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Italienischer Speichel
Als ich eben an einem Münzfernsprecher stand und darauf wartete, dass der Italiener von der Eisdiele aufhört mit seinen Eltern in Rom zu telefonieren, ging es mir gut. Hundert Sekunden und ein paar zerquetschte Millisekunden später, ging es mir nicht mehr so gut. Der Italiener, nennen wir ihn mal Fabrizio, hatte die Sprechmuschel vollgespuckt und ich bekam so, als ich mir den Hörer ans Gesicht hielt, seinen Speichel an meiner Backe. Der Eisdielenmann hatte mich geküsst. Irgendwie jedenfalls. Angewidert wischte ich den Hörer an meiner Jacke ab.
Jetzt hängt die Jacke an der Garderobe und sein Speichel hängt noch irgendwo im Stoff. Es ist, als würde ein Einbrecher in meiner Wohnung sein und doch kann ich den Typen nicht anzeigen, denn er hat nichts gemacht und doch hat er was gemacht, aber er weiß es vielleicht gar nicht, aber das ändert nichts an der Tatsache, dass er da als Kleinstteil an meiner Garderobe hängt und somit eingebrochen ist.
Vielleicht wusste er aber, was er da tut, fand mich äußerst schnuckelig, weil ich ja auch meine Haare gerade gewaschen hatte und wollte mir einfach auf diesem Wege einen Kuss geben. Seinen Eltern hat er während des Gespräches bestimmt von mir erzählt und die haben ihm dann gesagt „Mensch Junge, spuck unmerklich auf den Telefonhörer. Das bringt Liebesglück und ihr seid forever verlovt“.
Das ist eine fürchterliche Vorstellung. Am liebsten würde ich den Mantel jetzt wegwerfen, er hat sowieso eine geplatzte Tascheninnennaht, durch die mein Handy ständig ins Innenfutter rutscht. Würde ich ihn aber wegwerfen, müsste ich dass meiner Freundin erzählen und die wird stinksauer sein, weil sie mit mir in Hamburg zwei Stunden umhergerannt ist, damit ich diesen Mantel finde. Dabei finde ich das Gewand jetzt ziemlich beschissen. Die kleinen Fäden, die, die Knöpfe halten, haben sich schon fast abgewickelt, der Mantel riecht süßlich nach Schweiß alter Tage, tut er nicht, aber hört sich passend an, und nun hat ihn auch noch ein schwuler Italiener bespuckt.
Wie soll ich mir nachher vorkommen, wenn ich an seiner Eisdiele vorbeigehe? Da muss ich heut noch vorbei. Den Mantel werd ich anhaben, denn es ist kalt und meine anderen Jacken sind für mich nur noch Kleiderschrankplatzeinhaber und somit unbenutzbar. Sicher hat er gesehen, wie ich seine Spucke in meinen Mantel wischte. Vielleicht beschwört er schon irgendwelche Geister, dass mich die Spucke doch bitte verliebt machen soll.
Ich werde mich klein fühlen, geradeaus gucken und versuchen ganz normal zu gehen. Weil ich darauf aber achte, werde ich durch die Gegend stelzen, ein paar Omas anrempeln und schwupp mach ich mich peinlich. Das kann aber ganz hilfreich sein, um den Typen und den Zauber der Spucke loszuwerden, denn vielleicht denkt er, wenn er mich auf dem Boden zwischen den Omas sieht, „Was ist das denn für ein Spasti?“. Oder er denkt „Oh, wie süß“ und dann verschlimmert sich alles ins Unermessliche.
Wäre der Italiener eine Italienerin gewesen, wäre alles ganz anders abgelaufen.
Schon von weitem hätte ich sie erkannt. Ihre langen schwarzen Haare wehen sehen und die italienischen Worte aus ihrem Mund hätten mich in verminderte Schuldfähigkeit versetzt.
Dann hätte sie sicher nicht mit ihren Eltern in Rom gesprochen, sondern leider mit ihrem Mann, der zuhause sitzt und auf sie wartet. Sie wäre Kellnerin im Eiscafe und ich hätte schon sehr viel Eis bei ihr bestellt, aber mag doch gar keins.
Ihre vollen Lippen säuseln und ich sehe, wie winzige Spucketropfen auf den schwarzen Hörer fallen. Hab mich extra so hingestellt, dass ich ihr ins Gesicht schauen kann. Die Augenbrauen ummalen ihre Augen mit einem zarten Bogen und gerade diese Augen sind dunkle Höhlen voller Wünsche für mich.
Dann wird sie gehen, mich keines Blickes würdigen, ich werde ihrem Po hinterher schauen und dann zum Telefon stürzen. Den Hörteil an mein Ohr pressen und dann den Sprechteil begutachten. Kleine, feine Tropfen würden zwischen den Sprechlöchern haften und ich könnte gar nicht anders. Meine Lippen würde ich auf die Tropfen drücken, mit meiner Zunge über die Löcher fahren und mir wäre es völlig egal, was mit diesem Hörer vorher geschehen ist. Ich höre erst auf, wenn ich sie schmecke und keine Tropfen mehr da sind. (Hier hatte ich mich gerade vertan und Tropen geschrieben, aber das wäre dann doch zu lange) Meine feuchten Lippen drücke ich in ein Taschentuch. Das Taschentuch ist mein Schatz und ich lege es zuhause in eine Tupperdose. Das hält die Feuchtigkeit. Ich würde mir einbilden, dass die Spucke nach ihr riecht, die Dose neben mein Bett stellen und die Dose öffnen, wenn ich mich selbst befriedige. Die Fantasie das Restliches tun lassen. Meiner Freundin würde ich erzählen, dass es ein Taschentuch ist, dass ich bei Ebay ersteigert habe. Georg Kreisler hat sich damit die Nase geputzt oder irgendein ein anderer, von mir, geliebter Star. Das würde sie sehr plausibel finden.
Vielleicht könnte ich dann auch ein Zauberritual durchführen. Mit ganz vielen Kerzen, einer Kristallkugel und dem Taschentuch. Und wenn es klappen würde, würde ich in das Eislokal gehen, gar nicht bemerken das Fabrizio schwul ist und ein Lächeln von ihr, der kleinen, schwarzhaarigen Italienerin ernten.
Schade, dass sie Fantasie und er Realität ist. Ob er ne Schwester hat?
Ich werde die Spucke an meinen Mantel emotional verdrängen.
Wenn sie mich aber treffen und diesen Mantel sehen, denken sie an diese Geschichte und kommen sie aus Italien und haben schwarze Haare und Brüste dürfen sie mir gerne eine Schale voll Speichel senden. Bitte, Bitte, Bitte.