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Jetzt
»Kontrolle? Ich habe da ein Problem.«
Leises Rauschen drang aus dem Lautsprecher, immerhin funktionierte die Anlage. Allerdings vermisste ich eine Antwort.
»Kontrolle. Hier Greg Navik. Ich habe ein Problem.«
Das Rauschen blieb. Und auch das miese Gefühl, in der Falle zu sitzen. Warum meldete sich denn da niemand? Ich hatte noch nie erlebt, dass eine Frage unbeantwortet geblieben war. Ein ungutes Gefühl beschlich mich.
»Hallo Kontrolle. Bitte melden. Das ist ein Notfall!« rief ich etwas lauter, und schon sehr nervös werdend.
Wenn ich richtig sah, war das da vorne eine Abzweigung, wenn ich die noch schaffte ...
»Hier Kontrollpunkt 23ZE. Ihr Notfall ist entgegengenommen und aufgezeichnet worden. Es gibt Kommunikationsprobleme. Bewahren Sie Ruhe.«
»Ja hallo, ich bin auf der Autobahn Richtung ...«
Es gab Kommunikationsprobleme? Ganz sicher gab es die. Die hatten einfach abgeschaltet. Das ging doch nicht. Ich saß hier in diesem Wagen, der sich einen Teufel um meinen Fahrauftrag scherte und die legten einfach auf. Wozu gab es die eigentlich?
Ich schlug mit der Hand auf den roten Notschalter. Keine Ahnung, was der bewirkte, aber ich hatte keine Lust, in dieser Kiste zu sitzen, wenn sie irgendwo geradeaus reinrauschte.
Verdammt, wäre ich doch gestern schon gefahren, dann würde mit den anderen Teilnehmern des Meetings bei einem Drink an der Hotelbar sitzen. Nein, ich musste ja unbedingt noch den kleinen Extraauftrag annehmen. Das hatte ich davon. Und ausgerechnet jetzt passierte so ein Mist.
Den Automaten interessierte meine Aktion überhaupt nicht. Der rote Knopf blinkte zwar, aber ansonsten tat sich nichts. Oder? Irgendwas war anders. Angestrengt und langsam panisch werdend starrte ich durch das Seitenfenster meines kleinen amokfahrenden Wagens. Ein paar Wolken am Himmel, die Sonne beinahe am Horizont verschwunden, die Stadtsilhouette schräg hinter mir, die fast im Schatten verschwindende andere Straßenseite konnte ich kaum ...
Schatten?
Waren eben nicht erst die Straßenlaternen angegangen? Mir dämmerte, dass da irgendwas geschehen war, das nicht nur mich betraf. Doch noch verdrängte ich es mit Leichtigkeit.
»Kontrolle, der Notfall ist noch nicht vorüber. Bitte handeln Sie! Sofort! Der Wagen fährt doch steuerlos ...«
Während ich diese Worte beinahe schrie, in dem kläglichen Versuch, damit meine Angst zu unterdrücken, sah ich mich suchend in der kleinen Fahrgastkanzel um und fand einen Schalter unter dem roten Knopf, der mit ›Auto‹ beschriftet war.
Natürlich, ich saß in einem Auto, klar. Aber was bedeutete es, dass dieser Schalter im gleichen Rhythmus blinkte wie der große rote Knopf?
Ich beugte mich vor und betrachtete die Armatur. Ein kleines Anzeigefeld, drei untereinander angebrachte Kippschalter, der große Knopf und der Schalter. Das war alles. Wann hatte ich das letzte Mal bewusst darauf geachtet? Es musste Ewigkeiten her sein. Man setzte sich in die Dinger, nannte sein Ziel und schwupps, war man da. Ganz einfach.
Anscheinend jedoch nicht, denn zum ersten Mal begriff ich, dass dahinter Mechanismen steckten, die auch mal versagen konnten. Zumindest teilweise. Das brachte mich wieder zu den Straßenlaternen. Und auch die Stadt war nicht gänzlich erleuchtet. Irgendwie wirkte es, als stünden dunkle Wohntürme vor dem hinteren, hellen Teil der Silhouette.
Stromausfall im hiesigen Bezirk.
Und ich saß in dieser Todesbüchse.
Während ich nach draußen gesehen hatte, war ich bestimmt an drei oder vier anderen Fahrzeugen vorbeigerauscht. Wurde diese elende Kiste etwa schneller?
Ich sah durch die Frontscheibe. Die wenigen roten Lichter der anderen Autos kamen rasend schnell auf mich zu, und ich riss vor Schreck die Arme hoch. Dann wurde ich nach links geworfen, rappelte mich hoch, ein Ruck nach rechts. Ich schlug so mit dem Kopf gegen die Scheibe, dass Sternchen vor meinen Augen kreisten.
Vom Aufprall selbst hatte ich seltsamerweise wenig mitbekommen. Krampfhaft hielt ich mich an den Haltegriffen fest, doch es war vorbei. Keine roten Leuchten mehr vor mir. Ich sah nach hinten. Dutzende ruhige Doppellampen entfernten sich schnell. Wie konnte das sein? Alle anderen Fahrzeuge hielten an, nur das Ding, in dem ich hockte, raste munter weiter. Allerdings hatte es, wie es schien, einige Beinahezusammenstöße verhindert. Ich fasste vage Hoffnung, das Abenteuer doch noch lebend zu überstehen.
Meinen Termin würde ich sowieso nicht mehr einhalten können. Ich musste jetzt nur sehen, dass ich irgendwo hinkam, wo mein Wagen anhalten und ich aussteigen konnte.
Mein Blick fiel wieder auf den blinkenden Schalter. »Auto«.
Was wusste ich über das Verkehrssystem, außer dass es mich preiswert überall hinbrachte. Die Energie kam aus Leitungen im Boden. Wie das Auto sie anzapfte, wusste ich nicht. Egal. Strom gab es hier aber nicht mehr, sonst wären die Straßenlaternen nicht dunkel. Also musste der Wagen eine Reserveenergie besitzen, die er nun verbrauchte. Verflucht, wer hätte denn gedacht, dass ich diesen Schulkrempel mal benötigen würde.
Aber selbst wenn ich es verstehen würde, könnte ich an der Situation ja doch nichts ändern.
»Kontrolle?«
»Herr Navik. Na endlich. Wo stecken Sie denn?«
Mehr entsetzt als erschrocken starrte ich das Pult an, in dem ich den Lautsprecher vermutete. Waren die jetzt völlig durchgedreht?
»Wie bitte?«, blaffte ich in die entstandene Stille.
»Wir haben Sie verloren. Das System konnte ihren Wagen nicht finden und wie vorgesehen abbremsen.«
Wie die anderen hinter mir. Na toll.
»Ich ... ich bin noch auf der Autobahn. Mein Wagen fährt immer noch. Was ist denn los?«
»Kleiner Unfall im lokalen Kraftwerk. Müsste bald behoben sein.«
War mir egal, ich wollte nur ...
»Herr Navik, darf ich fragen, ob am Pult vor Ihnen irgend etwas blinkt?«
Was sollte die Frage, natürlich.
»Ja, der rote Knopf für den Notfall. Ich hatte nach dem letzten Gespräch etwas Angst und habe ihn gedrückt. War das nicht okay?«
»Oh doch, kein Problem. Der Wagen fährt Sie automatisch bis zur nächsten Raststation, er ist so programmiert.«
Aha, das ›Auto‹-Rätsel war damit gelöst. Und auch meine Odyssee schien bald ein Ende zu haben. Langsam beruhigten sich meine Nerven. Ich fühlte mich schon bedeutend besser.
»Damit wir Sie orten können, müssten Sie das GPS einschalten. Es wird normalerweise nicht gebraucht.«
»Okay, wie geht das?«
»Sie drücken den unteren ...«
Klick!
»Erledigt. Können Sie sehen, wo ich mich befinde? Ist ja schon eine Strecke her.«
Wieder das leise Rauschen, doch diesmal machte es mir nichts. Die mussten auf ihren Geräten gleich mein Signal kriegen.
