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Jamdown

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15.07.2005
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Jamdown

„Du hast wieder einmal gedacht, Gong.“ Eine schwere Hand presste mich gegen ein Graffiti, dass König Wilbur I. zeigte, wie er einen Weißen küsste. „Du weißt, dass dich das immer wieder in Schwierigkeiten bringt.“ Unter dem Graffiti stand: Bun da Gigiman. Der Künstler hatte eindeutig recht.
Ich griff nach Clarity – meiner Waffe. Eine andere Hand war schneller. Sie zog meine Pistole und presste mir den Lauf an den Hinterkopf.
„Du kannst froh sein, dass dir Laifec noch einen Gefallen schuldet.“ Erleichtert seufzte ich auf, als ich den Angreifer erkannte. „Warum musstest du auch was aus dem Zwischenlager mitgehen lassen?“
„Komm schon Elephant, Bruder“, sagte ich, „das waren doch nur ein paar Gramm Deli für'n Eigengebrauch. Das fällt doch niemandem auf!“
„Den Corenjas wird das auffallen. Das wird Laifec eine Menge Ärger bereiten.“
Damit könnte er sogar recht haben. Das Zwischenlager für ein paar Schmuggler zu stellen war eine Sache. Mit der gefürchtetsten Terrororganisation der Lokalen Blase zusammenzuarbeiten eine ganz andere.
„Was soll ich machen?“, jammerte ich. „Ich hab's schon gezogen und gefahren ist's auch nicht.“
„Du könntest mich begleiten.“ Der Druck in meinem Rücken verschwand. „Laifec will mit dir sprechen.“
Der Tag fing ja gut an. Was sollte ich schon tun? Natürlich ging ich mit ihm mit. Schließlich wollte ich meine Clarity wieder haben. Obwohl das Arrangement mit den Corenjas Laifec mit hochmodernen Waffen versorgte, waren Rails nach wie vor Mangelware. Und für meine Clarity nahm ich sogar Laifec's Zorn gern in Kauf.
Ich drehte mich um und wollte schon in Richtung Club losgehen, doch Elephant riss mich zurück. Er deutete auf einen Wagen: „Ich'n'ich nehmen den.“
Das Auto war lächerlich klein. Geradezu mickrig. Schon als ich einstieg hatte ich Angst es würde zusammenbrechen. Das ganze Gerümpel lies das Innere noch kleiner werden. Anscheinend lebten einige Teile da drinnen schon wieder. Als Elephant einstieg wagte ich nicht die Augen offen zu halten.
Es knirschte.
Ich wartete auf den Krach.
Als ich nach einer halben Minute noch immer nichts hörte öffnete ich vorsichtig ein Auge. Elephant hämmerte wie verrückt auf dem Anlasser herum. Irgendwann hatte die Tesla-Maschine des Wagens wohl genug davon und sprang an.
Wir kamen nur langsam voran. Auch wenn es kaum andere Wagen gab, gab es doch umso mehr Fußgänger. Mir sollte das recht sein. So konnte ich wenigstens die Mädchen genüsslich bewundern.
Das wir den Bezirk Jamrock schließlich doch verließen konnte nur ein Einheimischer erkennen. Zu ähnlich waren sich die heruntergekommenen Häuserblocks. Den Unterschied konnte man eigentlich nur in den Tags zu den Graffitis ausmachen. Wenn man die Künstler nicht mehr kannte war man nicht mehr zu Hause.
Elephant brachte mich weit weg.
Das machte mir Angst.

„Wohin fahr'n ich'n'ich eigentlich, Bruder?“, fragte ich Elephant, als wir die letzten Ausläufer von Jahston hinter uns ließen.
„Wirst bald selbst sehen“, meinte er.
Ich sah mich noch einmal in dem Wagen um. Nur zur Sicherheit. Aber ich konnte noch immer keine Schaufel entdecken. Das einzig Auffällige hier drinnen war der Afrika-Anhänger hinter dem Rückspiegel.
Vorbei an Conodau-Feldern und Gorlosch-Gespannen fuhren wir in ein kleines Wäldchen.
„Ich'n'ich sind da“, sagte schließlich Elephant, während er die Tesla-Maschine abwürgte.
Mit einem flauen Gefühl im Magen stieg ich aus. Ich wusste, etwas schreckliches würde passieren. Aber an Flucht dachte ich nicht. Zu groß war noch mein Respekt.
Zwei Männer in zerschlissenen Hanf-Outfits kamen uns entgegen. Sie grüßten uns mir einem breiten „Wagwaan!“
Ganz klar dumme Dörfler. Das sagte schon der Gruß. Ich nickte nur zurück.
Dass der Lian, der den Dörflern folgte, mir auch nur zunickte, ließ mein Herz stehen. Wenn einen der heilige Mann nicht einmal mehr grüßte war man echt im Arsch.
Hinter ihnen tauchte endlich Laifec auf. Er trug den weißen Zylinder, der seit kurzem bei den Soundleadern von Jahston in Mode war.
„Ich'n'ich sind uns also einig?“, fragte er die Dörfler.
„Ich'n'ich erwarten die erste Lieferung so bald wie möglich“, sagte der kleinere der beiden.
„Der erste Hilfskonvoi wird Jahston morgen verlassen“, versprach Laifec. „Wenn ihr mich jetzt entschuldigen wollt, ich hab noch einen anderen Termin.“
Ja, meine Exekution. Aber zumindest wusste ich jetzt warum die Dörfler hier waren. Wenn weder der König noch die Groß-Terraner etwas gegen die Hungersnot tun wollten mussten wir uns eben selbst helfen.
„Jah love!“, grüßte mich Laifec.
„Jah love!“, gab ich zurück. Unsere Fäuste berührten sich, dann klopften wir uns auf die eigene Brust. „Warum treffen wir uns hier?“ Ich schluckte schwer.
„Wanzen“, meinte Laifec. „Clarity kommt übrigens – das Mädchen, nicht deine Waffe. Sie ist schon im Orbit. Wartet nur noch auf ein Sensorfenster. Sie hat mir eine Nachricht zukommen lassen und verlangt, dass du bei der morgigen Besprechung dabei bist. Wegen der Drogensache.“ Entsetzt ging ich einige Schritte rückwärts. Hatte mich mein Soundleader verraten? „Das hat sie nicht von mir, Bruder! Jah sei mein Zeuge! Ich kann mir das nur so erklären, dass sie alles verwanzt hat und ich'n'ich die Teile nicht aufspüren können. Und wenn die Corenjas so etwas haben, möchte ich nicht wissen was die Groß-Terraner besitzen.“
Laifec winkte mir ihm tiefer in den Wald zu folgen. Der Lian, Elephant und die Dörfler blieben zurück.
„Sie will sich nur mit uns beiden treffen – morgen Mittags“, sagte er als das Schweigen schon an meinen Nerven zu zerren begann. Was zugegebenermaßen ziemlich schnell geschah. „Ich habe Angst, Gong. Die Waffen, die sie uns liefern sind durchwegs militärische Produkte. Ich glaube, dass die Corenjas einen Aufstand hier in Jahston vorbereiten. Aus Jahston können wir die Groß-Terraner vertreiben, vielleicht sogar aus Neu Zion. Aber was ist mit den Schiffen im Orbit? Uns kann nur noch Jah helfen. Wie kommst du mit deiner neuen Pistole klar?“
Ich brauchte ein paar Minute bis ich mich von dem Themenwechsel erholt hatte.
„Irie, einfach Fantastisch!“, meinte ich. „Die hat überhaupt keinen Rückstoß.“
„Gut. So Jah es will wird es nicht dazu kommen, aber nimm sie morgen auf alle Fälle mit.“
„Wie du willst. Ähm ... wo findet dieses Treffen eigentlich statt?“
„In meinem Club, Jah sei Dank!“

