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Jagdinstinkt
Na endlich!
Er hatte es geschafft! Wäre ja auch noch schöner gewesen, schließlich war er doch wer, ein gestandener Mann, im besten Alter...!
Sie war ihm gleich aufgefallen, als er sie zum ersten Mal in der Firma sah, die traurigen Augen...., wie ein verletztes Reh... Oh! Er liebte diese Wesen. Sie waren so dankbar..., nur ein paar Komplimente, ein wenig Verständnis und schon war er am Ziel.
Leichte Opfer für ein paar amüsante Stunden, nur manchmal etwas schwer wieder loszuwerden.
„Kann ich Ihnen behilflich sein? Sie sind doch neu hier, nicht wahr?“ eröffnete er geschickt das Gespräch, als er sie unschlüssig am Eingang zur Kantine stehen sah. Zögernd war sie seinem Angebot gefolgt, sich mit an seinen Tisch zu setzen.
Während des Essens musterte er sie verstohlen...
Auf ihre Weise sah sie attraktiv aus, wenn auch etwas müde und verbraucht. Ihr langes, dunkles Haar war achtlos zu einem Knoten gebunden, einzelne Strähnen hatten sich daraus gelöst und umrahmten ihr blasses Gesicht.
„Muß wohl viel durchgemacht haben in letzter Zeit,“ dachte er... Aber was soll’s, das Leben ist eben nicht fair. Seine Kindheit war schließlich auch kein Zuckerschlecken gewesen, und sein Vater pflegte immer zu sagen: „Jeder bekommt das, was er verdient.“
Er scheute keine Mühen in den folgenden Tagen, tauchte stets wie zufällig neben ihr auf, wenn sie sich nicht zurecht fand, bot immer höflich und zuvorkommend seine Dienste an, und endlich willigte sie ein, mit ihm auszugehen.
„Rein freundschaftlich, ohne Hintergedanken“, sagte er zu ihr, als er sie anschließend bat, auf einen letzten Drink noch mit nach oben zu kommen.
Wie einfältig die Frauen doch immer wieder waren, er lachte in sich hinein, glaubten einfach alles, was man ihnen sagte. Dabei war es doch wohl wirklich klar: Welcher Mann will nicht danach die Frau ins Bett kriegen, ist doch völlig normal, oder? „Mann“ hat nun mal Bedürfnisse..., und sie ist doch mitgegangen..., und wie sie sich an ihn geschmiegt hat, richtig ausgehungert nach ein paar Zärtlichkeiten...
Die hat sie ja dann auch bekommen! Die Erinnerung daran erfüllt ihn noch immer mit Stolz, und ihr scheint es auch gefallen zu haben. Zumindest hat sie nichts Gegenteiliges gesagt...., war nur still dagelegen. Warum sie auf einmal weinte und völlig überstürzt seine Wohnung verließ...
Eigentlich wollte er sie aufhalten. Plötzlich dachte er, es wäre doch ganz schön am nächsten Morgen mit ihr aufzuwachen, nicht immer so alleine..., das war aber nur ein kurzer Anflug von Sentimentalität gewesen, lag wohl an Weihnachten.
Sie war heute nicht zur Arbeit erschienen, krank, angeblich... schade... Aber er war ganz sicher, wenn die kleinen unbedeutenden Kratzer in ihrem Gesicht verheilt sein werden, wird sie schon wieder auftauchen.
Tja, lächelte er, so sind sie, die Frauen, so ein bisschen Gegenwehr zum Schein, das brauchen sie doch alle, war schon zu Hause so gewesen. Im Grunde wollte sie es doch auch, sonst hätte sie doch nein gesagt, oder...?
Also, was soll’s, morgen ist sie bestimmt wieder in seiner Firma, wo sollte sie auch anders hingehen, schließlich hatte er ihr eine Chance gegeben, so direkt von der Anstalt weg...
Und wenn nicht, auch egal. Er hatte da heute Morgen am Kaffeeautomaten eine Kleine gesehen...., diese Augen, so traurig....