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Jäger und Gejagte

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07.11.2002
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Jäger und Gejagte

Jäger und Gejagte

Maruk schaute vorsichtig über den Felsen. Er hatte einen freien Blick ins Tal dahinter und war froh, daß der Wind in die richtige Richtung stand, denn nicht weit von ihm entfernt stand ein Rudel Säbelzahntiger. Drei Weibchen, zwei halb ausgewachsene Junge, ein altes und ein junges Männchen. Maruk legte seinen Speer auf den Boden, winkte seinen Sohn Tuk heran und bedeutete ihm mit einer Geste, leise zu sein. Der Junge von etwa fünf Jahren kroch über den gefrorenen Boden und schob seinen Kopf vorsichtig über den Felsen.

Die Wände des Talkessels gaben im Echo das Fauchen zweier Tiger zurück - geduckt stand das alte Männchen da, ihm gegenüber das jüngere. Maruk wußte, was das bedeutete. Der jüngere Säbelzahn hatte entschieden, daß der Alte lang genug Anführer des kleinen Rudels gewesen war und forderte ihn zu einem Zweikampf heraus. Ja, er war es lang gewesen, was man seinem Körper durchaus ansah. Das Fell war blaß geworden im Laufe seines Lebens und viele Narben hatten sich an Flanken und auf dem Rücken eingegraben. Einen Säbelzahn hatte er bereits eingebüßt und auch eines der Ohren war kaum mehr als ein Fetzen, was ihm ein ungleichmäßiges Aussehen gab. Doch noch hatten ihn die Kräfte nicht verlassen. Unruhig peitschte sein Schwanz den Boden und wenn Maruk genau hinschaute, konnte er das Spiel der Muskeln unter dem kurzen Fell erkennen. Doch all das schien den jungen Säbelzahn nicht zu beeindrucken. Er knurrte, die Ohren dicht angelegt und sprang einen Moment später auf den Alten zu. Reflexe sorgten dafür, daß der Prankenhieb, noch im Sprung ausgeführt, keine blutigen Striemen im Gesicht hinterließen. Fasziniert beobachteten Maruk und sein Sohn, wie die beiden sehnigen, muskulösen Körper der Kontrahenten sich umkreisten, immer darauf wartend, daß der jeweils andere eine Schwachstelle offenbarte.
Pfoten schlugen aus, Schwänze schlugen und hin und wieder wagte ein Säbelzahn einen Sprung. Dann verwandelten sich die zähen Körper für kurze Zeit in ein Knäuel aus Gliedmaßen und knurrenden Köpfen, bevor sie sich nur Augenblicke später wieder trennten und erneut mit dem endlosen, langsamen Tanz begannen. Sie belauerten sich, jederzeit zum letzten Schlag bereit. Maruk konnte die Spannung fast spüren, die dort in der Luft lag. Die Weibchen schien das alles nicht zu kümmern. Sie lagen etwas abseits, blinzelten in die Sonne, leckten ihr Fell oder kümmerten sich um die Jungen. Sie konnten nicht verhindern, was kaum ein paar Meter neben ihnen geschah, so war der Lauf der Natur.

Und so entging es ihnen, daß der Jüngere kurzzeitig unterlegen zu sein schien. Ein großer blutiger Kratzer zog sich über eine seiner Schultern und mit der rechten Vorderpfote schien er nicht mehr so recht auftreten zu können. Mit dem Mut der Verzweiflung griff er erneut an. Der wütende Aufschrei des alten Säbelzahns fuhr dem beobachtenden Tuk durch Mark und Bein. Insgeheim hoffte er, daß Einzahn, wie er den Alten heimlich nannte, verlieren würde. Wie viel schöner und stolzer erschien ihm der junge Tiger mit seinem glatten Fell und dem arroganten Gesicht! Neidisch schaute der Junge auf die großen, vorstehenden Zähne der Raubkatze. Sie würden sich bestimmt gut als Schmuck um seinen Hals machen. Lächelnd stellte er sich das erstaunte Gesicht seines Vaters vor, wenn er mit einem dieser Zähne in der Hand ankam und verkündete, daß er allein diesen Zahn erbeutet hatte. Ja, er würde ein Jäger werden, wie sein Vater es bereits war und dann würde er derjenige sein, der jenen Säbelzahn zur Strecke brachte. Es war nicht einfach, sie zu erlegen, das wußte er. Sein Stamm jagte sie nur, wenn der Winter zu hart war und die Säbelzähne wegen ihres Hungers bis an das Lager herankamen. Säbelzähne konnten schlimmer werden als die Wolfsrudel.