Als Elephant mich wieder in Jamrock absetzte standen beide Sonnen schon tief am Himmel. Ich zog an meinem Joint – er war kalt. Nachdem ich ihn mir angesehen hatte entschied ich, dass sich ein erneutes anheizen nicht mehr auszahlte und warf ihn weg. Da es für das Tagesgeschäft zu spät und für das Nachtgeschäft zu früh war ging ich nach Hause. Ich glaubte sowieso nicht, dass ich heute noch zum Arbeiten kam.
Ich ging los, doch schon nach wenigen Schritten blieb ich stehen und schloss fluchend die Augen. Ich hatte Dawn vergessen! Dabei hatte ich mich heute mit ihr verabredet. Nur kam irgendwie Elephant dazwischen.
Ich hastete also los. Den Ärger sollte ich wohl so schnell wie möglich hinter mich bringen.
Der Block in dem Dawn wohnte war leicht zu finden. Es war der mit den zwei ausgebrannten Autowracks, die von den Jungen für ihre ersten Tagversuche missbraucht wurden. Sie selbst wohnte im dritten Stock. Schon ihr Vormieter hatte eine Wohnungstür vermisst. Sie hatte sich zu diesem Zweck einen Vorhang aus Holzperlen besorgt. Der klimperte als ich durchschritt.
Dawn war das Beste, das mir im letzten halben Jahr passiert war. Sie sah nicht nur aus wie Clarity, ohne freilich gentechnisch hochgetuned zu sein, sie tanzte auch noch fantastisch und in ihren Augen war ich ein Soundleader, nicht bloß ein Dieb und Laufbursche.
„Wo warst du?“ Wenn nur diese Stimme nicht wäre! „Ich warte hier schon seit Mittag!“
„Irie Gial“, versuchte ich sie zu beruhigen, „ich hatte 'ne Besprechung mit Laifec. Sieht aus als wird dein Lovaboy langsam wirklich wichtig.“
Dawn versetzte mir eine schallende Ohrfeige.
Nun ja, Clarity wäre es gelungen. Dawn konnte ich aber abfangen. Im selben Moment presste ich ihre Arme an den Körper.
Oh ja, sie wehrte sich. Und wie sie sich wehrte. Sie versuchte sogar nach meinen Eiern zu treten, aber ich hielt sie viel zu nah, als das sie ihr Knie hochbringen konnte. Irgendwann gab sie dann auf. Zuerst erschlafften ihre Bewegungen und dann ihre Muskeln. Ehrlich, es gibt nichts erregenderes als das bei einem Mädchen zu spüren. Vor allem wenn man weiß, dass sie im Bett genauso ist wie im Club agiert.

