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Ironie
"Was! Was soll ich sagen, was kann ich sagen, oder: was wollt Ihr hören? Ein Blick in Eure Gesichter: Erwartungen, überall Erwartungen, Hoffen auf Neuheiten, Hoffen auf Bestätigungen, Hoffen auf schlichte Schönheiten - mit einem Wort: Hoffen auf Unterhaltung. Nicht mit mir; ich will nicht - weder unterhalten noch unterhalten werden. Ich bin Schriftsteller, Künstler, kein Animateur, kein Clown.
Sprachlosigkeit befällt meine Zunge: die Ironie lächelt mir zart ins Gesicht - ich könnt weinen, ein idiotisches Weinen, weinen über unsere Idiotie. Es gibt keinen Ausweg, hat es wahrscheinlich nie gegeben, die Spirale wird sich ewig weiterdrehen, hinab ins Verderben, zum Ende der natürlichen Künstlichkeit, dem Anfang der künstlichen Natürlichkeit. Ein Leben danach? - Ja, wird´s geben, doch nicht in unseren Köpfen! Das Ende der Kunst.
Mörder, ja, Ihr: Mörder - beabsichtigt oder unbeabsichtigt, es spielt keine Rolle; es wird gemordet, meist mit Vergnügen, auch wenn oft nicht erkannt wird, dass, wo und wie gemordet wird. Hier, in diesem Saale: Zentrum des Totschlags. Lüsternde Mienen auf den Reihen, Neugierde, Erwartungen: Versklavung des Künstlers, Versklavung der Kunst, Mord dem Künstler, Mord der Kunst. Zieht, so zieht doch nur Eure tödlichen Waffen, zückt die Taschen, auf dass Euch geboten wird, was geboten zu werden erwünscht wird. Aber eins sage ich Euch:
Nicht mit mir! Tod der Unterhaltung - es siege die Idiotie!"
Berauscht von seiner eben gehaltenen feurigen Rede torkelt der Schriftsteller zur Bühenenmitte, richtet sein verschwitzt lächelndes Gesicht nochmals zum Pult, während er hastig in seinen Manteltaschen kramt. Eine Bewegung - mehrere Schüsse: wahllos. In den ersten fünf Sitzreihen sacken mehrere Personen verletzt zusammen, winden sich schmerzgekrümmt am Boden, oder verharren regungslos in den weich gepolsterten Stühlen. Beifall braust auf: "Bravo" ruft es aus den letzten vier Reihen, Ovationen und Applaus - das Toben der Menge lässt den letzten Schuss ungehört: der lautstarke Jubel des Publikums begleitet die Kugel durch die hirnige Masse des Künstlers.