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Jeanny
Jeanny
Jeanny
Komm ,come on
Steh auf, bitte - Du bist ganz nass
Es ist schon spät
Komm, wir müssen weg hier,
Raus aus dem Wald - Verstehst du nicht?
Wo ist dein Schuh? - Du hast ihn verloren
Als ich dir den Weg zeigen musste
Wer hat verloren?
Du dich? Ich mich?
Oder – oder wir uns?!
Jeanny, quit living on dreams
Jeanny, life is not was it seems
A lonely little girl
In a cold cold world
There’s someone who needs you
Jeanny
Es ist kalt
Wir müssen weg hier - komm
Dein Lippenstift ist verwischt
Du hast ihn gekauft - Und ich hab es gesehen
Zu viel Rot auf deine Lippen
Du hast gesagt: „Mach mich nicht an!“
Aber du warst durchschaut
Augen sagen mehr als Worte
Du brauchst mich doch he?
Alle wissen dass wir zusammen sind ab heute
Jetzt hör ich sie
Sie kommen, sie kommen dich zu holen
Aber sie werden wird dich nicht finden
Niemand wird dich finden, denn du bist bei mir!!!
Jeanny, quit living on dreams
Jeanny, life is not was it seems
A lonely little girl
In a cold cold world
There’s someone who needs you
Jeanny, quit living on dreams.
Jeanny, life is not what it seems.
You’re lost in the night,
You gotta struggle and fight
There's someone who needs you
Radio:
Das Bundeskriminalamt hat jüngst seine neuste Statistik über sexuellen Missbrauch in Deutschland veröffentlicht.
Aus dieser geht hervor, dass es sich bei einem Drittel der knapp 52.000 erfassten Fälle um sexuelle Gewalt gegen Kinder handelt.
Laut BKA dürfte die Dunkelziffer aber deutlich höher liegt. Es wird vermutet dass jedes Jahr über 200.000 Kinder unter 14 Jahren sexuell missbraucht werden.
Jeanny, quit living on dreams
Jeanny, life is not was it seems
A lonely little girl
In a cold cold world
There’s someone who needs you
Jeanny, quit living on dreams.
Jeanny, life is not what it seems.
You’re lost in the night,
You gotta struggle and fight
There's someone who needs you
Just a cold cold world…
Smile smile…
[Reamonn feat. Xavier Naidoo]
Sie läuft. Läuft nach Hause. So schnell sie kann. Rennt um ihr Leben – Wortwörtlich.
Dabei gibt es gar keine Gefahr. Nicht mehr.
Es ist dunkel. Sie hat einen Rock an. Einen Minirock. Weil sie heute Abend Spaß haben wollte.
Der Rock ist schmutzbefleckt.
An ihrem Knie blutet sie. Sie ist eben auf den Asphalt gefallen. Beim Umdrehen, während sie schon lief.
Doch sie spürt die Wunde nicht. Merkt nicht, dass das Blut an ihrem Bein herunterläuft und die weißen Schuhe voll macht.
Merkt nicht, dass ein Riss in dem kurzen Rock ist.
Sie merkt nicht, dass sie weint.
Sie ist gefühllos. Und das muss sie auch sein. Sonst würden die Gefühle sie erdrücken.
Endlich ist sie zu Hause. Schwer atmend schließt sie die Haustür auf. Alle schlafen. Keiner bemerkt sie.
Keiner bemerkt, dass sie jetzt jemanden bräuchte zum in den Arm nehmen.
Sie weiß aber, was besser ist als in den Arm genommen zu werden.
Duschen. Und Schokolade.
‚Schokolade hilft in jedem Fall’
Sie duscht solange, bis das Wasser kalt ist. Sie schrubbt und schrubbt, aber merkwürdigerweise wird sie nicht sauber. Ihre Haut schrumpelt schon. Und rot ist sie. Das Wasser ist so heiß.
Fast eine Stunde steht sie unter dem brennend heißen Wasser.
Während des Duschens überlegt sie sich, was sie jetzt tun soll.
Sie ist ja nicht blöd. Sie weiß, dass sie vergewaltigt wurde. Und dass sie ihn anzeigen muss.
Aber sie weiß auch, dass sie das nicht tun wird. Das geht nicht.
Sie hatte ja Mitschuld. In ihrem aufreizendem Minirock. Außerdem hat sie am Anfang mit ihm geflirtet. Und sie wollte ihn küssen. Und nur weil er etwas mehr wollte, kann sie ihn doch nicht anzeigen.
Außerdem würde das nichts verändern.
Sie ist ja vernünftig. Sie ist nicht wie die anderen Vergewaltigungsopfer, die sie bisher immer so bemitleidet hat.
Nein, das ist sie nicht. Sie denkt ja noch rational. Sie weiß genau, was passiert ist. Und sie fühlt sich nicht schlecht. Nein, wirklich nicht. Nur benutzt. Aber das geht vorüber.
Ansonsten ist sie noch immer gefühllos. Das ist schon sehr merkwürdig, muss sie sich eingestehen.
Denn sie kann sich in ihren Oberschenkel zwicken, der ohnehin schon voller blauer Flecke ist, und fühlt keinen Schmerz.
Vielleicht sind ihre Nervenbahnen blockiert. Das kann schon sein.
Im Badezimmer, vor der Dusche liegen ihre Klamotten. Ihre blutbefleckte Unterhose. Ihr BH. Ihr Minirock. Die Bluse, an der 2 Knöpfe abgesprungen sind. Vielleicht, als er sie aufgerissen hat.
Nein. Nicht daran erinnern. Nein, lieber nicht.
Erst einmal einen Müllsack holen. Und dann da die Klamotten reinstopfen.
So ist’s gut.
Was wollte sie eben noch tun?
Ah, Schokolade essen.