Es war spät Nachts als ich nach Hause kam. Ich muss gestehen, ich mag es nicht in einem fremden Revier aufzuwachen und Dawns Wohnung war trotz allem nicht meins. Also ging ich nach Hause. Es war ja nicht weit.
Ich hatte eine selbstgezimmerte Holzhütte am Ende einer kurzen, verdreckten Sackgasse. Rechts und links schossen die Ruinen alter Wohntürme in die Höhe. Vom Rechten stand nur noch die Fassade. Er war während der Schlacht von Neu Zion von einem Wrackteil aus dem Orbit getroffen worden. Obwohl das ganze bereits eine Generation her war, hatte es noch niemand die Mühe wert befunden die Wände abzureißen. Mittlerweile hatte sich hier der Markt von Jamrock etabliert. Also stand meine Hütte an einem nahezu perfekten Platz.
Ich zuckte zusammen als ich wieder eine schwere Hand an meinem Rücken fühlte. Aber nur einen Augenblick. Ich kannte das Gewicht.
„Jah love, Elephant“, grinste ich, drehte mich um und ...
Sie waren zu fünft. Sie trugen irgendetwas hautenges, dunkles. In der Finsternis konnte ich es nicht genau erkennen, aber ich tippte mal auf Latex. Darüber weite Gilets und sie hatten Taschen um die Oberschenkeln geschnallt. Zwei von ihnen hatten ihre Waffen gezogen. Die glänzten genauso hell wie ihre Gesichter.
„Jah love“, sagte ich, einfach weil ich nicht wusste was ich sonst tun sollte. „Was ... ähm ... was geht ab?“
„Wollen wir rein geh'n?“ Die Stimme kam von hinten, von meiner Hütte! „Da hat es ein besseres Klima zum Sprechen?“
Ich drehte mich also wieder um und kam aus dem Staunen nicht mehr heraus. Da stand doch der erste Guardian meines Lebens vor mir! Ich konnte natürlich seine Stirn nicht erkennen, aber er war in den weißen bodenlangen Mantel gehüllt, den nur Guardians trugen. Wenn das stimmte, dann trugen die Fünf hinter mir kein Latex, sondern waschechte Kampfanzüge!
„Sie kennen doch alle Wichtigen in diesem Teil dieser Stadt?“, fragte der Guardian, der mein Zögern anscheinen missverstanden hatte.
„Ähm ... ja“, sagte ich nicht ganz ohne Stolz.
„Gut, dann können wir hineingehen?“ Langsam aber sicher gingen mir diese ewigen Fragen auf den Nerv. „Wollen Sie auch mitkommen, Major McKaren?“
Der Guardian verschwand in dem dunkel meiner Hütte. Was blieb mir anderes Übrig? Ich folgte ihm.
Innen tastete ich nach dem Lichtschalter. Als dieser nicht funktionierte fiel es mir wieder ein: meine LED's waren im Arsch! Ich wollte mir heute neue kaufen – oder vielleicht auch eine dieser neuen LEP's. Auch wenn die verdammt teuer waren, brauchten sie keinen Strom. Nur etwas Erde und Wasser. Jah hole Elephant! So musste wieder einmal mein altersschwacher Holo-Projektor als Lampe herhalten. Es dauerte einige Minuten ehe die Laser warm waren und ein einigermaßen stabiles Bild erzeugten. In diesem Flackern sah ich endlich das Gesicht des Guardians und den Adler, der auf seine Stirn tätowiert war.
Meine Hütte war nichts besonderes. Ein einziger Raum mit einem Tisch und einer Kochnische. In einer Ecke hatte ich ein Nest aus Matratzen und Decken zum Schlafen. Es gab nur eine weitere Tür, die in ein Klo mit selbstgebauter Dusche führte. Ich hatte so gut wie nie Besuch. Ehrlich gesagt war mir mein Zuhause etwas peinlich.
Ein Soldat folgte mir, wahrscheinlich dieser Major McKaren. Damit war der Raum schon ziemlich voll.
Ich setzte mich auf einen der beiden Stühle, der Guardian nahm den anderen. McKaren musste stehen bleiben. Sein mürrischer Blick verhieß nichts gutes.
„Was, in Jah's Namen wollt ihr von mir?“, seufzte ich.
„Es hat eine starke Aufrüstung der hiesigen Banden, nicht?“, sagte der Guardian. „Das kommt uns wie eine Vorbereitung zum Aufstand vor? Wir wollen wissen ob es da irgendwelche besondere Begebenheiten hat?“
Ich schluckte, sagte aber nichts. Der Guardian sprach genau das aus, was auch Laifec befürchtete. Hatte das irgendetwas zu bedeuten? War es vielleicht ein Zeichen von Jah?
„Jetzt sag schon was du weißt, Junge“, fauchte McKaren und klatschte einen Teaser auf den Tisch. „Sonst kann es ganz schnell verdammt ungemütlich für dich werden!“
Der Guardian hielt sofort seine Hand schützend zwischen die Waffe und mich, ohne dabei den Blich von mir zu nehmen. Erst jetzt fiel mir auf, dass ich zitterte.
„Das hat er nicht nötig, nicht? Er wird uns alles sagen, weil er nicht will das es Krieg hat?“
„Er ist ein verdammter Krimineller!“
„Jah love!“ Zu meiner Schande muss ich eingestehen, ich steh nicht auf Schmerzen. Ich hob die Hände und begann zu singen. Und wie ich sang. Selbst in der berühmten Oper von Neu Kyoto gab es sicher nicht so gute Sänger wie mich. Ich erzählte ihnen alles, angefangen bei Claritys Auftauchen, als sie sich noch als Mitglied eines einfachen Schmugglerrings ausgab, über die Erkenntnis, das es doch die Corenjas waren, bis zu Laifec's Befürchtungen über einen Aufstand. Außerdem will auch ich wirklich keine Rebellion. So wie es jetzt ist, ist es doch gut so. Zugegeben, ich würd' auch lieber im Plaza oder auf einem anderen Stern wohnen, aber man kann ja nicht alles haben. Darum lies ich auch kein Detail aus. Keine Ahnung wie lange das gedauert hat.
„Das ist besorgniserregend, nicht? Wir werden uns jetzt verabschieden?“
„Sie wollen ihn nicht ins Hauptquartier mitnehmen?“, herrschte ihn McKaren an. „Er könnte uns anlügen!“
„Es hat Wahrheit in seiner Stimme, nicht? Es hat keine Auswirkung was mit ihm geschieht oder was er tut auf die Ereignisse? Aber Sie sind der Major? Es hat Ihre Entscheidung zu sein?“
Der Guardian war mir viel sympathischer als ich mir vielleicht eingestehen wollte. Er stand irgendwie über den Dingen. Ich muss gestehen, auch wenn ich ihn gar nicht kannte und mir seine Art zu Sprechen auf die Nerven ging würde ich ihm sofort überallhin folgen. Aber die Art wie mich McKaren anstarrte ... Ich fühlte mich wie ein kleiner Käfer der auf den Stiefel über sich blickt.
Der Major sah noch einmal von mir zum Guardian und zurück.
Meine Hand wanderte erst jetzt hinter meinen Rücken zu Clarity. Aus irgendeinem Grund hatten sie mir meine Waffe gelassen. Es hieß, dass ihre Gefangenen als Sklaven in Asteroiden endeten. Alles erschien mir besser als dieses Schicksal.
Die Bewegung war dem Guardian nicht entgangen. Das sagte zumindest sein Blick, auch wenn ich an der Art wie er saß nichts davon erkennen konnte. McKaren hatte nichts bemerkt. Wie konnte er da nur diesen Rang erreichen? Wenn ich schnell war und Jah mir half, könnte ich den Major ausschalten. Damit würde ich dem Universum sicher einen Gefallen tun.
Noch immer schien McKaren zu überlegen. Ich war bereit sofort zuzuschlagen, als der Major plötzlich seufzte und ging.
Jetzt stand auch der Guardian auf und streckte mir die offene Hand entgegen. Ich konnte sie nur verblüfft anstarren ohne meine von der Pistole zu nehmen.
„Es hat Freude mit Ihnen zu reden? Wir werden uns noch sehen?“ Mit diesen Worten ging auch der Guardian.
Ich blieb sitzen und starrte in den Holo-Projektor. Keine Ahnung, was sie zeigten. Ich schaltete den Projektor aus und tastete ich in mein Nest.