Doch da! Tuk richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf den Kampf. Der junge Säbelzahn hatte erneut angegriffen und konnte seine krallenbewehrte Pranke über die Rippen des älteren ziehen. Sofort strömte warmes, dampfendes Blut aus den langen, tiefen Striemen und der alte Säbelzahn fiel zu Boden. Tuk unterdrückte den lauten Jubel, der sich in seiner kleinen Brust erhob. Still sein. Er mußte still bleiben, sonst würde er es sein, der mit blutigen Kratzern zu Boden ging. Einzahn erhob sich wieder, war aber nicht mehr sicher auf den Beinen. Das Blut hatte den Boden etwas aufgewärmt und sickerte nun in die Erde.

Der junge Säbelzahn knurrte noch einmal drohend, doch Einzahn humpelte bereits davon. Er wußte, daß alles verloren war. Seine Herde, seine Würde, seine Führerstellung. Maruk sah ihm nach. Wenn er zäh war, würde der Säbelzahn noch ein paar Jahre allein überleben können. Doch sein Stolz war mit der Führerschaft seines Rudels gebrochen. Der neue Anführer schlenderte hocherhobenen Kopfes zu den Weibchen hinüber und ließ von ihnen seine Wunden lecken.

Maruk drehte sich zu seinem Sohn um. Die leuchtenden Augen des Jungen verrieten ihm, daß es ihm gefallen hatte. Lautlos hob der Vater seinen Speer wieder auf und gab Tuk ein Zeichen, ihm leise zu folgen.


Zurück im Lager rief er den Namen seiner Gefährtin, doch sie war weder zu sehen noch trat sie aus einem der Zelte ans Licht, um sich ihm zu zeigen. Sorgenvoll zerfurchte sich seine Stirn. Wo war sie? Tuk umfaßte kurz den Arm seines Vaters und lief dann zu einigen anderen Jungen hinüber, um ihnen von seinem Erlebnis zu erzählen. Maruk hingegen horchte auf, als ein Schrei durch das Lager hallte. Das war Kuna, seine Gefährtin! Ohne weiter nachzudenken, ließ er seinen Speer fallen und lief er los in die Richtung, aus der der Schrei gekommen war.

Neben den Zelten gab es auch noch eine Höhle, die dem Stamm gehörte. Hier krochen sie unter, wenn der Regen zu stark oder die Kälte des Winters zu groß war, denn die feste Feuerstelle in der Nähe des Eingangs hielt Nässe und Kälte gut ab. Von dort hörte Maruk einen erneuten Schrei. Seine Schritte wurden immer schneller. Einige Frauen kamen auf ihn zu und wollten ihn davon abhalten, in die Höhle zu gehen, doch er stieß sie grob zur Seite. Sie war seine Gefährtin, er mußte wissen, was mit ihr geschah! Als er die Höhle betreten hatte, sah er sie. Kuna saß nackt auf einigen Fellen, von Frauen im Rücken gestützt und wand sich jammernd unter ihren Händen. Maruk sah den Schweiß auf ihrer Stirn und auf ihrem vorgewölbten Bauch. Das Kind! Kuna bekam ihr Kind! Maruk wußte, die Frauen hielten Geburten für eine Sache, die Männer nichts anging, doch er kümmerte sich nicht darum. Er stieß eine von ihnen zur Seite, hockte sich an ihrer Stelle neben Kuna und nahm eine ihrer Hände zwischen die seinen. Wieder schrie sie auf, bog ihren Rücken durch und quetschte seine Hand. Sie schien ihn dabei nicht einmal wahrzunehmen, doch er gab sich damit zufrieden, bei ihr sein zu können. Er war zufrieden, bei ihr hocken zu können und ein wenig mit ihr zu leiden. Für seine Begriffe dauerte es lange, viel länger, als es damals bei Tuk gedauert hatte oder den anderen beiden Kindern nach ihm, die aber beide tot geboren worden waren, so daß sie nicht einmal einen Namen bekommen hatten.