Noch immer fühlt sie sich schmutzig. Fühlt sich nicht wohl in ihrer Haut.
Es ist eher so, als seien ihr Körper und ihre Seele zweierlei Dinge, die nicht zusammengehörten.
Und doch haben sie eine Gemeinsamkeit. Sie wurden beide vergewaltigt.
Während sie die Schokolade in sich hineinstopft (sie schmeckt nach nichts), versucht sie die aufkommenden Gefühle zu unterdrücken. Und es klappt. Klappt vorzüglich.
3 Uhr. Mitten in der Nacht. Normale Menschen schlafen.
Sie nicht. Sie kann nicht.
Sie ist viel zu sehr damit beschäftigt, Gefühle zu unterdrücken.
Im Bett wälzen und versuchen, nicht an diesen Abend zu denken. Sich nicht zu erinnern.
Alles unterdrücken.
Wie wäre es denn, mit dem Tag davor? Da war noch alles in Ordnung. Da hat sie Physik gelernt.
Warum kann sie nicht daran denken? Und davon träumen?
Oder vor zwei Wochen?
Als sie mit der allerbesten Freundin an den See gefahren ist. Das war doch ein schöner Nachmittag.
Ist dieser Nachmittag es denn nicht wert, sich an ihn zu erinnern?
Lautlos schluchzend zwingt sie sich dazu, den Tag am See noch einmal zu durchleben.
Gequält denkt sie an die zwei Jungen, mit denen sie beide Blickwechsel hatten.
Und der eine... Der sah gut aus. Der hat sie ins Wasser gescheucht, um dann, wie zufällig ihre Beine mit seinen zu streifen. Beim Schwimmen.
Sie spürt noch die Berührung. Und plötzlich merkt sie, dass diese Berührung sich bewegt.
Sie bewegt sich an ihren Schenkeln entlang nach oben. Plötzlich, sind es Finger, die sie berühren. Diese Finger, die sie andauernd streicheln. An ihren Brüsten. An ihrem Bauch entlang. Immer weiter herab. Während die fünf Finger der anderen Hand schon längst unten sind und sich in ihr bewegen.
Jetzt sieht sie sich selbst. Er oben, sie unten. Er bewegt sich stoßweise. Und er stöhnt. Und drückt ihr Küsse auf das schluchzende Gesicht. Und auf die zitternden Lippen.
Und sie sieht, dass dieses Mädchen da unten, das wie sie aussieht, sich nicht getraut zu schreien. Denn er hat ihr deutlich klargemacht, dass er seine Hände um ihren Hals legen und zudrücken wird, wenn sie einen Laut von sich gibt.
„Du willst es doch auch!“
Ihr Körper scheint sich in Luft aufzulösen.
Noch immer wälzt sie sich im Bett. Diesmal kann sie sich nicht von den Erinnerungen losreißen. Muss alles durchleben. Es geht nicht anders.
Das Kopfkissen ist schweiß- und tränendurchdrängt.
„Aufhören! Bitte, aufhören!“, schreit sie, während sie mit den Fäusten auf ihren Kopf hämmert, als ob sie damit die Gedanken verscheuchen könnte.
„Aufhören...“
Jetzt ist es nur noch ein heiseres Flüstern.
Schließlich steht sie auf, geht an den Medizinschrank ihrer Mutter und holt zwei Schlaftabletten heraus.
Ein Zeitsprung von drei Monaten.
Sie hat sich verändert. Trägt nur noch weite Klamotten. Hat Narben an den Unter- und Oberarmen.
Manchmal auch am Bauch. Ihren Bauch verabscheut sie.
Sie verabscheut ihren Körper.
Abgemagert sieht sie aus.
Spricht mit fast niemandem. Hat ihre Kontaktlinsen wieder gegen die alte Brille eingetauscht. Denn sie will hässlich aussehen.
Eine Nacht die ein ganzes Leben verändert.
Doch eines... Das ist sie noch. Sie ist noch immer vernünftig. Sie weiß noch immer, dass sie Mitschuld hatte. Und dass es nichts gebracht hätte, ihn anzuzeigen.
Dass es auch jetzt nichts mehr bringt.
Niemand weiß davon. Das geht auch gar nicht. Sonst würde man sie hassen. Das weiß sie ganz genau.
Manchmal grübelt sie zwar darüber nach, ob es nicht doch besser wäre, wenn sie jemandem erzählen würde, was vorgefallen ist. In dieser einen Nacht. Doch jedes Mal entscheidet sie sich nur Momente später dafür, dass es nicht besser wäre.
Wer würde es schon verstehen?
Nachts kann sie immer noch nicht schlafen. Da ist es am schlimmsten. Ohne Schlaftabletten geht es nicht mehr.
Nachts kommen sie. Die Erinnerungen. Sie schleichen sich in ihren Kopf, in ihren Körper. Zwingen sie dazu, alles noch einmal durchzumachen. Sie hasst die Nacht. Und die Dunkelheit.
Selten sieht man sie lächeln. Lachen hat man sie seit mindestens drei Monaten nicht mehr gesehen. Oder sind es vielleicht genau drei Monate?
Freunde haben nachgefragt, was los sei. Als sie keine Antwort gegeben und nicht mehr gelacht hatte, wanden sie sich ab.
Sie haben jetzt Andere, mit denen sie lachen.
Die Familie hat auch nachgefragt. Doch löchernde Fragen sind fast noch schlimmer als die Nacht.
Mittlerweile haben sie aufgegeben zu fragen. Sie akzeptieren, dass es jetzt ein schwarzes Schaf gibt.
Warum auch nicht. Manche Leute verändern sich eben doch über Nacht.
So ist das Leben.
Ja, so ist das Leben.
Jeanny, quit living on dreams
Jeanny, life is not was it seems