J.R.R. Tolkien
1. Versuch....
Ich saß gemütlich in dem Zug von Ungarn nach Wien. Zum Glück war das Abteil leer und so störte mich niemand beim Lesen. Als ich zu einer spannenden Stelle in „Der Herr der Ringe“ von J. R. R. Tolkien kam, klopfte jemand leise an und ich hörte, wie die Tür geöffnet und dann wieder geschlossen wurde. Ich schaute kurz auf, um zu sehen, wer die friedliche Atomsphäre gestört hatte. Ein älterer Herr mit einer erkalteten Pfeife im Mund schaute mich ruhig an. Irgendwie kam er mir bekannt vor, aber ich konnte das Gesicht nicht einordnen. So las ich einfach weiter, aber ich fühlte mich unbehaglich unter dem forschenden Blick meines Gegenübers. Weil ich mich nicht mehr auf das Buch konzentrieren konnte, wandte ich mich der Frage zu, woher mir mein Gegenüber bekannt vorkam. Ich machte mein Buch langsam zu und dann fiel mein Blick auf den Umschlag mit einem Foto vom Autor. Verstollen verglich ich den Mann mit dem Foto und ich zuckte innerlich zusammen, als ich realisierte, dass nicht nur der Mann, sondern auch die Pfeife mit dem Bild übereinstimmte. Tolkien bemerkte amüsiert meine Verwirrung und nickte, als ich ihn verlegen fragte, ob er es wirklich sei. Meine Frage, wie er hier sein konnte, obwohl er schon seit mehreren Jahren tot war, konnte er selbst auch nicht beantworten. Ich befahl mir innerlich, mich zusammenzureißen und scharf nachzudenken, was ich schon immer wissen wollte. „Könnten Sie, wenn es Ihnen nichts ausmacht, mein Buch signieren?“ Fragte ich schüchtern und reichte ihm dann schnell das Buch und einen Stift, als er bejahend nickte. Mit schnellen, geübten Bewegungen unterschrieb er auf der ersten Seite. Dankend nahm ich das Buch und den Stift wieder an mich und verstaute beides in meinem Rucksack. Als ich endlich genug Mut zusammengeklaubt hatte, stellte ich ihm meine Fragen.
„Warum schrieben Sie so ein Buch und nicht zum Beispiel einen Roman, oder Kurzgeschichten?“
„Na ja, selber weiß ich es auch nicht so genau. Vielleicht, weil mir das Drängen der Leser, den kleinen Hobbit weiter zu erzählen, genug wurde und ich selber auch wissen wollte, wie es mit dem Ring weitergehen würde.“
Mutig geworden dadurch, dass Tolkien sich herabgelassen hatte, meine Frage zu beantworten, überlegte ich nicht lange und stellte weitere Fragen.
„Wie sind Sie auf die Idee gekommen, „Der Herr der Ringe“ und „Silmarilion“ zu schreiben?“
„Dafür muss ich ein Wenig zurückgreifen, zu „Der kleine Hobbit“. Diesen fing ich bei der Korrektur von Aufnahmeprüfungen zu schreiben an.“ Er lachte herzlich auf, “Du kannst dir sicher vorstellen, wie sich meine Kollegen gefreut haben.“ Der Gedanke an den Verlauf des Vorfalles zwang ein Lächeln auf meine Lippen. „Danach schrieb sich das Buch fast von selber. Die paar Zeilen wuchsen, wurden zu einer selbständigen Geschichte und ich konnte nicht ruhen, bis sie fertig geschrieben war.“
„Was hat es mit „Silmarilion“ auf sich?“ Fragte ich und atmete innerlich auf, als er antwortete.
„Ah, „Silmarilion“? Sie ist etwas ganz anderes, als „Der kleine Hobbit“ oder „Der Herr der Ring“. Sie erzählt die Geschichte von Mittelerde, wie sie von den Göttern erschaffen wurde, und dem Krieg der Götter gegen die Mächte des Bösen, welche dann zum Kampf der Menschen, Zwerge, Elfen und allen Lebewesen gegen die Kreaturen des Bösen ausartete. Leider konnte ich das Buch nicht zu Ende schreiben, weil ich verstarb.“
Ich nickte und erzählte Tolkien, dass man sehr wohl beim Lesen merke, wo der Bruch sei. Als letzte Frage stellte ich ihm: „Was geschieht eigentlich mit Bilbo, nach dem Treffen mit seinem Adoptivsohn Frodo? Lebt er weiter bei den Elfen oder kehrt er später wieder in seine Heimat zurück?“
„Ich denke, dass Bilbo, genauso wie Frodo und der Rest der Gemeinschaft glücklich bis an ihr Ende weiterlebten. ...“
Plötzlich wurde die Abteilungstür geräuschvoll aufgerissen und eine Stimme ließ mich zusammenzucken: „Junger Herr, hier ist die Endstation, würden Sie sich bitte bequemen den Zug zu verlassen?“ Benommen machte ich die Augen auf, zuckte zusammen, riss mein Gepäck an mich, stammelte irgendwas von „Entschuldigung“ und „bin eingenickt“ und verließ fluchtartig den Zug. Erst als ich in einem Taxi Richtung Mödling saß, fiel mir mein Traum wieder ein. Ich kramte in meiner Tasche, bis ich „Der Herr der Ringe“ fand und schlug es auf. Ich ließ vor Schreck fast das Buch fallen. Auf der ersten Seite pragte unübersehbar die Unterschrift „J. R. R. Tolkien“ und man konnte an der tintenblauen Farbe erkennen, dass sie nicht aufgedruckt war. „Wenn ich das jemandem erzähle, glaubt mir bestimmt keiner“ Schoss es mir durch den Kopf, in der Begleitung von vielen Gedanken, als ich mich zurücklehnte und an die Unterhaltung mit dem Autor von „Der kleine Hobbit“, „Der Herr der Ringe“, „Silmarilion“ und mehreren Sammlungen von Gedichten zurückdachte.
[ 11.05.2002, 21:46: Beitrag editiert von: Lazarus ]