Was ist neu

John

Mitglied
Beitritt
18.11.2011
Beiträge
10

John

Ich hätte nie gedacht, dass ich mal Vater werde, aber heute Nacht wurde mir eine Totgeburt geschenkt. Ich nannte sie John.
Ich stellte John in einem Glas auf mein Fensterbrett.
John ist ein wirklich cleverer Junge. Wenn man ihn ruft, tut er so, als würde er nicht hören. So entzieht er sich den täglichen Haushaltspflichten.
Leider spielt er viel zu wenig. Eigentlich gar nicht.
Ich habe mal gehört, dass Kinder immer viel spielen sollten.
Nach einer Woche spricht John immer noch nicht mit mir. Langsam mache ich mir Sorgen. Ist John beleidigt? Vielleicht ist ihm sein Glas zu klein, oder das Formalin ist ranzig geworden.
Ich nehme John behutsam aus seinem Glas und gebe ihm einen liebevollen Kuss auf seine hellgelbe Stirn.
Wie gut er riecht.
Ein leichtes Prickeln auf den Lippen.
Es ist Liebe.
Die Erkenntnis durchfährt mich wie himmlisches Geflügel.
Trompeten und Engelsgesang.
John und ich, wir gehen gemeinsam in die Küche.

Ich lasse eine Herdplatte heiß werden und stelle die gute Pfanne aus schwarzem Gusseisen darauf.
Olivenöl.
Dann schneide ich eine Zwiebel und werfe schluchzend die Würfel in das brutzelnde Öl.
Ich hebe John an seinen kleinen Ärmchen hoch und lege ihn zu den Zwiebeln in die Pfanne.
Wie gut das riecht.
John sagt immer noch nichts, doch ich glaube, dass er lächelt.

Ein paar Minuten später ist John schön kross. Die Pfanne ist mit Blut und Zwiebeln und Olivenöl gefüllt und seine Haut ist dunkelbraun. Er könnte auch ein Afrikaner sein, oder ein Schokoladenkind.
Wie er durftet.
Ich hebe John aus der Pfanne und lege ihn in auf einen Teller.
Seine kleinen Augen sind schwarz und glänzend. Seine Haut liegt ganz dicht am Körper an.
Wie hübsch er ist.

Ich esse John und trinke einen edlen Rotwein dazu.
Halbtrocken.
Dann gehe ich ins Bad und putze mir die Zähne.
Zahnseide. Mundwasser.
Ich gehe wieder in die Küche und wasche ab.
Die Reste von John kommen in einen schwarzen Plastiksack.
Der Sack in die Biotonne.

Dann stecke ich meinen Kopf in den Ofen.
John.
Ich liebe dich.

 

Moin Paris und herzlich willkommen auf kurzgeschichten.de!

Deine Geschichte finde ich gar nicht mal so übel, aber auch nicht wirklich rund. Das fängt schon damit an, dass gleich im ersten Satz die Rede von "Totgeburt" ist. Ich hätte es besser gefunden, den Leser darüber erst im Unklaren zu lassen und ihn erst später aufzuklären, z.B. mit dem Formalin.

Ich stellte John in einem Glas auf mein Fensterbrett.

Würde ich auch anders formulieren. Wie wäre es mit "John verbringt immer viel Zeit vor dem Fenster, beobachtet aufmerksam die Straße."

Außerdem ist mir die Motivation des Protagonisten, das tote Baby zu essen, nicht ganz klar. Gibt es dafür noch tiefere psychologische Gründe oder wolltest du damit nur einen Ekelfaktor einbringen?

Wie er durftet.
Was Kinder heutzutage alles dürfen. Gibt es eigentlich keine konsequenten Eltern mehr? ;)

Und wozu übrigens die ganzen Absätze? Soll dein Text absichtlich aussehen wie ein Gedicht? Ich an deiner Stelle würde ein paar davon entfernen, die hemmen nämlich den Lesefluss, ganz besonders in einem so kurzen Werk.
Arbeite noch ein wenig daran, dann könnte das ein schönes kleines Horrorstück werden. In der jetzigen Form zündet es nämlich noch nicht wirklich.

