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Jan kann brav sein, wenn er nur will!
Es gab Tage, an denen Jan seine Mama schier zur Verzweiflung brachte.
„Jan hat nichts als Unfug im Sinn“, klagte sie an solchen Tagen.
Jan war ein aufgeweckter kleiner Junge, mit einem Kopf voller Ideen, aber auch mit einem kräftigen und ganz eigenen Willen.
Manchmal seufzte Jans Mama und schloss dabei die Augen, denn wenn sie nicht hinsah und nicht hinhörte, dann konnte sie sich einbilden, dass Jan ein braver Junge war.
Aber Jan wollte gar kein braver Junge sein!
Viel lieber wollte er Streiche spielen und seinen kleinen Bruder Anton zum Lachen bringen. Und manchmal, da wollte er ihn auch ärgern, oh ja!
Und Anton, der freute sich, dass es mit einem großen Bruder nie langweilig wurde.
Hätte Anton keinen Bruder gehabt, dann wäre er vor Langeweile wahrscheinlich gestorben.
Wenn Jan zum Beispiel bis ganz nach oben in den Apfelbaum kletterte und Äpfel pflückte, um damit Weitwurf zu machen und dabei sogar den Teich von Nachbar Müller traf und es laut „Platsch“ machte und das Wasser nur so spritzte – dann war das alles andere als langweilig!
Anton stand dann unter dem Baum, sah zu Jan hoch und staunte.
Aber nur so lange, bis Papa angelaufen kam und dem Spaß ein jähes Ende versetzte:
„Komm sofort runter, Jan, oder ich komme dich holen!“
Oder wenn Jan an den Kühlschrank ging, um sich einen Kakao zu machen, und dabei,
so wie Mama es nicht mochte, ganz viel Schokopulver und ganz wenig Milch verrührte, so dass sein Gesicht anschließend mit brauner Paste beschmiert war und er anfing, Fratzen zu schneiden und Faxen zu machen.
Dann, ja dann konnte Anton nur noch auf dem Boden liegen und sich kringelig lachen.
Aber Papa schimpfte: „Mach nicht so einen Quatsch, Jan!“
Und Mama sagte: “Wasch dir ganz schnell das Gesicht, Jan!“
Und vorgestern, als Jan sich von Mama den Einkaufskorb nicht wegnehmen lassen wollte und mit aller Kraft daran zerrte, da fiel der Korb auf den Boden und die Milchtüte platzte auf.
Die Milch lief überall hin, auch auf den schönen, blauen Teppich, der doch so teuer gewesen war und gleichzeitig kullerten die Äpfel die Kellertreppe herunter.
Da reichte es Mama und sie schimpfte:
„Du gehst jetzt sofort raus und kommst mal wieder zur Besinnung.“
Und so sperrte sie Jan hinaus in den Garten.
Aber Jan dachte gar nicht daran, zur Besinnung zu kommen.
Stattdessen lief er um das Haus herum und die Steintreppe hinunter und da stand schon Anton in der Kellertür und ließ ihn herein.
Gemeinsam schlichen sie zur verbotenen Schublade, von der eigentlich nur Mama und Papa wissen durften, wo sie war und Jan und Anton es aber trotzdem wussten.
Dort nahmen sie jede Menge Süßigkeiten heraus und versteckten sich im Kellerzimmer hinter der großen Kommode.
Zusammen schauten sie Bilderbücher an und mampften dabei genüsslich Gummibärchen und Schokolade.
Als Mama nach ihm rief, lief Jan schnell wieder in den Garten.
So stand er da nun und guckte ganz traurig.
Da tat es Mama plötzlich furchtbar leid, dass sie Jan ausgesperrt hatte und deshalb durfte er gleich zwei Folgen seiner Lieblingssendung im Fernsehen schauen.
Und etwas Süßes bekam er auch noch.
„Es macht doch viel mehr Spaß, nicht brav zu sein“, dachte Jan, während er gemütlich auf dem Sofa saß.
Jan schaute öfter Fernsehen, als es seinen Eltern lieb gewesen wäre, wenn sie nur davon geahnt hätten. Denn immer, wenn Mama und Papa es nicht mitbekamen und Anton schon schlief, schlich sich Jan zum Fernseher. Dann guckte er spannende Filme, auch solche, die er eigentlich noch gar nicht sehen durfte.
Solche mit Einbrechern und Dieben!
Er saß dann schweigend da, starrte gebannt auf den Fernseher und kaute am rechten Ärmel seines Pullovers, bis dieser ganz nass und durchgeweicht war.
Anton war noch zu klein für sowas.
