Kapitel 9
Die Waffe in der Hand ging Angela den langen unbeleuchteten Gang entlang. Es mag zwar nur Einbildung gewesen sein, doch John hatte das Gefühl, dass noch heute Vormittag der Gang nicht halb so lange gewesen sei. Mit jedem Schritt den die beiden machten, beschlich sie ein größer werdendes Gefühl von Angst.
Von hier aus konnte man erkennen, dass im Zimmer am Ende des Ganges noch Licht brannte. Die Art wie dieses Licht schien, ließ auf eine oder mehrere brennende Kerzen deuten. Aus dem Raum konnte man ebenfalls Stimmen hören. Ein lautes Geräusch, als ob etwas von einem Tisch oder einem Regal gefallen wäre brachte die beiden dazu die restlichen Meter bis zum Zimmer zu laufen. Auf das was sie dort erwartete war keiner von ihnen Vorbereitet.
Madame Lolette lag über dem zusammengebrochenen Tisch. Sie war schwer verletzt aber dennoch bei Bewusstsein. Ihr Blick änderte sich sichtlich beruhigt als sie John durch den Gang kommen sah. Über ihr stand ein dunkel gekleideter Mann, mit einer Art Messer in der Hand. An dem Messer und überall im Raum war Blut, er hatte bereits auf Madame Lolette eingestochen, musste sie mehrmals durch den ganzen Raum geworfen haben. Er war gerade dabei alles beenden, doch als er bemerkte, dass er nun nicht mehr allein mit seinem Opfer war, da drehte er sich um. Sein Gesicht war in Dunkelheit gehüllt. Zwar konnte John seine Augen noch nicht sehen, doch er wusste sein Blick musterte ihn. Ein hämisches lachen schallte durch den Raum. Das selbe wie John es schon aus seinem Traum kannte. Die Angst packte ihn nun völlig und er war unfähig etwas zu tun.
Langsam trat die Gestalt aus dem Schatten. Ein Anblick der einen dazu brachte vor Schreck zu erstarren. Augen, deren Adern so dunkelrot wie Flüsse aus Blut schienen. Eine kalte, versteinerte Mimik, war unter dem blutverschmierten Gesicht zu erkennen. Letzte Reste von Blut tropften die Spitze des großen Messers hinab, welches er in seinen bestialisch anmutenden Händen hielt.
„Stainsview Policedepartement! legen sie das Messer weg und heben sie die Hände! Sofort!“
Der Mann wandte seinen Blick von John ab, warf ihm aber noch ein herablassendes Lächeln zu. Dann blickte er direkt zu Angela und bewegte sich langsam und auf gewisse Weise unnatürlich in ihre Richtung.
„Keinen Schritt weiter oder ich schieße! Legen sie das Messer weg!“
Der Mann hielt inne, warf einen Blick auf kurzen Blick auf sein Messer, betrachtete aber danach unmittelbar wieder Angela. Blitzschnell erhob sich seine linke Hand und er warf das Messer in ihre Richtung. Der Wurf war nicht sehr gezielt, so das es ihr gelang auf eine Seite auszuweichen. Dabei verlor sie allerdings ihre Waffe. Sie rappelte sich zusammen, blickte in alle Richtungen, in der Hoffnung ihre Pistole in dem dunklen Raum wieder zu finden. Ihr blieb nicht fiel Zeit dazu, der Mann bewegte sich langsam und immer noch mit diesem teuflischen Grinsen auf sie zu.
Nachdem sie einige Male ziellos umhertastete, fand sie die Waffe schließlich. Sie wollte gerade zum Schuss ansetzen, da packte er sie an der Kehle und hob sie mit unnatürlicher Kraft in die Luft. Als sie verzweifelt nach Atem rang, der Druck in ihrem Kopf immer stärker wurde, da blickte sie hinüber zu John, der immer noch wie gelähmt da stand.
„John.... Hilfe... John... Hi....l..Hi..“
Langsam begannen ihre Hilferufe unverständlicher zu werden und schließlich verstummten sie vollständig.
