgefallen:

Großvater war er der beste Geschichtenerzähler der Welt!
Hier muss wohl das Wort "er" gestrichen werden

Jonas erkannte die Stimmen seiner Eltern. Kurz überlegte er, einfach sitzen zu bleiben. Bis er begriff, dass es Mutters und Vaters Stimmen waren, die da seinen Namen riefen.
Wenn er die Stimmen der Eltern erkannte, kann er dann nicht später erst begreifen, dass es die Stimmen von Mutter und Vater sind, das sind ja wohl seine Eltern, oder? *smile*
Den Satz würde ich abändern.

Zusammenfassend habe ich die Geschichte gerne gelesen.

Viele Grüße
bambu

 

Hallo Bambu!

Danke für deine Kritik. Schön, dass dir die Geschichte ein wenig gefallen hat.

Man sollte davon ausgehen, dass auch Jonas' Eltern sich aus Vater und Mutter zusammen setzen... :). Habe das geändert.

Die Synonyme werde ich wenn ich etwas mehr Zeit hab einfügen. Danke für den Tipp. War mir vor lauter Betriebsblindheit gar nicht aufgefallen. ;)

Grüße
Stefan

 

Hallo Stefan, und herzlich willkommen hier! :)

Auch ich habe Deine Geschichte gern gelesen - flott und flüssig geschrieben, mit einem Inhalt, der für Kinder eine hohe Relevanz hat.

Er wollte nicht zwischen Vater und Mutter wählen müssen.
ja, das ist wohl in den allermeisten Fällen eins vom Schlimmsten, was man einem Kind antun kann ..
„Du kannst doch nicht einfach weglaufen. Wir haben uns solche Sorgen gemacht! Wir werden nie wieder streiten. Versprochen!“
Mutter streichelte Jonas sanft über das blonde Haar. „Versprochen“, sagte auch sie und blickte Vater dabei tief in die Augen.
erscheint mir zu einach. In jeder Beziehung gibt es mal Streit, das ist unvermeidlich - dieses Versprechen ist unrealistisch, naiv und verkauft die Kinder in gewisser Weise für dumm. Ich würde es etwas entschärfen, nach dem Motto: wir werden uns Mühe geben, wir werden das schaffen.
Ansonsten hats mir - wie gesagt - sehr gefallen.

schöne Grüße
Anne

 

Hallo Maus!

Danke für deinen Kommentar. Was das Versprechen der Eltern angeht, hast du recht. Ich werde mir da nochmal was überlegen... :schiel:

Grüße
Stefan

 

Hallo Stefan W.,

auch ich habe Deine Geschichte gerne gelesen. Du hast ein Thema bearbeitet, welches für sehr viele Kinder lebensbestimmend ist. Was mir sehr gut gefällt, ist, wie die Apfelfee Jonas hilft, ohne explizit aufzutauchen. Sehr stimmungsvoll hast Du auch das langsame Dunkeln herübergebracht - man merkt, wie spät es geworden sein muss und wie unheimlich es für den Jungen nachts allein im Wald ist.

Genau wie maus finde aber auch ich das Ende ein wenig zu glatt, fast ein bisschen platt. Ein Versprechen, nie wieder zu streiten, können (und sollten) ja nicht einmal Eltern geben, die sich wirklich sehr gut verstehen und lieben. Das Gute ist an Jonas Abenteuer doch nur, dass den zerstrittenen Eltern durch die Sorge um den verschwundenen Sohn klar wird, wie wichtig beiden das Kind ist und wie wichtig es deshalb ist, gemeinsam zu versuchen, ihr Zusammenleben vielleicht wieder in den Griff zu bekommen.

Lieben Gruß
al-dente

 

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