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11.06.2016
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Jo

Was ist das nur für eine sonderbare Welt, fragt sich Jo wieder einmal. Schon lange Zeit versucht er dahinterzukommen, wie Menschen ticken. Er kann alles vorhersagen. Die Ergebnisse seiner Experimente. Wie groß der Durchschnittsanteil der Roten Gummibärchen in der Tüte ist. Doch Menschen, die versteht er nicht.

Jo beobachtet eine Frau, die mit der einen Hand den Kinderwagen schiebt, mit der anderen Hand das Handy ans Ohr presst und eine Zigarette raucht. Wie macht diese Frau es bloß? Wie kann sie mit einer Zigarette im Mund telefonieren? Das ist Jo ein echtes Rätsel. Das Gespräch wird nur kurz dauern. Oder das Kind im Wagen übernimmt den Job, die Zigarette in regelmäßigen Abständen aus dem Mundwinkel zu entfernen, damit die Mutter den Rauch ausblasen kann. Das beschäftigt ihn solange, dass er spät bemerkt, wie die Wolken sich bewegen und kündigt Regen in 13 Minuten an. Es wird wohl die Nacht durchregnen und mit 75 prozentiger Wahrscheinlichkeit gewittern.

Jo wendet den Blick ab und geht hinüber zu seinem Bücherregal. Zeit für ein bisschen Spaß, denkt er sich, als er einen dicken, zerlesenen Schmöker aus dem Regal zieht. In den letzten Tagen, hat er beinahe die ganze Zeit gearbeitet und kann es sich gönnen zu faulenzen. Während vor seinem Fenster der Regen begonnen hat und die Menschen in den nächsten Laden hechten, zieht Jo sich in seinen dunkelbraunen Ledersessel zurück, steckt die Nase in sein Buch und genießt den intensiven Geruch der altern Buchseiten, bevor er schließlich in den Geschichten versinkt.

Erst als es klingelt schaut Jo auf. 07.45 Uhr am Morgen. Er hat die Nacht durchgelesen, ohne es bemerkt zu haben. Als die Klingel ein zweites Mal in seinen Ohren dröhnt, grummelt er vor sich hin und hievt sich hoch. Bevor Jo die Türklinke herunterdrückt, fragt er sich, wer ihn wohl besuchen komme. Doch die Neugierde überwiegt der Argwohn und er öffnet.

Ein junges Mädchen stürmt herein. Vorbei an Jo und rein in das Wohnzimmer. Jo zuckt zusammen. Das erste Mal in seinem Leben versteht er die Welt nicht. Was macht dieses Mädchen in seiner Wohnung, wie sie in aller Ruhe den Schokokeks, seinen Schokokeks verzehrt, den er sich vom Munde abgespart hat? Verärgert stapft er durch die Tür in sein Wohnzimmer und mustert das Mädchen. So etwas hat er noch nie gesehen. Schwarze, kurzgeschnittene Haare stehen in allen Seiten vom Kopf ab. Durch ihre linke Augenbraue ist ein Stein gestochen. Ein Piercing. Um die braunen, schlammfarbenen Augen sind schwarze Schatten zu sehen. Mit Entsetzen stellt Jo fest, dass sich auf dem Parkettboden bereits eine kleine Pfütze gebildet hat. Mit der Regenvorhersage hatte er in der Tat recht. „Hallo“, versucht er es. „Hoi. Sie sind Jo Foster?“, fragt das Mädchen. Jo stutzt kurz und fragt:„Entschuldigen sie bitte meine Frage, aber wer sind Sie und was machen Sie in meiner Wohnung?“ Das Mädchen grinst ihn an, als sie sagt:“Ich bins. Ich bin Jamie Foster. Mom hat mich rausgeworfen und da dachte ich mir, ich mache dich ausfindig. Hat vielleicht ne Ewigkeit gedauert den richtigen J. Foster zu finden. Das hat Mom nämlich durchblitzen lassen. J. Foster. Mehr wusste ich nie. Hab aufgehört zu fragen, weil Mom immer so wütend wurde, wenn sie über J. Foster sprach. Sie ist dann immer echt voll durchgeknallt. Einmal musste ich die Bullen rufen. Naja egal. Sie hat mich schließlich einfach so herausgeworfen. Irgendwo muss ich ja schlafen, dachte ich mir. Und hier bin ich.“ Mittlerweile lehnt Jo mehr an der Wand, als er steht. Mit einem leichten Zittern in der Stimme sagt er beinahe Tonlos:“Ich weiß nicht, wovon Sie sprechen.“ In Wahrheit hat Jo eine schreckliche Vermutung. Nicht nachgeben. Du darfst dem Gedanken nicht nachgeben, schießt wieder und wieder durch seinen Kopf. „Mann, checkst du es immer noch nicht? Ich bin Jamie Foster. Meine Mom heißt Claire Foster und du bist Jo Foster. Du bist mein Vater“, sagt Jamie. Ihr Stimme überschlägt sich beinahe vor Aufregung. „Jamie“, flüstert Jo, „Jamie Foster.“ Das Mädchen grinst ihn noch immer an. Auf was wartet sie? „Hallo“, versucht Jo es. Doch Jamie sieht ihn nur verständnisvoll an. Sie springt auf und geht zu ihm hinüber. „Daddy, du solltest dich setzen“, sagt sie. Jo nickt und setzt sich auf Sessel. Das kalte, harte Leder beruhigt ihn. Das Blut hört auf in seinen Ohren zu rauschen. Er schaut Jamie ins Gesicht und wundert sich, was dieses junge Mädchen – seine Tochter – dazu veranlasst hat ihre Augenbraue zu zerstechen. Er blickt zu Jamie. Diese sieht ihn noch immer an. Mit diesem Blick. Als wolle sie etwas. Plötzlich wird ihm klar, was sie erwartet und er sagt:“Jamie. Ich habe es nicht gewusst. Es tut mir leid, dass ich keinen Unterhalt gezahlt habe.“ Gespannt schaut Jo seiner Tochter ins Gesicht. Diese zieht eine Augenbraue hoch. Es ist die gepiercte. Mit noch immer hochgezogenen Augenbrauen entgegnet sie:“Vater ich bin gekommen, um dich kennenzulernen. Ich möchte dich bitten bei dir unter zukommen. Ich kann nirgendwo hin. Mom hat mich rausgeschmissen, als ich mal für drei Tage verschwand.“ Jo stützt seinen Kopf mit der Hand. „Oh. Oh. Ich...ähm. Du kannst hier bleiben solange du möchtest. Du kannst mein Zimmer haben. Ich schlafe dann ähm...ich schlafe dann irgendwo anders“, stammelt Jo. Er steht auf und streckt seiner Tochter die Hand hin. Anstatt sie zu schütteln umarmt sie ihren lange verlorenen Vater. Dieser sträubt sich zuerst, doch nach kurzer Zeit entspannt er sich.