Die zwielichtige Gestalt schob den Kopf etwas nach vorne und flüsterte sie an:
„Du dummes kleines Miststück. Dachtest du wirklich ich brauche eine Waffe um dich in Stücke zu reißen. Du bist genauso naiv wie dein Kollege. Bis zuletzt hat er um die um Luft gefleht. Hat sich gewehrt, so wie er es gelernt hat. Und dann... dann hat er verloren. Er hat verloren wie alle anderen auch verloren haben und so wirst du auch verlieren.“
Mit ihrer letzten Kraft erhob sich Angelas Hand langsam in Johns Richtung, als wollte sie ihn bitten endlich einzuschreiten.
Der Mann blickte nach links.
„Was? Er soll dir helfen? Sie ihn an. Sie genau hin. Das wird das letzte sein, was du siehst bevor ich dir dein Herz aus der Brust reiße. Er ist unfähig irgendetwas zu tun. Das ist es ja was ich wollte. Das wird sein Verstand nicht verkraften.“
Er atmete tief und kräftig ein.
„Oh wie wertvoll eine verkümmerte Seele doch sein kann. Tausend mal mehr wert als jeder den ich bisher getötet habe.“
Mit allerletzter Kraft holte sie ein kleines Messer aus der Jackentasche hervor und rammte es ihm direkt seitlich in die Rippen.
Von Schmerzen gekrümmt sackte der Mörder kurz zusammen erhob sich aber schnell wieder. Strich mit der Hand über die blutende Wunde und führte die Finger danach genüsslich zum Mund.
„Genug gespielt. Jetzt bist du tot.“
Ein starker Schlag traf Angela von rechts und warf sie quer durch den Raum bis sie an einem Regal am anderen Ende abprallte und dort bewusstlos liegen blieb.
Der Knall des Aufpralls löste John aus seiner Abwesenheit. Er blickte besorgt auf die schwer verletzte alte Frau und auf Angela, die unter einem Berg antiker, seltener Gegenstände lag.
Die Bestie jedoch bemerkte ihn nicht. Sie schritt langsam und sichtlich erfreut an der ganzen Situation auf Angela zu. Er warf die Stühle, welche ihm den Weg versperrten beiseite als wären sie billige Styroporattrappen. Er beugte sich über Angela und streckte seine Hand nach ihr aus. Als er ihren Körper berührte, war er kurz davor ihre Brust zu durchbrechen.
In diesem Moment konnte John, Madame Lolettes Stimme in seinem Kopf hören.
„Jetzt, John. Machen sie es. Jetzt!“
Ohne zu zögern griff er zum auf dem Boden liegenden Messer, rannte auf die andere Seite des Raums und rammte es dem Mann von hinten tief durch die Bauchdecke. Der drehte sich um und musterte John mit seinem letzten Blick. Ein hypnotischer Blick. John schaffte es nicht diesen Augen zu entkommen. Es war ihm als könnte er das Blut in den kleinen Augenäderchen förmlich fließen sehen. Und er konnte Stimmen flüstern hören und da war wieder dieses Lachen. Langsam fielen beide zu Boden.
Angela kam derweil wieder langsam zu sich. Sie bemerkte zwar John, der zusammen mit dem anderen neben ihr lag. Doch sie kroch zu Madame Lolette.
„Bleiben sie ruhig. Alles ist in Ordnung.“
Sie zog ihre Jacke aus und drückte damit die Wunden ab. Dann rief sie mit ihrem Handy einen Krankenwagen.
„Alles wird gut. Durchhalten. Hilfe ist unterwegs.“
Madame Lolette blickte besorgt auf die beiden in der Ecke liegenden. Angela erkannte dies und antwortete:
„Keine Angst. Er ist tot. Es ist vorbei.“
„Nein... Nein... es....hat... erst...an..ge...gen“
„Was?“
„Grie...n..lan... Sie... müs... nac.. Grie...“
„Es ist vorbei. Der Mann ist tot.“
„Nein.... John.... Der Dämon.... Er hat.....“
„Was hat er? Madame Lolette. Wach bleiben. Sie halten das durch.“
„John.... hat den..... er hat den Dämon....“
„Er hat den Dämon?“
„Ja.... beeilen... Nicht... viel... Zeit... Nach Griechenland... beenden...“
Das waren ihre letzten Worte, danach brach sie bewusstlos zusammen. Von weiten konnte man auch schon die Sirenen des Krankenwagens hören und einige Sekunden später betraten die Sanitäter schon den Raum und nahmen sich auch umgehend Madame Lolette an.