Zu behaupten ich hätte nicht gut geschlafen war untertrieben. In dieser Nacht hatte ich kein Auge zugetan. Essen konnte ich auch nichts. Dazu war mein Gefühl viel zu schlecht.
Also schleppte ich mich gähnend und mit knurrendem Magen in den Club. Als ich ankam sah ich ein neues Graffiti an der Wand: Eine große Bombe auf der Kill 'em wis da no' stand.
Elephant spielte wieder einmal den Türsteher. Er nickte mir stumm zu ehe er sie mir öffnete. Ich gab mir alle Mühe ein Gähnen zu unterdrücken während ich an ihm vorbeiging. Ich hatte keine Chance.
Im Club erwartete mich erwartete mich der übliche Geruchsmix – abgestandener Alkohol, kalter Tabak und Ganja. Wie immer, wenn ich einen leeren Club betrat, lief mir ein Schauer über den Rücken. Auch wenn, wie jetzt, Roots aus den Boxen dröhnten.
„Jah love, Gong!“, rief mir Laifec hinter der Bar zu. „Siehst fertig aus! Schwere Nacht gehabt?“ Dabei grinste er.
„Jah love“, gab ich zurück. „Gib mir 'nen Kaffee.“
„Jetzt, wo wir 'nen haben“, meinte er und schenkte mir ein. „Clarity sollte bald kommen.“
„Sie ist schon da“, meinte ich und klopfte auf meinen Rücken. Laifec schüttelte den Kopf.
Ich nippte an meinem Kaffee und überlegte ob ich Laifec von dem nächtlichen Besuch erzählen sollte. Doch bevor ich eine Entscheidung treffen konnte hörte ich Claritys Stimme: „Hey Leute! Was geht ab?“
„Können wir anfangen?“ Laifec hatte sie nicht gegrüßt. Wusste sie wie dünn dann das Eis war, auf dem sie sich bewegte?
Clarity kam näher. Sie hatte ihren Sklaven dabei. Wie hieß der noch? Ja? Beide trugen weite Kleider aus irgendeinem glänzenden Gewebe. Es stand ihr bei weitem nicht so gut, wie das Latex in dem ich sie kennen gelernt hatte. Sie trug ihre Haare offen. Die Deckhaare blau gefärbt, die darunter blondiert. Es sah absolut unnatürlich aus und kam krass zu ihrer dunklen Haut.
„Wie war das Deli, das du geklaut hast, Gong?“
„Was ist das für 'ne Droge, Gial?“, gab ich zurück. „Die ist überhaupt nicht gefahren.“
„Deli ist 'ne Metadroge“, erklärte sie. „Sie verändert nur das, auf dem man gerade ist. Aber ich bin dir nicht böse. Wir rechneten mit so was.“ Ihr Sklave stellte ihr einen Stuhl hin, auf den sie sich setzte. „Reden wir übers Geschäft.“
„Ich nehme an, jetzt kommen ich'n'ich endlich zum Hacken in unserer Abmachung“, sagte Laifec und Clarity nickte.
„Groß Terra befindet sich im Krieg“, sagte sie. „Wir wissen nicht wer sie sind oder woher sie kommen, aber der Feind hat schon zwei Welten erobert und um die Dritte wird sicher bald gekämpft. Es ist zwar früher als wir geplant haben, aber wenn ihr eure Welt befreien wollt ist jetzt der richtige Zeitpunkt.“
„Hab ich dich richtig verstanden?“, hackte Laifec nach. „Ich'n'ich sollen die einzigen bekämpfen, die uns vor den Aliens retten können?“
„Das schuldet ihr uns“, war alles was sie sagte.
„Glaubst du wirklich ...“
Weiter Laifec kam nicht. In diesem Augenblick schoss etwas durch die Wand und bohrte sich in den Boden. Hätte Clarity sich nicht nach vorne gebeugt, es hätte ihr den Kopf zerfetzt.
„Hinterhalt!“, schrie sie und klopfte sich auf die Schulter. Ihr Sklave tat das selbe.
Ihre Kleidung verflüssigte sie sich, verteilte sich über den ganzen Körper und härtete als dunkelgraue Haut aus. Binnen eines Moments standen zwei Dämonen vor mir, mit grünen Flecken wo ihre Augen waren. Kampfanzüge!
Von irgendwo her hatten sie plötzlich Pistolen in den Händen und schossen auf uns. Ich ließ mich fallen, zog meine Pistole. Aus den Augenwinkeln sah ich wie Laifec blutend zusammenbrach. Ich schoss.
Die Überschallknalle erfüllten die Luft. Nicht nur von den Waffen hier im Club, auch von den Kugeln die durch die Wand drangen und sich auf Clarity und ihren Sklaven konzentrierten.
Mir schoss durch den Kopf, dass ein Streifschuss mit dieser Geschwindigkeit tödlich war. Gewebeschock nannte man das, oder?
Meine beiden Kontrahenten sprangen nach oben. Unnatürlich schnell und hoch. Trotzdem steckte eine eine mehrere Treffer ein. Die Kugeln drangen durch den Kampfanzug als wäre er nicht vorhanden. Die Gestalt prallte auf den Boden und bewegte sich nicht mehr. Die andere verschwand in dem Gewirr der Träger unter der vier Meter hohen Decke.
Der Beschuss endete, als Elephant blutüberströmt durch die Tür brach und liegen blieb. Ihm folgten drei Gestalten, die ebenfalls von Kopf bis Fuß in dunkelgraue Häuter gehüllt waren. Aber sie hatten die Westen und Oberschenkeltaschen der groß-terranischen Soldaten und einer trug den weißen Mantel der Guardians.
Ich saß mit dem Rücken zur Bar, atmete schwer und zitterte am ganzen Körper. Laifec und Elephant waren Tod. Als wenn das nicht genug wäre zielten die Soldaten auch noch auf mich.
Der Guardian berührte 'ne Stelle an seinem Kampfanzug, die ich nicht sehen konnte. Die Haut floss von seinem Kopf und seinen Händen. Es war doch klar, dass er der selbe Guardian war, der mich in der Nacht besucht hatte.
„Sie können die Waffe wegstecken?“, sagte er.
Jetzt war sowieso schon alles egal, also tat ich es. Ich schloss die Augen und lehnte den Kopf gegen die Bar. „Oh, Jah! Hilf mir!“, betete ich leise.
Als ich die Augen wieder öffnete berührte der Guardian gerade den Kampfanzug der Leiche an der Schulter. Das Teil wurde wieder flüssig und verwandelte sich zurück in das weite Gewand. Der Sklave steckte darin.
„Wo hat es Clarity?“, fragte der Guardian.
Ich deutete mich schwacher Hand zur Decke. Einer der Soldaten sprang sofort nach oben.
„Sie ist durch das Dach gebrochen!“ Die Stimme des Soldaten kam seltsam gedämpft durch den Anzug.
Der Guardian holte 'nen Riegel aus 'ner Tasche seiner Weste und warf ihn mir zu. Dankbar riss ich ihn auf und verschlang ihn. Ich hatte erwartet, dass er nach Hühnchen schmecken würde, aber es erinnerte doch eher an gebratenes Conodau.
„Sie werden Clarity finden und zu mir bringen?“, befahl mir der Guardian. „Es wäre gut, wenn es noch Leben in ihr hat? Aber eigentlich ist es egal?“
„Warum sucht ihr sie nicht selbst?“, fragte ich. Ich fühlte schon wie neue Energie mich durchflutete. Eins muss man den Groß-Terranern lassen: Das Zeug, das sie haben ist einfach klasse.
„Diese Aktion hat das Fass zum überlaufen gebracht? Wir müssen die Stadt befrieden?“
Ich stand auf und überprüfte den Ladestand meiner Waffe. Das Magazin der Rail musste ich wechseln, aber der Akku hatte noch mehr als genug Saft.
„Und was hab ich davon?“
„Sie hat nicht Laifec getötet, nicht? Aber gut, wenn Sie mir Clarity bringen hat es den Status eines Gemeinen für Sie?“
Hatte ich richtig verstanden was er mir da Anbot? Den Aufstieg zu einem Gemeinen? Ich könnte endlich zu den Sternen reisen! Diese Dreckswelt verlassen!
„Eines möchte ich noch wissen“, sagte ich. „Clarity sagte, dass ihr euch im Krieg mit Aliens befindet und schon zwei Welten verloren habt. Stimmt das?“
„Es hat nur unwichtige Welten erwischt, nicht?“, gab der Guardian zu. „Das gibt uns die Gelegenheit ihre Stärken und Schwächen kennen zu lernen?“
Ich schüttelte den Kopf und verließ ungehindert den Club.
Man soll sich nicht mit Babylon einlassen. Zumindest in diesem Punkt hatte der Lian hatte Recht.

Mittlerweile verschmolzen die Überschallknalle zu einem endlosen Donner. Anscheinend wurde bereits ganz Jahston gekämpft. War es wirklich erst eine halbe Stunde her, dass die Krawalle ausgebrochen waren?
Die Antwort war mir egal. Für mich zählte nur, dass ich Clarity fand. Ich wusste noch nicht was ich mit ihr anstellen würde, aber ich war mir sicher, dass sich das noch herausstellte. Spätestens nachdem ich sie gefunden hatte.
Nur wo sollte ich anfangen? Jamrock alleine war schon groß, Jahston riesig. Clarity hatte diesen irie Kampfanzug, mit dem sie riesige Sprünge und was weiß ich sonst noch machen konnte. Und ich hatte nichts, nur 'ne Rail die ich auch noch nach sie benannt hatte!
Zu allem Überfluss stolperte ich auch noch in einen Straßenkampf.
Genau genommen starrte ich plötzlich in die Rücken von zwei Soldaten in Kampfanzügen, deren Westen grün-gelb-schwarze Abzeichen aufwiesen – königliche Soldaten. Sie hatten eine handvoll Kinder in eine Sackgasse gedrängt. Die hatten keine Waffen, nur eine rot-gelb-grüne Fahne. Aber es war klar, dass den Soldaten das egal war.
Ich tat das einzig Richtige. Die Soldaten hörten nicht einmal mehr den Knall. Dank der Kampfanzüge floss nicht allzuviel Blut aus den Leichen.
„Irie“, grinste das größte Mädchen in der Gruppe.
„Seid ihr von Jah verlassen?“, fuhr ich sie an. „Wollt ihr sterben?“
„Ich'n'ich find eine Ftrafe fu früh abgebogen“, nuschelte das Mädchen mit einem Finger zwischen den Zähnen.
„Geh'n ich'n'ich“, seufzte ich.
Die Kinder führten mich in eine andere Straße. Von einem Hinterhalt merkte ich nichts, bis plötzlich Dreads mit einem harten Frauengesicht darunter hinter einem Autowrack auftauchten.
„Gong? Jah love! Was machst du hier?“
„Joy!“, rief ich. „Jah love! Was ist dir ins Hirn gefahren?“
„'n Hinterhalt is'n Hinterhalt.“ Sie hob die Schultern. „Ich hab gehört, du seist bei Laifec. Wo ist er?“
„Tod“, sagte ich. „Clarity hat ihn auf dem Gewissen. Sie hat 'nen Kampfanzug, aber ohne die Weste und das alles und ist über die Dächer abgehauen. Du hast sie nicht zufällig gesehen?“
„Doch“, grinste Joy. „Sie ist da lang.“ Sie deutete ins Stadtzentrum. „Die Sprünge waren echt irie. Hab gar nicht gewusst das sowas möglich ist.“
„Danke!“ Ich wollte schon los, aber Joy hielt mich zurück.
„Ich'n'ich helfen dir mit dieser Babylon-Schlampe. Es geht schließlich um Laifec.“ Dann pfiff sie.
Aus einer Seitenstraße kam ein Pickup. Die hatten doch glatt 'ne achtläufige Coil auf die Ladefläche montiert. Der Rasta, der hinter der Coil stand, sog gerade an einem Joint.
„Irie“, grinste ich und sprang auf die Ladefläche. Joy nahm auf dem Beifahrersitz platz.

„Weißt du vielleicht wo sie hin will?“, fragte Joy durch die offene Heckscheibe.
Ich hielt mich mit einer Hand an dem Dach fest und zog an 'nem Joint. „Das letzte Mal hat sie im Plaza gewohnt.“
„Das gehört sowieso mal renoviert“, grinste Joy und nahm mir den Joint ab.
„Seht euch das an!“, rief der Rasta neben mir und deute nach oben.
Da hing ein dunkler Fleck in der Luft. Schräg unter ihm stand eine Säule aus Rauch und Feuer.
Ich nahm das Fernglas. Der Fleck wurde zu einem böse aussehenden Atmosphärenflieger. Die Luftplasmadüsen an den Enden der Tragflächen standen schräg und ließen ihn langsam über die Stadt schweben. Seitlich standen schwere Rails und Coils wie Stacheln aus dem Rumpf.
„Den müssen ich'n'ich fertig machen“, sagte ich.
Der Rasta hatte die Coil bereits im Anschlag. Die Läufe drehten sich mit wahnsinniger Geschwindigkeit. Ihre Granaten waren langsam genug um keinen Überschallknall zu verursachen.
Der Atmosphärenflieger erzitterte unter den Explosionen. Leider hielt die Panzerung.
Unser Gegner ließ von seiner Beute ab und machte einen Satz auf uns zu.
„Scheiße!“, fluchte Joy.
Wir rasten los. Einschläge von der schweren Rail spritzen neben uns auf die Straße. Der Pickup bockte. Ich lag auf der Ladefläche und versuchte einfach nur nicht runter zu fallen.
Was tat ich hier eigentlich? Ich bin ein Dieb, kein Krieger! Ich hatte hier nichts verloren!
Plötzlich durchbrach eine Explosion den allgegenwärtigen Donner. Ich sah gerade noch rechtzeitig hoch um zu erleben wie der Kampfflieger brennend in ein Haus krachte und in Rauch und Feuer verging.
„Wahuu!“, heulte ich vor Freude und da war ich nicht alleine im Pickup.
„Jetzt lasst uns Laifec rächen!“, schrie Joy.