Es war eine schwere Zeit gewesen für Maruk und Kuna. Lange hatte sie das Lager nicht mit ihm teilen wollen und ihn statt dessen in eines der anderen Zelte geschoben. Doch auch wenn es ein Brauch war, dem andere Männer nur zu gern nachkamen, hatte er sich geweigert und damit zufrieden gegeben, einfach neben ihr zu liegen. Oft hatte er den fragenden Blick in ihren Augen gesehen, doch er ließ sie einfach nicht allein. Sie war seine Gefährtin, sie war die Mutter ihrer gemeinsamen Kinder und er wollte niemand anders als sie. Und so blieb er lange Zeit enthaltsam, bis sie eines Nachts wieder ihre Felle ganz nah an die seinen schob und ihre Hand auf seinen nackten Schenkel legte. Es war eine vertraute Geste und weder Maruk noch Kuna hatten sie vergessen. Seit jener Nacht hatte sie sich wieder von ihm nehmen lassen und einige Monde später merkten sie, daß Kuna wieder schwanger war.
Stolz hatte Maruk ihren runden Bauch im Lager herumgezeigt. Er wollte seinen Erfolg feiern, erlegte mit den Männern des Lagers einen Bären und gab ein großes Fest. Und jetzt hockte er hier, während Kuna dieses Kind zur Welt brachte. Er spürte die plötzliche Aufregung unter den Frauen und schaute zu, als sich eine von ihnen zwischen den Beinen seiner Gefährtin zu schaffen machte. War es soweit? Heftig zerquetschte Kuna seine Hand, so daß selbst er aufstöhnte und sich einmal mehr wunderte, wie viel Kraft in ihrem zierlichen Körper steckte. Sie schrie auf, schrie lauter als die Male davor und sank dann zurück.
Doch da war noch ein Schrei zu hören, dünn und leise und Maruk schubste sich den Weg zu Kunas Füßen frei. Da lag es, auf den Fellen, ein kleines, blutverschmiertes Kind und es atmete. Die winzige Brust hob und senkte sich und es schrie aus Leibeskräften! Maruk lachte. Ein Kind, und es lebte! Eine der Frauen hob es hoch, wischte das Gesichtchen sauber und zeigte es dann Kuna, die es lächelnd in die Arme nahm. Doch gerade noch sah Maruk, was er wissen wollte. Das Kind war ein Mädchen, eine kleine, vollkommene Tochter. Er strich über den Rücken des Mädchens, streichelte den Arm seiner Gefährtin und achtete nicht auf das Blut, das überall zu sein schien. Er lächelte noch einmal, dann verließ er die Höhle. Die Anderen sahen das Blut an seinen Armen, sie hatten gewußt, warum Kuna in der Höhle war. Jetzt, als sie Maruks strahlendes Gesicht sahen, kamen sie zu ihm, um ihm auf die Schulter zu schlagen oder die flache Hand auf die Brust zu legen - Zeichen des Respekts und der Freude.

Dann aber fiel Maruk etwas ein und er betrachtete das Blut an seiner Hand. Blut... die Säbelzähne mußten noch immer in der Nähe sein. So groß seine Freude auch war, doch eine Geburt lockte immer Raubtiere an, die sich leichte Beute erhofften. Er hielt die Nase in den Wind, doch der trug keinen Moschusgeruch heran. Seine Stirn furchte sich ein weiteres Mal. Sie mußten den Blutgeruch loswerden. Er kehrte in die Höhle zurück und machte den Frauen grunzend klar, daß sie alles wieder sauber machen mußten, so schnell es ging. Er selbst nahm die Nachgeburt entgegen und lief damit in den Wald. Er lief lange, an kargen Bäumen und Felsen vorbei. Es hatte wieder zu schneien begonnen. Als er an einem Bach angekommen war, warf er seine Last zu Boden und wusch sich das Blut von der Haut. Es war früh kalt geworden in diesem Jahr, der Stamm mußte auf die Säbelzähne und die anderen Tiere aufpassen. Auch Tuk zeigte er bereits, wie er im Wind stehen mußte, um nicht von ihnen wahrgenommen zu werden und wie er seinen kurzen Übungsspeer zu schleudern hatte, damit die Flugbahn fast gerade war. Tuk würde ein guter Jäger werden, davon war Maruk überzeugt. Er schüttelte das eiskalte Wasser von sich ab und machte sich auf den Rückweg.


