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Irrtum

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11.06.2003
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Irrtum

Irrtum


Ich hatte noch jede Silbe von Philipps Worten im Gedächtnis. Vor einer Woche schmiß er mir den Satz vor die Füße: „Ja klar. Ausgerechnet du!“

Damals war ich fassungslos über den geringen Respekt den er mir entgegen brachte. Philipp traut es mir nicht zu, alleine in den Urlaub zu fahren. Schuld bin ich selbst daran, denn ich rede immer nur davon, es zu tun. Für ein Wochenende nach Wien, oder eine Woche nach Ägypten. Im Internet schaue ich ständig die Last Minute Angebote an, die Bilder der Strände und der Hotelanlage. Dann drucke ich mir die Seite aus, lege sie am Abend Philipp zum Lesen hin. Er ließt und grinst. Schnell schmeiße ich den Zettel wieder weg, und träume nur noch, einmal alleine Urlaub zu machen. Ich wünsche es mir schon, doch es dann auch zu tun, das schaffe ich dann nie. Alleine die Vorstellung, ich steige aus dem Flieger aus, und steh wie ein Depp in dem Terminal in einem fremden Land. Horror pur. Dann kam die Phase, wo ich mich entschied ein Wellneswochenende in der näheren Umgebung zu verbringen. Kataloge und Angebote bestellt, oder ausgedruckt. Philipp vorgelegt, Grinsen, weggeworfen.
Es kam die Stunde der Wahrheit, mich hatte ein Bericht über Amerika`s Gran Canien so fasziniert, dass ich unbedingt dorthin mußte. Doch diesmal packte ich die Sache anders an. Zuerst hämmerte ich meinem Ego ein, ich schaffe es, ich will es, ich habe keine Angst wie ein Idiot irgendwo zu stehen.

Wir lagen bereits im Bett. Jeder auf seiner Seite.
Ich redete mit Philipp. Erzählte ihm von dem Bericht und das ich dorthin möchte.
Dann sprach er die magischen zwei Sätze.


Mich beschäftigte die Idee am nächsten Morgen immer noch. Ich stand im Bad und putze mir die mir die Zähne. Während ich mir meinen Mund mit Wasser ausspülte, lief eine Ameise über den Waschbeckenrand. Schnell drehte ich den Hahn zu und legte mein Kinn auf den Beckenrand, verdrehte dabei meinen Rücken so, das ich wie Quasimodo aussah. Quetschte meine rechte Backe auf das kalte Keramik, um der Ameise genau in die Augen zusehen. Tatsächlich blieb sie stehen, allerdings um sich einen Plan auszudenken wie sie dem Monster vor sich ausweichen könnte.
Ich reduzierte meinen Atem, um sie nicht denken zu lassen, hier sei ein Sturm in Anmarsch.
„Na komm her meine kleine, hast dich wohl verirrt? Ich hoffe du hast dich verirrt! Oder findest du meine Wohnung in Ordnung als Gasthaus?“ Muß wohl Zucker in der Küche verstreut haben, um deine Sinne zu aktivieren, dich hier her zu locken, in den vierten Stock.

Vorsichtig streckte ich meinen kleinen Finger aus und legte ihn vor mein Gesicht. Ob Ameisen riechen können? Falls ja kannst du den Rest von Nutella feststellen.
Trippelnd lief sie auf den Finger zu. Wehe du beißt mich! Kroch auf meinen Fingernagel und sah mir direkt in meine Augen.

„Hallo, sagte ich zu ihr, bist du eine deutsche Ameise?“
Das prompte Kopfschütteln interpretierte ich als ein Nein, obwohl doch mehr das Nutella daran schuld war.
„Fühlst dich bestimmt ganz alleine hier, ohne deine Freunde.“
Kopfschütteln
„Soll ich dich wieder zu deiner Familie bringen?“
Kopfschütteln
„Na da hast du aber Glück gehabt. Philipp meinte nämlich das ich mich nicht traue alleine nach Amerika zu dem Gran Canien zu fahren. Aber nun muß ich ja fahren. Schließlich muß ich dich retten.“
Kopfschütteln.

Ich suchte eine Plexiglasschachtel, wo ich Gregor, so hatte ich mit Kopfnickendem Einverständnis ihm den Namen gegeben, unterbringen konnte.