Irgendwie hatten wir es durch die Linien geschafft. Doch je näher wir dem Plaza kamen desto unsicherer wurde ich. War Clarity wirklich im Plaza abgestiegen? Ich kannte ihren Geschmack. Aber das war doch viel zu auffällig, oder? Andererseits war es der einzige Anhaltspunkt den ich hatte. Also was sollte ich sonst machen?
Drei Blocks vor dem Plaza gab der Pickup auf. Eine bemerkenswerte Leistung wenn man die ganzen Einschusslöcher betrachtete, die wir uns bei kleineren Scharmützeln eingefangen hatten.
Joy und ich gingen zu Fuß weiter. Die beiden Rastas blieben beim Pickup und versuchten ihn wieder zum Laufen zu bringen.
Der Aufstand hatte auch hier seine Spuren hinterlassen. Hier war eine Wand durchlöchert, dort brannte ein Haus, aber die Kämpfe hatten sich schon längst in einen anderen Stadtteil verlagert. Mittlerweile trauten sich wieder die ersten Zivilisten auf die Straße. Ich beobachtete misstrauisch, wie sie ihrerseits die Schäden begutachteten.
„Glaubst du wirklich, diese Babylon-Schlampe ist im Plaza abgestiegen?“, fragte Joy zum ersten Mal.
Meine Hand verkrampfte sich um den Griff der Rail, die in meinem rückwärtigen Hosenbund steckte. „Nein“, sagte ich und deutete mit der Linken auf eine Frau auf der anderen Straßenseite.
Sie unterschied sich nicht wirklich von den anderen in diesem Teil der Stadt. Gut, sie war Barfuß. Manche hatten einfach nicht das Geld um sich Schuhe zu kaufen. Ihr zerschlissener, dunkler Rock reichte bis zur Mitte der Unterschenkel. Dazu was weißes, Ärmelloses, das auch schon bessere Tage erlebt hatte. Ihre dunklen Haare hatte die Frau kurz geschoren.
„Die ist doch viel zu normal und einfach angezogen“, meinte Joy.
Da mochte sie recht haben. Aber diese Frau hatte etwas an sich. Die Art wie sie sich bewegte. Im Gegensatz zu Joy oder mir war es Laifec auf dem ersten Blick aufgefallen. Was hatte er damals gesagt? Sie posed wie eine Guardian. Jetzt erst, als ich sie in dieser Verkleidung sah viel es mir auch auf. Diese Selbstsicherheit, dieses drinnen sein und doch darüber stehen. Genau wie mein Besuch letzte Nacht.
Sie drehte sich um. Für einen Augenblick trafen sich unsere Blicke. Das Aufblitzen des Erkennens, ein kurzes Hochziehen der Augenbrauen, dann drehte sie sich auch schon wieder weg und ging weiter als ob nichts gewesen wäre.
Jetzt war ich mir absolut sicher.
Die Hand mit meiner Waffe noch immer hinter dem Rücken versteckt lief ich ihr nach. Joy blieb keine Wahl als mir zu folgen. Ich zog die Pistole erst, als ich nur noch zehn Meter von ihr entfernt war. Ein sicherer Schuss. Mehr brauchte ich nicht.
In dem Moment als ich auf sie zielte lies sich Clarity auf die Knie fallen. Gleichzeitig drehte sie sich um. Von irgendwoher hatte sie zwei Pistolen und schoss.
Ich warf mich zur Seite. Etwas streifte meine Wange. Es tat noch nicht einmal weh. Dann hörte ich den Überschallknall und der Schmerz setzte ein.
Gewebeschock! Scheiße! Ich sterbe! Warum hab ich mich nur an ihre Fersen geheftet? Ich bin doch nur ein Dieb! Das ist doch ein Job für Kämpfer! Ich sterbe!
Wie lange dauert das eigentlich?
Der Griff an meine Wage sagte mir, dass sie übel von der Kugel zerschnitten worden war. Ich öffnete die Augen und sah, dass Clarity mit wenigen Sätzen eine Wand erklomm. Da entschied ich, dass der Gewebeschock ruhig noch warten konnte und stand auf.
Ich sah wie Joy auf einem Müllhaufen kletterte und sich dann auf das Dach zog. Den Weg nahm ich auch.
Oben angekommen folgte ich Joy, die gerade über eine Straßenschlucht sprang. Clarity war schon einen Block weiter. Scheiße! Ich habe Schluchten schon immer gehasst und werde das auch weiterhin tun. Egal wie gut ich im Springen bereits bin. Und ich bin verdammt gut. Das ist vielleicht auch der Grund.
Schon bald hatte ich Joy überholt. Aber Clarity war ich kein Stück näher gekommen. Wie schnell und geschmeidig sie sich bewegte! Dann sprang sie in einen Hof. Als ich dorthin kam stockte ich zunächst. Das waren zwei Stockwerke – sieben Meter! Keine Ahnung wie die das geschafft hat, aber sie winkte mir von unten zu.
Ich schoss einmal, zweimal, dreimal. Keine Chance. Sie verschwand einfach ins Haus.
„Wo ist sie?“, keuchte Joy hinter mir.
„Da runter“, sagte ich und lief zur Hauswand. Ja, dort war ein Müllhaufen. Ich sprang.
Schweiße , tat das weh! Viel mehr als der Streifschuss. Aber ich hatte Glück. Nur ein paar Meter von mir entfernt stürmte Clarity durch die Tür. Im Laufen floss die dunkelgraue Haut über ihren Körper und bedeckte alles, außer das Kleid und das Shirt. Ich hatte keine Zeit mein Waffe in Anschlag zu bringen. Also lief ich einfach hinterher. Hinter mir hörte ich Joy im Müll landen.
Im Laufen gab ich noch fünf Schüsse ab, dann musste ich das Magazin wechseln. Mein vorletztes.
Clarity verschwand in einem Lagerhaus. Ich folgte ihr und musste mich drinnen gleich hinter ein Fass werfen. Die Kugeln flogen mir nur so um die Ohren. Ich feuerte zurück. Joy kam mir zur Hilfe. Doch auch zu zweit konnten wir sie nicht treffen. Nicht weil sie in Deckung war. Sie stand vollkommen frei. Auch bewegte sie sich nicht einmal besonders schnell. Aber jedes mal, wenn wir sie anvisierten und abdrückten stand sie schon wieder wo anders. Keine Ahnung wie sie das machte.
Der Tanz den sie dabei aufführte war faszinierend. Soweit ich das beurteilen konnte, sah sie kein einziges Mal in unsere Richtung. Aber die Kugeln drangen gefährlich nahe durch die Fässer unserer Deckung.
Auch wir trafen nur Fässer. Der klebrig süße Geruch von Conodau-Schnaps erfüllte das Lager.
Ich schob mein letztes Magazin rein. Plötzlich schrie Joy. Eine Kugel hatte sich durch das Fass in ihren Unterleib gebohrt. Sie stöhnte und wand sich vor Schmerzen.
Ich brüllte. Feuerte einfach nur irgendwohin ohne zu zielen. Plötzlich hörte ich einen gedämpften Schrei von Clarity. Vorsichtig wagte ich einen Blick. Sie lag am Boden und hielt sich den Oberschenkel.
Ich verließ meine Deckung. Vor Clarity blieb ich stehen und zielte auf ihren Kopf.
Der Kampfanzug floss von ihrem Gesicht. „Es ... es war nur ein Missverständnis!“ Sie versuchte mich anzulächeln, was ihr sichtlich schwer fiel.
Ich grinste zurück und drückte ab.
Nichts geschah.
Ich sah rasch auf die Munitionsanzeige. Es waren noch zwei Schuss übrig. Allein, der verdammte Akku war leer!
„Verbrenn' die Babylon-Schlampe!“, rief Joy.
Ich sah zurück. Joy lag auf dem Boden. Mit der einen Hand hielt sie sich ihre Wunde. Mit der anderen zielte sie tapfer auf Clarity.
Nach einem kurzen Blick gefiel mir die Idee ganz gut. Clarity lag nicht nur in einer Schnapslache, sie hatte in dem Zeug geduscht. Das sie um Gnade flehte gab den letzten Ausschlag.
Ich steckte meine Pistole weg, nahm die Streichholzschachtel heraus. Das Winseln war Musik in meinen Ohren. Ich klemmte ein Holz zwischen meinen Zeigefinger und der Reibfläche und schnipste es weg. Das Teil drehte sich vier, fünf Mal ehe es die Lache in Flammen setzte.
Begleitet von Claritys Schreien zog ich Joy aus dem Lager. Zusammen beobachteten wir, wie alles in der reinigenden Glut verging. Als die königlichen Soldaten kamen war Joy schon zu Jah gegangen.

