Janas Entscheidung
Ganz still und regungslos saß sie dort. Der Wind umwehte Jana und es schien ihr, als wollte das Jenseits sie mit dieser Geste zu sich rufen. Es gab nicht mehr, das sie hielt, nicht mehr, das sie noch sagen oder tun wollte. Sie war es leid, sich allein durch jeden Tag zu kämpfen, ihre ganze Kraft für etwas aufzubringen, das ihr nicht wichtig war. Alles. Was Jana etwas bedeutete, hatte sich im Nichts aufgelöst. Nun wollte sie ihrem leidigen Dasein ein Ende setzen. Mit diesen Gedanken blickte Jana zum Horizont und der Regen prasselte auf sie herab. So entschlossen war sie noch vor wenigen Minuten gewesen, doch nun blickte sie auf die weit unten fahrenden Autos und Angst stieg in ihr auf. Dennoch- sie würde das durchziehen. Gerade, als sie aufstehen wollte, um zu springen, hörte sie eine sanfte Stimme. „Falls Sie vorhaben sich das Leben zu nehmen, davon würde ich Ihnen abraten“, sagte diese Stimme zu ihr. Langsam drehte sich Jana um. Sie sah ein Mädchen vor sich, kaum älter als zwölf Jahre, das ein kleines Kind and der Hand hielt. „Wie kommst du dazu mir solche Ratschläge zu erteilen?“, fragte Jana. „Nun ja“ meinte das Mädchen, „ich weiß zwar nicht, warum Sie vorhaben zu sterben, aber sie sollten es sich gut überlegen, denn wenn Sie gesprungen sind, gibt es kein Zurück mehr. Außerdem werden Ihre Freunde und ihre Familie es kaum verstehen.“
„ Ich habe keine Freunde und keine Familie.“ gab Jana zur Antwort.
„Aber jeder Mensch hat doch Freunde.“
„Nein, ich nicht.“ erwiderte Jana ärgerlich.
„Wer pflegt sie denn, wenn sie krank sind?“
„Meine Nachbarin. Eine alte Frau. Sie ist gerade im Krankenhaus.“ erklärte Jana.
„Waren Sie sie denn schon besuche?“ hakte das Mädchen nach.
„Nein ich hatte es vor, doch dann...“ Jana sprach diesen Satz nicht zu Ende. Sie hatte es vorgehabt, doch dann hatte sie denn Entschluss gefasst ihrem Leben ein Ende zu setzen. So vieles war in letzter Zeit schief gegangen und immer hatte sie sich mit ihren Sorgen und Problemen alleine gefühlt. Doch war dies alles wirklich ein Grund...?
„Ja“, sagte Jana entschlossen zu sich selbst.
„Ich muss nach Hause.“, meldete sich das Mädchen zu Wort. „Ich muss noch kochen, bevor meine Mutter nach Hause kommt.“ Sie nahm das Kind, das gerade mit Steinchen spielte, auf den Arm und ging. „Ein komisches Mädchen“, dachte Jana. So viel Ruhe war von ihr ausgegangen und sie hatte ihr helfen wollen. „Wie eine echte Freundin“, murmelte Jana laut. Und dann schrie sie es der Sonne entgegen, die vorsichtig hinter einer Wolke hervorsah und die Welt wieder fröhlich aussehen ließ. Da wusste Jana, dass sie leben wollte.