Der hörte lieber Gespenstergeschichten, denn vor Einbrechern und Dieben hatte er Angst.
Gespenstergeschichten fand Jan albern.
„Gespenster sind was für Kleinkinder“, dachte Jan schließlich und während er das dachte, kam ihm schon wieder ein neuer Einfall.
Er stand vom Sofa auf, ging zur Truhe, nahm ein weißes Bettlaken heraus, schnitt mit der Schere zwei große Löcher hinein und zog sich das Laken über. Dann versteckte er sich hinter dem großen Schrank im Flur und wartete auf Anton.
„Buhuuuu“, rief er und stürzte hinter dem Schrank hervor, als Anton vorbeiging.
Anton zuckte zusammen und stieß ein lautes Gebrüll aus.
Als sie Antons Geschrei hörte, kam Mama schnell herbeigelaufen.
So stand sie schließlich da, hielt das zerschnittene Laken in den Händen und sah dabei sehr unglücklich aus.
Dann gab es ein gehöriges Donnerwetter und Jan musste viele Stunden in seinem Zimmer bleiben. Dort hatte er jedoch umso mehr Zeit, sich Streiche auszudenken.
Und gleich am nächsten Tag, als Mama sagte, dass Anton mal wieder zum Friseur müsse, aber Anton zeterte und schrie und überhaupt nicht wollte, da sagte Jan zu Anton:
„Wenn ich dir die Haare schneide, musst du nicht zum Friseur“.
Anton war einverstanden.
Jan holte die Schere und Anton setzte sich auf einen Stuhl und bekam seine Haarbüschel weggeschnitten, wie beim echten Friseur.
Als Mama ins Zimmer kam, schnitt Jan gerade ein ganz besonders großes Stück ab.
Sie stöhnte.
Es überraschte sie gar nicht so sehr, dass wieder etwas passiert war, nachdem es im Kinderzimmer so verdächtig still zugegangen war.
Jan durfte eine Woche lang kein Fernsehen schauen und Anton musste zu allem Übel doch noch zum Friseur, denn der sollte „retten, was noch zu retten ist“.
Morgen, da war Mamas Geburtstag und der Geburtstag, fand Jan, das war der schönste Tag im Jahr!
Und so nahm er sich fest vor, Mama eine Freude zu machen und einen ganzen Tag lang brav zu sein und keinen Unfug zu machen.
Denn das wünschte sie sich doch am meisten!
Und Jan bekam an seinem Geburtstag schließlich auch immer, was er sich am meisten wünschte!
Er hatte schon viele Pläne gemacht.
Zuerst wollte er sein Zimmer aufräumen.
Also sammelte er alles auf, was auf dem Boden verstreut herumlag. Er nahm Lego, Duplosteine, Kuscheltiere und seine Kleidung und stopfte alles zusammen in seinen Kleiderschrank.
Jan hatte Glück, dass die Schranktüren nicht direkt wieder aufgingen, denn sonst wäre ihm ein riesiger Berg entgegengepurzelt.
Nicht nur sein Zimmer sollte ordentlich sein.
Jan wollte seiner Mama auch noch den hübschesten Blumenstrauß der Welt schenken.
Also ging er in den Garten und schnitt die schönsten Blumen ab, die er finden konnte.
Dann ging er zur Vitrine im Wohnzimmer, um Mamas Lieblingsvase zu holen.
Diese stand hoch oben im Regal.
Jan stellte sich auf die Zehenspitzen und kam gerade eben so mit den Fingerspitzen dran. Dabei stieß er die Vase an. Sie fing an zu kippeln, fiel aus dem Regal und zerbrach direkt vor Jans Füßen.
Jan schob die Scherben schnell unter das Sofa, bevor Mama das Unglück sehen konnte.
Zum Glück gab es noch eine Vase. Eine größere, die weiter unten im Regal stand.
Jan nahm sie heraus und steckte die Blumen hinein.
Die Vase war jedoch viel zu groß und so ging Jan wieder in den Garten, um noch mehr Blumen abzuschneiden.
Und weil dann immer noch Platz in der Vase war, schnitt er schließlich alle Blumen
ab, die es im Garten gab!
Am nächsten Morgen war alles fein gedeckt und Jans Blumen standen auf dem Tisch.
Mama freute sich sehr.
„Mein Jan kann sehr wohl brav sein, wenn er nur will“, dachte sie zufrieden.
Fröhlich aßen sie Kuchen und spielten Spiele.
Es war ein wunderbarer Tag und der würde es auch bleiben, wenn Jans Mama nur nicht auf die Idee kam, in die Vitrine oder unter das Sofa oder in den Garten oder in Jans Schrank zu gucken!