John
Die Sonne ging auf. Langsam kamen die ersten Sonnenstrahlen durch das kleine Fenster und zeigten feine Staubpartikel in der Luft schweben. Draußen war das Zwitschern von Vögeln gemischt mit den Klängen des Arbeitsverkehrs zu hören. Auch John erwachte nun r aus seinem Schlaf. Noch immer hatte er den Geruch von Blut in der Nase. Er setzte sich auf und entdeckte die dunkelroten Spuren an seinen Fingerspitzen, die sich mittlerweile zu einer Art Pulver geformt hatten. Die Erinnerung an den Abend kam zurück. Dabei hatte doch alles so schön begonnen. Fast eine Stunde hatte John damit verbracht zu entscheiden, was für ein Hemd er anziehen sollte, und welche Krawatte dazu passen würde. Nur um sich auf ein Abendessen mit seiner Arbeitskollegin zu treffen. Dabei war es für ihn viel mehr als nur ein Dinner zu Zweit gewesen. Schon Monate lang hatte er ihr imponieren wollen und das war nun endlich seine Chance gewesen. Erst als beide im Auto vor ihrem zu Hause saßen kam die bittere Wahrheit ans Licht. Den Abend hätte sie genossen, aber mehr war nicht drin. Nur zum Freund wollte sie ihn haben. Wenn das sein Ziel gewesen wäre, hätte er sie nicht in das teuerste Restaurant der Stadt geführt, sondern in irgendeine Vorstadt-Bar.
John stand auf, atmete durch und schlurfte in das Badezimmer. Das Wasser unter der Dusche war warm und mit der Zeit beschlug der Spiegel über dem Waschbecken. Davor stand John, der sein Gesicht betrachtete. Er griff nach einer kleinen Tasche, in der sein Rasiermesser verborgen war und begann damit, seinen kurzen Bart zu trimmen.
Warum hatte sie ihn auch abweisen müssen? Immer war er der gute Zuhörer, derjenige der Trost gab, bei dem sie sich ausgeheult hatte. Aber auch Spaß hatten alle Beide zusammen. John dachte zurück an die Zeit, als sie sich zum ersten Mal kennen gelernt hatten. Damals auf der Jubiläumsfeier der Firma für die sie beide arbeiteten. Zusammen hatten sie getanzt, zu ihrem Lieblingssong aus den Achtzigern. Sofort hatte er erkannt, dass sie die Richtige für ihn war und seitdem hatte er Alles getan, um ihr zu gefallen.
John legte den Apparat weg und zog sich aus. Das Licht in der Dusche war grell und machte es ihm nicht leicht, wach zu werden. Mittlerweile hatte sich der Dampf längst in der Luft gesammelt und bildete eine kleine Nebelwolke, die ihn zum Schwitzen brachte. Selbst dem Zimmer schien es so zu ergehen, als bereits von allen Wänden kleine Tropfen abperlten. Das heiße Wasser lief John über die Schultern, als er sich unter die Brause stellte und rann von dort seine Arme entlang zu den Händen. Der Boden fing an sich rötlich zu färben, während jener seine zittrigen Hände betrachtete.
Eigentlich wollte er das gar nicht tun. Es war einfach passiert und er hatte nichts dagegen tun können. Er hatte schlichtweg die Kontrolle verloren. So war er nun einmal. Schon öfters hatte John mal ab und zu die Beherrschung über sein Temperament verloren, so wie damals in der Grundschule, als er seinem Klassenkameraden einen Hammer in den Rücken knallte. Der Junge hatte ihn einfach aufgeregt und genauso war es mit dieser Frau gewesen. Immer wieder lockte und lockte sie ihn, nur um dann wieder den Rückzieher zu machen. So war das schon immer mit den Weibern gewesen. Am besten sollte man ihnen alles bezahlen und Recht machen. Sie verwöhnen und ja keinen schlechten Eindruck schinden, denn sonst war ja ohnehin alles verloren. Und dann immer die Feministen in seiner Arbeit. Gleichberechtigung von Frauen, Kurzhaar und wie Mannsbilder benehmen, aber dann wie eine Lady behandelt werden wollen. Was für Heuchler.