Ich lag in meinem Bett, Gregor neben mir auf dem Nachttisch und links Philipp. Philipp hatte Gregor noch nicht einmal registriert.
„Schatz, schläfst du schon?“
„Ja.“ murmelte Philipp
„Stimmt doch gar nicht!“
„Was ist?“ entnervt kratzte er sich am Kopf
„Ich muß für eine Woche weg.“
„Wohin?“
„Amerika, zu dem Gran Canien.“
„Viel Spaß.“
„Ich meins Ernst, morgen gehe ich ins Reisebüro!“
„Das sagst du jedesmal, und noch nie bist du alleine weggefahren. Außerdem weißt du, dass ich keinen Urlaub mehr übrig habe.“
„Ich fahre alleine.“
„Wieder mal.“
Ich wurde traurig. Das sagt er jedesmal, stimmt schon, ich hatte noch nie den Mut alleine zu verreisen.
Als nach zwei Minuten der Stille sich Philipps Schnarchen einstellte, drehte ich mich auf die Seite um Gregors Schachtel anzusehen.
Da es mir unmöglich war einzuschlafen. Unterhielt ich mich gedanklich mit Gregor. Mach dir keine Sorgen, ich bringe dich zurück. Sicherlich werden deine Freunde dich schon suchen. Hast du eine Freundin? Entschuldige Gregor, sicher bist du auch müde und ich rede und rede. Ich bekam eine eindeutige Antwort. Gregor krabbelte von einer Seite zu der anderen der Schachtel und blieb stehen. O.k. dann bis morgen, schöne Träume Gregor.

Immer noch mit offenem Mund und ungläubigen Blickes, schaute Philipp durch die Glasscheibe mir zu, wie ich wirklich in das Flugzeug einstieg.
Gregor habe ich in meinem Handgepäck verstaut, und so oft es ging, ohne großes Aufsehen zu erwecken, benutze ich die Toilette. Dann bekam Gregor frisches Wasser und einen Keks von mir. Nur noch fünf Stunden Gregor, dann haben wir es geschafft.


Ich saß nun auf meiner Isomatte, den Gran Canien vor mir, und sah mir die Gegend an. „Wunderschön hast du es hier, soll ich dich jetzt raus lassen?“ Immer noch war Gregor in der Schachtel. Sie stand links neben mir auf der Isomatte, ich hatte mehrere Löcher hinein gestochen, damit Gregor sah das er Zuhause war.
Mein Blick wanderte an den Bergen entlang. Doch ich konnte nur einen einzigen Ameisenhaufen ausmachen. Ich war mir ganz sicher, hier muss es sein.
„Gregor, es ist soweit!“ Ich nahm den Deckel ab, legte die Schachtel auf die Seite. „Na los jetzt, da drüben ist deine Familie, ich wünsche dir alles Gute,“ stupste ihn noch kurz an, und Gregor lief los.
Erst wollte ich ihn begleiten, doch um nicht aus versehen einen seiner Freunde zu zertreten, entschloß ich mich sitzen zu bleiben. Lächelnd beobachtete ich ihn wie er lief, bis er ausser Sichtweite war.
Ich stellte mir vor wie ein Fest veranstaltet wurde, er mit stolzen Schritten zur Königin ging um sich einen Orden anstecken zu lassen, für die tapferste Ameise.
„Machs gut Gregor“, flüsterte ich noch, ehe ich mich mit gestärktem Selbstbewußtsein auf die Rückreise zu Philipp begab. Ich freute mich schon auf das Gesicht von Philipp. Niemals hätte er mir so viel Mut zu getraut, alleine zu verreisen.

Gregor hingegen, lief um sein Leben. Dieses dumme Monster, was soll ich hier? Dort drüben sind diese fiesen Schwarzmeisen, eine Gang von Schwerverbrechern. Zumindest hat mir John das einmal gesagt. Oh John, wenn ich dich finde, bringe ich dich um. Schließlich war John an allem Schuld, er hatte ihm versprochen das, wenn er dem dicken Rohr bis zu dem Spalt in der Mauer folgen würde, fände er einen riesigen Berg von Zucker. Dieser miese Schuft. Weiter kam Gregor nicht, denn da hörte er das schlimmste Geräusch von allen: „Alarm, Alarm, ein Fremder, Alarm, schützt die Königin!!“
Scheiße, dachte Gregor nur noch. Nix wie weg hier, wwooo ist dieses Monster? ! Die soll mich gefälligst nach Hause bringen!
Doch Gregor...

 
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Hallo Shimba,

ich weiß nicht recht, was ich von Deiner Geschichte halten soll. Sie ist ganz nett, auch der Anfang, wenn stilistische Holprigkeiten doch eindeutig hier und da vorhanden sind. Aber sie liest sich flüssig und sie ist auch sehr interessant. Allerdings alles andere als alltäglich... ;)
Die Ameise scheint es zu schaffen, daß sich Deine Protagonistin doch nicht so ganz alleine fühlt und endlich in ein Flugzeug steigt. Sie zeigt es ihrem Freund also gehörig. Sie fliegt in ein fremdes, ihr unbekanntes Land - aber ohne diese Ameise, von der sie sich einredet, sie wäre am Grand Canion zuhause, wäre sie sicher nie soweit gegangen, den entscheidenden Schritt zu tun.
Den letzten Absatz, also den letzten Teil, der sich der besagten Ameise zuwendet, würde ich an Deiner Stelle aber weglassen. Man kann sich nämlich denken, wie der arme Gregor endet, so ganz allein...

Grüßle,
schdephy

 

Hallo stephy, stimmt alltäglich ist sie nicht. Gregors Abgang muß leider sein. sonst fände ich den schlußteil nicht abgehakt.
danke für deine rückmeldung.
gruß christine

 

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