An diesem Abend saßen die Männer und Frauen des Stammes noch lange am Feuer beisammen und genossen das Ergebnis einer guten Jagd. Sie hatten ein Mammut erlegt und feierten mit seinem Fleisch sowohl die gute Jagd als auch das neue Stammesmitglied, das Kuna und Maruk Brana genannt hatten. Trotz der bitteren Kälte waren die Zeiten gut, es gab genug Nahrung und Felle für Kleidung, niemand mußte hungern und noch war ihr Lager nicht von Stürmen, Wölfen oder anderen Raubtieren heimgesucht worden.

Maruk nahm noch ein großes Fleischstück und ging hinüber zu Kuna. Still saß sie etwas abseits auf einem Felsen, Brana an die Brust gelegt. Sie hatte ihn noch nicht gesehen und so blieb er einen Augenblick stehen, um sie zu betrachten. Sie war eine gute Gefährtin. Er erinnerte sich noch an jene Nacht, in der sie gemeinsam ihrem Verlangen nachgegeben hatten und er sie das erste Mal nahm. Sie war gerade baden gewesen und ihre Haut hatte sich naß und kalt angefühlt. Und doch war er so voll Lust gewesen, als seine Hände ihre Hüften umfaßten. Ja, ihr Körper war heute noch so vielversprechend wie damals. Die großen Augen, die vollen Brüste und ihre breiten Hüften, die leichte Geburten versprachen und ihn so oft in ihren Bann zogen.

Jetzt blickte sie auf und die Augen unter den wirren dunklen Haaren spiegelten die tanzenden Flammen wieder. Er ging zu ihr hinüber, lächelte sie an und hielt ihr das Stück Fleisch hin. Sie hatte noch nicht gegessen, er wollte für sie sorgen. Sie mußte stark sein, für ihn und für Brana. Das Mädchen hing an der Brust Kunas und saugte Milch. Maruk war überzeugt, es würde so stark und schön wie seine Mutter werden. Da seine Gefährtin beide Arme dazu brauchte, Brana festzuhalten, begann Maruk, sie zu füttern. Stück für Stück ließ er sie abbeißen und lachte vor Vergnügen, als ihr Fett über das Kinn hinablief. Wäre das Kind nicht gewesen, hätte er auf ihr Zeichen gewartet, darauf, daß sich ihre warme, kleine Hand auf seinen Oberschenkel legte und seine Lust, die er bei ihrem Anblick empfand, noch viel mehr steigerte. Doch sie brauchte Zeit, das wußte Maruk. Er würde warten, ja, er hatte Geduld, wenn er danach nur wieder das Lager dieser Frau teilen konnte.

Plötzlich kamen ein paar Kinder mit weit aufgerissenen Augen ins Lager gerannt, auch Tuk war dabei. Sie schrien durcheinander, es war schwer zu verstehen, was sie so erschreckt hatte. Maruk ließ das Fleisch fallen und lief hinterher. Er bekam Tuk an der Schulter zu fassen und drehte ihn zu sich herum. Etwas mußte passiert sein, sein Sohn bekam nicht so leicht Angst.
"Einzahn! Einzahn! Hat Marru geholt!", stammelte der Junge und Maruk brauchte lange, um zu verstehen. Einzahn. Das konnte nur der alte Säbelzahn sein. Doch hatte er sich wirklich so schnell von seinem Kampf erholt? Maruk dachte nicht lange nach. Die Männer des Lagers bewaffneten sich bereits mit Speeren und Steinen und er schloß sich ihnen an. Sie versammelten sich in der Nähe des Feuers, denn sie wußten, daß die Raubkatzen die Flammen scheuten. Einige von ihnen trugen brennende Holzscheite, um sie den Säbelzähnen vor die Pfoten zu werfen. Die Frauen waren mit ihren Kindern zur Höhle zurückgewichen und Maruk war erleichtert, auch Tuk und Kuna bei ihnen zu sehen. Sein pochendes Herz übertönte fast das Knistern des Feuers, als er angestrengt in die Dunkelheit starrte, um die leuchtenden Augen der Säbelzähne zu sehen.
Doch alles blieb still, nicht einmal ein Rascheln verriet die Anwesenheit der geschmeidigen Räuber. Lange warteten die Jäger, ihre Waffen bereit in den Händen. Erst als die Holzscheite ganz heruntergebrannt waren, lockerten die ersten ihre Muskeln und wandten sich wieder dem Feuer zu. Vielleicht war gar kein Säbelzahn dagewesen und die Kinder hatten etwas anderes in der Dunkelheit gesehen. Ja, so mußte es sein. Erleichtertes Kichern ging durch ihre Reihen und die ersten stellten ihre Speere wieder zur Seite.

Doch da! Von einem Moment auf den anderen erfüllten Schreie die gelassene Stille des Lagers, Knurren und Fauchen antworteten darauf. Kinderstimmen brüllten durch die Nacht. Die Männer rissen ihre Waffen wieder an sich und rannten zur Höhle, in der sie ihre Frauen und Kinder in Sicherheit geglaubt hatten. Maruk heulte auf, als er an seine Gefährtin und seinen Sohn dachte. Sie waren nicht bereit, gegen einen Säbelzahn anzugehen! Atmenlos kam er in der Höhle an. Seine Augen weiteten sich, als er den Angreifer sah. Es war wirklich jener Säbelzahn, der den Kampf verloren hatte. Zu deutlich sah er im Schein der Holzscheite die vier gerade verheilenden Striemen und die Stelle am Maul, aus dem ein langer, sichelförmiger Zahn ragen sollte. Er fehlte. Die ersten Männer waren bereits dabei, das Tier mit Speeren aus der Höhle zu treiben, weg von den schutzlosen Frauen. Maruk spürte einen Stich im Herzen, als er unter den Schreien der Frauen auch die seiner Gefährtin erkannte. Ohne weiter darüber nachzudenken, stürmte er auf den Tiger zu und stieß den Speer in seine Richtung. Es war schwer, ihn in der kaum beleuchteten Höhle auszumachen. Manchmal sah er deutlich die reflektierenden Augen vor sich. Doch er sah nicht die Pranke kommen. Schmerz explodierte plötzlich in seinem vorgestreckten Arm. Er ließ kraftlos den Speer fallen. Doch lange dauerte der Kampf nicht mehr. Gegen die Übermacht an Männern konnte der einsame Einzahn nicht ankommen und bald fiel er entkräftet zu Boden. Mit einer Steinklinge schlitzte ein Jäger die Kehle Säbelzahns auf; die Luft der Höhle füllte sich mit Blutgeruch.

Maruk atmete auf. Vorsichtig bewegte er seinen verletzten Arm. Er wollte ihm nicht richtig gehorchen, der Säbelzahn hatte ihn zu schwer verletzt. Doch dann lief er nach draußen, wo sich die Frauen mittlerweile versammelt hatten. Er mischte sich darunter und suchte Kuna, doch sie war nicht dabei.
"Kuna? Kuna?", fragte er immer wieder, bis eine Frau ihn sanft am Arm faßte. Sie lächelte nicht wie die anderen und sah ihn fest an.
"Kuna.", war das einzige, was sie sagte, als sie mit einem Finger auf die Höhle zeigte.
Maruk begriff schnell. Er stieß die Frauen rüde zur Seite, kümmerte sich nicht um ihrem Protest und rannte zurück. Ein brennender Holzscheit lag noch am Boden. Er hob ihn auf und beleuchtete das Innere der Höhle. Mehrere Männer beschäftigten sich noch mit dem Leichnam des Säbelzahns. Maruk kümmerte sich nicht um sie. Dort, in der Ecke. Langsam bewegte er sich auf das zu, was dort lag.

