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Jisks I
Er hatte seine Arbeit beendet und war vollends zufrieden. Seine Hände glühten noch von dem Zauber, den er gerade benutzt hatte. Er war Alchemist und einer der besten Magier im Umkreis der Hauptstadt. Und er war stolz auf sein Werk, sein Lebenswerk. Er hatte es sich zur Aufgabe gemacht, neues Leben zu erschaffen, aber nicht als Golem, der nur auf Befehle gehorchte, sondern als richtiges Leben. Jahrelang hatte er an der Formel gearbeitet, mit anderen Magiern hatte er sich ausgetauscht und nun war er endlich fertig.
Der Körper lag auf dem Tisch vor ihm, es würde noch einige Zeit dauern, bis er sich regen würde. Aber dann würde er endgültig Gewißheit darüber haben, ob er sein Ziel erreicht hatte. Doch bis dahin hieß es warten.
Ich schlug zum allerersten Mal die Augen auf, irgendwie wusste ich instinktiv, dass es das erste Mal war. Ich betrachtete die Welt um mich herum, sie war mit irgendwie vertraut, oder kam mir zumindest so vor. Unter mir spürte ich den Tisch auf dem ich lag, komisch, ich konnte Dinge benennen, von denen ich wusste, das ich sie noch nie zuvor erblickt hatte. Der Raum in dem ich lag, war über und über mit Materialien vollgestopft. Er wirkte wie ein Labor, bin ich in einem Labor entstanden? Dann fiel mein Blick auf die Tür, die sich gerade öffnete. Ein Mann kam herein und starrte mich mit glänzenden Augen an. Er wirkte sehr glücklich.
Der Alchemist betrachtete sein Werk, der Jisk hatte gerade die Augen geöffnet. Er starrte ihn erwartungsvoll an. „Willkommen in deinem neuen Zuhause,“ sagte der Alchemist.
„Wer ... was bin ich?“ kam die Antwort.
„Ein Jisk, ein magisch erschaffenes Wesen mit der Gabe zu fühlen, zu handeln und eigenständig zu denken.“
„Warum hast du mich erschaffen?“ fragte der Liegende.
„Du bist mein Lebenswerk, mein einsames Leben wird nun ein Ende finden.“
„Du wolltest nur Gesellschaft? Nur deshalb hast du mich erschaffen? Hättest du nicht deinesgleichen finden können?“ Der Liegende lag nicht mehr, sondern hatte sich aufgestützt.
„Nein, nicht nur der Gesellschaft wegen, ich wollte es allen zeigen, etwas vollbringen, was kaum jemanden vergönnt ist. Du musst wissen, es gibt kaum welche deiner Art.“ Der Alchemist nahm auf einem Hocker neben dem Tisch platz.
„Dann bin ich ja einsam, warum hast du mich einsam gemacht?“
„Du bist nicht einsam, du hast mich und alle anderen um dich herum, du unterscheidest dich äußerlich nicht von einem Menschen und auch innerlich bist du ihnen gleich. Du wurdest lediglich durch Magie erschaffen. Das ist der Unterschied.“
„Also gestattest du mir ein normales Leben? Auch wenn ich weggehe?“ Der Jisk schaute sich weiter in dem Raum um und ging zu einem der Fenster, um nach draußen zu schauen.
Ich ging zu dem Fenster und schaute nach draußen. Ich sah weitere Häuser und viele Menschen. Alte, junge, männliche und weibliche. Sie hatten verschiedene Kleidungen an und sahen alle verschieden aus. Ich verspürte den Drang, nach draußen zu gehen und alle zu grüßen.
„Wieso antwortest du mir nicht?“ Der Jisk hatte sich vom Fenster abgewendet und ging in Richtung seines Erschaffers.
„Wir werden später noch einmal darüber reden. Zunächst einmal wirst du bei mir bleiben, ich werde dich vieles über die Welt da draußen lehren.“
Damit gab sich der Jisk zunächst zufrieden. Er bekam vieles von seinem Meister gezeigt, wie er sich zu verhalten hatte, was er zu tun hatte und ähnliche Dinge. Sogar einen Namen bekam er, Jirisk. Nach einiger Zeit stellte Jirisk ihm dieselbe Frage nocheinmal.
„Wirst du mich ein eigenes Leben führen lassen?“
„Nein!“ kam die Antwort. Doch damit war der Jisk nicht zufrieden, „Warum nicht, du sagtest ich sei ein normaler Mensch, also lass mich auch leben wie einer.“
Der Alchemist schaute ihn an „Ich sagte du bist fast ein normaler Mensch, also bleibst du hier. Was willst du da draußen machen, eine Familie gründen?“
„Wieso nicht, hast du etwas dagegen?“ Der Jisk blickte zornig zurück. „Haha, DU und eine Familie, welche Frau sollte denn so blöd sein, sich mit dir einzulassen?“ Der Alchemist verspottete ihn. Da wurde der Jisk zornig und kam auf ihn zu.
Ich hatte noch nie soviel Zorn verspürt. Sicher, das Leben mit meinem Meister war nicht einfach, er war ein sehr komischer Mensch und ich verdanke ihm viel. Aber jetzt ist es genug, wenn er mich nicht ziehen lassen will, werde ich einfach so gehen. Ich ging ihm entgegen, aber nur, um mich sofort zur Tür zu drehen. Mein Meister stellte sich mir in den Weg, „Nein“ schrie er „Du gehst nicht“, aber ich schob ihn zur Seite. Ja, ich war um einiges stärker als mein Meister, er hatte mich so gemacht, damit ich für ihn arbeiten konnte. Aber damit war es jetzt vorbei. Er kam wieder herangesprungen und zerrte mich, da schlug ich auf ihn ein. Er ging kurz zu Boden, stand aber gleich wieder auf. Das war ein tolles Spiel, er wurde meine Marionette, je mehr er sich wehrte, desto weiter schubste ich ihn. „Hör sofort auf damit, sonst...“ schrie er, wollte er mir etwa drohen? Hass kam in mir auf, er sollte mich doch nur gehen lassen. Wieder einmal kam er heran, er hatte keine Chance, plötzlich hob er die Hand, zum Zaubern, da schlug ich zu. Er sank zu Boden. Ich hasste ihn, ja ich hasste ihn. Wieder und wieder schlug ich auf ihn ein, trat ihn und schließlich sah ich meine Chance, ich würde mich meines Meisters entledigen, ein für alle mal. Auf einem Tisch lag ein langer Dolch, den ich nahm. Zitternd hielt ich die Waffe in meiner Hand, doch dann stieß ich zu. Er gab ein letztes Röcheln von sich, dann erloschen seine Lebensgeister.
Ich ging zur Tür, froh endlich frei zu sein, doch plötzlich hatte ich ein Stechen in der Brust. Ich blutete, noch dazu an der selben Stelle wie mein Meister.
Er hatte mich mit ihm verbunden, da er nun tot war, würde auch ich sterben. Deshalb hatte er mich nicht gehen lassen wollen! Ich war sein Werk, auf ewig ihm verpflichtet, bis in den Tod.
Die Erkenntnis seines Fehlers, war das letzte woran Jirisk dachte, dann erloschen auch seine Lebensgeister. Sein lebloser Körper sank zu Boden und wurde wieder zu der Magie, aus der er erschaffen war.