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Jeder bekommt das was er verdient... oder?
Jeder bekommt das was er verdient... oder?
Eines schönen Abends beschlossen Thore Karras und seine Frau Sarah einen Spaziergang zu machen. Dies konnten sie auch ruhigen Gewissens, da ihre vier Jahre alte Tochter Milana schon schlief. Arm in Arm und in den Sonnenuntergang blickend verliessen sie dass Dorf und wanderten den Waldrand entlang. Der Abend war so schön dass die beiden gar nicht merkten dass sie sich ziemlich weit vom Dorf entfernten. Sie achteten auch nicht auf die Dinge, die um sie herum geschahen. Sie nahmen das leise Geplätscher des kleinen Bächleins nicht wahr, der Nahe am Waldrand floss, sie hörten nicht das Gezwitscher der Vögel, die in den Baumkronen saßen und sie hörten auch nicht das grunzen und schnaufen, das sich aus dem Wäldchen schnell auf sie zu bewegte. Erst als die erste Kreatur an den Waldrand sprang schreckten Thore und Sarah auf.
„Schnell, lauf zum Dorf!“ rief Thore „ich halte dieses Ungeheuer auf!“ Er stellte sich dem Ork in den Weg, der aus dem Wald gesprungen war. Doch der Ork war nicht allein. Ein weiterer Ork zog seine Keule und stürmte auf Thore zu, ein dritter machte sich daran, Sa-rah den Weg abzuschneiden. Thore kämpfte so gut er konnte, wahrscheinlich sogar noch besser, aber gegen diese Muskelbepackten Wesen hatte er keine Chance. Und während er in seinem eigenen Blut auf dem Boden lag und langsam starb, sah er ein schreckliches Bild vor sich. Wie sich die drei Orks über seine Frau hermachten und sich an ihr vergingen.
Das war das letzte, was Thore Karras in seinem Leben sah...
Schwerverletzt schleppte sich Sarah zurück zum Dorf. Sie weinte, aber trotz ihrer großen Schmerzen vergoss sie die meisten Tränen wegen ihres Mannes. Endlich sah sie ein Dorf-bewohner. Er brachte sie sofort zum Dorfheiler und dieser pflegte sie. Er gab ihr Kräuter gegen die Schmerzen. Sarah zitterte am ganzen Körper, sie stand noch Tage später unter Schock. Sie erzählte nie jemandem was die Orks mit ihr angestellt hatten, sondern nur das die Orks auf sie und ihren Mann einschlugen und sie dank der Tapferkeit ihres Mannes entkommen konnte.
Eine Woche nach diesem verhängnisvollen Abend war die Beerdigung von Thore. Dort musste sie auch ihrer Tochter erklären, das Papa nie mehr wiederkommen wird. Noch viele Monate danach stand Milana des Abends am Fenster und wartete darauf, das ihr Vater doch noch zurück kommt. Aber sie wartete vergeblich...
Mit der Zeit bemerkte Sarah das sie sich veränderte. Sie hatte größeren Appetit als sonst und auch andere Zeichen sprachen dafür das sie schwanger war. Und das erfüllte sie mit großer Angst. War es das Kind von Thore, ein letztes Andenken das er ihr schenkte, oder war es das Kind von... Nein! Das kann nicht sein, es muss von Thore sein, es muss! Trotzdem erzählte Sarah niemandem davon, sie verbarg ihre Schwangerschaft. Sie trug immer weite Kleider und mied größere Versammlungen im Dorf.
Dann kam der Tag der Geburt. Nach großen Schmerzen sah sie ihr Kind und es sah aus... wie, wie ein Kind, wie ein kleiner Junge. Sarah war überglücklich. Sie nahm ihn in den Arm und streichelte ihn. Doch da war etwas. Er sah doch nicht so ganz normal aus. Spitze Zähne hatte er. Und er hatte komplett schwarze Augen. Aber er war doch ihr Kind, egal wie er aussah!
‚Was werden die anderen denken, wenn sie ihn sehen? Sie dürfen ihn nie zu Gesicht bekommen, sie würden ihn mir wegnehmen, meinen kleinen Neron.‘
Diese Ängste gingen Sarah durch den Kopf. Da kam Milana in den Raum und sah ihr kleines Brüderchen. Sie nahm ihn in den Arm und drückte ihn, sie schloss Neron sofort ins Herz. Sarah sagte ihr das sie niemandem von ihm erzählen darf. Und so lebten die drei in dem Haus viele Jahre, aber Neron durfte es nie verlassen. Man könnte ihn fast für einen Menschen halten, wenn er nicht diese spitzen Zähne und die schwarzen Augen hätte.
Bis zu seinem neunten Lebensjahr. Denn kurz darauf bekam seine Haut einen leichten grünton, nun sah er wirklich nicht mehr menschlich aus. Trotzdem liebten Sarah und Mi-lana ihn von ganzem Herzen.
Sarah brachte ihm lesen, schreiben und andere Dinge bei, die Milana in der Schule lernte. Sie war ein guter Mensch, und so erzog sie auch Neron zu einem gütigen und gerechten Jungen. Besonders gerne mochte er alles was ihm seine Mutter und seine Schwester von draußen mitbrachten, ganz oft pflückten beide Blumen für ihn. Als Milana älter wurde half auch sie dabei, Neron etwas beizubringen, besser als die beiden könnten sich Geschwister nicht verstehen.
