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Ira – Die vierte Todsünde
Es war der erste Schultag im neuen Jahr und ich freute mich auf die achte Klasse. Endlich würde ich zu den älteren gehören. Noch während des Weges zur Schule beschlich mich ein unbehagliches Gefühl, als ich an meinen Erzfeind Markus denken musste. Markus war im Ringer- Team, alle Mädchen mochten ihn, er sah gut aus und hackte ständig auf mir rum. Ich war froh, dass ich ihn sechs Wochen, während der Sommerpause, nicht sehen musste. Umso mehr lag mir unsere heutige Begegnung, jetzt schon im Magen. Welche Gemeinheit würde er wieder auf Lager haben, um mich wieder bloß zu stellen.
Ich erinnerte mich ans letzte Schuljahr. Die ganze Klasse war in der Sportstunde, als er sich hinter mich schlich, um mir in einem unbemerkten Augenblick, die Hose herunter zuziehen.
Die ganze Klasse lachte mich aus und ich war in den folgenden Wochen, das Gespött der Schule. Dank diesem fiesen Kerl musste ich durch die Hölle gehen und hatte Rache geschworen.
Mein erster Schultag lief ohne besondere Vorkommnisse ab. Wir hatten sechs Stunden und alle gingen recht schnell vorbei. Als ich mich auf den Weg zur Bushaltestelle machte, sah ich Markus schon von weitem dort stehen. Um ihn herum hatte sich eine Gruppe Schüler gescharrt, die alle mit ihm lachten. Ich vermutete, dass er mal wieder einen Witz über mich losgelassen hat. An der Haltestelle angekommen, wurde ich auch gleich von ihm angemacht.
„Na, wen haben wir denn da?“ fragte er spöttisch. Ich reagierte nicht und flehte innerlich Gott an, der Bus solle endlich kommen und mich aus dieser Situation zu befreien.
„Oh, er ignoriert mich, vielleicht sollte ich ihm eins aufs Maul hauen, dass er mich registriert!“ Alle seine Arschkriecher um ihn herum, fingen an zu lachen. Ich war seine Demütigungen und meine Opferrolle gewohnt und hatte mich innerlich damit abgefunden, doch dass er mir mit Schlägen drohte, war mir neu. Der Bus kam endlich und ich stieg schnell ein. Markus setzte sich mit seiner Bande, gleich hinter mich und sie bewarfen mich dauernd mit Spuckekügelchen. Ich tat einfach so, als würde ich es nicht bemerken und war heilfroh, als meine Haltestelle kam und ich aussteigen konnte.
„Na, wie war dein erster Schultag Benni?“ fragte meine Mama und warf mir ein warmes Lächeln entgegen. Um sie nicht zu enttäuschen lächelte ich zurück und erzählte ihr wie super mein Tag war. Ich hätte weinen können.
Ich war ein absoluter Einzelgänger, hatte keine Freunde und Schwierigkeiten mit anderen in Kontakt zu kommen. Irgendwie fanden mich alle wohl zu uncool, um sich mit mir abzugeben.
Ich aß wie gewöhnlich zu Mittag, machte sorgfältig meine Hausaufgaben und ging anschließend raus zum See spazieren. Wenn schönes Wetter war, traf sich immer das ganze Dorf am See. Die Leute spielten Ball, sonnten sich oder gingen baden.
Doch heute schien es ziemlich ruhig zu sein. Am See angekommen sah ich nur ein rotes Auto, aber keine Leute. Ich hockte mich auf einen Baum und dachte so vor mich hin, als ich plötzlich einen Schrei hörte. Aufgeschrocken, duckte ich mich und sah mich um.