 

Die Autorin schrieb zu ihrer Geschichte:

Hallo,
ich bin neu hier auf Wortkrieger und versuche noch herauszufinden, wie alles hier funktioniert. Diese Kurzgeschichte entstand in einem spontanem "Freewriting" und ich benötige dringend Feedback. :-)
Deswegen freue ich mich über jede Antwort.

Vielen Dank im Voraus.
Mit freundlichen Grüßen,
MissPanama00


Solche Anmerkungen bitte immer unter dem Text im Extrapost schreiben.

Willkommen hier.

Liebe Grüße,
GoMusic

 

Hallo MissPanama00,

Deine Geschichte hat denke ich viel Potential, da kann man einiges draus machen. Noch ist mir die Story aber etwas zu flach, zu einfach und bequem für die Protagonisten ;)

Zuerst zu den rein formalen Aspekten: Während du am Anfang einige gliedernde Absätze eingebaut hast, lässt das zum Ende hin stark nach. Gerade dort ist allerdings viel Dialog, den du durch Absätze kennzeichnen solltest. Sobald eine neue Person spricht, beginnst du eine neue Zeile. Also zum Beispiel:
statt

Mit der Regenvorhersage hatte er in der Tat recht. „Hallo“, versucht er es. „Hoi. Sie sind Jo Foster?“, fragt das Mädchen.
so
Mit der Regenvorhersage hatte er in der Tat recht.
„Hallo“, versucht er es.
„Hoi. Sie sind Jo Foster?“, fragt das Mädchen.

Auf Zeichensetzungsfehler u.ä. gehe ich jetzt aus Zeitmangel nicht ein, vielleicht erbarmt sich ein anderer hier, der das vermutlich sowieso besser kann als ich ;)

Nun zum Inhaltlichen. Deine Dialoge haben großen Erklär-Charakter. Dadurch wirken sie sehr konstruiert. Außerdem lässt du viele Informationslücken, mit denen du den Text weiter ausschmücken könntest. Wie kam es denn dazu, dass ausgerechnet so jemand wie Jo ein Kind zeugt? Was ist zwischen Jamies Mutter und Jo vorgefallen, dass sie nur schlecht von ihm spricht? Das sind so Dinge, die will man als Leser erfahren ;)

Am Anfang zeichnest du einen Jo, der in seiner eigenen Welt abgekapselt lebt und sich vor sämtlicher sozialer Interaktion sträubt. Ich hatte den Eindruck, dass er leicht autistische Züge trägt, liege ich da richtig oder überinterpretiere ich da einfach etwas?
Unter dieser Annahme habe ich den weiteren Text gelesen und fand daher das Ende recht unrealistisch. Ein Mensch, der das Alleinsein liebt und mit Menschen nicht klar kommt, nimmt mal eben einen wildfremden Menschen bei sich in der Wohnung auf? Tochter hin oder her, sie ist fremd für ihn. Es passt nicht zu dem Jo, den du dem Leser vorgestellt hast, dass er seine Tochter ohne auch nur ein einziges Widerwort bei sich aufnimmt. Er zögert viel zu wenig. Sie muss ihn ja gar nicht wirklich überreden.
Hier hat deine Geschichte richtiges Konfliktpotential. Sowas wie einen Konflikt gibt es vorher ja gar nicht, seine Tochter, von der er nichts wusste, kommt zu ihm und schwups, Friede Freude Eierkuchen, sie wohnt bei ihm, die Familie ist vereint. Lass ihn sich doch weigern, zettel eine Diskussion an, lass ihn abblocken, wie auch immer. Mach es Jamie nicht so einfach ;)

So, vielleicht schreibe ich später noch mehr, jetzt fehlt mir aber die Zeit, deshalb beende ich meinen Kommentar an dieser Stelle ;)

Liebe Grüße, Sommerdieb

 

Hallo Sommerdieb,

ich habe mich sehr über die Rückmeldung gefreut und setzt mich gleich an die Überarbeitung :D. Da das hier, wenn man es genau nimmt, meine erste (mehr oder weniger "richtige") Kurzgeschichte ist, bin ich echt dankbar über das Feedback. Okay alle guten Dinge sind drei: Also noch einmal Dankeschön :)

Liebe Grüße, MissPanama00

 

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