Dann, an Milanas 18. Geburtstag, Neron war 14, verließ sie ihre Familie. Sarah erzählte das ein älterer Mann in einer roten Kutte ins Dorf kam und sagte, dass Milana eine Zauberin werden kann. Dafür muss sie aber mit ihm in eine Schule für Zauberkinder gehen. Und so verabschiedete sich Milana von Neron, sie drückte ihren kleinen Bruder ganz fest an sich und wünschte ihm alles gute. „Hoffentlich sehen wir uns wieder“, sagte Milana noch zu ihm, als sie wegging. Neron war sehr traurig das Milana weg war, denn er mochte sie sehr gerne, genauso gern wie seine Mutter. Er hatte jetzt niemanden mehr außer ihr.
Einige Wochen später ging Sarah wie jeden Morgen los um zu arbeiten, aber sie kam am Nachmittag nicht wieder zurück. Und am Abend kam sie auch nicht. Neron machte sich große Sorgen, denn seine Mutter kam noch nie so spät nach Hause. Als es immer später wurde und er immer noch nichts hörte, nahm Neron seinen ganzen Mut zusammen, atmete einmal tief durch und verließ dann sein Haus um nach Sarah zu suchen. Er hüllte sich in einen weiten Mantel mit einer großen Kapuze und ging einfach hinaus aus dem Dorf. Obwohl er zum ersten mal außerhalb seines Hauses war, achtete er gar nicht so richtig auf das um ihn herum, er machte sich viel zu große Sorgen um seine Mutter.
Neron lief eine Wiese entlang und dann fand er etwas. Ein Schatten bildete sich in einiger Entfernung auf dem Boden. Er ging näher und dann sah er dort seine Mutter liegen. ‚Oh, Mama ist eingeschlafen‘, dachte er. Neben Sarah lag ein umgeworfener Korb mit gepflückten Blumen, einige davon waren auf dem Boden verstreut. „Mama, aufstehen, du hast schon ganz lange geschlafen“, rief Neron, als er glücklich auf seine Mutter zulief. „Mama, aufstehen. Mama?“ Als er bei seiner Mutter ankam, glücklich sie endlich gefunden zu haben, sah er das Rot, das Sarah umgab. Sie lag dort mit geschlossenen Augen. „Wo hast du denn die schönen Blumen her? Warum sagst du denn nichts Mama?“ fragte Neron. Dann berührte er seine Mutter, er stupste sie sanft in die Seite. Da öffnete Sarah erschöpft und geschwächt ihre Augen und Neron sah deutlich wie schlecht es ihr ging. Sie öffnete den Mund, versuchte etwas zu sagen, aber Neron hörte nur ein leises keuchen.
Mit Tränen in den Augen sammelte er die Blumen auf und legte sie in den Korb. Den Korb legte er sich ums Handgelenk und dann nahm er seine Mutter auf die Arme und lief mit ihr zurück zum Dorf. ‚Die Leute dort können helfen‘, dachte er,‘ dann wird meine Mutter wieder gesund und wir wohnen wieder im Haus‘.
Er lief so schnell das dabei die Kapuze vom Mantel auf seine Schultern zurückfiel, aber er bemerkte es nicht einmal. Dann kam er endlich im Dorf an und lief einfach ziellos hinein. Dabei rief er immer: „Hilfe, ihr müsst Mutter helfen, Hilfe!“ Viele Dorfbewohner kamen auf ihn zu und schauten sich Sarah an. Eine große Menschenmenge versammelte sich um ihn. Doch schnell ging ein Raunen durch die Menge. „Das ist Sarah“, sagten einige. „Ist sie schwer verletzt?“ fragten andere. „Was ist mit ihr passiert?“ hörte Neron die Menge rufen. „Sie blutet, sie ist nicht tot, ihr müsst ihr helfen!“ bat Neron die Menschen um ihn herum.
Andere Dorfbewohner mit Fackeln kamen hinzu, und im Scheine des Feuers sahen die Leute ihn erst richtig an. „Oh mein Gott, ein Monster, ein Ork!“ Riefen auf einmal alle „Tötet ihn, dieses, dieses Monster!“ Und dann fingen sie an auf Neron einzuschlagen. “Bitte nicht, helft meiner Mutter“, flehte Neron noch, doch die Menge hörte nicht mehr zu, sie hatte sich in einen tobenden Mob verwandelt.
Die Schläge prasselten blind auf ihn ein, und Neron beugte sich schützend über Sarah, die Menschen hatten die Kontrolle verloren. So ging Neron auf die Knie, legte Sarah so sanft er konnte vor sich ins Gras und sah ihr mit Tränen in den Augen ins Gesicht. Auch sie hatte Tränen in den Augen. Den beiden schien eine Ewigkeit zu vergehen, doch letztendlich verließen Neron seine Kräfte und er sackte neben seiner Mutter zusammen, den Blick nicht von ihr wendend.
Das letzte, das er sah, war wie die zarten Gesichtszüge seiner Mutter langsam ihre letzte Kraft verloren. Ihre Augen schlossen sich, ihr Gesicht senkte sich ins Gras und der Körper erschlaffte, während viele des Mobs immer noch auf ihn einprügelten.
Dann schloss auch er seine Augen. Fest umklammerte er den Blumenkorb in seiner Hand. Dunkelheit umgab seinen Geist. Doch bevor er das Bewusstsein verlor, hörte er noch diese Worte:“Oh mein Gott, Sarah ist Tot! Dieses Monster hat sie ohne Grund erschlagen!“
ENDE