Der See war etwa sieben kilometer vom Dorf entfernt, wenn mir hier was passieren würde, könnte ich keine Hilfe erwarten. Es war immer noch niemand weit und breit zu sehn, doch ich wollte der Sache auf den Grund gehen. Ich kletterte aus meinem sicheren Versteck und schlich durch Gebüsch, wo ich in einiger Entfernung, einen in schwarz gekleideten Mann sehen konnte, der irgendetwas über den Boden schleifte. Der Mann, war auf der anderen Seite des Sees. Sollte es wirklich eine Gefahr geben, so war ich in sicherer Entfernung. Dazu kam, dass er mich im Gebüsch nicht sehen konnte. Ich war aufgeregt. Was ging da nur vor. Ich kam mir etwas wie ein kleiner Detektiv vor, vielleicht verübte der mysteriöse Mann gerade ein Verbrechen und ich wurde Zeuge.
Schließlich robbte ich lautlos noch einige Meter durchs Gebüsch, um bessere Sicht zu haben.
Das Bild, dass sich mir jetzt bot ließ mich vor Angst erstarren. Auf der anderen Seite des Sees, hinter einem Gebüsch lag Markus. Ich erkannte ihn sofort, er hatte noch dieselben Kleider, wie in der Schule an. Sein Mund war mit Isolierband zugeklebt und seine Nase blutete. Seine Jeans war bis zu den Kniekehlen herunter gezogen, so dass sein Hintern entblößt war. Sein Hintern war blutverschmiert und er schien bewusstlos zu sein.
Instinktiv griff ich in meine Tasche, nahm mein Handy und wählte die 110. Was auch immer er mir angetan hat, ich konnte nicht tatenlos bei einem Verbrechen zu sehn. Die Polizei meldete sich und in dem Moment sah ich, wie der Mann wieder kam. Er hatte eine Wollmütze, mit Augenschlitzen über den Kopf gezogen. Er zog seine Hose aus und vergewaltigte Markus wieder. Erst jetzt wurde mir bewusst, dass ich aufgelegt hatte. Ich hatte das Gespräch abgedrückt um bei der Vergewaltigung zu zuschauen. Er missbrauchte ihn fast eine Viertelstunde. Markus zappelte unter dem schweren Körper des Mannes, wie ein Fisch. Er hatte keine Chance. Einerseits machte mir dieser schauerliche Anblick Angst, andererseits empfand ich eine große Genugtuung.
Der Mann zog seine Hose wieder an und nahm ein Messer hervor. Er hielt das Messer Markus direkt vors Gesicht und drohte, wenn er ihn verraten würde, würde er wieder kommen und ihn abschlachten. Markus lag nun reglos da und wimmerte. Der Mann ließ den kleinen, geschundenen Körper blutverschmiert im Dreck liegen. Markus blieb noch etwa eine halbe Stunde dort sitzen und weinte, bis er sich davon machte. Ich sah mir alles an, wollte keinen Augenblick seines Martyriums verpassen. Es war als hätte ich es selbst getan. Ich war nur einige Meter entfernt, als mein Schulkamerad mehrmals missbraucht wurde und fühlte keinerlei Mitleid. Erst als Markus weg war, kam ich aus meinem Versteck und machte mich auf den Heimweg. Das rote Auto stand nicht mehr am See, vermutlich gehörte es dem Maskiertem.
Als ich abends in meinem Bett lag und mir die Bilder wieder und wieder durch den Kopf schossen, wurde mir klar, was ich getan hatte. Ich hatte mich mitschuldig gemacht, aber keiner wusste davon. Es war als fühlte ich so etwas wie Macht, als ich die Vergewaltigung sah.
Es war meine Rache jahrelanger Demütigungen.
Am nächsten morgen auf dem Weg zur Bushaltestelle, sah ich Markus schon vom weitem. Ich sah wie er auf mich zeigte und alle mich ansahen. Als ich ankam, kamen seine üblichen Drohungen, er ließ seine ganze Wut an mir aus und wollte schon auf mich losgehen, als ich sagte: „War doch schön gestern am See Markus, oder?“ Sein Gesicht wurde so bleich, als wäre kein Tropfen Blut mehr darin. Ähm…, ja war ganz cool, hab eben nur Spaß gemacht.“
Alle sahen uns verwundert an. Vor einigen Sekunden wollte er noch auf mich los.
Seit diesem Tag lachte keiner mehr über mich, weil Markus nicht mehr über mich lachte. Wir beide teilten ein dunkles Geheimnis.