Da Angela ihr nun nicht mehr helfen konnte, blieb ihr Zeit sich um John zu kümmern. Doch zuerst durchsuchte sie die Leiche des Mannes nach Hinweisen auf seine Identität. Er hatte einen Ausweis in der Tasche, ein Ausweises des Arizona Staatsgefängnisses. Der Name Henry Klappert stand rechts neben einem Lichtbild, dass den Toten zeigte. Damals noch in gesünderer Verfassung. Nun kümmerte sie sich um John. Er lag mit dem Gesicht zur Wand. Sie kniete sich vor ihn hin und drehte ihn zu ihr. Er war sehr blass geworden und auch seine Augen, welche sich langsam öffneten hatten sich verändert. Kleine Rote Adern hatten sich überall in seinen Augen gebildet.
„John? Wie fühlen sie sich?“
„Oh... mein Kopf... alles dreht sich..“
„Langsam, ich helfe ihnen hoch.“
„Ist er ?“
„Ja er ist ..“
„Und sie..“
„Nein, sie ist nicht..“
„Oh, Gottseidank. Ich dachte...“
„Nein.. Kommen sie. Wir müssen weiter..“
„Was? Wovon reden sie da?“
„Das erkläre ich ihnen im Auto. Los jetzt kommen sie.“
Sie und John verließen, beide sichtlich angeschlagen, das Geschäft und stiegen in den Wagen.
„Wo... Wo wollen sie jetzt hin?“
„Griechenland.“
„Was... Was wollen sie?“
„Er ist doch tot. Es ist vorbei..“
„Nein, es ist nicht vorbei.“
Sie erhob entnervt die Hand, und schüttelte den Kopf. Auf dem Weg zum Flughafen gab sie an John weiter, was Madame Lolette ihr erzählt hatte und sie fügte bei was sie selbst noch vermutete.
Mit jeder Minute Fahrt, ging es John schlechter. Die Adern in seinen Augen wurden von Minute zu Minute etwas größer. Und auch seine Hautfarbe, so schien es, begann langsam heller und ungesunder zu werden.
"Sie haben nicht mehr viel Zeit"
Das waren ihre Worte.
Zeit? Zeit wofür?
Meinte sie damit, das John nicht mehr viel Zeit blieb, bis er ...was auch immer werden würde. Bis er vielleicht sogar zum selben willenlosen Sklaven verkommen würde? Welche Wahl hatten sie denn? Hatten sie überhaupt eine Wahl? War alles schon verloren? Oder gab es noch Hoffnung? Gedanken die Angela nicht mehr los ließen.
John hingegen viel es zunehmend schwerer klare Gedanken zu fassen. Er bemerkte das etwas mit ihm nicht in Ordnung war, das sich etwas verränderte. Das er sich veränderte. Wut und Hass überfluteten seine Gedanken. Wut und Hass auf seine Eltern, auf Steve sogar auf Angela. Doch es war nicht seine eigen Wut. Es waren nicht seine Gedanken. In seinem Kopf herrschte eine Schlacht. Eine Schlacht zwischen ihm und jemand anderem. Und mit jeder Sekunde die verging, verlor er die Schlacht mehr und mehr.
Noch war er fähig zu erkennen, zu kontrollieren was er tat. Er war fähig diese Gedanken zu verdrängen. Ihnen gegenzusteuern. Doch wie lange würde er es noch können? Wie viel Zeit würde ihm bleiben, bis er zu einer mordenden Bestie verkommt? Bis Blut das einzige ist was ihm Befriedigung verschafft?