Lieben Gruß
Pale Man

 

Hallo Paris R Vegas,

dein Text erinnert mich an die Kurzgeschichte "Mein Hund Bobby" von Lansdale. Kennst du vielleicht.

Klar, die Geschichte ist eklig - mehr jedoch auch nicht. Pale Man hat bereits den sehr guten Hinweis gegeben, das Ganze "verschlüsselter" zu schreiben. Das hätte den Effekt, dass man beim Lesen denken würde: Wie ... das meint er jetzt aber nicht so, dass ... Nee, ne? ... Schande, er meint's echt so!
Im jetzigen Zustand haust du einem lediglich den Ekel um die Ohren, und das ist mir zu wenig. Dann müsste da irgendwie mehr Substanz rein, mehr Hintergrund, Psychologisches, wer ist die Mutter von John usw.
Aber das führte vielleicht auch zu weit, man kann es auch einfach als Trash sehen.
Soweit meine Gedanken dazu.

Ach so: das Ende hat bei mir nicht gezündet. Kopf in Ofen. Aha. Ist der Ofen an, oder was? Und dann hält er ihn einfach nur rein? Ohne zurückzuzucken (zurückzucken zu müssen)? Nee, in meinen Augen ist das nix.

Viele Grüße,
Maeuser

 

huch... irgendwie hat das Mailfenster grad meine Antwort gefressen. Nungut dann nochmal in Kurzform:

@Pale Man. Danke für das Lob! Deine Ideen finde ich sehr gut. Ich werde auf jeden Fall die Geschichte danach umschreiben. Mal schauen, was daraus wird.

Zu der Intention des Essens: Das ist bewusst offen gehalten. Ich finde, der nicht (sofort) ersichtliche Grund des Essens verstärkt die Seltsamkeit noch ein wenig. Ich persönlich denke, er tut es, weil er sein Kind liebt!

@Mauser. Ebenfalls danke für die Kritik. Wie gesagt, ich werde versuchen es ein wenig verschlüsselter zu schreiben. Ich wollte ansonsten aber so wenig Details wie möglich streuen, die auf andere Menschen hinweisen, da ich das ganze eher als isolierten kleinen surealen Kosmos sehe und weniger als eine realistische Geschichte.

Zum Ofen: Nun... so ganz zufrieden bin ich mit dem Schluss auch noch nicht. Mal gucken, ob ich da noch was besseres draus basteln kann.

Allgemeine frage: Wenn ich einen Text umgeschrieben habe, soll ich dann das Original im Post ersetzen, oder die neue Version als Antwort posten?

liebe Grüße,
Vegas

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Paris

Mit dem ersten Satz

Ich hätte nie gedacht, dass ich mal Vater werde, aber heute Nacht wurde mir eine Totgeburt geschenkt.

kann ich noch was anfangen, der Rest gefällt mir dann weniger.

Wenn es dir einfach darum ging, einen möglichst ekligen Text hier einzustellen, ist dir das gelungen. Aber es ist natürlich auch der einfachste Weg: Ekel / Abscheu hast du beim Leser sehr schnell erzeugt. Hier kommt sonst nicht mehr viel.

Ich frage mich, welchen Zweck diese Geschichte haben soll bzw. was deine eigenen Ansprüche an dich sind. Für mich ist das hier eine Fingerübung, aber keine richtige Geschichte. Wenn du versuchst, lebendige Charaktere, einen spannenden Plot oder gar eine eigene Aussage in deine Geschichte zu packen, merkst du, das geht nicht mehr so schnell von der Hand wie das hier. Und von alldem fehlt es in der Geschichte, die ist auch in sich nicht stimmig: Ein eigentlich liebender Vater ("Es ist Liebe"), der auf einmal sein eigenes Kind isst? Ja, warum eigentlich? Offenbar hegt er Gefühle für den Jungen, ist besorgt ... und auf einmal isst er ihn? Das Motiv wird nicht im Ansatz deutlich ... aber ich denke, darum ging es dir auch überhaupt nicht. Braucht es aber dennoch.

Dann die Form: Du schreibst die Geschichte in der Ich-Form, am Ende deutest du aber einen Selbstmord des Erzählers an. Das geht dann nicht mehr auf, und ich frage mich, warum erzählt der Prot. das? Auch dies bleibt im Dunkel.

Also für mich ist das eine Geschichte, die mit dem Holzhammer einfach Ekel und sonst gar nichts auslösen will, und das ist mir zu wenig. Schade eigentlich, denn das Thema hätte durchaus Potential, wenn man es detaillierter ausarbeitet. Vielleicht machst du dich nochmal dran und machst eine richtige Geschichte daraus.

Viel Erfolg & viele Grüsse.

Edit: Habe eben deine Antwort zu Pale Man und Maeuser gelesen. Ich würde das Motiv des Essens dennoch ausführen, weil du a) den Prot. charakterisieren kannst, dh. mehr von seiner Gedankenwelt preisgeben kannst und b) mMn der Schrecken auf den Leser erhöht wird. Mit dem Motiv steht und fällt die Geschichte dann, weil es der zentrale Punkt ist.

Ich persönlich denke, er tut es, weil er sein Kind liebt!

Schon, aber was erhofft er sich durch den Akt des Verspeisens? Das ist als Grund zu wenig, du solltest ausführen, weshalb er denkt, dem Kind damit seine Liebe zuteil werden zu lassen. Bin wirklich gespannt, die Geschichte danach noch mal zu lesen, denke man sieht sie dann gleich in einem anderen Licht.

Allgemeine frage: Wenn ich einen Text umgeschrieben habe, soll ich dann das Original im Post ersetzen, oder die neue Version als Antwort posten?

Besser ist es, das Original zu ersetzen.

 

Wenn ich einen Text umgeschrieben habe, soll ich dann das Original im Post ersetzen, oder die neue Version als Antwort posten?
Ja, wie Schwups sagt; bitte die Originalversion verändern bzw. durch die neue ersetzen (über den Bearbeiten-Button unten an der Geschichte).

 

Also mir hats sehr gut gefallen. Ich fand allerdings den Ekelfaktor gar nicht so hoch angesetzt. Schließlich hast du ja nicht das Zerlegen des Kindes und den Geschmack bestimmter Körperteile beschrieben.
Deine Geschichte lässt mich als Leser mit einem erdrückenden Gefühl zurück, da du meine Fantasie durch die Kürze sehr anregst.
Mir persönlich gefällt auch der erste Satz sehr gut. Ich denke, du solltest gar kein Geheimnis daraus machen, dass John tot ist. Ist wesentlich erschreckender, wenn der Leser weiß, dass da eine Leiche im Glas schwimmt.
Ein Manko habe ich dennoch: Warum ist der Prot der Vater? Was ist dann mit der Mutter? Mir persönlich hätte es besser gefallen, wenn du die Vatergeschichte einfach weg lässt. So kann sich jeder selbst Gedanken machen, wen er da jetzt sieht.

Gruß! Salem

 

Hallo Paris

Das ist ja mal ein durchgeknallter Prot, den du uns da servierst. Nach dem zähen Einstieg:

John ist ein wirklich cleverer Junge. Wenn man ihn ruft, tut er so, als würde er nicht hören. So entzieht er sich den täglichen Haushaltspflichten.
Na ja, wirkte jetzt etwas nach Bödelei.

Dann hat mich der Text aber tatsächlich doch noch gefangen genommen. Allerdings stellte sich mir ebenfalls die Frage nach der Quelle der Totgeburt.

Und der Schluss geht gar nicht, wirkt drangeklebt, lieblos.
Aber sonst, jo, hat irgendwie so was psychopathisch wertvolles an sich.
;)

So, noch etwsa Logikgeplänkel:
Kann Formaldehyd, sprich Formalin wirklich ranzig werden?
Woher kommt das (sowieso bereits geronnene) Blut in der Pfanne? (John wurde ja nicht angeschnitten, oder ... :sick:)


Fazit: Als Horror-Häppchen nicht schlecht, doch folgt die Frage mit dem letzten Schluck aus dem Apperitiv-Glas: "Und was gibt's zum Essen?".

Gruss dot

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom