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Jemand ist besser als niemand

Beitritt
01.05.2003
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Jemand ist besser als niemand

Jemand ist besser als niemand

Niemand schlich sich nachts um sein Haus und niemand sah von draußen zum Fenster herein. Niemand saß neben ihm, niemand aß mit ihm am Tisch – niemand.

Doch irgendjemand war immer bei ihm, morgens, mittags und abends. Irgendjemand lag neben ihm, wenn er morgens aufwachte. Jemand ging mit ihm zur Arbeit. Jemand saß mit ihm am Tisch und arbeitete mit, an den Akten, für die er in seinem Bürozimmer zuständig war. Jemand folgte ihm, wohin er auch ging. Irgendjemand.

Er spürte irgendjemand, irgendwie, immer. Egal ob er morgens aufwachte oder abends zu Bett ging, wenn er auf dem Weg zur Arbeit war oder still am Tisch saß, wenn er sich im Spiegel sah oder wenn er andere Menschen beobachtete.
Irgendwo war irgendetwas oder irgendjemand da.
Aber warum? Niemanden sah er, niemanden.
Niemand konnte ihm helfen, kein Freund, kein Arzt, niemand.
Aber wer war niemand? Wenn niemand da war, musste doch irgendwann jemand vorher bei ihm gewesen sein. Woher hätte er sonst dieses Gefühl gekannt, dass jemand da war.Irgendwie, irgendjemand, irgendwann.
Wie oft hatte er sich gefragt: Wer war er? Wer? Seit den letzten Wochen hatte er es sich immer gefragt! Seit er aufgetaucht war! Niemand! Jemand! Irgendjemand!
Und wieder war jemand da. Hinter ihm folgte man ihm auf Schritt und Tritt. Direkt hinter ihm. Eigentlich wollte er noch nicht Heim gehen, sich nicht auf das Sofa setzen und mit jemand die Tagesschau ansehen. Aber heute war der Tag anders. Heute war jemand so dicht hinter ihm, dass er schneller ging als sonst. Als triebe ihn etwas voran. Weg!

Fünf Freunde kannten keine Antwort auf niemand. Fünf Ärzte wussten keinen Rat auf jemand. Sie sagten, „er“ wäre das Problem. Nicht jemand und nicht niemand. Aber keiner verstand, dass wirklich jemand da war. Jemand, der niemand war. Sie sagten, niemand könnte ständig bei ihm sein, das würde nicht gehen, aber jemand schaffte das. Jemand war besser als niemand.

Er überquerte die Strasse, dicht gefolgt von jemand und dann fiel es ihm ein, als er das Geräusch hörte und vom Boden aufsah. Er spürte es, jemand war ihm so nahe, wie niemand es vorher hätte sein können. Jetzt! Jetzt war er da. Vor seinen Augen. „NIEMAND“ hatte ihn gewarnt, niemand! Niemand war immer da und wollte ihm sagen, dass er besser nicht gehen sollte. Es wäre besser gewesen, nicht aus dem Büro zugehen, nicht die Strasse zu überqueren.
Nun wusste er, wer niemand war. Niemand war sein verstorbener Vater Paul Lutz. Paul hatte ihn vor dem heutigen Tag warnen wollen.
Doch als er über die Strasse ging, sich fragte, wer er war, der niemand, der ihn verfolgte, kam das Auto schon um die Ecke gefahren.
Am Steuer saß ein nichtsahnender Teenager, der an dem Radiosender herumspielte und die Strasse unachtsam aus den Augen lies. Es war ein kühler Herbstabend, um 19:47 Uhr, als Hermann Lutz von einem angetrunkenen Teenager überrollt wurde. Niemand wollte ihn warnen. Aber es war zu spät. Paul hatte ihn wochenlang angeschrieen, ihn angefleht, an diesem Tag zu Hause zu bleiben, aber Tote kann man nicht hören.

 

Hehe, mir gefällt dass Ende bzw. die Pointe am Schluß, möchte behaupten, dass dir diese Geschichte gut gelungen ist.

Besonders die Beschreibungen, über die man länger nachdenken muss, machen den besonderen Reiz dieser Geschichte aus... Anfangs etwas verwirrend zieht sich meiner Meinung nach jeder seinen eigenen Sinn daraus.

 

Hallo Jingles,
vielen Dank für Deinen Beitrag. Freut mich, dass Dir die Geschichte gefallen hat. Es ist ehrlich gesagt ein Experiment. Wenn man für jedes "jemand" -> den Namen Paul einsetzt, ergibt die Geschichte einen Sinn. Wollte sehen, wie die Geschichte ankommt.

Nochmals vielen Dank

Gruß Herbert

 

Aus dieser Sicht gesehen würde die Geschichte doch viel mehr in die Ecke "Experimente" passen, oder?

Übrigens: Was ist mit dem Wort "irgendjemand"? :)

 

Hallo Herbert,

Deine Geschichte ist ein gelungenes Experiment, die „Jemands“ und „Niemands“ auseinander zu halten bedarf schon einiger Konzentration.
Die Beschreibungen wirken so, als ob der Protagonist unter einer Psychose leidet, der Hinweis auf die Ärzte verstärkt diesen Aspekt. Wenn dann plötzlich der Name des Vaters genannt wird, personalisieren sich die „Jemands“ gewissermaßen rückwirkend.
Ein gesellschaftlicher Aspekt könnte bei „Jemand, der niemand war“ aufgeriffen werden, letztlich sind wir doch alle „niemand“, trotz aller Guiness-Rekord-Versuche und Superstar-Allüren.

Zitat:
Aber wer war niemand? Wenn niemand da war, musste doch irgendwann jemand niemals vorher bei ihm gewesen sein, sonst wüsste er ja nicht, dass jemand nicht mehr da war.
Muß es nicht `doch irgendwann jemand vorher bei ihm gewesen sein´, heißen?


Alles Gute,

tschüß... Woltochinon

 

Hallo Woltochinon,
freut mich, dass Dir die KG gefällt. Auch Deine Interpretation zeigt, dass Du Dich gut in die Geschichte hineinversetzen konntest. Mit dem zitierten Satz liegst Du ebenfalls richig. Danke für den Hinweis.

Gruß Herbert

 

Hallo Herbert,

war mir ein Vergnügen.
Du weißt, dass ich kurze Geschichten schätze...

Alles Gute,

tschüß... Woltochinon

 

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