Irgendwelche Fragen?
Wir sehen dort den See, umsäumt von Fichtenwäldern, in deren Tiefe das Wild rumort, jetzt in der Dämmerung einer davonlaufenden Nacht.
Stellen wir uns auch den Fischreichtum in diesem Gewässer vor, die Mannigfaltigkeit des schuppigen Lebens, das darin zappelt und frisst und sich vermehrt. Hohes Schilf steht an den Ufern, verdeckt die ansteigende Böschung, in der Sandkaninchen ihren Bau betreiben und mit jeder neu geschaffenen Generation wieder Nahrung abgeben für die hoch darüber lauernden Raubvögel. Bussarde, Habichte, manchmal auch Adler, die sich früh am Morgen aus den Steilhängen der nahen Berge herabstürzen auf diesen See, an ihren Futtertrog.
Frösche blähen ihre Mäuler, sitzen grünen Smaragden gleich auf ihren schwimmenden Flößen, den Seerosenblättern, ahnen dabei ihr Vergängnis, atmen trotzdem dem Tag entgegen.
Wir sehen dieses miteinander Verwobene, diese Einheit von Grün und Blau und Braun, diese Einigkeit, diese Vielstimmigkeit bis in die Wipfel der höchsten Bäume. Wie Wächter umstellen die den See mitsamt seinem Inhalt.
Alles liegt klar vor uns.
Das Gedeihen in dieser Landschaft ist Vorgabe.
Nichts fehlt dem und alles scheint ruhig.
Dann sehen wir ein paar andere Spuren in dieser doch schon berührten Welt.
Da sind zum einen diese Abfallkörbe entlang des Seeufers, das auch Seepromenade genannt werden will, zu bemerken, die sich wie die zur Parade abgestellten Zinssoldaten ausmachen. Aus Kunststoff, also wetterfest, sind die und mit ihrem überquellenden Inhalt lustig anzuschauen. Die stehen dort bei Regen und Sturm und geben auch dann was her für die Landschaft, wenn niemand in ihr spazieren geht. Und wie der Wind mit dem allen darin Gestapelten spielt und alles schön ins Grün rundum verteilt und es schwimmen lässt am See.
Auch in die Markisen über der Sonnenterrasse des Uferhotels fährt der Wind und lässt diese knattern. Ganz verschreckt sitzen dort Menschen darunter, beim Kaffee, und halten ihre Hüte fest.
Was die dort machen?
Die Freizeit verbringen sie hier, also ihre freie Lebenszeit, und benützen zwischendurch die hoteleigene Toilettenanlage. Wir merken, dass auch hier so mitten in der Natur der Mensch einer Hygiene bedarf. Bis hinein in den See sogar. Das bisschen weißer Schaum, der sich wie Watte um die Halme des Schilfs legt, tut nichts zur Sache. Damit können auch die Frösche gut und Chemie im eigenen Horst hat noch keinem Adler geschadet.
In ihrer freien Lebenszeit machen die Menschen den See laut und wir können das Stampfen der Außenbordmotore der wilden, schnittigen Boote spüren, wenn wir, eingecremt mit Nussöl, auf unseren grellroten Luftmatratzen mitten auf dem See treiben und derweil die vielen teuren Autos am Parkplatz vor dem Hotel in der Sonne glitzern. Dann schalten wir den Walkman an und wieder das Hirn ab und genießen den Geruch der unterschiedlichsten Sonnenschutzfaktoren, die aber auch auf der Oberfläche des Sees treiben und den Fischen darunter ölige Aussichten bescheren.
Abends, vor dem großen Aufbruch in die fernen Städte, füttern wir noch schnell die mitgebrachte Brut. Mit Eis und Schokolade, mit all dem schön Verpackten eben. Die Abfallkörbe haben noch freie Ressourcen, ja, und die machen wir auch noch voll, drücken wir auch noch platt. Danach geht's aber los, müde von der Sonne und jeder so schnell wie er kann. Da wird der Parkplatz viel zu klein für soviel gemeinsamen Aufbruch und die ganze innere Ruhe, mühsam gesammelt während des Tages, ist weg. Aber das Fernsehen wartet und der Wind macht jetzt schon alles kühl und die Enten am Steg sind auch schon überfüttert.
Also weg und ab in den bekannten Stau und nichts vergessen.
Das Zurückgebliebene reicht dem See und dem Fichtenwald rundum. Die Aufarbeitung dessen wird Tage dauern, das Aufbereiten für das nächste Wochenende. Ermattet liegt die Postkartenlandschaft um den See und hüllt sich in Schweigen, flüchtet sich in die Nacht, in den nächsten Wochentag.
Ein Sonntag im Garten Eden.
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