Ein paar Felle erkannte er, eine dunkle Flüssigkeit glänzte darauf. Dann - ein kleines Bein, ebenfalls verschmiert. Maruk schluchzte, als er den Holzscheit weiter nach vorn hielt. Nach dem Bein folgte der kleine Körper Branas. Und darunter... Er wandte sich ab und keuchte. Dann erst sah er ein zweites Mal hin. Dort lag Kuna, übersät mit Striemen und Kratzern; einer so tief, daß er die Rippe darunter im schwachen Licht erkennen konnte. Er spürte die Tränen nicht, die seine Wangen hinunter liefen. Der Schrei, der in seiner Kehle steckte, wollte nicht hinaus und schmerzte in der Kehle. Ganz langsam streckte er die Hand aus und berührte das, was seine Gefährtin gewesen war. Noch immer war ihr Fleisch warm. Nur ein Finger berührte die winzigen, dünnen Glieder seiner Tochter. Sie hatte nur Zeit gehabt, einen Namen zu bekommen. Sie würde keine Frau mehr werden. Maruk ließ den Holzscheit fallen, hob mit dem gesunden Arm einen Speer auf, rannte zum Kadaver des Säbelzahntigers hinüber und stieß die steinerne Spitze der Waffe blind in den erkaltenden Körper. Stieß noch einmal zu. Und noch einmal. Er spürte, wie er Fleisch, Fell und Sehnen durchdrang, wie die Spitze von den Kochen abglitt. Wieder und wieder stieß er zu, bis der Schrei sich endlich aus der Kehle löste und er schluchzend auf die Knie fiel.

 

hi daya,
das ist nun die zweite geschichte, die ich von dir lese. deinen schreibstil!
obwohl beide geschichten sich in der thematik unterscheiden, haben sie eine gemeinsamkeit.
dein schreibstil ist wirklich hervorragend - und ich denke, dass ich das beurteilen kann.
die geschichte ist abgerundet und durchaus fesselnd.
ein schöner einblick in die welt der .. nun, ich bin nicht der frühgeschichtliche experte, aber neandertaler waren es nicht!
du hast die beiden gesellschaftsstrukturen (säbelzahn und frühmenschen) wirklich fliessend und gut erzählt. es war auch eine liebesgeschichte dabei, die leider tragisch endete. die gedankenabläufe - für die zeit angemessen subtil und gleichfalls voller gefühl. also - das ist ein sehr gutes werk!!!
ein vergessfehler habe ich entdeckt. da ist ein "fuchte", das sehnsüchtig auf sein "r" wartet *smile*.
folgende kritiker werden dir noch nahelegen, irgendwelche zusätzlichen absätze einzubausen, um dem leser deinen text vorgekaut vorsetzen zu können :D.
ich hoffe, es werden sich noch mehr leser finden - auch wenn der text relativ lang ist - dann würden sie aber mit einer wirklich guten geschichte belohnt!
bye
barde
p.s. - es tut der geschichte nicht weh .. aber es gab in der frühgeschichte der menschen die sogenannte promiskuität - cooles wort, oder? übersetzt heisst das: vielgeschlechterei. also .. öhm, jeder mit jedem sogar unabhängig seines geschlechts. *hehe*

 
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Schön, daß Dir meine Geschichte so gefallen hat! Allmählich überzeugt ihr mich, daß ich es mit meinem Schreibstil irgendwie schon richtig treffe, auch wenn ich intiutiv schreibe, was das angeht.

Schreibfehler - inklusive der, die Du nicht erwähnt hast - sind beseitigt. Die Absatzfrage lasse ich mir noch etwas durch den Kopf gehen. Ehrlich gesagt, fällt mir nicht allzu viel dazu ein, aber das mag daran liegen, daß ich allgemein sehr sparsam damit umgehe.

