Was ist neu

Irre am Pazifik

Mitglied
Beitritt
13.10.2003
Beiträge
16

Irre am Pazifik

Ich trinke Kaffee in einem kleinen Coffee-Shop. Mir gegenüber sitzt eine alte Frau, auch Sie trinkt Kaffee. Auf einmal nimmt Sie aus ihrer Tasche ein Stück Papier, reißt davon einen kleinen Fetzen ab und holt aus der Tasche zwei Streichholzheftchen.
Sie zündet ein Streichholz dicht über ihrem Kaffeebecher an und lässt das Streichholz in den Kaffee fallen, mit voller Absicht. Dann wickelt Sie ein anderes, neues Streichholz in den Fetzen Papier und schiebt sich das Ganze in den Mund.
Sie kaut mit den paar Zähnen, die Sie noch hat, auf dem eingewickeltem Streichholz herum, nimmt zwischendurch kleine Schlucke Kaffe und ist nach wenigen Minuten sichtlich zufriedener und gelöster als vorher. Muss ne Art Droge sein?
Ich spreche Sie darauf an, aber Sie reagiert nicht. Kurz darauf geht Sie.
Ich breche auch auf. Es ist jetzt Sieben Uhr Morgens und der Himmel reißt auf, Hoffentlich.
Nach einigem Warten auf Sonnenschein, der sich nun doch nicht einstellt, gehe ich noch mal Kaffee trinken.
Diesmal in einem mexikanischen Schnellrestaurant am Broadway. Nicht in New York – in San Diego.
In jeder Großstadt trifft man ein gewisses Quantum an Irren. Das ist nicht böse gemeint. Die Stadt produziert sozusagen als Abfallprodukt die Menschen, die die Hektik, die Isolation, den schnellen Schlag der Stadt nicht verkraften.
So einer sitzt gerade einen Tisch weiter. Ein Chicano, rote Trainingshose, alte Turnschuhe die Socken über die Hosenbeine gestülpt, kariertes Hemd, sitzt alleine da und lächelt und lacht mit sich alleine. Dann geht Er, doch sein Nachfolger am Tisch hat auch seine Probleme. Um die Fünzig, der Kleidung nach zu irgendeiner Wachmannschaft gehörend, verzehrt Er sein Frühstück, wobei Er zuerst 6 kleine Portionsbecher Kaffeesahne austrinkt. Den Kaffe selbst trinkt Er schwarz. Dann spricht Er leise mit sich selbst. Diskutiert mit einem imaginären Gesprächspartner.
Aber was rede ich von Irren in San Diego. Bin ich nicht selbst der größte Irre. Fliege mit Fünfzig Mark in der Tasche nach Los Angeles, immer auf der Suche nach dem Ende des Regenbogens.
Nächsten Monat werde ich 37 und ich besitze einen Rucksack mit ein paar Klamotten.
Es ist jetzt 8 Uhr und wenn ich es richtig einschätze, wird das mit dem Wetter Heute nichts mehr. Ich mache mich wieder auf den Weg und laufe zum Seaport Village, suche die dortige Toilette auf und mache eine längere Sitzung.
Dann laufe ich ziellos in der Stadt rum und setze mich um 12 Uhr wieder an meinen „Arbeitsplatz“. Eine Wiese am Rand eines Fußgängerweges im Seaport, an der bei schönem Wetter ne Menge Touristen vorbeilaufen. Bei schönem Wetter.
Ein kalter Wind weht vom Pazifik her und es ist alles andere als gemütlich. Nach zwei Stunden breche ich ab und gehe wieder in die Stadt, zeichne auf Gut Glück Leute auf der Strasse und zeige Ihnen mein Werk, aber ohne Erfolg. Entweder haben Sie nichts, oder Sie wollen nicht. Um 4 hocke ich wieder im Seaport und mache bis um halbsechs doch noch 16 Dollar.
Ich packe zusammen und mache mich auf zur Greyhound-Station, frage nach dem Preis für die Fahrt nach El Centro, ein kleines Kaff mitten in der Wüste auf dem Weg nach Tucson, Arizona.
17 Dollar war die Antwort und damit hatte sich entschieden, das ich noch ein bisschen blieb und mindestens noch eine Nacht und einen Tag San Diego mit meine Anwesenheit beehrte.
Seit zwei Wochen war ich nun hier, in der Stadt in der es laut Reiseführer so gut wie nie regnet und ich hatte schon mehr Regen erwischt als im Oktober in Berlin. Es geht mir alles auf den Geist.
Es wird langsam Dunkel. Ich wandere durchs Gaslicht-Quartier, eine auf Alt getrimmte Touristenfalle mit teuren Bars und Lokalen. Dann halte ich mich Richtung Osten und komme bald in ein Gebiet, das meinen Einkommensverhältnissen entspricht. Ich kaufe mir in einem Shop eine billige Flasche Wein.
Inzwischen ist es Nacht und ich finde unter dem Vordach eines Antiquitätengeschäfts einen trockenen Platz zum Schlafen. Ich bleibe nicht lange allein, bald gesellt sich ein obdachloser Farbiger hinzu. Ich kann mich nicht erinnern, ob er mir seinen Namen nannte, aber man stellt sich eh selten gegenseitig vor auf der Strasse. Wir tranken zusammen die Flasche Wein aus und Er, nennen wir ihn George, erzählte von einem Bombengeschäft, das Er in Aussicht habe und das ihn über Nacht in die oberen Zehntausend von San Diego katapultieren sollte.
Yeah George, stimmte ich ihm zu, das wird schon klappen und George, der eindeutig keinen Wein vertrug, erzählte von seinem unaufhaltsamen Aufstieg.
Ich lag lang ausgestreckt auf meinem Schlafsack und lies mich von George Geplapper einlullen und dämmerte langsam in den Schlaf.
Irgendwann in der Nacht wache ich auf. George kotzt sich gerade die Seele aus dem Leib. Immerhin tat Er das in ein paar Meter Abstand, so das mein Schlafzimmer nicht gefährdet war.
Zu meiner Linken hatte sich im laufe der Nacht noch ein Schlafgast eingefunden, der sich durch das Gekotze in seinem Schlaf nicht stören lies.
Ich rolle mein Hab und Gut zusammen und mache mich auf in Richtung Pazifik.
So nach einer Stunde bin ich wieder am Pier von San Diego und setze mich auf eine Bank vor dem Segelschiff, das als schwimmendes Museum dort festgemacht ist. Es ist immer noch Dunkel, aber der Himmel ist jetzt klar und über der Skyline der Stadt steht ein riesengroßer Vollmond und ich sauge die Lichter der Hochhäuser, das Schimmern des Mondes, das Rauschen des Ozean und die Geräusche und Gerüche der Stadt, die der Wind mit sich trägt, in mich auf und denke mir „ Scheiße, das ist es Wert“.

 

Hallo Hollecker!

So wie ich das verstanden hab, schreibst du über einen Typen, der einfach so mit seinem Rucksack und kaum Geld um die Welt reist.

Doch frage ich dich eins:

WIESO?

So wie ich das sehe ist es eine reine Situationsbeschreibung. Aber die zumindest ist sprachlich solide.

Ein paar Fehler wären noch zu korrigieren.
Les es dir lieber noch mal genau durch.

mfg Andy

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom