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John
Ich hätte nie gedacht, dass ich mal Vater werde, aber heute Nacht wurde mir eine Totgeburt geschenkt. Ich nannte sie John.
Ich stellte John in einem Glas auf mein Fensterbrett.
John ist ein wirklich cleverer Junge. Wenn man ihn ruft, tut er so, als würde er nicht hören. So entzieht er sich den täglichen Haushaltspflichten.
Leider spielt er viel zu wenig. Eigentlich gar nicht.
Ich habe mal gehört, dass Kinder immer viel spielen sollten.
Nach einer Woche spricht John immer noch nicht mit mir. Langsam mache ich mir Sorgen. Ist John beleidigt? Vielleicht ist ihm sein Glas zu klein, oder das Formalin ist ranzig geworden.
Ich nehme John behutsam aus seinem Glas und gebe ihm einen liebevollen Kuss auf seine hellgelbe Stirn.
Wie gut er riecht.
Ein leichtes Prickeln auf den Lippen.
Es ist Liebe.
Die Erkenntnis durchfährt mich wie himmlisches Geflügel.
Trompeten und Engelsgesang.
John und ich, wir gehen gemeinsam in die Küche.
Ich lasse eine Herdplatte heiß werden und stelle die gute Pfanne aus schwarzem Gusseisen darauf.
Olivenöl.
Dann schneide ich eine Zwiebel und werfe schluchzend die Würfel in das brutzelnde Öl.
Ich hebe John an seinen kleinen Ärmchen hoch und lege ihn zu den Zwiebeln in die Pfanne.
Wie gut das riecht.
John sagt immer noch nichts, doch ich glaube, dass er lächelt.
Ein paar Minuten später ist John schön kross. Die Pfanne ist mit Blut und Zwiebeln und Olivenöl gefüllt und seine Haut ist dunkelbraun. Er könnte auch ein Afrikaner sein, oder ein Schokoladenkind.
Wie er durftet.
Ich hebe John aus der Pfanne und lege ihn in auf einen Teller.
Seine kleinen Augen sind schwarz und glänzend. Seine Haut liegt ganz dicht am Körper an.
Wie hübsch er ist.
Ich esse John und trinke einen edlen Rotwein dazu.
Halbtrocken.
Dann gehe ich ins Bad und putze mir die Zähne.
Zahnseide. Mundwasser.
Ich gehe wieder in die Küche und wasche ab.
Die Reste von John kommen in einen schwarzen Plastiksack.
Der Sack in die Biotonne.
Dann stecke ich meinen Kopf in den Ofen.
John.
Ich liebe dich.