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Jeromes Sitzung

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06.12.2015
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Jeromes Sitzung

"Es war Freitag", sagte Jerome schüchtern.
"Wie hast Du es gemerkt?"
"Sie sagte komische Sachen."
"Was für Sachen?"
"So Sachen eben!" Dr. Bolinbrook hörte auf zu schreiben und schaute auf. Jerome hatte die Stimme erhoben. Er wirkte verzweifelt, aber diesen Eindruck machten die meisten Kinder, die in seinem Sessel Platz nahmen. "Mama hat komische Worte benutzt und die ganze Zeit was mit ihrer Zunge gemacht."
"Was denn?"
"Die Spitze rausgestreckt und so bewegt."
Bolinbrook machte sich wieder Notizen. Die Feder kratzte über das Papier als wäre sie in Eile.
"War Dir das unangenehm?"
"Ja, war es." Er schwieg eine Weile und sah auf seine Füße, die in dem großen Stuhl einfach nach vorn über die Sitzfläche ragten. "Zuerst fand ich es lustig, aber dann..."
Bolinbrook schwieg und betrachtete den Jungen, der in dem übergroßen Sessel verloren wirkte wie ein Schoner mit zerrissenen Segeln. Jerome starrte angestrengt auf seine kleinen Schuhe.
"Dann...?"
Jerome reagierte nicht. Er fing an mit den Füßen zu wippen.
"Dann bekam ich Angst."
Dr. Bolinbrook fand es immer wieder erstaunlich, wie Kinder instinktiv wissen, wenn ihnen vertraute Menschen Dinge tun, die falsch sind. Vor drei Jahren hatte eine Vierjährige vor ihm gesessen, die erzählte, wie Papa sie manchmal auf den Schoß nahm und dann seine Beine so komisch bewegte. Sie konnte nicht wissen, was er da tat, aber sie wusste, dass es verwerflich war. Kinder spüren es. Bei Jerome hatte es nicht einmal Missbrauch gegeben. Trotzdem wusste er Bescheid.
"Wovor?"
"Dass Mama... Ich weiß nicht."
"Krank ist?"
"Vielleicht. Ist sie denn krank?"
"Deine Mama ist tot. Weißt Du, was das bedeutet."
"Ja", sagte er und wippte weiter mit dem Fuß.
"Was bedeutet es?"
"Dass sie jetzt weg ist."
"Wohin weg?"
"In die Hölle."
"Nicht in den Himmel?"
"Nein."
"Warum nicht?"
"Weil sie böse ist. Oder nicht?"
"Nein. Deine Mama war krank, aber kein böser Mensch."
"Aber sie hat Papas Hals aufgemacht."
Was für eine merkwürdige Formulierung für einen Neunjährigen, dachte Bolinbrook. Gewöhnlich können Kinder unterscheiden zwischen einem mechanischen Vorgang wie "aufmachen" und einem Mord.
"Sie hat ihn getötet, ja."
"Ich weiß." In Jeromes Augen glitzerte es. "Nur böse Menschen töten andere."
"Nein. Soldaten werden sogar dafür bezahlt, andere zu töten."
"Ja, aber Soldaten töten die Bösen, nicht die Guten."
"Woher weißt Du, welcher Soldat gut ist und welcher böse?"
"Ich kenne keinen Soldaten."
"Du bist doch aber mit Deiner Mama und Deinem Papa aus einem Land gekommen, in dem Bürgerkrieg war. Da gab es viele Soldaten. Und die haben alle gegen andere Leute gekämpft. Denkst Du, die anderen dachten von sich selbst, dass sie böse wären?"
"Weiß nicht."
Jerome wischte sich mit den Fingerknöcheln über die Augen. Eine Geste, die gerade bei Kindern so unendlich verletzlich aussah, dass es einem das Herz brechen konnte. Viele Kinderpsychologen gehen mit vierzig in den Ruhestand oder fangen an, Bücher zu schreiben. Bolinbrook glaubte, dass es auch an dieser kleinen Geste lag. Jeden Tag sitzen einem Kindern gegenüber, die zu früh zu viel von der Welt wussten.
"Sie hat mit den Fingern so ein 'V' gemacht und die Zungenspitze durchgestreckt."
"Und woher wusstest Du, dass das böse war?"
"Sie hat dabei komisch geguckt."
"Und dann?"
"Sich zwischen die Beine gefasst."
"Hatte sie das vorher schon mal gemacht?"
"Nein. So komisch gestöhnt auch nicht."
"Und dann?"
"Dolle gelacht. Ganz laut. Und ohne dass jemand was Lustiges gemacht hat." Tränen sammelten sich in Jeromes Augen. Flehend blickte er zu Bolinbrook, als könne der irgendwie die Zeit zurückdrehen.
"Und da hast Du Angst bekommen?"
"Ja. Als sie so gelacht hat. Wie eine... Wie heißt das?"
"Geisteskranke?"
"Ja." Eine Träne lief Jeromes Wange herunter. Er wischte sie schnell mit dem Ärmel weg.
"Und dann?"
"Willst Du mich ficken?" Jeromes Stimme brach und als Bolinbrook über das Klemmbrett hinweg sah, hörte Jerome auf mit den Füßen zu wippen und schien ihm mit seinen tränennassen, weit aufgerissenen Augen direkt in den Kopf zu schauen.
"Willst Du mich ficken?", wiederholte Jerome noch bitterer, noch nachdrücklicher und reckte den Kopf ein Stück weit in Bolinbrooks Richtung.
"Was?"
"Das hat sie gesagt!" Jeromes Kinn lag in Falten. Sein Blick versuchte vielleicht den irren Blick seiner Mutter zu imitieren, vielleicht kam er aber auch aus seinem tiefsten Inneren.
"Und was hast Du——?"
"Geantwortet?", fragte Jerome mit tränenerstickter Stimme.
"Ja." Bolinbrook musste jetzt selbst einen Kloß aus dem Hals wegschlucken.
"Ich wusste nicht, was das ist. Was bedeutet es?"
"Gar nichts."
"Sie lügen."
"Nichts, was Du wissen musst", schob er schnell hinterher und tat so als würde er sich Fusseln vom Pullover streichen.
"Auf Ihrem Pullover ist nichts." Jeromes Stimme schien sich leicht verändert zu haben. Oder kam es ihm nur so vor?
"Ich weiß."
Er war erstaunt, wie blitzgescheit dieses Kind war.
"Und dann?", fragte Bolinbrook.
"Was dann?"
"Was hast Du geantwortet?"
"Ich habe gelacht."
"So wie Deine Mama vorher gelacht hatte?"
"Vielleicht. Aber nicht so hysterisch."
"Woher kennst Du das Wort?"
"Papa hat es manchmal gesagt."
"Und Du weißt, was es bedeutet."
"Ja."
Jerome rutschte auf dem Stuhl nach vorn und stand auf.
"Was ist?"
"Ich muss mal die Beine knicken. Ihr Stuhl ist zu groß."
"Tut mir Leid."
"Hören Sie auf sich zu entschuldigen", schnappte Jerome.
Bolinbrook musterte ihn. Der Junge sah ihn merkwürdig an. Wo sich eben noch Tränen gesammelt hatten, funkelte jetzt eine seltsame Abschätzigkeit.
"Bist Du grade wütend?"
"Auf wen sollte ich wütend sein?"
"Das weiß nicht."
"Warum fragen Sie dann?"
"Du scheinst wütend zu sein. Ich möchte nur herausfinden, warum."
"Ich bin nicht wütend."
"Doch, ich denke schon."
"Ach ja?"
"Ja."
Jeromes plötzliche Aggressivität war unmotiviert, aber der Junge hatte in den letzten vierzig Stunden auch einige verheerend verstörende Dinge gesehen. Was Bolinbrook mehr verstörte war, dass er geistig schlagartig um zehn Jahre gealtert zu sein schien.
"Was schreiben Sie da eigentlich die ganze Zeit?"
"Ich mache mir Notizen."
"Das weiß ich, aber was genau schreiben Sie sich auf?"
"Dein Antworten."
"Sie lügen schon wieder."
"Nein."
"Doch."
Jerome war im Raum ein wenig hin und hergelaufen, stand jetzt aber direkt vor Bolinbrooks Stuhl und sah ihn an wie eine Katze, die einen Schmetterling vor dem Fenster beobachtet.
"Was ist danach passiert?"
Jerome sah ihn einen Moment reglos an und wendete erst den Blick, dann den Körper ab, um wieder im Raum herumzuwandern.
"Das wissen Sie doch."
"Nein, ich war ja nicht dabei."
"Sind Sie gern Psychologe?"
"Was ist danach passiert?"
"Sind Sie gern Psychologe?"
"Ja. Was ist danach passiert?"
"Mama hat weiter herumgealbert und dann ist Papa nach Hause gekommen."
"Und dann?"
"Hören Sie mit dem Scheiß auf!"
Der Füller verharrte im Wort.
"Wie bitte?"
"Ich sagte, Sie sollen mit dem Scheiß aufhören", wiederholte Jerome und nahm aus dem Bücherregal eine kleine Tonbüste. "Wer ist das."
"Steht es nicht unten drauf?"
"Ich kann lesen. Aber wer ist das?"
"Wen hast Du denn da?"
"Jung. Ein Psychologe?"
"Ja."
"Papa ist nach Hause gekommen."
"Sagtest Du schon."
"Warum sind Sie so aggressiv?"
"Bin ich nicht."
"Doch."
"Den Spieß umzudrehen ist eine normale Verhaltensweise, wenn man schlimme Sachen erlebt hat."
"Ach ja?"
"Ja." Bolinbrook notierte den plötzlichen Wandel des Jungen.
"Ihr Stift kratzt sehr."
"Tut mir Leid."
"HÖREN SIE AUF, SICH ZU ENTSCHULDIGEN!" Bolinbrook fuhr auf seinem Stuhl zusammen.
"Warum schreist Du mich an?"
"Weil Sie mir nicht zuhören! Hören Sie auf sich zu entschuldigen!"
"Aggressivität hilft uns nicht", sagte Bolinbrook und spürte seinen Puls pochen.
"Papa kam nach Hause und rammte von innen den Schlüssel ins Schloss."
"Und dann?"
"Dann kam er ins Wohnzimmer."
"Wo Ihr gesessen habt."
"Wo wir gesessen haben." Jerome inspizierte die kleine Büste in seinen kleinen Händen. "Und dann?"
"Und dann was?"
"Das sollten Sie doch fragen, oder?"
"Dann sag's mir."
"Was denn?"
"Was dann passiert ist." Jeromes Verhalten beunruhigte ihn. Er durchschaute das Kind nicht und verstand erst recht nicht, warum Jerome so plötzlich so dominant geworden war.
"Dann hat Mama aufgehört herumzualbern."
"Was hat Papa gemacht?"
"Gestunken."
"Wonach?"
"Gin."
"Woher weißt Du, wie——"
"Erfahrung."
Bolinbrook kam der Gedanke, dass Jerome meinen könnte, dass er selbst schon Gin getrunken hatte und schämte sich für den Gedanken.
"Schämen Sie sich nicht."
"Wofür?"
"Ihre Gedanken."
"Du weißt, was ich denke?"
"Ja."
"Okay, woran denke ich grade."
"Den Sardinengeruch, den die Fotze Ihrer Frau verströmt, wenn sie vom Aerobic kommt. Und wie Sie es riechen können, selbst nachdem sie duschen war."
"Nein. Du hast verloren."
"Nein, habe ich nicht."
"Hat Deine Mutter manchmal so gerochen?"
"Nein, nie."
Als Bolinbrook wieder von seinem Klemmbrett aufsah, stand Jerome so dicht vor ihm, dass es ihm unangenehm war. Bolinbrook wollte etwas sagen, überlegte es sich aber anders, sodass sein Mund nur ein Schmatzen von sich gab.
"Was wolltest Du sagen, Doktor?"
"Ich wollte fragen, was——"
"Danach passiert ist?"
"Genau."
"Mutter hat mir zugelächelt. Papa hat sich aufs Sofa fallen lassen und ist dabei mit dem Becken gegen die Tischkante gestoßen, dass der Tisch gewackelt hat. Die Kerze ist umgefallen und ausgegangen und der Wachs ist über die Tischdecke gekleckert."
"Das."
"Was?"
"Das Wachs, heißt es. Nicht 'der' Wachs."
"So so."
"Ja."
Jerome sah ihn an. Die Situation erschien Bolinbrook so banal und dabei so merkwürdig bedrohlich, dass es ihm einen Schauer über den Rücken jagte.
"Und dann hat Papa angefangen zu reden."
"Was hat er denn erzählt?"
"Nichts besonderes. Nur Gefasel."
"Und die Mama?"
"Hat nichts gesagt. Sie war ja in der Küche."
"Und was hat sie da gemacht?"
"Weiß ich doch nicht. Ich war ja im Wohnzimmer."
"Und als sie wiederkam?"
"Gekommen ist sie wohl." Jeromes Kindergesicht verzog sich zu einer Fratze. "Ich bin auch nicht böse."
"Was?"
"Was 'was'?"
"Ich meine: Was ist——"
"Ja ja, schon klar. Als sie zurückkam, hatte sie ein Messer in der Hand."
"Bitte stell die Büste zurück." Jerome war wieder in den Sessel geklettert und strich mit dem Finger über die Augen Jungs.
"Ich lasse sie schon nicht fallen."
"Bitte stell sie zurück."
Jerome warf ihm einen Blick zu, stand aber wieder auf.
"Also, was ist dann passiert?"
"Mama hat die Türklinke nach dem Runterdrücken einfach hochschnellen lassen. Papa hat aufgehört zu faseln, weil das Geräusch die Scheibe hat vibrieren lassen."
"Und dann?", fragte Bolinbrook. Er sah nicht, wie Jerome den Brieföffner von seinem Schreibtisch genommen hatte.

Die Vorzimmerdame hatte ausgesagt, der Junge wäre allein aus dem Zimmer gekommen, hätte die Hand in den Raum gestreckt und es hatte ausgesehen als hätte Bolinbrook sie geschüttelt. Als sie eine Minute später in das Behandlungszimmer gekommen war, hätte sie den Notarzt gerufen und wäre danach auf die Straße gelaufen, um zu sehen, ob Jerome noch da war. Aber Jerome war schon weg.

 

Hallo Loui,

herzlich Willkommen hier bei uns.

Ich möchte ein paar Gedanken zu der Geschichte loswerden, auch wenn ich mich überhaupt nicht kompetent in Bezug auf Psychologen und deren Behandlungsformen fühle. So kann ich inhaltlich nicht beurteilen, ob das Verhalten von Dr. Bolinbrook professionell genug war, als sich die Rolle von Jerome derartig änderte. Diese Frage ist aber meiner Meinung nach wichtig für das Ende.

Ich fand die Unterhaltung über weite Strecken hinweg sehr authentisch, also nicht unbedingt inhaltlich, aber die Art des Dialogs kam bei mir gut an. Die Perspektivwechsel jedoch gaben dem Text eine gewissen Unruhe, z.B. dieser lange Einschub passt in meinen Augen nicht so recht zum Rest der Textstruktur:

Dr. Bolinbrook fand es immer wieder erstaunlich, wie Kinder instinktiv wissen, wenn ihnen vertraute Menschen Dinge tun, die falsch sind. Vor drei Jahren hatte eine Vierjährige vor ihm gesessen, die erzählte, wie Papa sie manchmal auf den Schoß nahm und dann seine Beine so komisch bewegte. Sie konnte nicht wissen, was er da tat, aber sie wusste, dass es verwerflich war. Und wenn unverhofft ein Onkel möchte, dass sie sich ausziehen, fangen sie an zu weinen, obwohl der Onkel sie vielleicht schon häufig nackt gesehen hat. Manchmal schleicht sich auch eine Mama nachts ins Zimmer des Sohnes und kuschelt sich an. An sich eine Geste der Zuneigung, die sonst nicht negativ konnotiert ist. Aber die Kinder spüren es. Bei Jerome hatte es nicht einmal Missbrauch gegeben. Trotzdem wusste er auf diffuse Weise Bescheid. In gewisser Weise sind Kinder ungleich cleverer als Erwachsene, besonders Pubertierende. Der Instinkt für Richtig und Falsch geht irgendwann verloren. Vielleicht dann, wenn einem bewusst wird, was Sexualität ist. Oder dass es überhaupt so etwas gibt.

Das wirkt auch so belehrend auf mich. Ich fände es viel eindrücklicher, wenn man sich nur auf die Dialoge einlassen müsste und die Informationen, die dem Autor wichtig erscheinen, auch in Dialoge einbaut.

Am spannensten fand ich dieser Rollenwechsel, der sich innerhalb des Gespräches vollzog. Da war ich als Leser komplett dabei. Ich habe mich gar nicht gefragt, ob der 9-jährige zu allem hätte imstande sein können, da du das Stichwort Seltsam gewählt hast.

Jedoch das Gespräch in diesem Stadium enden zu lassen:

"Mama kam zurück. Sie hat die Türklinke nach dem Runterdrücken einfach hochschnellen lassen. Papa hat aufgehört zu faseln, weil das Geräusch die Scheibe hat vibireren lassen."
"Und dann?", fragte Bolinbrook.

um dann noch den letzten Absatz mit der Vorzimmerdame dahinterzukleben, das hat mich richtig ins kalte Wasser geworden.
Für mich war dieses komische Ende (nicht der Mord, aber der Abbruch des Gespräches an einer mir nicht nachvollziehbaren Stelle) sehr irritierend.
Wenn die Antwort auf die Frage: Und dann? "Aber sie hat Papas Hals aufgemacht." ist, müsste man das noch irgendwie besser hinführen, mir war das jetzt so zu abrupt, das hatte auch nichts mit Seltsam zu tun.

Liebe Grüße
bernadette

 
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Hallo Loui0341,

Dein erster Text hier im Forum ist in mancherlei Hinsicht ein ziemlich starker Einstieg. Sehr stilsicher, guter Stimmungsaufbau, authentische Dialogführung. Auch sehr wenige Schreibfehler, was leider nicht selbstverständlich ist.

Das diabolische Kind, das auf den ersten Blick ganz normal wirkt, vielleicht selbst traumatisiert ist, dann aber zunehmend unheimlich wird - das ist nicht ganz neu, aber sehr wirksam. Ein bisschen wie Das Omen. Fast könnte man den Tag "Horror" vergeben, aber dafür ist es nicht blutig genug. Soll es auch gar nicht werden - "Seltsam" passt dann schon.

Ohne bernadette nachplappern zu wollen, möchte ich einige ihrer Punkte unterstützen. Auch ich fand es etwas gewöhnungsbedürftig, dass Du mal die Perspektive des Jungen und mal die des Arztes einnimmst. Ich denke, der Text könnte eingängiger werden, wenn Du auf den Blickwinkel des Jungen verzichten und allein aus Sicht des Arztes erzählen würdest. Dabei würdest Du m.E. nicht viel verlieren und könntest im Gegenzug den Jungen vielleicht sogar noch etwas mysteriöser erscheinen lassen.

Der andere Punkt, bei dem ich bernadette sekundieren möchte, ist das Ende. Mir erschien es ziemlich willkürlich, an welcher Stelle Du den Dialog beendest. Ich hatte nicht das Gefühl, dass das Gespräch hier auf einen entscheidenden Punkt hingesteuert hätte. Das heißt: hingesteuert schon, aber dass er genau hier erreicht sein sollte, war für mich nicht komplett nachvollziehbar. Da fehlt vielleicht noch ein weiterer Satz, irgendetwas, was die Spannung noch mal steigert - schwer zu sagen. Und der letzte Absatz mit der Vorzimmerdame - der weicht stilistisch so stark ab und hat auch nicht mehr diese feine, sichere Sprache. Der Konjunktiv II ist da m.E. eine sehr schlechte Wahl, das sollte unbedingt der Konjunktiv I sein ("er sei" statt "er wäre"). Und das zeitweilige Abgleiten vom Konjunktiv in die Vergangenheitsform solltest Du gleich mit korrigieren.

Ein paar Einzelpunkte:

"Du bist doch aber mit Deiner Mama und Deinem Papa aus dem Libanon gekommen. (...)"

Ist das wichtig, dass diese Familie aus dem Libanon kommt? Wenn ja, habe ich nicht begriffen, warum. Wenn nein, finde ich es irreführend.

Jerome wischte sich mit den Fingerknöcheln über die Augen.

Viele Kinderpsychologen gehen mit 40 in Rente

Zahlen besser ausschreiben: vierzig. Es gibt noch weitere Stellen mit Zahlen.

"Und woher wusstest Du, dass das böse war?"

hörte Jerome auf mit den Füßen zu wippen und sah ihm mit seinen tränenverhangenen Augen direkt in den Kopf.

"Geantwortet?", fragte Jerome mit tränenerstickter Stimme[?].

"Nichts, was Du wissen musst", schob er schnell hinterher und tat soK als würde er sich Fusseln vom Pullover streichen.

"Hören Sie mit dem Scheiß auf[?]!"

"Papa kam und steckte den Schlüssel auf's Schloss."

"Auf" das Schloss? Nicht eher "ins Schloss"?

"Was wolltest Du sagen, Mr. Bolinbrook?"

An dieser Stelle fällt mir auf, dass Deine Geschichte anscheinend im englischsprachigen Raum spielt. (Vorher hätte "Bolinbrook" auch norddeutsch sein können, so wie "Buddenbrook".) Ist das notwendig? Und wie viele libanesische Flüchtlinge gibt es in, sagen wir mal, den USA?

Das "Du" fällt an dieser Stelle übrigens auch aus der Reihe.

"Ich wollte fragen, was——"
"...danach passiert ist?"

Mal was Typographisches: Du solltest Dich entscheiden, ob Du Auslassungen mit Punkten oder mit Gedankenstrichen kennzeichnest. Beide sollten übrigens einen Leerschritt Abstand vom nächsten Wort haben, es sei denn, das Wort wäre unvollständig.

dass es ihm einen Schauer über den Rücken jagte.

"Weiß ich doch nicht, ich war ja im Wohnzimmer."

Also, insgesamt zeigt Deine Geschichte eine Menge Potential. Ein paar Baustellen hat sie noch, aber ich freue mich schon auf die Endfassung - und auf weitere Texte von Dir.

Grüße vom Holg ...

Nachtrag: Den Titel solltest Du noch korrigieren, da sind Schreibfehler besonders ärgerlich. Im Deutschen gibt es keinen Genitiv-Apostroph, es muss heißen: Jeromes Sitzung.

 

Hey Loui0341,

Ich mochte deinen Stil hier sehr, die Dialogform finde ich so, wie du es hier gemacht hast, sehr gut. Mir hätte es allerdings besser gefallen, wenn du diesen wirklich seltsamen Jungen eher von außen gezeichnet hättest. So kommt er viel zu 'normal' rüber, eben wie ein jahrelang traumatisiertes Kind. Was er ja auch ist. Dennoch, mit den Einschüben, dass er es fertig bringt, einen gesetzten Psychologen zu verängstigen, der ja in aller Regel einiges gewohnt ist, macht es unglaubhaft, wenn man ihn von innen sieht.
Auch finde ich, dass da ein richtiger Trigger fehlt, der bei dem Jungen den Schalter umlegt. Außer natürlich, du wolltest einen richtigen Psychopathen zeichnen, wo der Schalte ja fehlt, da ist so etwas kontrollierter Dauerzustand, was ich aber für unrealistisch halte, bei den anderen Umständen. Denn wenn es so wäre, müsse er es aus einem Grund auf den Doc abgesehen haben, was keinen Sinn macht, da er in keiner Weise Beziehung zu dem Jungen hat.
Was das Gedankenlesen angeht, denke ich, dass du was das angeht stringenter sein solltest. Entweder er kann es, oder nicht, du wolltest wahrscheinlich dem Jungen seine Mysterien lassen, was ich verstehe, aber ich denke, das könntest du dann auch anders machen. Subtiler.
Wenn du nämlich auf die Perspektive des Jungen verzichtest, könntest du ihn direkt auf die Gedanken des Psychologen antworten lassen, so dass dem Leser der Verdacht von alleine kommt, ohne dass du diesen bestätigen musst. Auch könntest du so einarbeiten, wie der Junge sich im Laufe des Gespräches wandelt. Er wird ja impulsiver, weil er gereizt wird, das könntest du von außen besser aufzeigen ohne allzu konkret werden zu müssen.

Das hier:

Dr. Bolinbrook fand es immer wieder erstaunlich, wie Kinder instinktiv wissen, wenn ihnen vertraute Menschen Dinge tun, die falsch sind. Vor drei Jahren hatte eine Vierjährige vor ihm gesessen, die erzählte, wie Papa sie manchmal auf den Schoß nahm und dann seine Beine so komisch bewegte. Sie konnte nicht wissen, was er da tat, aber sie wusste, dass es verwerflich war. Und wenn unverhofft ein Onkel möchte, dass sie sich ausziehen, fangen sie an zu weinen, obwohl der Onkel sie vielleicht schon häufig nackt gesehen hat. Manchmal schleicht sich auch eine Mama nachts ins Zimmer des Sohnes und kuschelt sich an. An sich eine Geste der Zuneigung, die sonst nicht negativ konnotiert ist. Aber die Kinder spüren es. Bei Jerome hatte es nicht einmal Missbrauch gegeben. Trotzdem wusste er auf diffuse Weise Bescheid. In gewisser Weise sind Kinder ungleich cleverer als Erwachsene, besonders Pubertierende. Der Instinkt für Richtig und Falsch geht irgendwann verloren. Vielleicht dann, wenn einem bewusst wird, was Sexualität ist. Oder dass es überhaupt so etwas gibt.

Jerome wischte sich mit den Fingerknöcheln ber die Augen. Eine Geste, die gerade bei Kindern so unendlich verletzlich aussah, dass es einem das Herz brechen konnte. Viele Kinderpsychologen gehen mit 40 in Rente oder fangen an, Bücher zu schreiben. Bolinbrook glaubte, dass es auch an dieser kleinen Geste lag. Jeden Tag sitzen einem Kindern gegenüber, die zu früh zu viel von der Welt wussten


Finde ich echt gut.
Da fehlt im zweiten übrigens ein ü.
Ich finde auch gut, dass das ein subtiler Hinweis darauf sein kann, dass wenn ein junger Mensch so stark reift, durch die negativen Erfahrungen die er macht, dabei aber nichts positives erlebt, es dazu führen kann, dass man ein Monster großzieht. Auch wenn ich jetzt natürlich darauf spekuliere, dass du das sagen wolltest.
Ich fände es allerdings noch besser, wenn du das einstreuen würdest, diese Gedanken dem Doc kommen, durch die Beobachtungen die er bei Jerome macht. Das tust du hier ja, allerdings wäre es weniger anstrengend, fließender wenn das Häpchenweise geschehen würde.

Ich bin jedenfalls sehr gespannt, was du aus der bisherigen Kritik mitnimmst, was nicht und was hinterher rauskommt. Ist ja schon jetzt ein sehr interessantes Stück Literatur hier.

Liebe Grüße
Lexi

 

Danke für das herzliche Willkommen und die konstruktive Kritik.
Den meisten angebrachten Punkten kann ich mich anschließen. Besonders bei dem unmotivierten Wechsel der Stimmungslage des Kindes war ich mir unsicher. Auch das Pendeln zwischen den Gedanken der Figuren erscheint mir nicht mehr so clever, wie beim Schreiben. Wobei das auch eigentlich keine Taktik war, sondern einfach ein Überbleibsel der Idee ist, dass das Kind einfach nur erzählt, wie die Mutter immer verrückter wurde. Anfänglich sollte er gar nicht böse sein, aber irgendwann ist der Fokus immer mehr auf den Psychologen gerutscht.
Das als abrupt empfundene Ende ist in der Tat nicht willkürlich gewählt, funktioniert aber anscheinend nicht so, wie ich es gedacht hatte. An dieser Stelle sollte eigentlich das Wissen des Lesers die Brücke zwischen den Ereignissen herstellen: Auf das letzte "Und dann?" antwortet Jerome mit derselben Handlung, die seine Mutter als nächstes getan hatte. Da knirscht es im Text aber allein schon dadurch, dass er mit der Büste keine Hälse wird durchschneiden können, sodass nur das Eintreten des Todes als verbindendes Element bleibt.
Werden zweite Fassungen bei Wortkrieger einfach später im selben "Thread" gepostet oder bekommen die einen neuen?

 

Das als abrupt empfundene Ende ist in der Tat nicht willkürlich gewählt, funktioniert aber anscheinend nicht so, wie ich es gedacht hatte. An dieser Stelle sollte eigentlich das Wissen des Lesers die Brücke zwischen den Ereignissen herstellen: Auf das letzte "Und dann?" antwortet Jerome mit derselben Handlung, die seine Mutter als nächstes getan hatte. Da knirscht es im Text aber allein schon dadurch, dass er mit der Büste keine Hälse wird durchschneiden können, sodass nur das Eintreten des Todes als verbindendes Element bleibt.

Ja, das bringt es gut auf den Punkt. Hätte Jerome in der Schlusseinstellung ein Messer in der Hand gehabt, hätte es zumindest für mich nicht so gehakt. Allerdings wäre ein Messer in der Hand auch relativ plump. Mal sehen, ob Dir etwas Besseres einfällt. :D (Das Vorhandensein eines Messer o.ä. solltest Du aber trotzdem irgendwo andeuten. Sonst fragen wir uns ja doch, womit Jerome den Doktor umgebracht haben soll.)

Andererseits fand ich die Büste von der Symbolik her nicht verkehrt, das ist ja im weitesten Sinne auch meistens so ein "abgeschnittener" Kopf (wenngleich mit mehr oder weniger Torso dran). Allerdings spielt dieses Symbol dann eher auf das Ergebnis an als auf die Tat selbst, geschweige denn auf das Werkzeug.

Werden zweite Fassungen bei Wortkrieger einfach später im selben "Thread" gepostet oder bekommen die einen neuen?

Du kannst und solltest direkt im Originalpost editieren (mit dem '"Bearbeiten"-Button unter dem Beitrag).

Grüße vom Holg ...

 

Hallo Loui0341,

ich möchte dich hier herzlich willkommen heißen. Deine erste Geschichte hier, ich weiß, da ist man sicherlich etwas aufgeregt, wie die Reaktionen nun ausfallen.

Ich finde solche Dialoggeschichten meistens toll, sofern sie gekonnt gemacht sind. Ich denke, es braucht nicht immer ellenlange Beschreibungen, wo etwas abläuft. Oder wie jemand aussieht. Ja, das finde ich, ist auch eine gute Art der Einstiegsgeschichte. Die Handlung läuft meist stringent ab. Die Fähigkeit glaubwürdige Dialoge zu machen, das ist außerdem sehr wichtig, denke ich.

Und ich denke auch, du hast es gut hinbekommen, diese Dialoge zu schaffen. Die Weise der Unterhaltung, das passt schon. Aber was ich leider nicht so passend fand, ist, wie die Art Jeromes auf mich wirkt. Du schreibst, der Junge sei gealtert im Anblick der schrecklichen Ereignisse. Und ja, so wirkt es auch. Aber es wirkt auf mich schon zu erwachsen.

"Ja. Als sie so gelacht hat. Wie eine... Wie heißt das?"
"Ich muss mal die Beine knicken. Ihr Stuhl ist zu groß."
"Ich wusste nicht, was das ist. Was bedeutet es?"
"Gar nichts."
"Sie lügen."
"Nichts, was Du wissen musst", schob er schnell hinterher und tat so als würde er sich Fusseln vom Pullover streichen.
"Auf Ihrem Pullover ist nichts."
"Ich weiß."
Er war erstaunt, wie blitzgescheit dieses Kind war.
"Sind Sie gern Psychologe?"

Für mich zumindest war das etwas befremdlich, wie der Junge vom (vermeintlich) verstörten Mordzeugen zum bissigen Interviewer avanciert. Das Konzept eines Psychologen zu verstehen, es zu hinterfragen, das erfordert doch schon einen Verständnisgrad, den ich zumindest, vielleicht frecherweise, Neunjährigen nicht zutraue. Ich glaube, es war natürlich deine Intention, zu zeigen, dass der Junge gar nicht nur der neunjährige Junge ist, sondern viel mehr. Aber das beisst sich, finde ich. Wahrscheinlich liegt es an Sätzen wie
"Es war Freitag", sagte Jerome schüchtern.
Warum hätte ich es sonst erwähnt?, dachte er.
"Geantwortet?", fragte Jerome mit tränenerstickter Stimme?
Der Mann war ihm unangenehm. Wie er mit seinem Füller übers Papier kratzte. Vielleicht schreibt er gar nicht wirklich, sondern will nur Krach machen, dachte Jerome. Das Geräusch war ihm unerträglich.

Vielleicht merkst du, was ich meine. Ich hätte es stimmiger gefunden, du hättest Jerome nur oberflächlich, als Dialogpartner beschrieben und wärst nicht näher auf ihn eingegangen. Er wirkt sehr kühl, sehr distanziert der Sache und seinem Gegenüber über, da passt es (für mich) nicht wirklich, wenn er an einigen Stellen doch sehr greifbar, sehr emotional scheint. Eben wie ein überfordertes Kind. Aber ich bin auch kein Experte der Psychologie und weiß nicht, ob derartige Stimmungsschwankungen nach einem Trauma gar normal sind.

Auch die Kompetenz des Psychiaters, will ich, als Laie, etwas provokant in Frage stellen. Lässt er sich nicht hin und wieder zu sehr mitreißen, als erfahrener Kinderpsychologe? Ich weiß es nicht, doch hatte ich den Eindruck, es handele sich dabei zeitweise um ein scharfes Verhör. Lass den Jungen doch mit der Büste spielen, guter Mann, habe ich gedacht. Der hat gerade seine Eltern verloren. Da braucht man sprichwörtlichen Halt. Aber das nur am Rande.

Am Ende deute ich deine Geschichte wie folgt. Der Junge ist am Anfang eben das, ein Junge. Und wird im Laufe des Gesprächs unfreiwillig oder selbstbestimmt übernommen von einem Dämon oder dergleichen, vielleicht übergesprungen von der Mutter oder schon immer da. Wer weiß.
Da ist etwas tragisches passiert, in der Familie (warum Libanon? Der Name wirkt auf mich nicht unbedingt ursprünglich libanesisch und dort ist der Junge doch geboren, nicht? Belehre mich, wenn es anders sein sollte). Was da passiert ist, ist klar, wie viel der Junge damit tatsächlich zu tun hat, nicht. Aber das finde ich auch gar nicht so wichtig, denn man kann es sich ja denken. Vielleicht ist alles gelogen und er hat beide auf dem Gewissen?