John kam aus der Dusche heraus und trocknete sich schnell ab. Er war schon spät dran. Auf Frühstück müsste er wohl verzichten. Er ging die Treppen hinab ins Erdgeschoss und zur Tiefgarage, wo sich sein Auto befand. Hoffentlich würde es nicht so grausam stinken. Genau erinnerte sich John noch an den Geruch, wenn seine Katzen tote Mäuse und Vögel irgendwo versteckt hatten und er sie nach einem Monat entdeckt hatte. Seine Mutter ließ sie ihn dann immer wegräumen und beschwerte sich mit großem Aufruhr, was für Ungeziefer seine Haustiere nur immer herlockten.
John öffnete die Tür zu seinem Wagen. Es roch noch leicht nach ihrem Parfüm. Eine Mischung aus Vanille und Chemie. Im Innenspiegel entdeckte er ihre Handtasche. Er wandte sich ab und griff nach hinten, um das Täschchen zu nehmen. John setzte dazu an, den Klappverschluss zu öffnen. Er war neugierig, was sie wohl bei sich hatte, ehe er auf dem Autoradio die Uhrzeit sah. Aber er wollte das Teil nicht bei sich haben. Zu sehr erinnerte ihn das an sie. Er stieg aus und öffnete den Kofferraum.
Sie saß ihm gegenüber. Er war nicht gut genug für sie. Im Grunde war das doch, was sie versucht hatte, ihm zu erklären. All die Mühen umsonst. All das Geschmeichel. Was für eine Schlampe. Nach allem was er für sie getan hatte, wollte sie ihn einfach so abservieren. Die Gefühle entwickelten sich schlagartig zu Zorn. Er konnte gar nichts dagegen tun. Seine Hand ballte sich zu einer Faust, die Sehnen schossen hervor. John fing an, auf sie einzuprügeln. Sie schrie, doch er konnte nicht aufhören. Für sie gab es keinen Ausweg mehr. Das hatte sie sich selbst zuzuschreiben. Warum hatte sie ihn auch abschreiben müssen. Das Blut platzte aus ihrer Haut hervor. Mit jedem Schlag wurde sie wehrloser, schlaffer. John lehnte sich über die Schaltung, drückte ihren Kopf gegen das Fenster. Ihre Augen fingen an sich herauszudrücken. An der Stirn quollen ihre feinen Adern langsam heraus. Mit aller Kraft quetschte er ihren Hals zusammen. Das Leben verschwand aus ihrem Körper und was blieb war eine leere Hülle von dem, das er so lange begehrt hatte.
John stieg wieder in seinen Wagen und legte den Gang ein. Die Sonne blendete ihn, als er aus der Beton-Tiefgarage herausfuhr. Der Verkehr hatte sich zu dieser Zeit schon beruhigt. Nur vereinzelnd kamen ihm ein paar Fahrzeuge entgegen, als er der Straße zur die Stadt hinaus entlang fuhr. Vielleicht hatte er gestern auch überreagiert. Vielleicht hatte sie nur mehr Zeit gebraucht. John hatte sie geliebt. Ja, daran war kein Zweifel. Er konnte nicht ohne sie, und auch, wenn sie anders dachte, er würde einen Weg finden, sie dazu zu bringen. Jeder hatte eine zweite Chance verdient. Vergeben würde er ihr, sobald er sie wieder sah. Vor ihm erschienen die ersten Baken. Nur noch ein paar hundert Meter bis er wieder mit ihr vereint sein würde. Die Schranken in der Ferne schlossen sich langsam. Ein fernes Bimmeln kündigt seine Fahrkarte zu ihr an. Just in time, geht es John durch den Kopf. Im richtigen Augenblick fährt er auf die Gleise.