Als der Wagen spät am Abend auf dem Flugplatzgelände ankam, hatte es auch wieder begonnen zu Regnen, wie schon so oft in den vergangenen Tagen. Unter dem prasselnden Regen, machten sich die beiden, schwer angeschlagen und erschöpft, auf dem Weg in die große Haupthalle. Dort wurden sie auch schon vom Sicherheitspersonal empfangen und höflichst gebeten durch die Metalldetektoren zu laufen, doch ein kurzer Wink mit Angelas Polizeimarke reichte aus um sich die ausgiebigen Kontrollen am Flughafen vom Hals zu halten, denn dafür war die Zeit zu knapp.
Am Schalter für die Tickets, hatten sie ebenfalls Glück. Sie erschienen genau einige Minuten vor Abflug der letzten Maschine nach Griechenland heute Nacht. Und auch zwei Plätze waren noch frei. Bezahlen musste Angela, denn John wäre dazu im Moment weder finanziell noch körperlich in der Lage gewesen.
Es war schon fast Mitternacht bis sich das Flugzeug in die Luft erhob und langsam im Dunkel der Nacht verschwand, so das in weiter Ferne nur noch kleine blinkende Lichter erkennbar waren.
Zunehmend fiel es John schwerer wach zu bleiben. Es war ihm fast so, als ob eine innere Stimme zu ihm sprach er solle die Augen schließen, er solle sich ausruhen. Das einzige was ihn dabei beunruhigte war, er wusste nicht ob es seine eigen Stimme war. Doch was er wusste war, es blieb nun keine Zeit mehr hinauszuzögern was er schon den halben Tag mit sich herumtrug. Seine zitternde Hand griff in die kleine Jackentasche die er wie eine Decke über sich gelegt hatte, da ihm nun auch sehr kalt war.
„Angela? Würden sie das bitte nehmen?“
„Was ist das?“
„Ein Brief an meine Eltern. Hören sie, sie müssen mir versprechen, dass sie den Brief..“
„Aber John. Hören sie auf damit.“
Wieder fasste sie seine Hand. Sie fühlte sich sehr kalt an und mit schwindender Kraft, hielt er ihre Hand fest.
„Sie müssen es mir Versprechen, Angela. Sie müssen.“
Und langsam wurde sein Griff weicher und seine Augen schlossen sich. Er konnte seine Erschöpfung nun nicht mehr kontrollieren und fiel in einen tiefen Schlaf.
„Schlafen sie, John. Ruhen sie sich aus.“
Sie strich ihm über den Kopf, welcher entgegen seinen Händen kochend heiß war. Und auch seine Haare waren durchnässt, jedoch nicht vom Regen. Der Kampf den er innerlich zu führen schien, begann mehr und mehr sich auch äußerlich auf ihn auszuwirken.
Auch Angela wollte die Flugzeit dazu nutzen, Kräfte zu sammeln. Es dauerte sehr lange und fiel ihr schwer unter dem Lärm der Triebwerke und den ständig wiederkehrenden Turbulenzen einzuschlafen. Doch letztendlich wurden auch ihre Augen schwerer und angelehnt an Johns Körper, mit der Frage in ihrem Hinterkopf was er doch jetzt Träumen würde, schlief sie ein.
„Angela? Angela?“ Wach auf meine kleine“
Sie öffnete langsam die Augen. Sie konnte nicht glauben wer da neben ihr saß.
„Angela. Du bist groß geworden.“
„Dad? Oh, Dad?“
In Tränen ausgebrochen begann sie, ihren Vater zu umarmen.
„Oh, Dad. Ich vermisse dich.“
„Hör zu Angela. Ich habe nicht viel Zeit. Hör mir zu. Vertrau auf dich, Angela. Hörst du? Vertrau auf deine Fähigkeiten. Und pass auf ihn auf. Er ist der Schlüssel.“
„Der Schlüssel wofür? Dad?“
Und an dieser Stelle endete der Traum für sie. Die weiteren Träume waren nur verbunden mit allerlei Ereignissen und viele von ihnen ergaben überhaupt keinen Sinn.
John fand sich selbst in einem dunklen Raum wieder. Egal in welche Richtung er blickte und egal wie weit er rannte. Er konnte der Dunkelheit nicht entkommen. Sollte dies ein Vorzeichen darauf sein, dass sein Schicksal bereits besiegelt wäre.