Das Ende jedoch gefällt mir aus einem anderen Grund nicht besonders. Ich finde, du kannst es ruhig da abbrechen, ist eigentlich egal, bei diesem Dialog. Auch wenn ich es irgendwie unheimlicher gefunden hätte, wenn es bereits bei

"Gekommen ist sie wohl." Jeromes Kindergesicht verzog sich zu einer Fratze. "Ich bin auch nicht böse."

vorbei gewesen wäre. Ja, auch jetzt, finde ich, gibt einem das Gänsehaut, wenn ich es mir so vorstelle. Danach folgen ja nur noch Banalitäten. Aber sonderlich tragisch, finde ich, ist der Abbruch weiter unten auch nicht.

Die Vorzimmerdame stand unter Schock. Sie hatte zur Aussage gegeben, dass Jerome aus der Tür des Behandlungszimmers geschlüpft war. Es war ihr komisch vorgekommen, aber der Junge hatte durch die Tür die Hand in den Raum gestreckt und es hatte ausgesehen, als hätte Bolinbrook sie geschüttelt, sagte sie. "Danke, Doktor", hätte er gesagt und sie hätte ein schnaubendes Geräusch gehört, das sie offensichtlih fehlinterpretiert hatte. Als sie eine Minute später in das Behandlungszimmer gekommen war, hätte sie den Notarzt gerufen und wäre danach auf die Straße gelaufen, um zu sehen, ob Jerome noch zu sehen wäre. War er aber nicht.

Dieser Absatz, finde ich, killt leider fast den übrigen Rest, der mir trotz inhaltlich nicht ganz glaubwürdiger Dialoge, gut gefallen hat. Wenn man das so nachvollziehen kann. Das wirkt wie hinzugetackert. Schade. Mein bescheidener Vorschlag wäre, da ich ein Freund des Unausgesprochenen bin (auch nicht immer so gut), einfach nach dem Dialog aufzuhören und eine wirklich kurze Aufklärung anzufügen. Etwas wie "Der Junge verließ das Behandlungszimmer alleine. Wieder wischte er sich über die Augen - in dieser kindlichen Art - das Blut heraus. (dramatische Musik).

Aber vielleicht weißt du, was ich damit sagen will. Ich finde, es erklärt zu viel, es reißt mich auch aus der Geschichte, um ehrlich zu sein. Ich bin in diesem Dialoghin- und herwerfen gefangen und ahne, jetzt passiert gleich etwas. Dann... erklärst du es, bzw. eine Empfangsdame ganz nüchtern. Da reicht viel weniger, um mir zu sagen, dass dieser Junge Schindluder mit dem Alten getrieben hat.

Vielleicht springt der Dämon gar auf den Mann über, am Ende, nach der Verabschiedung streift der Psychologe dann der Büste Jungs über die Augen oder so. Da gäbe es tolle Möglichkeiten, in diesem Szenario.

Zwei Dinge zum Schluss:

Jerome wischte sich mit den Fingerknöcheln ber die Augen. Eine Geste, die gerade bei Kindern so unendlich verletzlich aussah, dass es einem das Herz brechen konnte. Viele Kinderpsychologen gehen mit 40 in Rente oder fangen an, Bücher zu schreiben. Bolinbrook glaubte, dass es auch an dieser kleinen Geste lag. Jeden Tag sitzen einem Kindern gegenüber, die zu früh zu viel von der Welt wussten.

Toll. Wirklich, hat mir sehr gut gefallen, der Absatz. Das macht den Herrn schlagartig sehr menschlich.

"Was wolltest Du sagen, Mr. Bolinbrook?"

Hier, finde ich, musst du dich entscheiden. Wo findet das statt? Im englischsprachigen Raum? Dann "Was wollen Sie sagen, Mr. Bolinbrook?"

So wie ich es derzeit verstehe, da soll es einfach nur eine agressive, abfällige Ansprache sein und dann kann man "Herr" benutzen, finde ich. Das wirkt auch kindgerechter. Aber das ist nur eine Kleinigkeit.

Ich finde, du hast hier viel Potential. Und ich finde, du könntest es ruhig unter Horror laufen lassen. Mit den Exorzismus-Anleihen und all dem, reicht das, in meinen Augen, um diese Kategorie zu bedienen.

Stilistisch, finde ich, war das einwandfrei. Nichts zu bemängeln, bis auf die paar Rechtschreibfehler, die dir die obigen Kommentatoren freundlicherweise bereits aufgegezeigt haben.

Auf hoffentlich bald,

Canaille

 

Hallo Loui und herzlich Willkommen!

Mir gefällt das Konzept der Geschichte, aber ich konnte mit dem Psychologen ehrlich gesagt nicht richtig warm werden und fand ihn auch nicht besonders kompetent - das hat die Geschichte für mich leider etwas ruiniert. Wie schon zuvor erwähnt wurde, es wirkt ein bisschen wie ein scharfes Verhör, das Ziel des Psychologen scheint mehr darin zu liegen, Antworten darauf zu bekommen, was geschehen ist, anstatt ein für das Kind hilfreiches Gespräch zu führen. Er merkt ja, dass es dem Buben anfangs nicht leicht fällt, über das traumatische Ereignis zu reden, hakt aber doch immer erbarmungslos nach ohne ihm einen Moment Pause zu gönnen oder Verständnis zu zeigen. Und dass er ein Kind, das möglicherweise traumatisiert ist, dann in seinem Kopf ein 'Arschloch' nennt, konnte ich auch nicht wirklich nachvollziehen? Besser hätte mir gefallen, wenn er etwas verständnisvoller gewesen wäre. Zum Beispiel an dem Punkt, an dem Jerome wütend wird: Der Psychologe fragt zwar schon, warum er wütend ist, aber auf die Art und Weise, wie er es macht, würde ich wahrscheinlich auch keine große Lust haben, ihm mitzuteilen, was ich fühle. Einerseits kommt er etwas besserwisserisch rüber (doch du bist wütend - nee bin ich nicht - doch bist du - nein -doch, so würde wohl kein Psychologe mit einem Patienten umgehen, besonders keiner der Erfahrung mit Kindern hat. Das führt einfach zu nichts.), andererseits sind viele seiner Antworten einfach unglaublich knapp für jemanden, der durch ein Gespräch helfen und mehr erfahren will. Da antwortet er zum Beispiel nur mit 'Weiß nicht' oder 'Gar nichts', und das kommt mir nicht gerade hilfreich vor...Natürlich weiß er was, natürlich hat er Vermutungen, ist ja nicht das erste Kind das er behandelt. Es bleibt bei ihm, so zu antworten, dass er möglicherweise mehr über Jeromes Wut erfährt und ein knappes 'Weiß nicht' tut es da einfach nicht. Genauso unangemessen finde ich, wenn er dem Kind sagt 'steht doch unten drauf' oder 'sagtest du schon'. Würde ich mit so einem Psychologen reden wollen? Nicht wirklich. Er wirkt einfach nur genervt und ungeduldig, und selbst wenn du am Anfang zeigen wolltest, dass er sehr wohl von dem Schicksal des Buben betroffen ist (Kloß im Hals), spür ich davon nicht viel /:

Der Junge gefällt mir als Charakter um einiges besser, er wirkt realer. Sofort nach Ende des Textes, musste ich an 'Dissoziative Identitätsstörung' denken und hab dann nochmal genau nachgelesen, wann denn genau die andere Persönlichkeit zum Vorsprung kommt, die aggressivere, die, die Jerome beschützen will vor den Fragen des Psychologen, die ihn das traumatische Ereignis noch einmal erleben lassen. Und dann ganz klar: unmittelbar bevor er vom Stuhl springt! - was ziemlich genial ist, weil es nicht nur einen Persönlichkeitswechsel, sondern auch einen Wechsel von der Sitz- in eine Stehposition anzeigt.

Insgesamt wäre ich vom Ende auch mehr geschockt gewesen, wenn ich das Gefühl gehabt hätte, der Psychologe hätte wirklich helfen wollen, wäre einfühlsamer und geduldiger gewesen anstatt genervt. Aber für mich hat es so gewirkt, als würde er sich nicht besonders um den Jungen scheren, besonders nicht, als dieser aggressiv geworden ist, was dazu geführt hat, dass sein Tod mich auch nicht besonders gekratzt hat. So hatte das Ende einfach keinen besonderen Wert für mich, was schade ist, weil die Idee im Grunde eine sehr interessante war! :)

Liebe Grüße,
Pumpkin

 

Hallo Loui,
mein erster Kommentar, zusagen von Neuling zu Neuling. Zunächst einmal hat mir das Konzept hinter deiner Geschichte zugesagt. Die Idee, dass sich ein Psychologe mit einem traumatisierten Kind unterhält und das Ganze in einem schnellen Dialog zu gestalten finde ich gut. Auch ist dein Schreibstil ist sehr flüssig was bei mir eines der ersten Kriterien überhaupt darstellt.

Da meine sehr erfahrenen Vorreiter schon vieles, was mir auch aufgefallen ist, sehr detailliert dargestellt haben, greife ich nur einen mir wichtigen Punkt heraus. Dieser bezieht sich vor allem auf das Verstehen der Zusammenhänge oder vielmehr dem was du dem Leser am Ende sagen willst. Dabei würden ein paar klare Aussagen, vielleicht auf der Seite des Psychologen, gut tun. Ich weiß zum Beispiel immer noch nicht, was denn wirklich passiert ist, obwohl ich den Eindruck habe, dass der Dialog im Grunde die Absicht hat, genau das zu tun. Selbiges bezieht sich auch auf das Ende. Ok, das Kind hat ihn letztendlich getötet, aber wie oder wodurch? Den Ausschnitt den die Sekretärin dabei gibt finde ich dahingehend ebenfalls zu spontan und ungeordnet.

Soviel vom mir, es hat mir großen Spaß gemacht deine Geschichte zu lesen und auch ich freue mich auf eine überarbeitete Fassung und weitere tolle Storys!

Night

 

Noch einmal vielen Dank für das ausführliche Feedback. Ich habe einige kleinere Veränderungen vorgenommen und Tippfehler ausgebügelt. Ich überlege auch, den Psychologen zu degradieren, vielleicht zu einem Notfallseelsorger bei der Polizei, jedenfalls zu jemandem, der vermutlich weniger Qualifikation und vielleicht auch weniger Erfahrung hat, damit er Jerome unterliegen kann, ohne dass er völlig inkompetent wirkt.

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Loui0341,

mir hat an deiner Geschichte einiges gefallen: Die Dialoge waren flüssig geschrieben, es gab einen gewissen Spannungsaufbau und sogar das plötzliche Ende hat für mich als Impuls zum Weiterdenken getaugt.
Dagegen fand ich einige Vergleiche wenig passend : " ...der in dem übergroßen Sessel verloren wirkte wie ein Schoner mit zerrissenen Segeln" zum Beispiel. So ein Schoner ist relativ groß, die zerrissenen Segel zeigen ihn beschädigt, aber für mein Gefühl nicht verloren.
Der Junge ist nicht so beschrieben, dass ich das nachvollziehen könnte. Er kann wie aus dem Nichts plötzlich bestimmte Wörter verwenden, die seinem Alter nicht entsprechen, vor allem aber kann er den Psychologen durch das wiederholte "Entschuldigen Sie sich nicht" in einer Weise angehen, die ich einem kleineren Kind schlicht nicht zutraue. Wenn Jerome, was ja wohl die Absicht ist, stetig 'unheimlicher' wirken soll, so müsste das glaubhafter geschildert werden.
Trotzdem, ein insgesamt guter Einstieg wie ich finde.

Noch viel Freude hier,

Eva

 

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