»Herr Navik?«
Mein Blick war zur Frontscheibe gewandert. Draußen fraß sich das Scheinwerferlicht durch die Dunkelheit.
»Ja?«
»Wir sehen Sie immer noch nicht. Haben Sie tatsächlich den unteren der drei Knöpfe betätigt?«
Drei?
»Nein, d ... den and ... anderen«, stammelte ich, während mir der kalte Schweiß ausbrach. »Da wo ›Auto‹ draufsteht.«
»Ach du Scheiße.«
Die Panik griff erneut mit eisigen Klauen nach mir. Ich glotzte erstarrt auf das Pult, wo vier andere Buchstaben erschienen waren: ›Manu‹.
»Hören Sie? Das ist jetzt sehr wichtig, dass Sie genau zuhören und nur das tun, was ich Ihnen sage. Okay?«
Der Sinn der Worte sickerte nur ganz langsam in mein erlahmtes Bewusstsein. Ich Trottel!
»Ja.« Es war nicht mehr als ein Hauch.
»Herr Navik? Haben Sie mich verstanden?«
»Ja, habe ich.«
»Sie werden gleich, wenn ich jetzt sage, den richtigen, unteren, der drei übereinanderliegenden Knöpfe drücken. Gleich!«
Meine bereits vorgestreckte Hand zuckte erschrocken zurück. Was war nur los mit mir? Der Mann wollte mir doch helfen.
»Setzen Sie sich ganz nach rechts und ziehen Sie die Beine an.« Ich tat, was er sagte. »Habe ich.«
»Wenn Sie den Knopf betätigen, wird die Steuerkonsole aus dem Pult kippen, mit der Sie den Wagen von Hand steuern können. Steuern müssen.«
Mir wurde schwindelig. Ich sollte was? Und außerdem, so fiel mir ein, wenn ich den Knopf eben gedrückt hätte, wäre dann die Konsole gegen meine Beine geschlagen? Ich musste die Frage laut ausgesprochen haben, oder der Kerl konnte Gedanken lesen.
»Das geschieht erst, wenn beide Knöpfe gedrückt sind. Allerdings nun etwas heftiger. Sie werden sehen.«
Nach einer kleinen Pause fragte er: »Bereit?«
Das war ich. »Drücken Sie jetzt.«
Im nächsten Moment explodierte das Pult förmlich, und als der Rauch sich gelegt hatte, ohne dass das Pfeifen in meinen Ohren verklungen wäre, war da so ein Rad.
»Alles in Ordnung bei Ihnen?« Irrte ich mich oder klang die Stimme amüsiert?
»Ja schon. Sie hätten mich warnen können.«
»Habe ich das nicht?«
Leck mich. »Was soll ich tun?«
»Setzen Sie sich hinter das Lenkrad und greifen vorsichtig danach.«
Lenkrad? Oh nein, ich würde das Ungetüm tatsächlich mit der Hand steuern! Dabei zitterte ich doch viel zu sehr.
»Am Boden befinden sich zwei Pedale. Das Linke ist das wichtigste. Damit können Sie die Geschwindigkeit reduzieren. Ah, jetzt sehe ich Sie auf dem Monitor. Alles wird gut.«
Seine letzten Worte hörte ich nicht mehr richtig, denn ein erbärmliches Quietschen ertönte, als ich auch schon gegen die Frontscheibe prallte. Die Welt drehte sich, ich wurde hin und her geschleudert. Glas splitterte und dann gab es einen furchtbaren Aufprall.
»Herr Navik, was ist? Da war so ein Lärm in der Leitung?«
Mir tat seltsamerweise wieder nichts weh. Musste eine Nebenwirkung der Panik sein.
»Ist bei Ihnen alles in Ordnung?«
»Ich glaube nicht«, nuschelte ich.
»Hey, Sie stehen ja. Oh nein, haben Sie etwa die Bremse schon getreten?«
Na sicher. Er hatte doch jetzt gesagt.
ENDE