Und auf einmal war da wieder dieses Lachen. Es schien erst gezielt aus einer Richtung näher zu kommen, doch je mehr es sich näherte, desto unklarer konnte er erkennen, woher es kam und nach und nach breitete sich das Lachen in alle Richtungen aus.
„Du hast verloren John. Ha.... Ha... Ha....“
Dieses Lachen bereitete ihm Bauchschmerzen. Und je stärker die Schmerzen wurden, desto lauter wurde auch das Lachen.
„Kämpf nicht dagegen an. Fühle es.. Du bist machtlos.. Genauso machtlos wie alle die Hunderte vor dir. Ja... viele von ihnen kämpften bis zuletzt. Doch das machte sie nur gefügiger. Hass. Hass ist das einzige das dich retten kann.“
Und auf einmal lag da dieses Messer neben ihm auf dem Boden. Und Schritte halten in der Dunkelheit. Die Schattenhafte Gestalt die er schon einmal sah näherte sich ihm.
„Da liegt es, John. Nimm es. Greife danach. Du willst es doch. Na los. Worauf wartest du. Na los!!“
Dieser Schrei war für ihn wie ein Befehl und er ergriff die Waffe, rannte schreiend auf die Gestalt zu und genau in dem Moment in dem das Messer sie berührte, änderte der Schatten seine Form und zu spät erkannte er, was er gerade getan hatte. Wimmernd brach er zusammen.
„Was habe ich getan? Was habe ich nur getan?.....Angela...“
Sie lag vor ihm auf dem Boden. Er hatte sie getötet. In seinem Traum hatte er sie getötet. Und er wusste was dies bedeuten würde. Es würde passieren. Es würde passierten genauso wie er es vorher sah.
„Ja, jetzt hast du erkannt.. jetzt hast du erkannt was deine Aufgabe ist. Sie wird sterben John. Sie wird sterben, durch deine Hand. Und wenn sie tot ist, dann gehörst du mir. Dann ist deine Seele verloren. Für immer. Also finde dich damit ab. Finde dich endlich damit ab und begrüße deine neuen Freunde.“
Die Stimme verschwand und plötzlich tauchten von allen Seiten Menschen auf. Einige davon erkannte er sofort, auch wenn sie grausam entstellt aussahen. Da war Steve. Und Big Mike und auch der Detektive. Einige Mönche und Soldaten und viele andere. Auch der Mann aus Madame Lolettes Laden. Das mussten die armen Seelen sein. Die verlorenen, die keinen Frieden im Tot finden konnten. Und unaufhaltsam kamen sie auf ihn zu. Ohne ein Wort zu sagen und ohne einen nennenswerten Gesichtsausdruck. Sie kamen einfach näher und sahen ihn mit ihren leeren Augen an.
„Geht weg! Verschwindet!“
Hunderte Stimmen halten ihm durch den Kopf und jede von ihnen schien nur einen Satz zu sprechen. Komm zu uns. Komm zu uns. Komm zu uns. Unerträglich wurden diese Stimmen für ihn. Und er brach unter dem Druck in seinem Kopf zusammen nur um in genau diesem Moment wieder aufzuwachen.
Es riss ihn förmlich aus dem Schlaf, was auch Angela wieder aufweckte.
„John, was ist los?“
„Angela? Gottseidank.“
Ein erleichterter Gesichtsausdruck überkam ihn, der jedoch nicht lange andauerte, weil ihm klar wurde, dass es passieren würde.
„John? Alles in Ordnung?“
„Halt die Klappe!“
„Was? Was haben sie da gerade gesagt?“
Das waren nicht seine Worte. Sie kamen aus seinem Mund und sie gingen durch seinen Verstand, doch es waren nicht seine Worte. Es hatte begonnen. Er verlor die Kontrolle über sich. Ein Vorzeichen auf das was kommen würde. Und es zeriss ihn innerlich. Die Unfähigkeit zu verhindern was er eben von sich gab.
