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Jagd
Er spürte die wärmenden Sonnenstrahlen langsam über seine Stirn und auf seine geschlossenen Augenlider kriechen. Er gab sich noch wenige Minuten, bis er mit seinen Vorbereitungen beginnen musste. Seiner Einschätzung nach sollte er eine Stunde ab Einbruch der Dunkelheit Zeit haben, bevor es einträfe. Um beim Meditieren die Zeit im Auge zu behalten, war es die einfachste Methode, auf den Stand der Sonne zu achten. Alles was man bedenken musste, war die Himmelsrichtung in die man sich ausrichtete. Er wartete noch, bis die Sonne so tief lag, dass ihre letzten Strahlen ihm den gesamten Körper erwärmten und öffnete dann seine Augen. Durch seinen momentan in der Luft stehenden Atem fiel sein Blick auf die rötlich untergehende Sonne. Sie blendete ihn nicht, auch wenn seine Augen vorher stundenlang geschlossen waren. Einer der Vorteile des Daseins als Freak.
Sein rechter Arm griff zielgerichtet nach dem linken der beiden Schwerter auf seinem Rücken, während sein restlicher Körper in kniender Pose regungslos blieb. Der Griff lag makellos in seiner Hand und mit einer fließenden Bewegung zog er das Schwert aus seiner Halterung. Sein Blick verharrte derweil auf dem fast blutroten Himmel und wandte sich erst davon ab, als die Bewegung vollendet war und er das Schwert waagerecht vor sich hielt. Er sah zu wie die orangefarbenen Runen langsam wieder auf dem puren Silber verglühten, sobald das Schwert ruhte. Er legte es sanft neben sich auf dem Gras ab, holte ein festes Stofftuch und eine Flasche voll nahezu durchsichtiger, doch im Licht grünlich schimmernder Flüssigkeit hervor.
Hoffentlich irrte er sich nicht in der Art des Monsters, das er jagte, sonst würde sich die Flüssigkeit als nutzlos erweisen und er hätte einen deutlich härteren Kampf vor sich. Zwar war er ein Profi und solche Zweifel sollten ihm eigentlich aus bleiben, doch waren seine Informationen mehr als unzureichend. Die Leichen der Opfer hatte er nicht untersuchen können, da sie bereits begraben waren und es die Totenruhe nicht zu stören galt. Er musste sich also auf die Aussagen der Lebenden verlassen, welche so gut wie immer unzureichend waren, und dieses Mal handelte es sich nicht einmal um Augenzeugen. Die einzige handfeste Information die er hatte, war die Verwüstung des Innenraums der Kirche, welche er selbst untersucht hatte. Vieles hätte das anstellen können, doch das war alles was er hatte.
Er öffnete die Flasche, verdeckte die Öffnung mit dem Stofftuch und drehte die Flasche, verteilte die ölige Flüssigkeit auf dem Tuch. Fast leer legte er die Flasche achtlos beiseite. Er nahm sein Schwert wieder und begann achtsam mit dem Stofftuch die Flüssigkeit auf dem Silber zu verteilen. Als er fertig war stand er auf und betrachtete das grüne Schimmern der geölten Klinge im schwindenden Sonnenlicht. Mit der Linken nahm er das Tuch und die Flasche und in der Rechten hielt er sein Schwert, als er dem Sonnenuntergang den Rücken zu kehrte und sich stattdessen dem großen Gebäude zu wandte. Das große Tor stand leicht offen, Klauen hatten sich tief in das Holz gegraben. Dies und die einsetzende Dunkelheit gaben der stillen Umgebung der Kirche ein unangenehmes Flair. Nicht, dass dies ihm sonderlich auffiel, er war es nicht anders gewöhnt. Er ging, das Tor nur ein wenig weiter aufschiebend, hinein, packte als erstes Tuch und Flasche unauffällig zur Seite und ließ danach den Blick durch den verwüsteten Raum schweifen.
Zertrümmerte Holzbanken, welche scheinbar durch den Raum geworfen wurden, bestialische Klauen hatten in dem Boden, den Wänden und Wandgemälden tiefe Kerben hinterlassen. Getrocknetes Blut erstreckte sich über einen Großteil des Raumes, klebte an den Bänken, auf den Bodendielen und dem zerfetzten Teppich, selbst an den Wänden war einiges verteilt. Er trat vor die Stufen, welche hoch zum Altar führten, und kniete dort erneut nieder, behielt das Silberschwert in der Rechten und schloss die Augen, um auf das Eintreffen des Monsters zu warten.
Er lauschte der schwachen Geräuschkulisse, seinem ruhigem Atem und dem Rascheln der Blätter draußen im Wind. Nach einiger Zeit durchbrach eine Mischung aus Wolfsgeheul und Schmerzensschrei die Stille, das Geräusch kam von direkt vor der Tür. Ein seichtes Lächeln zeigte sich auf seinen Lippen, er stand langsam auf und blickte über seine Schulter. Er hatte sich nicht geirrt. Durch den schmalen Spalt sah er, wie sich das Monster auf allen Vieren dem Tor näherte, sein Fell war dreckig und verklebt mit altem Blut. Sein Gesicht wie das eines Wolfes, doch deformiert und mit entfernt menschlichen Konturen. Ein tiefes Knurren kam aus der Kehle des Wesens, gefolgt von einem kreischendem Kläffen, als es in die Kirche hineinjagte.
Er festigte seinen Griff um das Schwert und wich dem anstürmenden Biest in letzter Sekunde mit einer Pirouette zur rechten Seite aus. Den Schwung der Drehung nutzte er um dem Monster einen tiefen Schnitt in der Schulter zu verpassen. Es jaulte vor Schmerz laut auf, sein Fleisch zischte, als würde der Schnitt mit der Silberklinge es verbrennen. Die Runen auf dem Schwert leuchteten wieder und waren in dem dunklem Raum deutlich sichtbar. Das Wesen setzte sofortig mit mehreren schweren Schwingern seiner Pranken nach, doch diesen konnte er mit schnellen Rückwärtsschritten gut entgehen. Er erinnerte sich an eine umgekippte Bank, welche zwei Schritte hinter ihm sein müsste. Er machte einen Satz, gut einen Meter weit zurück, landete auf einer Kannte der Bank und behielt problemlos das Gleichgewicht. Dies brachte ihm einen Moment und vor allem ein wenig Höhe, welche für einen Angriff auf das große Biest hilfreich sein konnte. Er verpasste der Wolfsfratze einen flinken Schnitt schräg durchs Gesicht. Es warf einen Arm zur Deckung vor Folgeschlägen hoch, doch wurde im selben Moment unter diesem auf der Brust von der Klinge getroffen. Er hatte zwei gute Treffer gesetzt, doch nun bewegte es sich schneller als er dachte und erwischte ihn mit der Pranke in der Seite. Der Hieb schleuderte ihn mehrere Meter durch den Raum.
Er rollte sich ab, spürte die Stelle des Treffers warm pulsieren und wusste, dass er sich später auf Schmerz freuen durfte. Das Silberschwert lag noch sicher in seiner Hand, sein Blick fixierte den Gegner, welcher erzürnt aufschrie und den Boden erschütternd auf ihn zu stürmte. Immer noch kniend passte er seine Körperhaltung zum Ausweichen an und veränderte den Winkel in welchem er sein Schwert hielt leicht. Keinen Augenblick zu früh wich er, kaum mehr als über den Boden rutschend, aus, die Pranke des Monsters raste um Haaresbreite über ihn hinweg. Diese Bewegung beendete er mit einer halben Drehung, welcher er nutzte um dem Biest die silberne Klinge in die Kniekehle zu rammen. Seitlich riss er sein Schwert heraus und der Schmerzensschrei war kurz und atemlos, sodass darauf ein Winseln und Jaulen folgte, während es weiter humpelte und langsam aus dem Sprint zum Stehen kam. Er ließ das Wesen keine Sekunde aus den Augen, als es darum kämpfte auf den Beinen zu bleiben und er indessen aufstand. Mit seiner freien Hand packte er eine der kleinen Bomben an seinem Gürtel und zog diese mit Kraft und einer leichten Drehung von ihrer Halterung ab, was sie sogleich entzündete. Er wartete einen Moment ab, bis sich das Biest ihm bereit für den nächsten Angriff wieder zu wandte, und warf dann die Bombe direkt vor das entstellte Gesicht. Selbst schaffte er es noch seine Augen vor dem grellen Lichtblitz zu schützen so, dass ihm der Knall nur das Gehör fürs Erste nahm. Das Monster wich von der Explosion erschrocken zurück. Beraubt von Sicht und Gehör taumelte es Rückwärts, ging halb zu Boden, als sein verletztes Bein nachgab. Es sah für eine solche Bestie erbärmlich aus, wie es da kniete und panisch um sich schlug, als letzter Weg der Selbstverteidigung. Es war ihm ein Leichtes dem Monster zwischen diesen Schlägen die Klinge durch die Brust zu rammen. Dies ließ das Biest ein letztes Mal kurz aufjaulen und in seiner Bewegung erstarren, als es weiter in die Knie gezwungen wurde. Danach atmete es nur noch schwer und starrte seinen Bezwinger an, als seine Sicht langsam wiederkehrte.
Mit Wucht riss er ihm das Schwert wieder aus dem Leib und setzte zum letzten, richtenden Hieb an, welcher der Kreatur die Kehle durchschnitt.
Langsam kippte der leblose Körper um, prallte hörbar auf den Boden. Frisches Blut war in auf dem Kirchenboden verteilt und schimmerte im schwachen Mondlicht, als sich der Körper der Bestie langsam in die Leiche eines jungen Mannes verwandelte.