Ich selbst bin in der frühzeitlichen Geschichte nicht wirklich bewandert, daher habe ich es vermieden, zu sehr auf die Menschengruppe einzugehen. Ich weiß, daß Neanderthaler und Mammuts gleichzeitig existiert haben, aber ob da die Tiger auch schon vorkamen? Hm, in dieser Hinsicht lasse ich mich gern belehren. Und zur Promiskuität (aus irgendeinem Grund ist mir das Wort vor ein paar Tagen eingefallen, mir fehlte allerdings die Erinnerung an die Definition dazu - danke für die Wissensauffrischung *g*)möchte ich nur sagen: Daß es sie gab und gibt und daß sie immer wahrscheinlicher wird, je länger man in der Geschichte zurückgeht, ist mir bewußt. Ich bin allerdings andersherum an die Sache herangegangen. Abgesehen davon, daß es Ausnahmen geben könnte, habe ich das aus Maruks Sicht gesehen. Er ist davon überzeugt, daß Kuna ihm treu ist und die Kinder wirkliche ihre gemeinsamen sind. Und nur darauf kommt es an, oder? ;)

Daya

 

hey daya,
das mit der promiskuität habe ich nur so in die thematik geworfen. fiktive geschichten erheben keinen anspruch auf realtitätsnähe (nur auf realitätsbezug, der ist aber in deiner geschichte ja deutlich gegeben!). du hast ja keinen fachbericht geschrieben.
eine andere sache ärgert mich schon ziemlich. nämlich die, dass deine geschichte eigentlich (m.e. unbegründeterweise)gar keine beachtung hier findet. (möglicherweise wieder wegen der länge und der fehlenden absätze. wir sind hier wohl nur noch fast-food gewohnt *grrr*)für dich wäre mal ein feedback von mehreren, verschiedenen lesern wichtig. deine geschichte ist nicht klar kategorisierbar (die rubrik: "historische geschichten" fehlt), vielleicht solltest du sie in eine anderen, weniger überlaufende rubrik verschieben. vielleicht fantasie& märchen oder sonstiges. denke mal diesen gedanken durch!
bis dann
barde

 

Hi Daya,

trotz des Barden ´fast- food`- Geschimpfe habe ich deine Geschichte mit Begeisterung gelesen, war packend, auch dein Stil hat mir super gefallen, wie schon in deiner letzten.
Das mit den Absätzen hat seine Berechtigung, es ist nämlich am Computer nicht unanstrengend lange Texte mit wenigen Einzügen zu lesen und hat nichts mit vorkauen zu tun.
Mir war nicht ganz klar wiso die Kinder den Einzahn als erstes sehen, auch als er schon am Lager ist, ich denke sie wären vielleicht eher an einem sichereren Ort?
War echt schön die Geschichte zu lesen, hat Spaß gemacht, besonders gut hat mir gefallen wie du die Katzen kämpfen läßt.

Liebe Grüße, alex.

 

Ich sollte mich wirklich um eine Absatzverteilung kümmern, hm? Naja, ich versuche mich gleich mal dran...
Die Schwierigkeiten mit der Kategorisierung habe ich ähnlich gesehen - zwar ist es aus Sicht der Charaktere purer Alltag, den sie erleben (halt der Kampf ums Überleben in einer Zeit, in der das noch nicht so einfach war), aber es betrifft nicht 'unseren' Alltag. Aber Fantasy und Märchen... Ich weiß nicht, das hat mir ein wenig zu sehr mit Drachen und Hexen und Feen zu tun. Ich lasse es vorerst mal hier stehen.

Hm, ich dachte, ich hätte die Szenerie mit Einzahns Angriff besser beschrieben, alexandra. Ich ging davon aus, daß der Stamm sich um ein abendliches Lagerfeuer versammelt hat, jeder einen Mammut-Burger in den Händen (nein, das war nicht so ernst gemeint) und vor sich hin feiern, während die Kinder etwas außerhalb des Lagers spielen und dabei dann irgendwann den Schatten von Einzahn sehen. Sie rennen zurück ins Lager, warnen ihre Eltern und ziehen sich dann mit den Müttern in eine Höhle zurück, die hinter dem Feuer liegt. Während die Männer dann darauf warten, daß sie von den Tigern angegriffen werden, schleicht sich Einzahn unerwarteterweise in die Höhle. Jetzt klarer?

So, ran an die Absätze.
Daya

 

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