„John? Wieso sagen sie so etwas?“
„Es tut mir leid. Ich.. war das nicht. Ich kann das nicht kontrollieren.“
„Sie müssen mich töten.“
„Was? Sie haben Fieber. Sie wissen nicht was sie da reden.“
„Ich habe kein Fieber. Ich kann so klar denken wie noch nie. Sie müssen mich töten. Sie müssen es tun, wenn es keine andere Möglichkeit mehr gibt, dann müssen sie es tun. Und dann müssen sie sich selbst töten.“
Angela sprang von ihrem Sitz auf.
„Ok. Das reicht. Ich höre ihnen nicht mehr zu.“
„Nein, sie verstehen es nicht. Wenn sie mich töten, dann müssen sie sich selbst töten. Das müssen sie tun. Oder sie werden die Ewigkeit damit verbringen, es zu bereuen.“
„Also das reicht jetzt. Ich höre ihnen nicht mehr zu. Ich werde niemand töten, nicht sie und nicht mich. Und damit Basta.“
John sah sie enttäuscht an.
„Dann, tut es mir leid.“
Sehr irritiert blickte sie zu ihm hinüber. Er musst völlig verrückt geworden sein. Ja, der kleine Mann in seinem Kopf, machte ihn völlig Wirr. Oder vielleicht war sie es, die völlig Wirr war? Oder beide waren verrückt. Sie mussten verrückt sein. Sie war zusammen mit einem vor einigen Tagen völlig Fremden, in einem Flugzeug und auf dem Weg nach Griechenland. Sie war kurz davor, alles aufzugeben. Und das passierte ihr nicht oft. Nun zuletzt vor dem Blue Springs, aber davor Jahre nicht.
Würden sie sich bitte setzen und anschnallen. Wir beginnen in wenigen Minuten mit dem Landeanflug auf Griechenland.“
Eine Stewardess klopfte ihr von hinten auf die Schulter.
„Oh, ja natürlich. Entschuldigen sie.“
„Und würden sie ihren Freund bitten, sich in eine aufrechte Sitzposition zu begeben und sich anzuschnallen.“
„Oh, das ist nicht....“
Der Lautsprecher unterbrach sie.
„Sehr geehrte Fluggäste. Wir beginnen nun mit dem Landeanflug auf Griechenland. Bleiben sie bitte auf ihren Plätzen und schnallen sie sich an.“
Kurze Zeit später, nach einer etwas unsanften Landung, kam die Maschine auf dem Flugfeld zum stehen. Und wieder ertönte es aus den Lautsprechern.
„Wir sind soeben auf dem Flughafen von Athen gelandet. Wir möchten uns für das uns entgegengebrachte Vertrauen bedanken, wünschen ihnen einen angenehmen Aufenthalt und hoffen natürlich sie bald wieder als unsere Fluggäste begrüßen zu dürfen.
„Kommen sie John, stehen sie auf. Hier, ich helfe ihnen.“
„Lassen sie mich. Das kann ich alleine.“
Er drückte ihre Hand abweisend beiseite.
„Na, gut dann halt nicht.“
Wie gerne hätte Angela das tolle Wetter hier in Griechenland genossen. Vielleicht würde dazu Zeit bleiben, wenn das alles vorbei wäre. Und das führte sie schon zu ihrem nächsten Problem. Madame Lolette konnte ihr zwar sagen sie sollten nach Griechenland. Aber scheinbar hatte sie vergessen ihnen Anweisungen zu geben was sie jetzt zu tun hätten. Und so standen die beiden nun außerhalb des Flughafens, mitten in der prallen Mittagssonne. In der Eile hatten sie auch nicht mehr daran gedacht sie etwas leichter zu kleiden. Angela zumindest war es hier eindeutig zu warm, doch John hingegen schien dieses Klima gut zu tun. Man könnte fast meinen, die Luft hier würde ihm neue Energie geben. Zielstrebig entfernte er sich von Angela.