Zwei Tage verbrachte ich in einer kleinen, dunklen Zelle im Palast, der genau im Mittelpunkt der Stadt stand. In dieser Zeit wurde nie die Tür geöffnet. Es gab einen kurzen Schlauch, aus dem Wasser und ein zäher Nahrungsbrei kamen. Das einzige Licht kam von einer Uhr an der Wand.
In dieser Zeit plagten mich echte Gewissensbisse. Klar wollte ich Clarity Tod sehen, aber ein sauberer Schuss in den Kopf wäre besser gewesen als sie lebendig zu verbrennen. Ich hätte mir Joys Waffe nehmen sollen, nicht das Streichholz.
Als endlich die Tür auf ging stach mir das Licht in die Augen. Ich fluchte. Als ich mich schließlich daran gewöhnt hatte erkannte ich den Guardian.
„Der Kampf hat ein Ende?“, teilte er mir mit. „Die Aufständischen haben sich auf das Land zurück gezogen? Wir haben Clarity gefunden? Du wirst sie identifizieren, dann hast du Freiheit?“
Natürlich folgte ich ihm. Die Soldaten an denen wir vorbeikamen salutierten vor dem Guardian, der das noch nicht einmal wahrnahm.
Wir erreichten eine Leichenhalle. Da lag sie, Clarity. Dafür das ich ihr ein flammendes Inferno bereitet hatte sah sie verdammt gut aus. Nur ihre Brust war zerschossen.
Einen Augenblick.
Ich hatte doch ihren Oberschenkel getroffen. Nicht die Brust.
Je näher ich kam, desto offensichtlicher wurde es. Die Gesichtszüge waren viel zu weich, zu natürlich um Clarity zu sein. Das hier war Dawn!
„Hat es hier Clarity?“, fragte der Guardian.
Ich stand neben Dawn. Berührte ihr von Blasen entstelltes Gesicht. Dawn, nicht Clartiy. Dawn ... sie hatte nie etwas getan! Warum sie? Ich glaube ich weiß die Antwort.
„Hat es hier Clarity?“, wiederholte der Guardian.
Was hat er damals noch gesagt? Ich werde ein Gemeiner, wenn ich ihm Clarity bringe. Aber das hier war Dawn. Konnte er den Unterschied erkennen? Wahrscheinlich nicht. Machte es überhaupt einen Unterschied? Für mich schon.
„Ja“, sagte ich, „das hier ist Clarity.“

Ich stand vor dem Gefängnis und starrte in den Sternenhimmel. Nicht mehr lange und ich konnte sie aus der Nähe sehen. Der Guardian hatte nicht nur Wort gehalten, er hatte mir sogar meine Rail zurückgegeben. Und in meinem neuen Pass stand auch, dass ich berechtigt war diese Waffe zu besitzen.
Ich zog sie. Ich hatte sie Clarity genannt. Jetzt soll sie Dawn heißen.

 

Ich glaub ich weiß jetzt warum die ganzen Sequels aus Hollywood abstinken. Man glaubt, man könnte jederzeit unter das Niveau des Vorgängers fallen und gerät dadurch in Gefahr zu Übertreiben. Mal sehen wie ich bei meinem Sequel zu Ghetto Edukation den Drahtseilakt geschafft hat.

CU
Thomas

 

Hey Tommy

Sorry, das es so lange gedauert hat und ich hab's jetzt auch erstmal nur im Schnelldurchgang gelesen, aber ich muss sagen :thumbsup: Kompliment, Bruder, den Drahtseilakt haste sauber hingekriegt. Jede Menge Action und ne coole Entwicklung... Da wird doch hoffentlich mal ein Roman drauß, oder;) ?
Irgendwie (nochmal Sorry:sealed: ) stinken deine anderen Geschichten im Vergleich hierzu ziemlich ab, keine Ahnung, wie du das machst...:Pfeif:
Jetzt steht das ganze zumindest mal wieder ganz oben und wird hoffentlich ein wenig mehr Beachtung finden...

Soweit erstmal, später mehr.

Liebe Grüße

omno (jetzt auch bei earth-rocks)

 

Da sag ich gleich mal Danke und verbeuge mich tief :huldig:

Ich hab derzeit ein anderes Großprojekt in Arbeit - aber den Charakter werd ich definitiv noch weiter verwenden. Der ist einfach zu geil :D

CU
Thomas (dito)

 

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