„John, wo wollen sie hin? Bleiben sie hier. Sie verlaufen sich noch.“
„Nein, kommen sie. Kommen sie! Na los! Sofort!!“
Und wieder begann er lauter zu werden. Langsam machte sich Angela doch große Sorgen um seinen Zustand. Es war gar nicht mehr von der Hand zu weißen, dass er sich veränderte. Sein ganzes Wesen, wurde... härter. Zwar erweckte der Anblick seines Körpers eher den Eindruck an einer unheilbaren, schwer ansteckenden und tödlichen Krankheit zu leiden doch seine Wortwahl, seine Art sich zu bewegen, als dass machte ihr Sorgen. Zum ersten mal zweifelte auch sie stark daran, diesen Tag zu überleben und ihr wurde bewusst, dass John vielleicht nicht so falsch lag als er meinte sie solle ihn töten. Es fiel ihr zwar nach wie vor schwer dies in Betracht zu ziehen, doch konnte oder wollte sie es jetzt nicht mehr vollkommen ausschließen.
John hatte mittlerweile schon ein Taxi angehalten und zwar indem er sich einfach einige Meter davor auf die Straße stellte, es zum Stillstand brachte und kräftig auf die Motorhaube schlug. Sein Drang zur Gewalt musste langsam unkontrollierbar für ihn geworden sein. Angela bemühte sich sehr, den erzürnten Taxifahrer zu beruhigen, was nicht sonderlich leicht war, da sie kein Wort Griechisch und der Fahrer nur sehr schlecht Englisch sprach.
Doch dann geschah etwas sehr seltsames. John begann mit dem Fahrer eine Unterhaltung und dass in flüssigem Griechisch. Angela war von dieser Tatsache genauso verwundert wie beängstigt.
„Was soll das John? Was reden sie da mit ihm? Ich dachte sie sprechen kein Griechisch.
Er gab ihr keine Antwort, ließ sie fragend sitzen.
Der Fahrer setzte den Wagen schnell in Bewegung. Egal was John zu ihm gesagt haben muss, es muss bedrohlich gewesen sein, denn während der ganzen Fahrt beobachtete der Fahrer die beiden durch den Rückspiegel. Dies tat er so stark, dass es mehrere Male passierte, dass er den Verkehr missachtete und einmal sogar einen Unfall verursachte.
„Also, würden sie mir jetzt bitte sagen, wo wir hinfahren? Würden sie mir sagen was das alles soll? Was ist hier los? Und wieso zum Teufel sprechen sie Griechisch? John? John? Verdammt noch mal!!!“
Sie schüttelte kräftig an seinem Oberkörper.
„Ich weiß es nicht verdammt! Also lassen sie mich in Ruhe und hören sie auf mir dauernd dämliche Fragen zu stellen.“
„Sie machen mir Angst, John. Sie haben sie verändert.“
„Pfff. Einbildung sonst nichts.“
„Einbildung? Verdammt sehen sie sich an.“
Sie kramte einen kleinen Schminkspiegel aus ihrer Hosentasche. Ja, so etwas besaß sie auch, denn trotz all dem war sie nun mal eine Frau. Und wir alle wissen, es gibt keine Frau die das Haus ungeschminkt verlassen würde. Und es gibt erst recht keine Frau die das Land ohne ihr Werkzeug verlassen würde, auch wenn sie Hauptberuflich Mörder fängt und Gauner einbuchtet.
„Sehen sie hin. Sehen sie genau hin. Verdammt sie sehen aus, als ob... als ob sie schon seit Tagen tot sind.“
Sorgfältig begutachtete er sich in dem kleinen Spiegel, was nicht leicht war, da dass Auto ständig hin und her schaukelte. Er zog die Augenlieder auseinander, drückte die Haut zusammen, tat noch so einiges und dann packte er den Spiegel und warf ihn aus dem Seitenfenster.
„He, was soll das? Sind sie verrückt?“
„Nein, ich habe mich noch nie besser gefühlt, egal wie ich aussehe. Ich bin gesund.. Es geht mir gut. Und jetzt lassen sie mich verdammt noch mal in Ruhe.“
Sein Zeigefinger erhob sich mahnend und sein Gesicht erweckte einen erzürnten Eindruck. Das ließ Angela abermals an der Situation zweifeln. Und nur um sicher zu gehen, griff sie an die Stelle an der ihre Waffe saß... nur für den Fall.
John schien das zu gefallen. Oder war es nicht John, dem dies gefiel sondern jemand ganz anderes?“